MONOPHYSITISMUS UND SPIRITUALITÄT
NACH DEM JOHANNESKOMMENTAR DES PHILOXENUS VON MABBOG
von Andre de Halleux, Leuven (Kurzfassung)
Philoxenus gilt als der vornehmste Vorkämpfer der monophysitischen Propagan¬
da unter den syrischen Schichten der Diözese Oriens in den Jahren zwischen 480
und 520. Dieser in der monophysitischen Christologie führende Theologe ist zu
gleicher Zeit auch einer der größten geistlichen Autoren in syrischer Sprache. Das Studium von möglichen Interferenzen zwischen Monophysitismus und Spiritualität
darf dämm von vornherein seine Person als em vorzügliches Anwendungsfeld be¬
trachten. Tatsächlich sein (im CSCO, Bd. 380-381, neulich erschienener) Kommen¬
tar zum Johannesprolog kann nur den Leser über die große Bedeutung erstaunen,
die den Erwägungen über die religiöse Erkenntnis in solch einem wesentlich dogma¬
tischen Traktat zukommen. Sind diese ethisch-geistlichen Ausfühmngen der christo¬
logischen Substanz der polemischen Beweisfühmng nur künsüich aufgeklebt, oder
offenbaren sie nicht vielmehr eine weseidiafte Verschränkung zwischen der mono¬
physitischen Theologie und einer gewissen Spiritualität?
1. Auf der einen Seite stellt man fest, daß das phUoxenische Ideal des wahren
Mönchs von den platonisch-evagrianischen Voraussetzungen stark beeinflußt ist,
die das religiöse Verstehen dem reinen Intellekt vorbehält. In ihrem vollkommenen
Stadium steht diese geistliche Erkenntnis bzw. „Wahrnehmung" im Gegensatz zu
einem Wissenstyp, worin der einfache Hörer nicht zugleich auch wahrhaft Erken¬
nender ist. In der geistlichen Ordnung hat der Übergang von der Kindheit zum Er¬
wachsenenalter normalerweise zur Voraussetzung, daß der Verstand sich vom Bösen
und vom Irrtum reinigt, die Um hn Gefolge der Sünde Adams verdorben haben, d.h.
er muß über die schlechten Leidenschaften des alten Menschen triumphieren durch
die Beobachtung der Gebote und das Wachstum in den Tugenden.
2. Auf der anderen Seite bekommt bei PhUoxenus der Glaube an das Mysterium
der Fleischwerdung des Wortes in dieser Erkenntnislehre einen ganz zentralen Platz.
Mit Christus entschloß sich Gott, sich den Menschen in seiner ,JGeinheit" zu zei¬
gen, d.h. in der Schwäche der Inkarnation und im Skandalon des Kreuzes. So
braucht die Annahme der neuen Offenbamng eine ontologische Transformation des
Menschen, die durch die Menschwerdung des Wortes selbst gewirkt wird und die
durch die Taufe dem Christen vermittelt wird. Der Getaufte ist aber zunächst nur
der Potenz nach erneuert, und seine neue Wirklichkeit offenbart sich erst, wenn der neue Mensch das VoUalter erreicht hat. So ergibt sich, daß die ,, reine Erkenntnis",
worauf das phüoxenische Ideal der monastischen Spiritualität beruht, als den
Christen kraft Uirer Einpflanzung ,4n Christus" gegeben erscheint. Außerdem be¬
findet sich das erkenntnismäßige Ziel dieses Prozesses als zusammenfallend mit dem
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Mysterium selbst: der Gegenstand der Kontemplation ist nichts anderes als das
eigene Heil durch das fleischgewordene Wort.
3. Es bleibt noch zu prüfen, ob die unleugbar geistliche und monastische Dimen¬
sion der philoxenischen Christologie sich als spezifisch monophysitische dartun
läßt. Um sich von der Sache zu überzeugen hilft es, sich das in Erinnemng zu mfen, was das Herzstück der christologischen Vision des Philoxenus darstellt. Die Fleisch¬
werdung des Wortes besteht in einem wirklichen ,, Werden" Gottes: ein Werden, das gewiß keinerlei Verändemng in die göttliche Unveränderlichkeit hineinbringt, das aber trotzdem nicht weniger personal Gott den Sohn affiziert. Dieses Paradoxon
der Vernunft wird aber von den Gegnern abgelehnt, welche das Werden des Wortes
auf ein einfaches Einwohnen Gottes in einem angenommenen Menschen reduzieren.
So stellt sich hier der Monophysitismus dem Nestorianismus entgegen wie eine
fideistische Theologie einer rationalistischen. Man ist dämm nicht überrascht zu
sehen, daß Philoxenus seine eigene Christologie dem Glauben überhaupt, die nesto¬
rianische aber — ja sogar die chalkedonische Zweinaturenlehre — dem Unglauben
gleichsetzt. Die letztgenannte Wertung entstellt natürlich ganz grob die Absicht ihrer Anhänger. Trotzdem, wenn der Nestorianer die Vereinigung des unendlichen
Gott-Logos mit dem endlichen Menschen zu einem einzigen Sohn Gottes als ein un-
erforschliches Wunder betrachtet, so wird er doch niemals soweit gehen, daß er der göttlichen Person direkt die menschlichen Eigenschaften zu teüt.
4. Zusammenfassend kann man also bei Phüoxenus feststellen: zunächst einmal
das Vorhandensein emes fideistischen Zugangs zum Mysterium und emer intellek-
tualistischen Gnoseologie, dann weiter deren Entfaltung in eine christozentrische
und sakramentale Mystik, und endlich den gmndlegend monophysitischen Charak¬
ter der darin gegebenen Schau der „Ökonomie dem Fleische nach". Auf diese Weise erklärt sich am leichtesten die einzigartige Anziehungskraft, die der Monophysitis¬
mus auf weite Kreise des syrischen Mönchtums ausgeübt hat. Nicht aus einem
blinden Fanatismus heraus war es also, daß zahlreiche monophysitische Mönche
nicht zögerten, in der Verfolgung alles zu opfern,um ein christologisches Bekennt¬
nis zu schützen, das ihrer Meinung nach zu innerst mit dem Sinn ihrer monastischen
Bemfung verknüpft war.
Der vollständige Text des Vortrages ist in der Zeitschrift Theologie und Philoso¬
phie 53 (1978) erschienen.
SEKTION I: ÄGYPTOLOGIE
SEKTIONSLEITER: E. LÜDDECKENS, WÜRZBURG
FREMDFORMEN IM WENAMUN
von Manfred Görg, Bamberg
Schon W. Max Müller hat den Versuch untemommen, die außerhalb der Eigen¬
namen vorfindlichen semitischen Sprachelemente der Erzählung des Wn-Jmn hn
Zusammenhang zu identifizieren*. Von seinen Ableitungen der bis dahin hier erst¬
mals belegten Wörter* haben die Deutung der Gefäß- bzw. Maßbezeichnung wjs§
(1,9; 2,68) in Verbindung mit der semitischen Basis MSH ,,messen"', und - mit
Einschränkungen - die Etymologie der Nomina hbr (1,24; 2,1) in Beziehung auf
die semitische Wurzel HBL „verpflichten" und )nrk (2,12) mit Hilfe von MLK
„König (sein)" Anspmch auf weitere Diskussion. Bei den letztgenannten Aus¬
drücken sei angemerkt, daß sich gegenwärtig eher andere Ableitungen empfehlen,
nämlich für hbr die Verbindung mit der Basis HBR „m (Handels-)Beziehung ste¬
hen"* und für mrk die Verknüpfung mit der Wurzel BRK „grüßen, beschenken"'.
Die jüngste Zitation der Fremdwörter im Wenamun rni Rahmen der Sammlung
asiatischer Fremdwörter im Ägyptischen von W. Helck* läßt den bislang vermute¬
ten Bestand um einige Äquivalente anwachsen, so um das schon in Burchardts
Kollektion' aufgenommene br, das ugar. hebr. br („Schiff) entspricht*, und um
1 OLZ 3 (1900) 207-9.
2 Schon bekannt und gedeutet waren die Wörter ^rr (1,13) = hebr. «^/yÄ, fr (2,68) = hebr. yi, crsn (2,41) = hebr. <:d(!)sym.
3 W. Helck, Die Beziehungen Ägyptens zu Vorderasien im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr., Wiesbaden '1971, 514 (III) stellt fragend eine Beziehung zum atl. Sprachgebrauch mit der Sinngebung „salben" her, m.E. unnötig. Zu MSH I und II vgl. HAL 608.
4 Helck schlägt Beziehungen zu hbl „Verbindung" vor (518,178). Im AT dient jedoch streng¬
genommen nur die Basis HBR zur Bezeichnung einer wirtschaftlichen Verbindung (vgl. HAL 276b).
5 Vgl. B.Couroyer, Orientaha 32 (1963) 170-7; G. Vittmann, GM 15 (1975) 45 f.
6 Helck, Beziehungen, 507 ff.
7 Vgl. M. Burchardt, Die altkanaanäischen Fremdworte und Eigennamen im Ägyptischen, II, Leipzig 1910,19 (348).
8 Helck 511 (56). Neuerdings tritt jedoch J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Mainz 1976, 726 (A. 858) flir ägyptische Abkunft der Schiffsbezeichnung ein. Möglich bleibt aber auch eine Vermutung A. Alts, AfO 15 (1945-51) 70f. nach dem des Ausdmcks
„eigenthche Heimat in einer dritten seefahrenden Bevölkerung der Gestade des östlichen Mittelmeeres, etwa der kretisch-ägäischen Gruppe" zu suchen sei, obgleich eine „Entlehnung von Phönizien nach Ägypten" am nächsten liege.
XX. Deutscher Orientalistentag 1977 In Erlangen