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Olga Grjasnowa: Der Russe ist einer, der Birken liebt - Roman über das Leben in einer Einwanderungsgesellschaft

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Academic year: 2022

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Olga Grjasnowa: „Der Russe ist einer, der Birken liebt“

Ein Roman über das Leben in einer Einwanderungsgesellschaft

Luzia Scheuringer-Hillus, Berlin

Cover der Taschenbuchausgabe

O

lga Grjasnowa beschreibt in ihrem Debütroman aus dem Jahr 2012 Erfahrungen und Nöte ihrer Generation.

Die Protagonistin Mascha Kogan ist jüdisch-russischer Herkunft und 1996 mit ihren Eltern als Elfjährige während des Bürgerkriegs um Bergkarabach aus Aser- baidschan nach Frankfurt am Main geflo- hen. In Deutschland aufgewachsen, hat sie aufgrund ihrer Erfahrungen im Kontakt mit verschiedenen Sprachen und Kulturen ein Interesse am Übersetzen und Vermit- teln entwickelt: Sie beherrscht fünf Spra- chen und steht kurz vor dem Abschluss ihres Studiums der Dolmetscherwissen- schaften. Als ihr Freund nach einem Sportunfall stirbt, kommen jedoch Erinne- rungen an traumatische Erlebnisse aus ihrer Kindheit wieder hoch und stürzen sie in eine Identitäts- und Lebenskrise.

Das Wichtigste auf einen Blick Dauer: 9–12 Stunden + LEK

Kompetenzen:

– persönliche Leseerfahrungen und das eigene Textverständnis formulieren – Aufbau und sprachliche Gestaltung des

Romans analysieren und Sinnzusam- menhänge erfassen

– sich kritisch mit verschiedenen Interpre- tationsansätzen auseinandersetzen – das Textverständnis durch Kenntnisse

und Begriffe der Gattungspoetik stützen – Sekundärtexte in die Interpretation des

Romans einbeziehen

© Deutscher Taschenbuch Verlag 2013.

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den Elias eifersüchtig ist, kehrt jedoch bald zurück. Maschas Beziehung zu Elias wird zudem dadurch belastet, dass Elias mehr über Maschas Vergangenheit erfahren möchte, sie sich jedoch widersetzt. Stattdessen lässt sie sich von seiner Kindheit in Apolda in Thürin- gen berichten. Nach wenigen Tagen verschlechtert sich Elias’ Zustand so sehr, dass er in der Nacht als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert und notoperiert werden muss.

Im zweiten Teil des Romans (S. 99–158) berichtet die Ich-Erzählerin von dem schockieren- den Tod ihres Freundes Elias und die damit verbundene Trauerarbeit. Zwar wird sie von ihrer Mutter unterstützt und ihre Freunde Cem und Sami stehen ihr zur Seite, doch holen Mascha Erinnerungen an ein traumatisches Erlebnis in Baku ein, als während des Bürger- kriegs eine junge Frau in einem blauen Kleid direkt neben ihr gewaltsam zu Tode kam und verblutete. Mascha stürzt in eine tiefe Lebens- und Identitätskrise; dennoch schließt sie ihr Studium erfolgreich ab und verpackt Elias’ Sachen in Kisten. Dann nimmt sie einen Job als Übersetzerin in Israel an, um der Situation in Frankfurt zu entfliehen.

Der dritte Teil des Romans (S. 159–256) spielt in Israel, wo Mascha in Tel Aviv im Auslands- büro einer deutschen Stiftung arbeitet. Allerdings kann sie kaum Hebräisch. Sie besucht mit ihrer Cousine Hannah die Klagemauer in Jerusalem und fährt zu Verwandten, die in einer jüdischen Siedlung im Westjordanland wohnen. In einer Bar lernt sie Ori kennen, mit dem sie sich auf Englisch verständigt und den sie kurzzeitig mit Elias verwechselt und ihn in ihre Wohnung mitnimmt. Bei einem weiteren Treffen mit Ori lernt sie dessen Schwester Tal ken- nen, mit der sie sich ebenfalls anfreundet. Sporadisch nimmt sie Kontakt mit ihren Eltern auf und telefoniert auch mit Sami, der inzwischen wieder in Amerika ist. An Elias’ Todestag erinnert sie sich an seine letzte Nacht und quält sich mit der Frage, ob sie seinen Tod hätte verhindern können. Verstärkt macht sich ihre Posttraumatische Belastungsstörung als Folge der Kriegserlebnisse in Baku bemerkbar: Mascha entwickelt große Ängste und ruft in ihrer Verzweiflung Cem an, der daraufhin nach Israel kommt und versucht, sie zur Rückkehr nach Frankfurt zu bewegen. Doch inzwischen weiß Mascha, dass sie ihren Zustand durch Medi- kamente einigermaßen in den Griff bekommt. Bei einem Anruf von Sami erfährt sie, dass er und Cem sie bei einer UN-Prüfung für russische Übersetzer in Wien angemeldet haben.

Nach einem unerfreulichen Arbeitsauftrag (sie muss die junge Geliebte des neuen deut- schen Vorgesetzten nach Jerusalem begleiten) gibt sie ihre Zusage.

Im vierten und letzten Teil des Romans (S. 257–284) befindet sich Mascha in den Palästi- nensischen Gebieten im Westjordanland und lernt dort einige arabische Bewohner kennen, insbesondere Ismael, der sie an Elias erinnert. Da sie ihre Medikamente vergessen hat, kann sie die Symptome ihrer Posttraumatischen Belastungsstörung nicht kontrollieren. Doch Ismael steht ihr zur Seite und nimmt sie bei sich auf. Sie begleitet ihn, einen Fotografen, zu einer Hochzeitsfeier. Dort spitzt sich ihre Krise zu, nachdem sie für die Hochzeit zurechtge- macht worden ist und sich zufällig im Spiegel in einem blauen Kleid sieht. Sie verlässt die Feier, läuft nasenblutend durch die Straßen, verfolgt von ihren traumatischen Kindheitserin- nerungen aus Baku. In ihrer Not ruft sie Sami an und bittet ihn um Hilfe. Der Roman endet damit, dass Mascha sich vorstellt, im Abendlicht neben Elias zu gehen.

Der offene Schluss zwingt den Leser dazu, sich mit dessen Bedeutung auseinanderzusetzen.

Maschas kritischer Zustand hat einen Höhepunkt erreicht, der entweder zu einem versöhn - lichen Wendepunkt oder aber zu einem tragischen Ende führen kann.

Aufbau und sprachliche Besonderheiten

Die vier Teile des Romans sind in kurze Kapitel untergliedert, in denen die Ich-Erzählerin jeweils episodenartig ihre Lebensgeschichte erzählt. Die erzählte Handlung beginnt mit dem Tag des Sportunfalls ihres Freundes Elias und endet ungefähr eineinhalb Jahre später mit dem Höhe-, End- oder Wendepunkt ihrer Lebenskrise. Zahlreiche Rückblenden durch- brechen den chronologischen Verlauf und erlauben einen Einblick in Maschas Kindheit, die

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Materialübersicht

Phase 1 Annäherungen an den Roman

M 1 (Ab) „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ – Bilder und Assoziationen M 1 (Fo) „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ – Bilder und Assoziationen M 2 (Ab) Der Anfang des Romans – das erste Kapitel erschließen

Phase 2 Systematische Erschließung des Romans

M 3 (Ab) Mascha – persönliche Erfahrungen, politische Entwicklungen M 4 (Ab) Liebe, Freundschaft, Konflikte – Maschas Beziehungen M 5 (Tx) Elias’ Tod – Maschas Trauer

M 6 (Ab) Ist Sprache Macht? – Textpassagen im Vergleich M 7 (Ab) Prosainterpretation – Gliederung und Ausarbeitung M 8 (Tx) Sehnsucht nach einem Zuhause – Heimat und Ich-Gefühl M 9 (Ab) Literarisches Unterrichtsgespräch – Ziele und Ablauf

Phase 3 Einbettung des Romans in den literarischen Kontext M 10 (Ab) „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ – ein Gesellschafts-, Zeit-,

Entwicklungs- oder Liebesroman?

M 11 (Ab) Die „neue Weltliteratur“ – transnational und postethnisch M 12 (Tx) Rezensieren – den Roman kritisch beurteilen

Lernerfolgskontrolle

LEK (Tx) „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ – Textinterpretation

Abkürzungen:Ab = Arbeitsblatt; Fo = Folie; Tx = Text

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M 1

„Der Russe ist einer, der Birken liebt“ – Bilder und Assoziationen

Die Bilder zeigen Orte und Ereignisse, die im Leben der Hauptfigur Mascha Kogan in Olga Grjasnowas Roman eine wichtige Rolle spielen.

Bild 1 Bild 2

Bild 3 Bild 4

Bild 5 Bild 6

Aufgaben

1. Betrachten Sie die Fotos und notieren Sie stichpunktartig und ohne Unterbrechung Ihrer Schreibbewegung die Gedanken und Gefühle, die Ihnen in den Sinn kommen.

2. Konzentrieren Sie sich auf den Titel des Romans und notieren Sie ihre Assoziationen.

3. Notieren Sie Vermutungen, welche Erfahrungen im Roman thematisiert werden.

Zusatzaufgabe

Erläutern Sie, inwieweit die Methode „Écriture automatique“ (ununterbrochene

© Bilder 1, 3, 5: thinkstock/iStock; Bild 2: Rainer Unkel/SZ Photo; Bild 4: SZ Photo; Bild 6: Regina Schmeken/SZ Photo

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Zu 3.: Mögliche Themenschwerpunkte im Roman: Großstadtleben, Krieg, Vertreibung; Aus- grenzung, Armut, Einsamkeit des Einzelnen; Fremdheitsgefühl, Heimatgefühl. (Im Hinblick auf den Romantitel zudem: nationale Identität und Klischeevorstellungen bzw. Zuschreibun- gen aufgrund nationaler Zugehörigkeit).

Zur Zusatzaufgabe: Die Methode „Écriture automatique“ wird in der Regel positiv aufge- nommen, da die ununterbrochene Schreibbewegung den Gedankenfluss befördert. Ein- wände beziehen sich darauf, dass das Geschriebene aufgrund der Kritzeleien eventuell schwer lesbar ist.

Erwartungshorizont (M 2)

Gruppe 1 1.: Raumgestaltung: Ort des Geschehens ist eine Großstadt, das Wohnge- biet befindet sich in der Nähe des Bahnhofs, das Wohnhaus in einer Straße mit Straßen- bahn, chinesischer Wäscherei, Gemüseverkäufern und Obsthändlern; die heruntergekom- mene Wohnung ist vermutlich klein, mit einem Zimmer und Balkon zur Straßenseite. ➝Auf der Skizze sollten das Wohnviertel und die Lage der Wohnung veranschaulicht werden.

2. Mögliche Hypothesen: Im Roman geht es um das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in einer Großstadt in einem billigen Wohngebiet. Das Neben- einander von Außen- und Innenraum macht deutlich, wie sehr die Figuren von beiden Lebensformen, dem privaten und dem öffentlichen Bereich, geprägt sind. Die genaue Wahr- nehmung der Außenwelt durch die Ich-Erzählerin könnte darauf hinweisen, dass ihr Gemütszustand davon beeinflusst wird. Der Kontrast von Großstadt (Ruhelosigkeit, stän- dige Aktivitäten von Menschen, Verkehr) und Wohnung (Geborgenheit in der Zweisamkeit) könnte auch eine symbolische Komponente enthalten.

Gruppe 2 1.: Zeitgestaltung: Die Erzählzeit ist kürzer als die erzählte Zeit (vom Aufwa- chen bis zum Aufbruch einer Figur nach dem Frühstück). Bei der zeitlichen Gestaltung wer- den alle Möglichkeiten ausgeschöpft: Zeitraffung, Zeitdeckung, Zeitdehnung sowie Rück- blenden und Vorausdeutungen: Aufwachen der Ich-Erzählerin (Zeitdehnung, Rückblende bzw. Bezug auf den gewöhnlichen Tagesbeginn); Umarmung mit Elias (Zeitraffung); zeitli- che Leerstelle (Zeitraffung); Bezug auf den Vortag (Rückblende) und auf die Bedeutung des Tages im Verlauf des ganzen Jahres („heißester Tag“, Vorausdeutung); Ich-Erzählerin beob- achtet Elias und denkt über ihn nach (Zeitdehnung, Bezug auf vergangene Erlebnisse, d. h.

Rückblende); kurzer Dialog (Zeitdeckung); Anspielung auf das missglückte gestrige Abend- essen (Zeitdehnung, Rückblende); Dialog (Zeitdeckung), der in einer Konfliktsituation endet, die die Ich-Erzählerin kommentiert (Zeitdehnung, Rückblende); kurze Umarmung und anschließender Dialog (Zeitdeckung) mit Verweis auf die Großmutter (Rückblende); Verab- schiedung (Zeitraffung, Rückblende) und Beginn der Lernens (Zeitraffung).

2. Mögliche Hypothesen: Der Wechsel von Zeitraffung, Zeitdeckung und Zeitdehnung ver- deutlicht die Einstellung der Ich-Erzählerin: Unwichtiges wird ausgelassen oder nur knapp erzählt, Wichtiges wird ausführlich kommentiert und Gespräche werden wortwörtlich wie- dergegeben. Die Vergangenheit ist aufgrund der zahlreichen Rückblenden ständig mit der Gegenwart verwoben, hat somit Auswirkungen. Aufgrund der Vorausdeutung „heißester Tag“ wird schon darauf hingewiesen, dass dieser Tag für das Leben der Protagonistin eine besondere Bedeutung haben wird.

Gruppe 3 1.: Figurengestaltung: Die (für den Leser noch) namenlose Ich-Erzählerin charakterisiert sich selbst vor allem indirekt, und zwar ihr Verhalten (genaue Beobachterin ihrer Umgebung, angriffslustige Bemerkungen, S. 9–11; systematisches Lernen, Angst vor Unfällen, S. 12–13), ihre Einstellung zu bestimmten Wörtern (fantasievoller Umgang, aber auch aggressive Gefühle aufgrund von Reizwörtern) und ihre Lebensumstände, nicht aber

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Liebe, Freundschaft, Konflikte – Maschas Beziehungen

Im ersten Teil des Romans thematisiert die Ich-Erzählerin Mascha Kogan Begegnungen mit verschiedenen Menschen. In einem arbeitsteiligen Verfahren erschließen Sie die Beziehun- gen Maschas zu fünf anderen Figuren des Romans.

Arbeitsteilige Erschließung der Beziehungen Maschas

❏Gruppe 1: Mascha – Elias (z. B. S. 10–13, 21 f., 28–30, 41–43, 80, 87–91, 94 f., 96)

❏Gruppe 2: Mascha – Sami (S. 60–62, 66–68, 70–73, 85–87)

❏Gruppe 3: Mascha – Cem (S. 56–60, 66–68)

❏Gruppe 4: Mascha – Daniel (S. 62–66)

❏Gruppe 5: Mascha – Sibel (S. 80–83)

Vorgehensweise bei der Arbeit in Teams

• Tauschen Sie sich über Ihre Beobachtungen hinsichtlich der Beziehung der beiden Figuren aus.

• Lesen Sie (ggf. arbeitsteilig) die angegebenen Seiten.

• Erarbeiten Sie gemeinsam Ihre Präsentation, die folgendermaßen aufgebaut sein soll:

1. Stellen Sie Maschas Bezugsperson in Form einer Kurzcharakteristik vor.

2. Suchen Sie eine Passage im Roman, in der die Beziehung der beiden Figuren deutlich wird. Stellen Sie diese Szene in einem Standbild nach. Bringen Sie dabei das Verhältnis der Figuren zueinander durch Gestik, Mimik und Körper- haltung zum Ausdruck.

3. Erklären Sie das Besondere dieser Beziehung.

Gehen Sie dabei auf folgende Aspekte ein:

– Kennzeichen der Beziehung

– Gefühle der beiden Figuren füreinander

– Bedeutung früherer Erfahrungen für die aktuelle Beziehung

– vermutliche künftige Entwicklung dieser Beziehung, mögliches Konfliktpotenzial

Aufgaben

1. Erarbeiten Sie in Ihrer Gruppe Maschas Beziehung zu der von Ihnen gewählten Figur (siehe oben).

2. Präsentieren Sie Ihr Gruppenergebnis. Gehen Sie abschließend auf Einwände oder Fragen Ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler ein.

Zusatzaufgabe

Diskutieren Sie, wie wichtig die jeweilige Beziehung für Maschas Entwicklung ist.

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M 7

Prosainterpretation – Gliederung und Ausarbeitung

Die folgenden Hinweise unterstützen Sie bei der Planung und Ausarbeitung einer schrift - lichen Interpretation eines erzählenden Textes.

Einleitung: Hinführung zum Roman, Einführung in die Thematik

Geben Sie Informationen zum Roman (Verfasser/in, Titel, Textsorte, Erscheinungsjahr, Thema).

Ergänzen Sie die Hinweise zu Autorin und Werk, indem Sie Ihr Kontextwissen einbringen (wei-

 tere Veröffentlichungen, Preise, Biografisches).

Stellen Sie den vorgegebenen Textauszug vor und betten Sie ihn in den Roman ein.

Formulieren Sie den Schwerpunkt Ihrer Auseinandersetzung mit dem Textauszug in Form einer

 Deutungshypothese.

➔ Die Einleitung stellt den Roman, die Autorin und das Thema des Textauszugs vor, knüpft an die Aufgabenstellung an und verdeutlicht den Schwerpunkt der Interpretation.

Hauptteil: Systematisches Erschließen des Textes

Stellen Sie den Inhalt des Erzähltextes strukturiert dar: Gliedern Sie den Text in Erzähl- oder

 Sinneinheiten.

Erschließen Sie die Darstellung der Figuren und ihre Beziehung zueinander und ermitteln Sie

 die Funktion und Bedeutung dieser Darstellung.

Ermitteln Sie die Bedeutung des dargestellten Raums für das Geschehen.

Gehen Sie auf den Erzähler und seinen Umgang mit Erzähler- und Figurenrede ein.

Ermitteln Sie die zeitliche Darstellung und ihre Bedeutung für das Erzählte.

Gehen Sie auf die sprachliche Gestaltung und ihre Bedeutung ein: Besonderheiten im Bereich

 der Wortwahl, Syntax, rhetorische Stilmittel.

Beachten Sie den Dreischritt bei der Erschließung eines Aspekts: Befund (Feststellung), Beleg

 (Textbezug, Textbeleg), Bedeutung (Interpretation des festgestellten Befunds).

Benennen Sie auffällige Textmerkmale fachsprachlich genau, zitieren Sie wichtige Textbelege

 oder verweisen Sie auf entsprechende Seiten/Zeilen (vgl. S. … / vgl. Z. …) und erläutern Sie mögliche Funktionen des festgestellten Textmerkmals.

Verknüpfen Sie die einzelnen Aspekte Ihres Aufsatzes inhaltlich und sprachlich durch passende

 Überleitungen.

➔ Der Hauptteil umfasst die differenzierte Auseinandersetzung mit dem Text: Sie belegen dabei Ihr Textverständnis und beweisen Ihre Analyse- und Interpretationskompetenz.

Schluss: Bewertung der Positionen des Verfassers und eigene Stellungnahme Fassen Sie Ihre Ergebnisse zusammen: Machen Sie deutlich, welche Bedeutung der Textauszug

 hat, ggf. auch mit Bezug auf den ganzen Roman.

Ergänzen Sie die bisherigen Überlegungen ggf. durch weiteres Kontextwissen, z. B. weiterfüh-

 rende Bemerkungen zum Roman.

Formulieren Sie Ihre abschließende Deutung, an die Sie weiterführende Gedanken anschließen

 können, z. B. Ihre Beurteilung des Romanauszugs bzw. Romans.

Der Schlussteil enthält eine abschließende Deutung und rundet die Ausführungen ab. Sie ver- deutlichen das Ergebnis Ihrer Interpretation und beurteilen ggf. den Roman(auszug).

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Sehnsucht nach einem Zuhause – Heimat und Ich-Gefühl

Mascha wurde in Aserbaidschan als Tochter eines russischen Vaters und einer jüdischen Mutter geboren. Mit elf Jahren kam sie als Flüchtling nach Deutschland und erhielt einen deutschen Pass. Nach ihrem Studium lebt und arbeitet sie in Israel. Untersuchen Sie Maschas Selbstbild – die folgenden Textauszüge unterstützen Sie dabei!

Text 1 Auszug aus einer aktuellen literaturwissenschaftlichen Studie Herkunft und Zukunft sind Teil unseres Selbstbildes, Teil unserer Selbstverwirklichung.

Das Ich erhebt sich aus der Spannung zwischen dem, was zurückliegt, und einer imagi- nierten Nachzeit. Da ist zum einen die Herkunft eines Menschen, seine Abstammung, Kultur und Nationalität: Sie ist ein wesentlicher Faktor der Ich-Konstitution, sie bestimmt die Entwicklung des Ich. Sie prägt unsere Erfahrungen und beeinflusst unser Erleben;

dadurch reicht die Herkunft in die Gegenwart hinein und weist über diese hinaus. Sie bestimmt unsere Zukunft, sowohl unsere Träume und Visionen als auch die Aussichten, sie zu realisieren.

Aus: Sascha Löwenstein: Wider die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“. Europas Flüchtlingsdrama in der Gegenwartslitera- tur. Blickwinkel, Kontexte und Hintergründe. Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin 2015. S. 151 f.

Text 2 Textauszüge aus dem Roman „Der Russe ist einer, der Birken liebt“

1

Wenn ich mit meiner Mutter telefonierte, überkam mich manchmal die Sehnsucht nach einem Zuhause, ohne dass ich es hätte lokalisieren kön- nen. Wonach ich mich sehnte, war ein vertrauter Ort. Eigentlich hielt ich nichts von vertrauten Orten – der Begriff Heimat implizierte für mich stets den Pogrom. Wonach ich mich sehnte, waren vertraute Menschen, nur war der eine tot, und die anderen ertrug ich nicht mehr. Weil sie lebten.

(S. 202 f.)

2

Als ich im Taxi durch Tel Aviv fuhr und im Radio laute orientalische Musik kam und der Fahrer mit einer Hand den Wagen lenkte und mit der ande- ren den Takt schlug, fühlte ich mich zu Hause. Es war ein längst vergesse- nes Zuhause, ein Mosaik aus der Landschaft, der Temperatur, der Musik, den Gerüchen und dem Meer. Ich bat den Fahrer, entlang des Strandes und durch das ärmere südlichere Tel Aviv zu fahren, bis ich merkte, dass ich zu Hause mit Orten assoziierte, die mich an Baku erinnerten.

(S. 252 f.)

3

Während wir durch die Landschaft fuhren, durch arabische Dörfer, israe- lische Siedlungen und Berge, sah ich aus dem Fenster. Wir hörten Musik:

Mashrou Leila. Ich betrank mich an der Musik und der Schönheit der Landschaft, und ich dachte, dass die ersten Zionisten, die nach Palästina gekommen waren, zur Zeit des ersten britischen Mandates, auch von der Schönheit der Landschaft betrunken gewesen sein müssen. Ismael zün- dete sich eine Zigarette an. Israel oder Palästina, mir war es egal. Ich hatte genug. (S. 274)

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Erläuterung (M 9)

Stundenverlauf – Der Schluss des Romans: ein Happy End? Literarisches Unterrichtsgespräch

Zu Beginn der Stunde setzen sich die Schülerinnen und Schüler und die Lehrperson in einen Stuhlkreis. Der Gesprächsleiter, in der Regel die Lehrperson, eröffnet das Literarische Unterrichtsgespräch, erläutert den Ablauf und den Gesprächsrahmen (M 9).

Nach dieser Einführung erfolgt die Textbegegnung: Einzelne Schülerinnen und Schüler lesen den Text gestaltet vor (szenisches Vorlesen mit Berücksichtigung der Dialogform oder Vorlesen in Sinneinheiten, siehe Hinweise zur möglichen Aufteilung unten).

Die erste Gesprächsrunde kann mit dem Impuls „Welche Textstelle hat Sie besonders angesprochen oder irritiert?“ eröffnet werden, um allen die Teilnahme am Gespräch zu ermöglichen. In der zweiten Gesprächsrunde geht es um das bisherige Verständnis des Romanendes, mögliche Deutungsansätze bzw. die damit verbundenen Schwierigkei- ten. Diese Gesprächsphase sollte auch dazu genutzt werden, strittige Deutungsansätze zu reflektieren bzw. ihre Plausibilität zu hinterfragen. In der dritten Gesprächsrunde haben alle Gelegenheit, ihr persönliches Resümee zu äußern.

Den Abschlussbilden eine Zusammenfassung der Deutungsmöglichkeiten des Textes und die Reflexion der Gesprächserfahrungen (Methode und Art der Umsetzung).

Hinweise zum gestalteten Vorlesen – Sinneinheiten im letzten Kapitel

Das letzte Kapitel des Romans (S. 277–284) lässt sich in folgende Sinneinheiten gliedern, die für eine Aufteilung des gestalteten Vorlesens genutzt werden können:

(1)Dialog Mascha – Ismael (S. 277 f.); (2)Begrüßung der Frauen, Maschas Vorbereitung auf die Hochzeitsfeierlichkeit und Dialog Mascha – Haifa (S. 278–280); (3) Maschas Flucht auf die Straße und ihre Erinnerungen an ihre traumatischen Erlebnisse in Baku als Sechsjährige; erinnerter Dialog Großmutter – Abbas (S. 280–283); (4) Maschas Suche nach Ismaels Auto, ihr Anruf bei Sami, der Dialog Elias – Mascha (S. 283 f.)

Literarisches Unterrichtsgespräch – Hinweise zur Methode

Die hier vorgeschlagene Vorgehensweise ist an das Heidelberger Modell des Literarischen Unterrichtsgesprächs angelehnt, das auf Gerhard Härle zurückgeht. Weitere Informationen zu dieser Methode von Marcus Steinbrenner und Maja Wiprächtiger-Geppert sind unter dem Titel „Verstehen und Nicht-Verstehen im Gespräch. Das Heidelberger Modell des Lite- rarischen Unterrichtsgesprächs“ leicht im Internet zugänglich unter:

http://www.leseforum.ch/myUploadData/files/2010_3_steinbrenner_wipraechtiger.pdf Das Ende des Romans – mögliche Deutungsansätze

Der offene Schluss ermöglicht unterschiedliche Interpretationen. Er kann zum einen als ver- söhnlich gedeutet werden: Mascha stellt sich die Begegnung mit Elias und seine positive Zuwendung vor; sie empfindet keine Angst mehr, sondern geht mit ihm gemeinsam und stellt somit eine innere Harmonie her; das Nasenbluten bedeutet keine existenzielle Bedrohung.

Dieser Interpretationsansatz impliziert auch die Lesart, dass Mascha in Wirklichkeit von Ismael gefunden wird, er mit ihr spricht, doch Mascha in ihrer Gedankenwelt bleibt und das gegenwärtige Geschehen auf ihre Beziehung zu Elias überträgt. Der Schluss kann anderer- seits aber auch als Todeserfahrung oder zumindest als Nahtoderfahrung gedeutet werden:

Mascha verliert so viel Blut, dass sie ohnmächtig wird und stirbt; im Tod ist sie mit Elias ver- eint, sie können ihre Beziehung im Jenseits fortführen; Maschas Gedankenstrom während des Sterbens bildet dann den Inhalt des Romans, der somit die Vorgeschichte des tragischen

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