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Zu Süra 101, 6.
Von A. Fischer.
In meinem Aufsatze „Eine Qorän-Interpolation", in der Fest¬
schrift für Nöldeke S. 33ff. , habe ich zu beweisen gesucht, daß
O, . . i£. > . . . o = , c, , iE.
der Qoran-Vers: üj^LSJ ä-«Ls »J^.ßy o-ic» LcSj (Sura 101, 6)
im Munde des Propheten den Sinn gehabt habe: „Und wessen
Wagschale leicht ist , dessen Mutter wird kinderlos (d. b. der
geht zu Grunde)", und daß die Deutung von iu^Lp auf die
Hölle, wie sie bereits in den beiden Schlußversen der Süra:
. cE
iCjyoLs» jLi A ä.aS' Lo Uj v vorliegt, erst künstlich in ihn
hineingetragen worden sei. Meine dortige Argumentation möchte
ich bier nocb durch den Hinweis darauf stützen, daß die musli¬
mischen Qorän-Exegeten , und zwar z. T. bereits die ältesten unter
ihnen, den Begriff „Hölle" auch sonst gewaltsam in den Qorän
hineininterpretiert haben, offenbar weil ihre religiöse Phantasie, zu
unfruchtbar um sich andere Vorstellungen zu schaffen, immer wieder
mit Vorliebe bei dem Bilde der üngläubigen in der Verdammnis
(wie andrerseits der Gläubigen im Paradiese) verweilte. Man vgl.
o o .
in dieser Beziebung , wie sich die Qoran - Kommentare zu
Süra 2, 73 (^jJyij (^.<^}^ CjU^üf ^^^.I^Kj (^-xli j^ji . . . .
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1) In der Ausg. der Druckfehler AI-* (sie!).
372 FUcher, Zu Süra 101, 6.
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Ij-:^ e>-.;J\.j sL^-w jÜjlI. JojJI Jol> ^yi u. a. Diese Exegese
hat natürlich ihren Nachhall auch in den Lexicis ; vgl. Gauhari s.
1 , tl ) im.»
1) Vgl. Süra 14, 19: iAjiXas tU ^y ^^Jt.«»-:» ,> *;> «jt^» ^y.
2) Ausg. ^J. 3) Ausg. \_ÄAft.i;.
4} Ausg.
Fischer, Zu Süra 101, 6. 373
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: JLjJ. »jj <z>^j\ y ,Uf=- i5 o!j J^^! ^Lmj ^ t-lLe. JLs
»■^i. ^y «I^Ü; Lisän aLSarab s. Jo^ (XIV, fll, 6—9. 22 f.):
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j o!^ Jo^i ,v*Lo «Ii! JLs JLs i^tXäl Axju«
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s. Jo^: LjJ yLj* yj' jt (**f=" j '^las* yliXcs ä-jy- (s. aucb
Täg al-3arüs s. Joj)- Hier bat also eine ganze Scbar alter, ja
ältester Traditionarier und Qorän-Exegeten, darunter selbst ein Mann
wie TabarT, den man docb nicbt leicbt für einen Scbwacbkopf
o -
taxieren wird, ein so bekanntes Wort wie Jo^, dem außerhalb des
Qoräns und der frommen Überlieferung keiner unter ibnen einen
andern Sinn gegeben baben würde als „Webe", obne viel Um¬
schweife auf eine Ortlichkeit in der HöUe gedeutet : auf einen Fluß
oder eine Zisterne aus einer Art Eiter der den Verdammten ent¬
strömt, einen Brunnen, ein Tal, einen Berg, eine Abteilung der
Hölle u. ä.; ja, man hat sicb nicht gescheut, diese Deutungen
z. T. dem Propheten selbst in den Mund zu legen. Wie hätte man
da mit dem seltenen xj^Lö» in Süra 101, mit dem man nicbts an¬
zufangen wußte, viel Umstände machen sollen ?
Tatsächlicb sind wir bereebtigt den ältesten Muslimln, bei
ibrem absoluten Mangel an Schulung in literarischen Dingen, in
Sachen der Qorän-Auslegung jede Dummheit zuzutrauen. Ist sich
docb offenbar der Propbet über allerlei Stellen in seinen Offen¬
barungen selbst begrifflich nicbt völlig klar gewesen! —
Völlers (der im übrigen meiner Erklärung von Süra 101, 6—8
beistimmt) verweist mich auf einer Postkarte auf Wellhausen's
deutschen Uäqidl („Muhammed in Medina'), S. 85 unt., wo W. die
1) Vgl. Süra 74, 17.
2) lXj^Xas , s. dazu die Qorän-Kommentare und die Lexilia.
374 Fischer, Zu Süra 101, 6.
Wendung iujLjJ? übersetzt: ,(Omar .... bat ihm
den Kopf abschlagen zn dürfen,) damit er zu seiner Mntter, dem
Nichts, heimkehre", wozu er die Anm. gibt: ,vgl. lob 1, 21.
Ps. 9, 18 und zu iü^L^! (Sur. 101, 6) vielleicht mn". Aber ju^L^Jl heißt nirgends ,das Nichts", nnd irtr hat etymologisch mit äj^UJt
(Süra 101,6 heißt es nur äj^L^ !) nichts zu tun ; auch wäre der
Gedanke, daß der Mensch aus dem Nichts hervorgegangen sei und
mit seinem Tode in das Nichts zurückkehre, nicht muslimisch,
sondem heidnisch. Ich erkläre die Wendung wie die engverwandten
-£ - c -: -t . , .1 ' ..
iüjLjJl i^jLtlj OÄ*, ÄJjL^t J! *J J>^, Jl »-? 'U**'->
, * - - ^ ü - - ^ c.
jüjl.^t n. ä., die ich a. a. 0. S. 42 f. behandelt habe.
375
Erwiderung auf S. 243 (evSi^klay/utvoc).
Von G. Jahn.
Herr Prof. Nestle wirft sicb mit einem großen Aufwand von
Citaten auf einen nebensächlichen Pnnkt. Es kam mir darauf an zu
beweisen, daß König für den coUectiven Gebrauch des Singulars sich
auf Stellen beruft, wo der collective Sing, nicht ursprünglich ist. Ich führe dafür 1 Reg. 14, 21 an, wo LXX (öwdtöftof) sicher "iCj3 statt
cn];, also kein Collectivum, gelesen hat. Ferner 1 Reg. 22, 47, eine
Stelle, die in einem offenbaren Nachtrag steht (47—50), wie sie denn
im Cod. Vat. fehlt. Hier steht der Singular länp ebenso falsch wie
14, 21, und diese Parallele, zusammen mit 15, 12, wo in ganz der¬
selben Verbindnng wie 22, 47 der Plural O'licnp steht, genügt, um
den Singular als nicbt ursprünglich zu erweisen, quod erat demon¬
strandum. Nun versuche ich aucb das seltsame evöirjUayfievog des
Cod. AI. zu erklären. Hier setzt Nestle ein und will beweisen, daß
Aquila durch dies seltsame Wort ian]; ausdrückt. Er citirt dafür
die Erklärung des evSitjll. von Hieronymus, der es durch „mutatns"
übersetzt, »quod suam naturam mutaverint et de viris facti sint
feminae'. Aber daß diese Worterklärung, zu der das praefigirte
cv nicht paßt, wie viele andere der Alten, unrichtig ist, gebt daraus
bervor, daß auch die rriip , für welche das Wort doch zuerst ge¬
prägt ist, svdirjUc:yij,svrj heißt (vgl. die von Nestle gegebenen Beläge),
bei welcher von einer natura mutata keine Rede sein kann. Es
scheint, daß man den Ausdruck ncip als Blasphemie vermeiden
woUte und statt desselben niTCp (die mit einem verbundene) las.
Diese Annabme gewinnt nicht nur durch avvösCfiog (LXX zu
1 Reg. 14, 21) Halt, sondem aueh durch die Übersetzung eines aXlog
zu 22,47, welche Nestle anführt: tcov ovfinloKmv , nach dessen
klarem Sinn, in Verbindung mit avvöeCfiog, der weniger klare Sinn
von efSirjUayiicvog zu bestimmen sein dürfte. Dieser aklog, für
dessen Citirung ich Nestle dankbar bin, hat C'nirp gelesen, also den
Plural , welcher für meine Beweisführung König gegenüber der
einzige Punkt von Wichtigkeit ist.
Zu meiner Erklärung des Wortes ivSirjllayfiivog und zu vor¬
stehender Erwiderung habe ich nichts hinzuzufügen als den Hinweis
auf Rom. 1, 26 (firnji^c^cv) und Sap. Sal. 14, 26, wo der Zu¬
sammenhang ipviäv (luiOfiog. yivißiag iv alXayrj , yd^v ectasia,
^loiXBia, äaslyeia die Erklärung des Hieronymus voll bestätigt: „wider¬
natürlicher Geschlechtsverkehr' übersetzte schon Siegfried; „stumme
Sünden' Luther. Nestle.