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In memoriam

FEDERICO MEDEM '' 29.August 1912

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1. Mai 1984

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Es ist zu hoffen, daß aus den kurzen Abrissen, vom V erstorbenen überlegen, aber doch auch überlegend hingeworfen - alles aus einer in wärmster Erinne- rung bleibenden Freundschaft im allerletzten Lebensabschnitt - hier ein Bild zustandekommt, das FEDERICO MEDEM würdig wird. Seine baltische Abstam- mung mit all ihrer Vitalität und Lebensfreude strahlte jedenfalls bis in die späten Tage durch, obwohl er seit Jahrzehnten in seiner südamerikanischen Wahlhei- mat eine integrierte und hochrespektierte Persönlichkeit geworden war. Gebo- ren in Riga als FRIEDRICH Reichsgraf von MEDEM aus dem Hause REMTEN, hat er die Erwähnung seines Adels stets von sich gewiesen; er ist, wenn sich soetwas sagen läßt, als Mensch über ihn hinausgewachsen. Bereits in MEDEM's jungen Jahren war im Osteuropa der damaligen Zeit seine Familie vielfach exponiert, bis zur Flucht nach Deutschland. Er studierte in Riga, dann in Berlin, weiter in Tübingen, wobei ihn die Fächer Zoologie, Geologie, Paläontologie, Anthropo- logie und auch Geschichte faszinierten. Mit seiner Dissertation über chemische Fortpflanzungskontakte bei Mollusken, durchgeführt in Tübingen und in der Meeresbiologischen Station Neapel, wurde er bei MAX HARTMANN 1942 in Ber- lin promoviert. Seine Herkunft und Denkweise waren im damaligen Deutsch- land mit ein Grund, daß er an die schlimmsten Brennpunkte des Krieges einge- zogen wurde; seelisch hat ihm dies immer vor Augen gestanden, körperlich wurde er durch einen Rückenschuß schwerstens verletzt und kam nur wie durch ein Wunder und nach einer Odyssee lebend zurück. 1946 konnte er im Max Planck Institut in Hechingen wieder anfangen, 1948 wurde er Instruktur am Zoologischen Institut in Bern.

Alles in Europa durchgemachte und der in ihm noch wache Drang des Natur- forschers begeisterten ihn für ein Angebot aus den schon immer verlockenden Tropen, nämlich ging er im Juni 1950 als Professor für Zoologie an die neu gegründete Universidad de Los Andes in Bogota. Von Herbst 1950 bis Ende 1951 arbeitete er schon einmal am Instituto de Biologia Tropical Roberta Fran- co, baute von dort die Feldstation Jose Jeronimo Triana in der Serrania de Ja Macarena, einer hochinteressanten Gebirgsgegend auf; sie wurde aber wenige Jahre später im Bürgerkrieg, der „Violencia" ausgeraubt und zerstört. 1953 lud die Guggenheim Foundation MEDEM nach USA ein, für das Thema der Biologie der Krokodile. 1955 schloß er mit der Universidad Nacional in Bogota einen Forschungsvertrag, 1962 bis 1966 arbeitete er für seine Projekte in Cartagena an der kolumbianischen Karibikküste. Dann wurde er Direktor des Instituto Ro- berta Franco und 1977 auch zum Ordentlichen Professor an der U niversidad N acional ernannt.

Als Zoologe hatte MEDEM schon in Europa seine Schwerpunkte bei den Kro- kodilen und Schildkröten gesehen. Kein Wunder, daß er schon als Student die Verbindung mit ROBERT MERTENS geknüpft hatte, eine Freundschaft, die eben auch auf der Basis der Herkunft und geistiger Interessen bis zu MERTENS' Tod 1975 währte. Praktische Kenntnisse in der Tierhaltung hatte sich MEDEM in jun- gen Jahren durch Arbeit am Berliner Zoo erworben; er baute dies zum Zwecke persönlicher Beobachtung in der Anlage seines Institutes aus. In Kolumbien griff er schon damals die Sache des Artenschutzes auf, und zwar so engagiert, daß er

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bei der Arbeit in der Species Survival Commission der IUCN und beim WWF Vizepräsident im dortigen Bereich wurde. Für Kongresse und andere Projekte kam er nach den USA, in die Schweiz, nach Papua, Indien, Costa Rica nebst vielen anderen Stationen; die FAO lud ihn zum Aufbau einer kommerziellen Krokodilfarm nach Botswana ein. Acht namhafte wissenschaftliche Gesellschaf- ten zeichneten ihn mit Ehrungen aus.

1958 erwarb MEDEM die kolumbianische Staatsbürgerschaft, obwohl auch in Südamerika die Existenz für den leidenschaftlichen Naturforscher oft äußerst wechselvoll war. Das „Äußere" im Leben hat ihm aber nichts genommen: er blieb der durch Bildung und Herzlichkeit beeindruckende Gastgeber, der unter- nehmende Feldarbeiter und der Intellektuelle zugleich; selten bei Menschen lau- fen solche Charakterzüge parallel bis ins Alter. 1962 heiratete er FLOR ANGELA CORTES; 1965 wurde ihre Tochter DrNA MARIA geboren. Die Wände seines Hauses, der Institutswohnung, sprechen Bände zur Zoologie und zur Anthropo- logie. In den letzten Jahren interessierte er sich wieder für Literatur und Geschichte, soweit es seine Augen zuließen.

Ein Phänomen war für alle seine Freunde und besonders für seine Ärzte, wie er, mal mit energischer Kraft, mal mit lächelnder Selbstverständlichkeit über den Gebrechen seines Körpers stand, die gravierend waren. Mich mutet es abgründig an, daß ich ihm künstliche Tränenflüssigkeit, augenklinisch notwendig, mit- brachte; damals ahnte ich noch nichts von seinem baldigen Tod. Er setzte mit großer Disziplin seine wissenschaftlichen Arbeiten fort; ein makabrer Nebensatz im Brief blieb die einzige Auskunft über seinen Zustand. Seine Memoiren wären nun wirklich von vielseitigem Interesse, ein Erfolg geworden: Er hat sich aber stets geweigert, sie zu schreiben. Von einer Verewigung nicht abhängig zu sein - damit stellte er sich erneut über sein irdisches Dasein. Ich kenne viele, die FRED MEDEM nachtrauern.

W. SACHSSE/Mainz

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