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Substantielle Komplexität der Arbeit als zentrale Dimension der Jobstruktur

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© F. Enke Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg. 16, Heft 5, Oktober 1987, S. 334-352

Substantielle Komplexität der Arbeit als zentrale Dimension der Jobstruktur

Hans Benninghaus

Technische Universität Berlin, Institut für Soziologie, Dovestraße 1, D-1000 Berlin 10

Z u s a m m e n f a s s u n g : Der vorliegende Forschungsbericht befaßt sich mit der Frage, welchen Beitrag verschiedene Dimensionen beruflicher Tätigkeit, insbesondere die substantielle Komplexität der Arbeit, zur Vorhersage verschiede­

ner Zufriedenheits-, Persönlichkeits- und Befindensvariablen leisten. Auf der Basis von Querschnittdaten einer Befragtenstichprobe von 499 männlichen Beschäftigten (Arbeitern, Angestellten und Beamten) des öffentlichen Dienstes werden mit Hilfe multipler linearer Regressionsanalysen die Zufriedenheit mit der Arbeit, die Zufriedenheit mit dem Job, das Selbstwert- und Kompetenzgefühl, die Depressivität und psychosomatische Beschwerden sowie das physische und psychische Befinden der Beschäftigten mit den Tätigkeitsmerkmalen (Jobdimensionen) Aufgabenviel­

falt oder „Skill Variety“, Entscheidungsspielraum oder „Decision Latitude“, psychische Jobanforderungen oder „Job Stressors/Job Demands“ und Umgang mit anderen Personen oder „Interaction“ vorhergesagt. Dabei erweist sich die Dimension Aufgabenvielfalt oder „Skill Variety“ als der mit Abstand beste Prädiktor sämtlicher Kriteriumsvariablen.

Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, daß die Dimension Aufgabenvielfalt oder „Skill Variety“ eine wichtigere Rolle in der Jobstruktur spielt, als ihr weithin zugemessen wird; sie unterstützen die Feststellung Kohns und Schoolers (1982 : 1265), daß „die substantielle Komplexität der Arbeit das A und O der ganzen Jobstruktur“ ist.

Vor zwanzig Jahren publizierte Arthur Kornhau­

ser (1965) die Ergebnisse seiner zehn Jahre früher begonnenen Untersuchung über die geistige Ge­

sundheit nordamerikanischer Industriearbeiter (aus Detroit). Kornhauser benutzte den Begriff

„mental health“, mit dem er positive geistige Ge­

sundheit, nicht geistige Krankheit bezeichnete, mangels eines besseren Ausdrucks „as a designa­

tion for the overall level of effectiveness and satis­

faction with which an individual carries on his psychological and social functioning as a person“

(1965 : 38). Kornhausers zentrale Frage war, „how men’s work relates to their psychological well­

being“ (1965 : 61) bzw. „what characteristics of work and employment relations are most respon­

sible for the mental health effects revealed in our assessments“ (1965 : 90).

Diese Frage nach den Auswirkungen bestimmter Charakteristika (insbesondere funktional speziali­

sierter) beruflicher Tätigkeit auf die Persönlichkeit und das Wohlbefinden des arbeitenden Menschen ist keineswegs neu; sie beschäftigte schon Adam Smith (1776), Alexis de Tocqueville (1840) und Karl Marx (1844).

Wie seinen 1844 in Paris verfaßten ökonomisch­

philosophischen Manuskripten zu entnehmen ist, besteht nach Marx die „Entäußerung der Arbeit“

darin, „daß die Arbeit dem Arbeiter äußerlich ist, d. h. nicht zu seinem Wesen gehört, daß er sich daher in seiner Arbeit nicht bejaht, sondern ver­

neint, nicht wohl, sondern unglücklich fühlt, keine freie physische und geistige Energie entwickelt.

sondern seine Physis abkasteit und seinen Geist ruiniert. Der Arbeiter fühlt sich daher erst außer der Arbeit bei sich und in der Arbeit außer sich.

Zu Hause ist er, wenn er nicht arbeitet, und wenn er arbeitet, ist er nicht zu Hause. Seine Arbeit ist daher nicht freiwillig, sondern gezwungen, Zwangsarbeit. Sie ist daher nicht die Befriedigung eines Bedürfnisses, sondern sie ist nur ein Mittel, um Bedürfnisse außer ihr zu befriedigen“ (Marx 1962 : 564).

Schon vier Jahre früher (1840) hatte Tocqueville in seinem Buch „Über die Demokratie in Amerika“

geschrieben: „Ein Arbeiter, der sich ständig und ausschließlich mit der Fabrikation desselben Ge­

genstandes beschäftigt, erlangt am Ende eine au­

ßerordentliche Geschicklichkeit für diese Arbeit, verliert aber zugleich die allgemeine Fähigkeit, sich geistig mit seiner Arbeit auseinanderzusetzen.

Er wird täglich geschickter, aber weniger erfinde­

risch, und man kann sagen, daß der Mensch in ihm verkümmert, je stärker er sich als Arbeiter vervoll­

kommnet“ (Tocqueville 1956 : 156).

Noch klarer äußerte sich der schottische National­

ökonom und Moralphilosoph Adam Smith in sei­

nem 1776 erschienenen Hauptwerk „Der Reich­

tum der Nationen“ : „Je weiter die Teilung der Arbeit fortschreitet, um so mehr kommt es endlich dahin, daß die Beschäftigung des größten Teils derer, die von ihrer Arbeit leben, d. h. der Masse, auf einige wenige sehr einfache Verrichtungen, oft nur auf eine oder zwei, beschränkt wird. Nun wird aber der Verstand der meisten Menschen allein

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durch ihre gewöhnlichen Beschäftigungen gebil­

det. Ein Mensch, der sein ganzes Leben damit hinbringt, ein paar einfache Operationen zu voll­

ziehen, deren Erfolg vielleicht immer derselbe oder wenigstens ein ziemlich ähnlicher ist, hat keine Gelegenheit, seinen Verstand zu üben oder seine Erfindungskraft anzustrengen, um Hilfsmit­

tel gegen Schwierigkeiten aufzusuchen, die ihm niemals begegnen. Er verliert also natürlich die Fähigkeit zu solchen Übungen und wird am Ende so unwissend und dumm, als es nur immer ein menschliches Wesen werden kann. Die Verknö­

cherung seines Geistes macht ihn nicht nur unfä­

hig, an einer vernünftigen Unterhaltung teilzuneh­

men oder sie auch nur zu genießen, sondern sie läßt es auch in ihm zu keinem freien, edlen oder zarten Gefühle mehr kommen und erlaubt ihm selbst nicht, die alltäglichen Pflichten des Privatle­

bens richtig zu beurteilen. Über die großen und umfassenden Interessen seines Landes weiß er sich gar kein Urteil zu bilden . . .“ (Adam Smith 1924 : 379).

Anders als seine Vorläufer ging Kornhauser die Frage nach den persönlichkeitsprägenden Effekten beruflicher Arbeit mit den Mitteln der empirischen Sozialforschung an, indem er Intensivinterviews mit einigen hundert (N = 407) Fabrikarbeitern Detroits auswertete. Was seine „bahnbrechende Untersuchung“ (Marie Jahoda 1983 : 75) beson­

ders auszeichnet, ist zum einen die Vielfalt der erfaßten Variablen, die als Indikatoren des (multi­

dimensionalen) Konstrukts „mental health“ be­

trachtet werden können (bei Kornhauser sechs

„component variables“: anxiety, self-esteem, hos­

tility, sociability, life satisfaction, personal mo­

rale), zum anderen die Vielzahl der erfaßten Va­

riablen, die als Komponenten des (ebenfalls multi­

dimensionalen) Konstrukts „job design“ gelten können (bei Kornhauser neun „job-level charac­

teristics“: job security, physical conditions of job, pay as such, use of abilities, repetitiveness and machine pacing, speed and intensity of work, so­

cial conditions (supervision, coworkers, company), job status and advancement opportunities, in­

come). Des weiteren ist an Kornhausers Untersu­

chung die Validierung eines Teils der Messungen durch Psychiater und klinische Psychologen, die sorgfältige Analyse des Untersuchungsmaterials und die behutsame Interpretation der Ergebnisse hervorzuheben.

Entsprechend der weitreichenden Forschurigsfrage bieten Kornhausers Untersuchungsergebnisse ein facettenreiches Bild, aus dem allerdings eines weit

herausragt: Je mehr die Arbeit die Chance bot, eigene Fähigkeiten anzuwenden, desto besser war die geistige Gesundheit der Arbeiter. Keines der von Kornhauser berücksichtigten Tätigkeitsmerk­

male erwies sich als so erklärungskräftig wie die Möglichkeit des Gebrauchs und der Entwicklung eigener Fähigkeiten: „Decidedly the strongest in­

fluence is exerted by workers’ feeling that the job does or does not give them a chance to use their abilities. This, and the closely linked perception of the job as interesting or not, exhibit stronger rela­

tionships to mental health than do any of the variables analyzed“ (1965 : 129). Dagegen hatten beispielsweise - unvermutet - Variablen wie Repe- titivität, Maschinentakt, Geschwindigkeit und In­

tensität der Arbeit einer, sehr geringen Erklärungs­

wert: „Such variables account in only small measu­

re for occupational differences of mental health“

(1965 : 129).

Kornhausers Interpretation der identifizierten en­

gen Beziehung zwischen der Möglichkeit des Ein­

satzes eigener Fähigkeiten und der geistigen Ge­

sundheit könnte auch von Marx, Tocqueville oder Adam Smith stammen: „Everything considered, the most plausible interpretation, we believe, would view nonuse of abilities as causing lowered self-esteem, discouragement, futility, and feelings of failure and inferiority in contrast to a sense of personal growth and self-fulfillment resulting from more varied, responsible, challenging undertak­

ings that afford opportunity to develop and use one’s ideas and skills“ (1965 : 129).

Angesichts der Eindeutigkeit dieses Ergebnisses und seiner Interpretation, die die Aussagen der Klassiker in auffälliger Weise parallelisiert, ist er­

staunlich. wie wenig Beachtung die als zentral erkannte Dimension „opportunity to develop and use one’s ideas and skills“ in der Jobstruktur- Forschung gefunden hat. Zwar ist festzustellen, daß die beiden prominentesten (universell e rsetz­

baren) Instrumente zur Erfassung perzipierter Tä­

tigkeitsmerkmale, das Job Diagnostic Survey (JDS) von Hackman und Oldham (1975) und das Job Characteristic Inventory (JCI) von Sims et al.

(1976), drei bzw. fünf Items zur Messung der Di­

mension „skill variety“ (JDS) bzw. „variety“ (JCI) enthalten; die aus ihnen konstruierten Skalen zie­

len jedoch eher darauf ab, die Anzahl und die Verschiedenheit der Kenntnisse und Fertigkeiten zu messen, die der Job erfordert, als die Anwen­

dungsmöglichkeiten der Fähigkeiten zu erfassen, über die der Jobinhaber verfügt, oder gar, wie O ’Brien (1982) vorschlägt, den Grad der Überein-

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Stimmung zwischen erforderlichen und verfügba­

ren Qualifikationen zu messen. Nach Adam Smith wäre aber nicht nur nach der Anzahl und Verschie­

denheit jobrelevanter Qualifikationen zu fragen, sondern auch danach, in welchem Maße die Arbeit Gelegenheit bietet, „seinen Verstand zu üben“

(also Lernpotentiale enthält) „oder seine Erfin­

dungskraft anzustrengen“ (also innovative Impulse gibt), „um Hilfsmittel gegen Schwierigkeiten auf­

zusuchen“ (also zur Lösung von Problemen an­

regt) - kurzum: in welchem Maße die Arbeit kom­

plex, stimulierend, kreativ und herausfordernd ist.

Die Autoren des Job Characteristic Inventory wei­

sen ausdrücklich darauf hin, daß die mit ihrem Instrument gemessenen sechs Dimensionen (näm­

lich: variety, autonomy, feedback, dealing with others, task identity, friendship opportunities) kei­

neswegs eine erschöpfende Liste von Aspekten bildeten, die für alle beruflichen Tätigkeiten wich­

tig oder charakteristisch seien. Vielmehr betonen sie, daß „certain job characteristics not studied in this paper - such as task complexity, task responsi­

bility, task challenge - may be salient aspects of many jobs in other organizations. Such additional job characteristics deserve the attention of re­

searchers in order that this field of study may continue to develop“ (Sims et al. 1976 : 210). Mit anderen Worten: Die Messung der Varietät schließt keine Messung der Komplexität und der Herausforderung ein (wenngleich eine enge Bezie­

hung zwischen diesen Dimensionen anzunehmen ist).

Beim Job Diagnostic Survey ist einzuräumen, daß zwei der drei Items, mit denen die Dimension

„skill variety“ gemessen wird (die übrigen Dimen­

sionen sind: task identity, task significance, auton­

omy, feedback), eine gewisse Verwandtschaft zur Kornhauserschen Dimension „use of abilities“ ha­

ben; die Items lauten: „How much variety is there in your job? That is, to what extent does the job require you to do many different things at work, using a variety of your skills and talents?“ und

„The job requires me to use a number of complex or high-level skills“ (Hackman und Oldham 1974).

Hiermit dürfte eine partielle Überlappung mit der Kornhauserschen Dimension hergestellt sein.

Nachteilig ist jedoch, daß beim JDS lediglich drei Items zur Messung der einzelnen Jobdimensionen verwendet werden, was häufig niedrige Reliabilitä­

ten zur Folge hat.

Eine größere Nähe zu Kornhausers Dimension

„use of abilities“ haben die Dimensionen „skill- utilization“ von O’Brien (1980, 1982) und „sub­

stantive complexity of work“ von Kohn und Schoo­

ler (1982, 1983), sowohl auf der konzeptuellen wie auf der operationalen Ebene. Zwar bleibt O’Brien (1982) mit seiner Operationalisierung hinter seiner Definition der Dimension „skill-utilization“ zurück - er definiert sie anspruchsvoll als „the degree of match between job requirements and the skills possessed by the job incumbent“ (1982 : 221) und mißt sie bescheiden mit vier Items: „Skill-utiliza­

tion items asked respondents . . . about opportuni­

ties for learning new jobs, working in the way they thought best, using abilities, and using training and experience“ (1982 : 224) - ; nichtsdestoweniger ist seine Messung als akzeptabel und sein Forschungs­

ergebnis als höchst bedeutsam anzusehen: Bei multiplen Regressionsanalysen, die auf Befra­

gungsdaten eines repräsentativen Samples australi­

scher Beschäftigter (aus Adelaide) angewendet wurden und bei denen die fünf Jobdimensionen

„skill-utilization“, „influence“, „pressure“, „varie­

ty“ und „interaction“ als Prädiktoren der Jobzu­

friedenheit fungierten, zeigte sich, daß „skill-utili­

zation was the strongest predictor of job satisfac­

tion“ (1982 : 219).

Die überzeugendsten Belege dafür, „that substan­

tive complexity of work is of central importance to the relationship of job and personality“

(1983 : 100) stammen von Melvin Kohn (1980) und Kohn und Schooler (1982, 1983). Kohn und Schooler definieren die Dimension „substantielle Komplexität der Arbeit“ als „the degree to which performance of the work requires thought and independent judgment“ (1982 : 1261) und messen sie mit detaillierten Interviewfragen nach dem be­

ruflichen (durch die Arbeit bedingten und ermög­

lichten) Umgang mit Dingen, Daten und Men­

schen. Von den vielen Dimensionen der Persön­

lichkeit, die Kohn und Schooler in ihren Untersu­

chungen erfassen, erwies sich insbesondere die geistige Beweglichkeit („intellectual flexibility“) bzw. die Beweglichkeit der Vorstellung („ideation­

al flexibility“) als empfindlich für die substantielle Komplexität der Arbeit. Auf der Basis von Daten, die im Abstand von zehn Jahren erhoben wurden (durch wiederholte Befragung eines repräsentati­

ven Samples zivilberuflich erwerbstätiger Männer der USA), stellen Kohn und Schooler fest, „that the effect of substantive complexity on ideational flexibility is real and remarkably strong“

(1983 : 99). „Our longitudinal analysis repeatedly demonstrates the importance for personality of occupational self-direction - especially the sub­

stantive complexity of work“ (1982 : 1281). „Idea­

tional flexibility is increased by job conditions that

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facilitate intellectual alertness, with substantive complexity having the strongest effect of any proxi­

mate condition of work. The main job determinant of self-directedness, too, is substantive complexi­

ty“ (1982 : 1278).

Die Längsschnittdaten unterstützen überdies die Generalisierungshypothese, nach der die in der Arbeitssituation erlernten Denk- und Verhaltens­

muster auf andere Situationen übertragen werden:

„There is a direct translation of the lessons of the job to outside-the-job realities . . . Thus, men who do complex work come to exercise their intellectu­

al prowess not only on the job but also in their non- occupational lives. They become more open to new experience. They come to value self-direction more highly. They even come to engage in more intellectually demanding leisure-time activities. In short, the lessons of work are directly carried over to nonoccupational realms“ (Kohn 1980 : 204).

Die deutsche Forschungsliteratur kennt keine Un­

tersuchungen dieses Typs. Mangels geeigneter Längsschnittdaten liegen auch keine Erkenntnisse darüber vor, wie sich die Struktur gewisser Jobs (welcher?) qua Veränderung relevanter Tätigkeits­

merkmale (Jobdimensionen) im Zeitablauf ent­

wickelt und wie die Beschäftigten auf die Verände­

rung bestimmter Tätigkeitsmerkmale (welcher?) reagieren.

Was die Vereinigten Staaten betrifft, so liefern die in den Jahren 1969, 1973 und 1977 durchgeführten Quality of Employment Surveys des Institute for Social Research der University of Michigan eine beträchtliche Evidenz dafür, daß „workers prefer jobs that engage their best skills and abilities. The three surveys suggest a decline in the extent to which jobs provide the opportunity for full use of skills. This pattern of decline applies to future as well as current opportunities“ (Quinn und Staines

1979 : 300).

In den Vereinigten Staaten nahm von 1973 bis 1977 der Anteil der Beschäftigten, die aufgrund ihrer Erfahrung und Ausbildung über Fertigkeiten ver­

fügten, die sie in ihrem Beschäftigungsverhältnis nicht anwenden konnten, signifikant von 27 auf 36 Prozent zu. Eine denkbare Ursache dieser „under­

utilization of skills“ ist die „overeducation“: Be­

schäftigte, die feststellen, daß das Niveau ihrer formalen Ausbildung oberhalb der Qualifikations­

anforderungen ihres Jobs liegt, verfügen mögli­

cherweise eher über Fertigkeiten, die sie gerne ausüben möchten, aber nicht ausüben können. Es könnte also sein, daß mit einer Zunahme der

„overeducation“ eine Zunahme der „underutiliza­

tion of skills“ einhergeht.

Dies trifft jedoch auf die USA nicht zu. Von 1969 bis 1977 gab es keine Zunahme des Anteils der Beschäftigten, die eine höhere formale Ausbildung hatten, als sie ihre Jobs erforderten (Quinn und Staines 1979 : 300). Demnach wäre die Ursache des Anstiegs der perzipierten Unter(aus)nutzung eigener Fertigkeiten und Qualifikationen nicht im Bereich der formalen Ausbildung, sondern im Be­

reich der beruflichen Tätigkeit zu suchen. Hier liegt die Vermutung nahe, daß die von den Be­

schäftigten empfundene Unter(aus)nutzung ihrer Qualifikationen von einer Abnahme der substan­

tiellen Komplexität der Arbeit (von einer Verein­

fachung der Arbeit bzw. von einer zunehmenden funktionalen Spezialisierung der Jobs) herrührt.

Die Überprüfung dieser Annahme und die Beant­

wortung der oben aufgeworfenen Fragen setzen longitudinale Daten voraus. Über solche Daten verfügen wir (noch) nicht.

Der vorliegende Forschungsbericht basiert auf Da­

ten einer Querschnittuntersuchung, bei der eine Reihe von Tätigkeitsmerkmalen (Jobdimensionen) und eine Reihe von Zufriedenheits-, Persönlich- keits- und Befindensvariablen erfaßt wurden, und zwar bei männlichen Beschäftigten des öffentli­

chen Dienstes (Arbeitern, Angestellten und Be­

amten). Die gegebene Datenlage erlaubt zwar kei­

ne Überprüfung von Kausalhypothesen, wohl aber die Beantwortung der Frage, welchen relativen Beitrag die gemessenen Tätigkeitsmerkmale zur Vorhersage der gemessenen Zufriedenheits-, Per- sönlichkeits- und Befindensvariablen leisten.

Bei den Tätigkeitsmerkmalen, die aufgrund voran­

gegangener Jobstrukturanalysen identifiziert wur­

den (Benninghaus 1978b, 1981), handelt es sich um die Dimensionen Aufgaben Vielfalt, Entschei­

dungsspielraum, psychische Jobanforderungen und Umgang mit anderen Personen. Im Vorder­

grund des Interesses steht die Dimension Aufga­

benvielfalt. Am Wortlaut der Items, mit der sie gemessen wurde, läßt sich ablesen (siehe unten), daß sie eine große Ähnlichkeit mit Konzeptionen und Operationalisierungen hat, die oben erwähnt wurden, wobei die Nähe zu den Konstrukten „use of abilities“ (Kornhauser), „skill-utilization“

(O’Brien) und „substantive complexity of work“

(Kohn und Schooler) größer ist als die Nähe zu den Konstrukten „skill variety“ (Hackman und Old­

ham) und „variety“ (Sims, Szilagyi und Keller).

Die übrigen Tätigkeitsmerkmale (Entscheidungs­

spielraum, psychische Jobanforderungen und Um-

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gang mit anderen Personen) haben einen 'engen Bezug zu Konzeptualisierungen, wie sie vor allem in Forschungsarbeiten von Turner und Lawrence (1965), Hackman und Lawler (1971), Hackman und Oldham (1975), Sims et al. (1976), Quinn (1977), Quinn und Staines (1979) und Karasek (1978, 1979) formuliert wurden. Auch hier gilt, daß die gemessenen Dimensionen weniger durch ihre Bezeichnungen als durch den Inhalt der Items, auf denen die Skalen beruhen (siehe unten), defi­

niert sind.

Was die abhängigen Variablen betrifft, so begnügt sich der vorliegende Forschungsbericht nicht mit der Vorhersage einer einzigen Variablen, wie das bei O’Brien mit der Vorhersage der Jobzufrieden­

heit geschieht; vielmehr werden zehn Kriteriums­

variablen spezifiziert, nämlich die auf je zweifache Weise gemessene Zufriedenheit mit der Arbeit und mit dem Job, das auf zweifache Weise gemes­

sene Selbstwert- und Kompetenzgefühl, die De­

pressivität und psychosomatische Beschwerden so­

wie das physische und psychische Befinden. Diese Variablen werden nicht, wie bei Kornhauser, zu gewissen „composite indexes“ und zu einem „over­

all mental health index“ verknüpft; vielmehr wird jede der zehn Variablen mit den vier Tätigkeits­

merkmalen separat vorhergesagt. Auf diese Weise kann ermittelt werden, welches relative Gewicht } die einzelnen Tätigkeitsmerkmale als Prädiktoren der „job outcome measures“ haben, und es kann festgestellt werden, ob es übereinstimmende oder voneinander abweichende Muster der Beziehung zwischen den Tätigkeitsmerkmalen und den Zu- friedenheits-, Persönlichkeits- und Befindensvaria­

blen gibt.

Auswahl und Datenerhebung

In der Absicht, möglichst viele verschiedene beruf­

liche Tätigkeiten zu erfassen, die - aus erhebungs­

ökonomischen Gründen - möglichst innerhalb ei­

ner großen Arbeitsorganisation vorfindlich sein sollten, wurden die Bediensteten der Verwaltung einer westdeutschen Großstadt als geeignete Be- fragtenpopulation ausersehen. Nach Auffassung leitender Mitarbeiter des Personalamtes konnte davon ausgegangen werden, daß die in den ver­

schiedenen Dienststellen der Stadtverwaltung aus­

geübten Tätigkeiten (Jobs) im Hinblick auf die Komplexität der Arbeit, die erwartete Qualifika­

tion und die erforderliche Lernzeit ziemlich hete­

rogen waren.

Mit Zustimmung des Arbeitgebers und des Ge- samtpersonalrates, später auch mit Unterstützung der Dienststellenleiter und der örtlichen Personal­

vertreter wurde eine Stichprobe realisiert, die die männlichen Beschäftigten aus 15 Dienststellen1 re­

präsentieren sollte. Die für die Befragung zufalls­

gesteuert ausgewählten und schriftlich über den ausschließlich wissenschaftlichen Charakter der Untersuchung informierten Männer fanden sich gruppenweise während der normalen Arbeitszeit in geeigneten Räumen ihrer Dienststellen ein, um dort in - zurückhaltender - Gegenwart der Sozial­

forscher, die die Erhebung organisierten und leite­

ten, einen 33seitigen Fragebogen („Merkmale und Auswirkungen beruflicher Tätigkeit 1980“) auszu­

füllen (durchschnittliche Bearbeitungszeit: 51 Mi­

nuten). Die erlangten Daten entstammen folglich einer schriftlichen Befragung in einer sog. „class­

room Situation“.

Nach Abschluß der Erhebung (im Herbst 1980) lagen 499 komplette Fragebögen vor, ausgefüllt von 116 Arbeitern, 230 Angestellten und 153 Be­

amten. Die befragten Männer waren zwischen 18 und 63 und im Durchschnitt 41 Jahre alt, seit 280 Monaten berufstätig, seit 165 Monaten im öffentli­

chen Dienst beschäftigt und seit 123 Monaten an ihrer „jetzigen Arbeitsstelle“ tätig; ihre „derzeitige Tätigkeit“ übten sie seit 105 Monaten aus, und ihre wöchentliche Arbeitszeit betrug 43 Stunden.1 2

Erhebungsinstrumente und Variablen

Tätigkeitsmerkmale. Die vorliegende Untersu­

chung stützt sich ausschließlich auf Befragungsda­

ten. Diese Daten stammen von den Beschäftigten selber, nicht etwa auch von Kollegen, Vorgesetz­

ten oder teilnehmenden Beobachtern (Forschern), die zusätzliche Informationen über die Befragten

1 Für die Befragung waren folgende 15 Dienststellen ausgewählt worden: Hauptamt, Statistisches Amt, Vermessungs- und Katasteramt, Rechts- und Versiche­

rungsamt, Amt für öffentliche Ordnung, Amt für Feu­

erschutz (Berufsfeuerwehr), Amt für Kulturelle Ange­

legenheiten (Bühnenamt), Jugendamt, Amt für Kran­

kenanstalten, Hochbauamt, Amt für Stadtentwässe­

rung, Hafenamt sowie drei Bezirksverwaltungsstellen.

2 Die wichtigste Voraussetzung einer Fortführung dieses 1980 begonnenen und als Längsschnittuntersuchung konzipierten DFG-Projekts ist erfüllt, da sich 99 Pro­

zent der anonym Befragten durch Preisgabe ihrer Pri­

vatanschrift zur Teilnahme an einer Wiederholungsbe­

fragung „in etwa fünf Jahren“ bereit erklären.

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und ihre Arbeitssituation beigesteuert hätten. Die Tätigkeitsmerkmale, wie sie per Fragebogen ge­

messen wurden, sind demnach die vom Befragten wahrgenommenen Tätigkeitsmerkmale. In Anleh­

nung an den angelsächsischen Sprachgebrauch („perceived job characteristics“, „perceived task attributes“) kann man sie deshalb als perzipierte Tätigkeitsmerkmale bezeichnen.3

Die vier Dimensionen Aufgabenvielfalt, Entschei­

dungsspielraum, psychische Jobanforderungen und Umgang mit anderen Personen wurden mit insgesamt 25 Items (Fragen und Statements) ge­

messen, die teilweise dem Job Diagnostic Survey (JDS) von Hackman und Oldham (1974, 1975), dem Job Characteristic Inventory (JCI) von Sims et al. (1976), den Quality of Employment Surveys des Institute for Social Research (ISR) der Univer­

sity of Michigan, Ann Arbor (Quinn et al. 1975;

Quinn 1977; Quinn und Staines 1979) sowie ein­

schlägigen Instrumenten des Instituts für Sozialfor­

schung der Universität Stockholm (Vuksanovic 1979) entlehnt wurden.

Als Elemente verschiedener Skalen wiesen die Items gewisse Formatunterschiede auf, die darin bestanden, daß sie in Kombination mit zum Teil 7stufigen Ratingskalen und zum Teil 4stufigen Re­

aktionskategorien präsentiert wurden, von denen einige an den Enden und in der Mitte mit ganzen Sätzen beschriftet waren (Beispiel: „Welches Maß an Selbstbestimmung (Autonomie) weist Ihre Tä­

tigkeit auf? Das heißt, in welchem Maße können Sie selber bestimmen, wie und wann Sie Ihre Ar­

beit erledigen?“ - „In sehr geringem Maße; ich habe so gut wie keine Möglichkeit, selber zu be­

stimmen, wie und wann ich meine Arbeit erledige (1)“ - „In mittlerem Maße; viele Dinge sind festge­

legt, aber einige Entscheidungen kann ich selber treffen (4)“ - „In sehr hohem Maße; ich kann fast ohne Einschränkung selber darüber entscheiden,

3 Die Bezeichnung „perzipierte Tätigkeitsmerkmale“

(„perceived task characteristics“) ist nicht besonders glücklich, da sie den Eindruck suggeriert, als gäbe es auf der einen Seite „perceptual assessments of the job incumbents“, d.h. Messungen, die prinzipiell wahr­

nehmungsverzerrt seien, und auf der anderen Seite

„objective assessments of task characteristics“, d.h.

Messungen, die prinzipiell verzerrungsfrei seien. So plausibel die Annahme ist, „that individuals may re­

spond differentially to the same stimulus (e.g., task characteristic) depending on factors such as back­

ground, experience, expectations, or mood“ (O’Reilly et al. 1980 : 129), so vernünftig ist es, diese Annahme nicht nur hinsichtlich der Jobinhaber zu hegen.

wie und wann ich meine Arbeit erledige (7)“), während andere (beispielsweise in Verbindung mit dem Item „Meine Tätigkeit ist sehr einfach“) von

„nein, stimmt nicht (1)“ über „teils, teils (4)“ bis

„ja, stimmt genau (7)“ beziehungsweise (etwa in Verbindung mit dem Item „In welchem Maße er­

fordert Ihre Tätigkeit, sehr schnell zu arbeiten?“) von „in hohem Maße (4)“ über „in mittlerem Maße (3)“ und „in geringem Maße (2)“ bis „über­

haupt nicht (1)“ reichten.

Im Fragebogen waren die Items zur Messung der Tätigkeitsmerkmale nicht etwa in der Weise pla­

ziert worden, daß konzeptuell zusammengehörige Items unbedingt aufeinander folgten; vielmehr wa­

ren sie miteinander und mit anderen Items ver­

mischt und über mehrere Seiten des Fragebogens verstreut worden. Trotz der Formatunterschiede der Items, trotz ihrer Vermischung und trotz ihrer Verteilung auf etliche Fragebogenseiten ergab eine Faktorenanalyse mit VARIMAX-Rotation eine enge Korrespondenz zwischen den theoretisch konzipierten Skalen und den empirisch gewonne­

nen Faktoren; aus Tab. 1 geht hervor, daß die Items ziemlich hoch und ohne nennenswerte Streu­

ladungen auf den a priori spezifizierten vier Fakto­

ren laden, was darauf hindeutet, daß ihnen ge­

meinsame Dimensionen zugrunde liegen. Auf­

grund dieses eindeutigen Ergebnisses der Dimen­

sionsanalyse wurden vier ungewichtete additive Skalen gebildet, nämlich (siehe Tab. 1 und 2):

Aufgabenvielfalt oder „Skill Variety (SKIVAR)“, gebildet aus 10 Items. Die mittlere Interitem-Kor­

relation (r) betrug .41 und die Alpha-Reliabilität (a) der Skala .86,

Entscheidungsspielraum oder „Decision Latitude (DECISI)“, 6 Items, r=.44, cx=.80,

Jobanforderungen (psychische) oder „Job Stres- sors/Job Demands (STRESS)“ , 6 Items, r=.43, a=.82, und

Umgang mit anderen Personen oder „Interaction (INTACT)“, 3 Items, r=.64, a=.84.

Wie die Alpha-Werte (ä=.83) zeigen, ist die inter­

ne Konsistenz der Tätigkeitsmerkmale (Skalen) befriedigend hoch, wie andererseits ihre Interkor­

relation befriedigend niedrig ist (Tab. 3): Die höchste Korrelation zwischen den vier Skalen ist r=.32, die niedrigste r=-.04; die mittlere Interska- len-Korrelation (r) beträgt .20. Insbesondere im Hinblick auf die spätere Verwendung der Tätig­

keitsmerkmale als Prädiktoren in multiplen Re­

gressionsanalysen zur Vorhersage der Kriteriums­

variablen ist ihre relativ niedrige Interkorrelation

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340 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 16, Heft 5, Oktober 1987, S. 334-352

Tabelle 1 Faktorenanalyse der perzipierten Tätigkeitsmerkmale. Faktorladungen der VARIMAX-rotierten Lösung (N = 475).

Skala Item Faktor

II III IV Die Tätigkeit erfordert (1-6, 17-20, 23) und erlaubt (7), setzt voraus (8), ist (9, 21,22), ist gekennzeichnet durch (10), weist auf (11), gibt (12), erlaubt (13-16), bietet (24), bringt mit sich (25). . .

SKIVAR 1. . gründliche Fachkenntnisse 232 .16 .20 .06

SKIVAR 2. . besondere Fertigkeiten (handwerkliche oder sonstige) 251 -.0 5 .04 -.0 6

SKIVAR 3. . schöpferische Begabung und Ideenreichtum 233 .22 .11 .02

SKIVAR 4. . stets neue Dinge hinzuzulernen 238 .11 .18 .21

SKIVAR 5. . neue Wege für die Lösung von Problemen zu finden 234 .15 .14 .11

SKIVAR 6. . tagtäglich dasselbe zu tun *) 258 .09 -.1 7 .09

SKIVAR 7. . die Anwendung vieler verschiedener Kenntnisse bzw. Fertigkeiten 238 .09 .07 .17 SKIVAR 8. . umfangreiche Kenntnisse und hohe Qualifikationen 237 .18 .13 .04

SKIVAR 9. .,. sehr einfach *) M .11 .15 -.0 2

SKIVAR 10. . . große Aufgabenvielfalt 258 .10 .21 .25

DECISI 11. ... ein hohes Maß an Selbstbestimmung (Autonomie) .10 234 -.0 5 .16 DECISI 12. ... viel Freiheit bei der Planung und Durchführung der Arbeit .20 235 -.0 8 .12 DECISI 13. .,. (Mit-)Bestimmung, wann eine Pause gemacht wird .06 232 -.0 7 -.0 0 DECISI 14. . . (Mit-)Bestimmung, mit welchen Personen zusammengearbeitet wird .23 253 .01 .01 DECISI 15. .,. (Mit-)Bestimmung, wie die Arbeit aufgeteilt wird .14 .74 .01 -.0 2 DECISI 16. . . (Mit-)Bestimmung, in welcher Reihenfolge die Arbeit erledigt wird -.0 2 7 8 .00 .05

STRESS 17. .,. sehr schnell zu arbeiten .11 -.1 0 234 .03

STRESS 18. . . sehr angestrengt zu arbeiten .20 .00 256 -.01

STRESS 19. .,. großes Arbeitspensum zu erledigen .01 .07 7 4 .02

STRESS 20. . . unter hohem Zeitdruck zu arbeiten .06 -.0 5 ZA .06

STRESS 21. .,. psychisch (nervlich) beanspruchend .11 -.01 253 .17

STRESS 22. . . hektisch .05 -.0 8 250 .13

INTACT 23. .,. Umgang mit anderen Personen .15 .15 .15 234

INTACT 24. .,. viele Gelegenheiten, andere Menschen kennenzulernen .15 .03 .09 235

INTACT 25. .,. Zusammentreffen mit vielen Menschen .10 .06 .10 .86

*) Item in „gedrehter“ Form verwendet.

(wegen der damit vermiedenen Multikollineari- tätsprobleme) als günstig anzusehen.

Zufriedenheit mit der Arbeit. Die Zufriedenheit mit der Arbeit wurde auf zweierlei Weise gemes­

sen, einmal mit einem Mehr-Item-Instrument und einmal mit einem Ein-Item-Instrument. Als Mehr- Item-Instrument (JDIWORK) diente die JDI- Work Itself-Skala des Job Descriptive Index (JDI) von Smith et al. (1969). Von den 18 Items der Originalskala wurden nur 14 benutzt, da sich die Adjektive „hot“, „useful“, „healthful“ und die Wendung „on your feet“ als schwer übersetzbar erwiesen (und als entbehrlich angesehen wurden).

Die Alpha-Reliabilität der JDIWORK-Skala war .79 (siehe Tab. 2).

Das Ein-Item-Instrument (ARBZUFR) bestand aus einer 7stufigen, von „sehr unzufrieden (1)“ bis

„sehr zufrieden (7)“ reichenden Ratingskala zur Abtragung der Reaktion auf die Frage:„Wie zu­

frieden sind Sie mit Ihrer Arbeit, das heißt mit dem, was Sie täglich tun?“. Wie aus Tab. 3 hervor­

geht, war die JDIWORK-ARBZUFR-Korrelation r=.62.

Zufriedenheit mit dem Job. Die Zufriedenheit mit dem Beschäftigungsverhältnis (oder Job) wurde ebenfalls mit einem Mehr-Item-Instrument und ei­

nem Ein-Item-Instrument gemessen. Als Mehr- Item-Instrument (FFJSATN) diente die Facet- Free Job Satisfaction-Skala des Institute for Social Research (ISR) der University of Michigan (Quinn et al. 1975). Von den 5 Items dieser Skala wurde jenes eliminiert, das sich auf die Fluktuationsab­

sicht bezieht („Wie wahrscheinlich ist es, daß Sie sich innerhalb eines Jahres ernsthaft um einen

(8)

Tabelle 2 Reliabilitätsanalyse. Durchschnittliche Interitem-Korrelationen und Alphawerte der verwendeten Skalen.

Skala Anzahl

der Items

Anzahl der Fälle

N

Durch­

schnittliche Interitem- Korrelation

r

Alpha

a

SKIVAR - Aufgabenvielfalt 10 487 .41 .86

DECISI - Entscheidungsspielraum 6 492 .44 .80

STRESS - Jobanforderungen 6 493 .43 .82

INTACT - Interaktion 3 493 .64 .84

JDIWORK - Arbeitszufriedenheit (JDI Work-Skala; Smith, Kendall & Hulin 1969)

14 461 .22 .79

FFJSATN - Jobzufriedenheit (Facet-Free Job Satisfaction- Skala; ISR, Ann Arbor)

4 496 .56 .83

SELFMBT - Selbstwert- und Kompetenzgefühl (ISR, Ann Arbor)

15 479 .36 .89

SELFROS - Selbstwertgefühl (Self-Esteem-Skala; Morris Rosenberg 1965)

10 429 .31 .82

JOBDEPR - Depressivität (Job Depression-Skala; ISR, Ann Arbor)

10 489 .26 .78

COMPLPS - Psychosomatische Beschwerden (Swedish ISR, Stockholm)

9 484 .36 .83

Tabelle 3 Interkorrelationen der perzipierten Tätigkeitsmerkmale und der Zufriedenheits-, Persönlichkeits- und Befindensvariablen (N = 472 bis N = 498).

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

1 SKIVAR - Aufgabenvielfalt

2 DECISI - Entscheidungs­ .32 spielraum

3 STRESS - Jobanforderungen .25 -.0 4 4 INTACT - Interaktion .30 .17 .21 5 JDIWORK - Arbeitszufriedenheit .64 .35 .01 .20 6 ARBZUFR - Zufriedenheit mit .35 .26 -.0 6 .17 .62

der Arbeit

7 FFJSATN - Jobzufriedenheit .39 .25 -.0 0 .14 .64 .67 8 ALLZUFR - Zufriedenheit alles .35 .22 -.0 6 .12 .58 .70 .68

in allem

9 SELFMBT - Selbstwert- und .44 .22 .20 .15 .52 .48 .49 .45 Kompetenzgefühl

10 SELFROS - Selbstwertgefühl1) .34 .16 .08 .09 .30 .26 .36 .32 .51 11 JOBDEPR - Depressivität -.4 0 -.1 9 -.0 0 -.13 -.5 3 -.5 2 -.5 8 -.5 3 -.59 -.51 12 COMPLPS - Psychosomatische -.1 8 -.0 7 .13 -.01 -.31 -.3 4 f CO CT) r CO CO f CO CD -.3 2 .62

Beschwerden 13 GESUNDH - Gesundheitliches

Befinden

.21 .02 -.0 3 .08 .24 .28 .28 .33 .23 .28 -.41 -.5 5 14 SCH W U NG - Schwung und

Energie

.33 .13 .00 .15 .40 .43 .40 .44 .47 .35 -.5 7 -.5 5 .70

N = 422 bis N = 434

(9)

342 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 16, Heft 5, Oktober 1987, S. 334-352

anderen Arbeitsplatz (um eine neue Tätigkeit) bei einem anderen Arbeitgeber bemühen werden?“ -

„sehr wahrscheinlich“ - „schon möglich“ - „nicht wahrscheinlich“); da es nur schwach mit den übri­

gen 4 Items und mit der aus ihnen gebildeten Skala korrelierte, konnte es nicht als Indikator der (Un)Zufriedenheit mit dem Job betrachtet wer­

den. Die Alpha-Reliabilität der auf 4 Items redu­

zierten FFJSATN-Skala war .83.

Das Ein-Item-Instrument (ALLZUFR) bestand wiederum aus einer 7stufigen, an den Enden mit

„sehr gering (1)“ und „sehr hoch (7)“ beschrifteten Ratingskala, auf der die Befragten ihre „Zufrie­

denheit alles in allem“ mit ihrem Beschäftigungs­

verhältnis ausdrücken konnten. Die FFJSATN- ALLZUFR-Korrelation betrug r=.68.

Selbstwert- und Kompetenzgefühl. Das Selbstwert- und Kompetenzgefühl wurde zum einen mit einer Skala (SELFMBT) gemessen, deren 15 Items überwiegend aus bipolaren Adjektiven, angeord­

net nach Art des Semantischen Differentials, be­

standen, einschließlich der vier von Mortimer und Lorence (1979) zur Messung der Kompetenzdi­

mension des Selbstkonzepts verwendeten Paare

„aktiv - passiv“, „stark - schwach“, „fähig - nicht fähig“ und „zuversichtlich - besorgt“. Die übrigen Items dieser Skala wurden einschlägigen Instru­

menten des ISR entlehnt (Quinn und Staines 1979). Die Alpha-Reliabilität der SELFMBT-Ska- la war .89.

Zum andern diente die aus 10 Items bestehende Rosenbergsche Self-Esteem-Skala (Rosenberg 1965) als Instrument zur Messung des Selbstwert­

gefühls (SELFROS). Item-Beispiele: „Manchmal denke ich, daß ich zu nichts tauge.“ - „Ich glaube, daß ich eine Reihe guter Eigenschaften habe.“ -

„volle Zustimmung“ - „teilweise Zustimmung“ -

„teilweise Ablehnung“ - „volle Ablehnung“. Die Alpha-Reliabilität der SELFROS-Skala betrug .82 und die Korrelation zwischen den Skalen SELFMBT und SELFROS r= .51.

Depressivität. Mit einem weiteren 10-Item-Instru- ment des ISR (Quinn 1977), das auf eine 20 Items umfassende Depressionsskala von Zung (1965) zu­

rückgeht, wurde das gemessen, was im Angelsäch­

sischen auch „depressed mood“ oder „job depres­

sion“ genannt wird (JOBDEPR). Item-Beispiele:

„Ich fühle mich niedergeschlagen und bedrückt.“ -

„Mir fällt es leicht, die üblichen Dinge zu tun.“ -

„oft“ - „manchmal“ - „selten“ - „nie“. Obwohl sich depressive Zustände und ihre Ursachen nicht

auf die berufliche Sphäre beschränken lassen, kann man im vorliegenden Fall vielleicht doch von einer Messung der „Jobdepression“ sprechen, da die 10 Items mit der Aufforderung „Geben Sie bitte an, wie oft Sie sich in der nachfolgend be­

schriebenen Weise bei Ihrer Arbeit fühlen“ einge­

leitet worden waren. Die Alpha-Reliabilität der JOBDEPR-Skala betrug .78.

Psychosomatische Beschwerden. Nach dem Vor­

bild der schwedischen Lebensstandard-Surveys von 1968 und 1974, durchgeführt vom Stockholmer Institut für Sozialforschung (Vuksanovic 1979), und in Anlehnung an die amerikanischen Quality of Employment Surveys, durchgeführt vom ISR (Quinn et al. 1975; Quinn 1977; Quinn und Staines 1979), enthielt der Fragebogen eine von medizini­

schen Experten zusammengestellte Liste häufig vorkommender Krankheiten und Beschwerden.

Durch Ankreuzen der Antwortkategorien „oft“ -

„manchmal“ - „selten“ - „nie“ konnten die Be­

fragten angeben, wie oft sie in den vergangenen 12 Monaten unter den aufgeführten Beschwerden zu leiden hatten.

Aufgrund einer Faktorenanalyse mit VARIMAX- Rotation ließen sich die insgesamt 17 Beschwerden (Items) eindeutig drei Symptomgruppen zuord­

nen, die die Basis für die Konstruktion der folgen­

den drei Skalen bildeten, von denen die erste besonders interessiert: (1) Psychosomatische Be­

schwerden (COMPLPS), 9 Items, a=.83: Depres­

sionen, Gefühle völliger Niedergeschlagenheit;

Zustände von Nervosität, Unruhe oder Anspan­

nung; Zustände völliger Erschöpfung am Ende des Tages; Appetitstörungen; Schwierigkeiten, abends einzuschlafen; Schwierigkeiten, nachts durchzu­

schlafen; Schwierigkeiten, morgens aufzustehen;

Kopfschmerzen, Migräne; Magenbeschwerden.

(2) Herz, Druck, Enge, Hitze (COMPLHD), 6 Items, a=.84: Schmerzen in der Herzgegend;

Herzklopfen, Herzjagen; Druck auf der Brust, Atemnot; Enge- oder Druckgefühle; Schweißaus­

brüche ohne körperliche Anstrengung, Hitzewal­

lungen; Schwindelgefühle. (3) Nacken, Gelenk, Muskel (COMPLNG), 2 Items, r=.58: Nacken-, Schulterschmerzen; Gelenk-, Muskelschmerzen.

Gesundheitliches Befinden. In Anlehung an zwei einfache Instrumente des ISR (Quinn und Staines 1979), mit denen der Befragte seine gegenwärtige Gesundheit und sein gegenwärtiges Energieniveau einschätzt („current health“, „current energy level“), wurden im Fragebogen zwei lOstufige

„Skalen“ präsentiert, deren Enden von 1 =

(10)

„schwer krank und arbeitsunfähig“ bis 10 = „voll­

ständig gesund und arbeitsfähig“ (GESUNDH) bzw. von 1 = „ohne jeden Schwung und jede Energie“ bis 10 = „voller Schwung und Energie“

(SCHWUNG) reichten. Die Korrelation zwischen diesen beiden Variablen war r= .70.

Ermüdungserscheinungen. Aus den Nein-/Ja-Ant­

worten auf drei Fragen, nämlich danach, ob der Befragte in den vergangenen 14 Tagen (a) unter anhaltenden Ermüdungserscheinungen gelitten, sich (b) morgens nach dem Aufstehen und (c) tagsüber besonders müde gefühlt habe, wurde ein additiver Index (ERMUED) mit vier Ausprägun­

gen (0 bis 3) gebildet, dessen Alpha-Reliabilität .72 betrug.

Medikamenteneinnahme. Aus den Nein-/Ja-Ant­

worten auf drei Fragen, nämlich danach, ob der Befragte in den vergangenen 14 Tagen (a) Schmerzmittel (z. B. Aspirin, Eu-Med, Gelonida, Melabon, Quadronal, Spalttabletten, Thomapy­

rin, Togal, Vivimed oder andere Schmerzmittel), (b) Beruhigungsmittel (z.B. Adumbran, Bellergal, Demetrin, Librium, Nobrium, Tranxilium, Va­

lium, Visano oder andere Beruhigungsmittel) und (c) Schlafmittel (z.B. Dalmadorm, Dormapan, Doroma, Luminal, Resedorm, Staurodorm, Ve­

ronal oder andere Schlafmittel) eingenommen ha­

be, wurde ein additiver Index (MITTEL) mit vier Ausprägungen (0 bis 3) gebildet, dessen Alpha- Reliabilität .56 betrug.

Weitere Variablen. Der Fragebogen enthielt zahl­

reiche weitere Fragen, die sich auf verschiedene Gegenstandsbereiche bezogen (u. a. auf die politi­

sche Partizipation und das Freizeitverhalten), die in diesem Zusammenhang von untergeordnetem Interesse sind. Hier sind nur jene Variablen zu nennen, die im Rahmen der vorliegenden Untersu­

chung den Status von Validitätskriterien haben, insbesondere Informationen über den Beschäfti­

gungsstatus des Befragten (Arbeiter, Angestellter oder Beamter), über seinen höchsten Berufsausbil­

dungsabschluß und seine Berufsgruppenzugehörig­

keit, ferner darüber, ob der Befragte (auch) Vor­

gesetztenfunktion ausübte und wieviel Zeit (Jahre, Monate, Wochen oder Tage) jemand braucht, um seine (des Befragten) Tätigkeit zu erlernen und zu beherrschen (durchschnittliche angegebene Lern­

zeit: 47 Monate), schließlich darüber, wie nützlich und wertvoll seiner Einschätzung nach seine beruf­

lichen Kenntnisse und Fertigkeiten in fünf Jahren sein würden: sehr, ziemlich oder wenig.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Analyse wurden hauptsächlich mit Hilfe multipler linearer Regressionsrechnun­

gen, bei denen die einzelnen Zufriedenheits-, Per- sönlichkeits- und Befindensvariablen als Kriterien und die vier Tätigkeitsmerkmale als Prädiktoren fungierten, gewonnen, und zwar unter fallweisem Ausschluß („listwise deletion“) fehlender Werte, so daß die Regressionsanalysen auf 447 der 499 Fälle basieren. Über die Resultate der ersten Re­

gressionsrechnungen informiert Tab. 4.

Aus Tab. 4 geht hervor, daß die Variable Aufga­

benvielfalt der mit Abstand beste Prädiktor aller zehn abhängigen Variablen ist; die SKIVAR-Beta- Koeffizibriten variieren zwischen .61 und -.21. In acht Fällen ist die Beziehung positiv, in zwei Fällen negativ. Das heißt, eine Zunahme der Aufgaben­

vielfalt geht einher mit einer Zunahme der Ar- beits- und Jobzufriedenheit, des Selbstwert- und Kompetenzgefühls sowie des physischen und psy­

chischen Wohlbefindens, hingegen mit einer Ab­

nahme der Depressivität (ß=-.40) und psychoso­

matischer Beschwerden (ß=-.21).

Im Gegensatz zur Variablen Interaktion, die keine signifikante Vorhersagekraft hat, weisen die Va­

riablen Entscheidungsspielraum und Jobanforde­

rungen signifikante Beziehungen zu einigen abhän­

gigen Variablen auf: Mit einer Ausweitung des Entscheidungsspielraums und mit einer Abnahme der Jobanforderungen geht eine Zunahme der Ar- beits- und Jobzufriedenheit einher. Des weiteren besteht eine positive Beziehung zwischen den Job­

anforderungen einerseits und dem Selbstwert- und Kompetenzgefühl sowie den psychosomatischen Beschwerden andererseits: Mit einer Erhöhung der Jobanforderungen geht eine Erhöhung des Selbstwert- und Kompetenzgefühls (ß=.12) und eine Zunahme psychosomatischer Beschwerden (ß=.19) einher.

Unter der Voraussetzung, daß die theoretisch kon­

zipierten und empirisch abgeleiteten Skalen Auf­

gabenvielfalt, Entscheidungsspielraum, Jobanfor­

derungen und Interaktion tatsächlich messen, was sie messen sollen, läßt sich deshalb sagen, daß es für die Befragten wichtiger ist, daß ihre Arbeit (a) komplex und herausfordernd ist, d. h. daß innova­

tive und kreative Impulse von ihr ausgehen, als daß die Arbeit (b) selbstbestimmt ist, d. h. große Einflußmöglichkeiten bei der Planung und Durch­

führung bietet, als daß die Arbeit (c) psychisch nicht beanspruchend ist, d. h. keine großen An­

strengungen im Sinne eines großen Arbeitspen-

(11)

344 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 16, Heft 5, Oktober 1987, S. 334-352

Tabelle 4 Multiple lineare Regression. Vorhersage der Zufriedenheit mit der Arbeit und dem Job, des Selbstwert- und Kompetenzgefühls sowie des psychischen und physischen Wohlbefindens mit perzipierten Tätigkeitsmerkmalen (N = 447).

Unabhängige Variable (Prädiktor) Abhängige Variable

(Kriterium)

R

SKIVAR Aufgaben­

vielfalt Beta

DECISI Entscheidungs­

spielraum Beta

STRESS Job­

anforderungen Beta

INTACT Inter­

aktion Beta JDIWORK - Arbeitszufriedenheit

(JDI Work; Smith, Kendall & Hulin 1969)

.67* .61* .16* -.14* .02

ARBZUFR - Zufriedenheit mit der Arbeit

(Quelle unbekannt)

.42* .34* .12* -.13* .08

FFJSATN - Jobzufriedenheit (Facet-Free Job Satisfaction; ISR)

.41* .34* .13* -.0 8 .04

ALLZUFR - Zufriedenheit alles in allem

(Quelle unbekannt)

.39* .34* .10 -.17* .03

SELFMBT - Selbstwert- und Kom­

petenzgefühl (Self-Esteem, -Com­

petence; ISR)

.46* .37* .11 .12* -.0 2

SELFROS - Selbstwertgefühl1) (Self-Esteem; Morris Rosenberg 1965)

.32* .29* .06 .03 -.0 2

JOBDEPR - Depressivität (Depressed Mood, Job Depression; ISR)

.41* -.40* -.07 .09 -.0 0

COMPLPS - Psychosomatische Beschwerden (Complaints; Swedish ISR)

.25* -.21* -.01 .19* .02

GESUNDH - Gesundheitliches Befinden

(Current Health; ISR)

.22* .23* -.0 8 -.1 0 .05

SCHWUNG - Schwung und Energie (Current Energy Level; ISR)

.32* .30* .00 -.0 8 .07

*P<.01 1) N = 413

sums und eines hohen Zeitdrucks erfordert, und als daß die Arbeit (d) häufigen Umgang mit ande­

ren Personen impliziert, d. h. Interaktionen erfor­

dert und ermöglicht. Diese Interpretation besagt nicht, daß der Entscheidungsspielraum, die Joban­

forderungen und die Interaktionen irrelevant wä­

ren; sie besagt vielmehr, daß die innovativen, schöpferischen und herausfordernden Elemente der Arbeit einen vergleichsweise hohen Stellen­

wert haben, daß sie hoch eingeschätzt werden und hoch einzuschätzen sind. Da eine Arbeit, die diese

Merkmale aufweist, nicht ohne die Gewährung und Wahrnehmung eines gewissen Entscheidungs­

spielraums denkbar ist (die festgestellte Beziehung zwischen den Dimensionen Aufgabenvielfalt und Entscheidungsspielraum ist r=.32), hat die Dimen­

sion Entscheidungsspielraum gleichfalls ihr (auch empirisch nachgewiesenes) Gewicht. Aber ihr Ge­

wicht ist geringer, wie auch das Gewicht der Di­

mension Jobanforderungen geringer ist als das der Dimension Aufgabenvielfalt; das geringste Ge­

wicht hat die Dimension Interaktion.

(12)

Wie die identifizierte Beziehung zwischen den Di­

mensionen Aufgabenvielfalt und Jobanforderun­

gen (r=.25) zeigt, tendieren herausfordernde Tä­

tigkeiten dahin, auch anfordernde Tätigkeiten zu sein. Offensichtlich überwiegen aber die positiven Aspekte einer so strukturierten Arbeit. Zwar ließe sich denken, daß eine Verminderung der Jobanfor­

derungen eine Verminderung psychosomatischer Beschwerden zur Folge hätte. Es ist aber schwer vorstellbar, daß damit zugleich eine positive Ent­

wicklung oder Erhaltung des Selbstwert- und Kompetenzgefühls einherginge, die an die Bewäl­

tigung herausfordernder Aufgaben (Erfolgserleb­

nisse) gebunden zu sein scheint.

Insgesamt weisen die Ergebnisse darauf hin, daß die Dimension Aufgabenvielfalt - oder „substan­

tive complexity of work“, oder „opportunity to develop and use one’s ideas and skills“ - eine wichtigere Rolle in der Jobstruktur spielt, als ihr weithin zugemessen wird; sie unterstreichen die Feststellung Kohns und Schoolers, daß „substanti­

ve complexity of work stands out as the keystone of the entire job structure“ (1982 : 1265).

Die sehr starke Beziehung (r=.64) zwischen den Variablen Aufgabenvielfalt und Arbeitszufrieden­

heit nährte den Verdacht, daß es sich bei dieser Assoziation teilweise um ein Artefakt handeln könnte, da bei der Messung der Aufgabenvielfalt wie auch bei der Messung der Arbeitszufriedenheit je zwei auf die eigene Tätigkeit bezogene Items mit den Adjektiven „schöpferisch“ und „einfach“ ver­

wendet worden waren, was den Effekt einer Erhö­

hung der Korrelation zwischen den Skalen SKI­

VAR (10 Items) und JDIWORK (14 Items) gehabt haben könnte. Tatsächlich korrelierten die betref­

fenden Items der SKIVAR- und der JDIWORK- Skala überdurchschnittlich hoch, nämlich r=.52 („schöpferisch“) und r=.47 („einfach“).

Zwecks Überprüfung dieses Artefaktverdachts nahmen wir - unter Beibehaltung der Items 3 und 9 der SKIVAR-Skala (Tab. 1) - eine Verkürzung der JDIWORK-Skala um die Items „(Meine Ar­

beit ist) schöpferisch“ und „(Meine Arbeit ist) einfach“ vor, ohne daß die Eliminierung dieser Items eine nenneswerte Veränderung der durch­

schnittlichen Interitem-Korrelation und der inter­

nen Konsistenz bewirkt hätte (bei der verkürzten JDIWORK-Skala r=.23, a=.77 gegenüber r=.22, a=.79 bei der ursprünglichen JDIWORK- Skala). Die Wiederholung der Regressionsrech­

nung mit der verkürzten JDIWORK-Skala als Kri­

terium und den vier Tätigkeitsmerkmalen als Prä- diktoren ergab für die Gesamtgruppe (Tab. 5) einen nur wenig reduzierten Wert von R=.60 und wenig veränderte Beta-Koeffizienten: .55 (SKI­

VAR), .14 (DECISI), -.17 (STRESS) und .03 (INTACT). Das heißt, die in Tab. 5 aufgeführten Zahlenwerte zeigen, daß das Beta-Gewicht der Variablen SKI VAR nicht dramatisch abfiel (von .61 auf .55) und daß die Aufgabenvielfalt der beste Prädiktor der Arbeitszufriedenheit blieb. Nur eine stärkere Reduktion der Beziehung hätte den mit

Tabelle 5 Separate Regressionen für die Subgruppen der Arbeiter, Angestellten und Beamten. Vorhersage der Arbeitszufriedenheit (JDIWORK) mit perzipierten Tätigkeitsmerkmalen.

Abhängige Variable (Kriterium)

Gruppe N R

SKIVAR Aufgaben­

vielfalt Beta

Unabhängige Variable (Prädiktor)

DECISI STRESS

Entscheidungs- Jobanfor- spielraum derungen

Beta Beta

INTACT Inter­

aktion Beta

Insgesamt 447 .67* .61* .16* -.14* .02

JDIW O R K-Arbeits­ Arbeiter 92 .64* .62* .03 -.24* .13

zufriedenheit (Original­ Angestellte 209 .69* .54* .24* -.1 0 -.01

skala, 14 Items) Beamte 146 .63* .62* .16 -.11 -.1 7

Insgesamt 447 .60* .55* .14* -.17* .03

JDIW O R K-Arbeits­ Arbeiter 92 .59* .55* .04 -.31* .12

zufriedenheit (reduzierte Angestellte 209 .62* .46* .24* -.11 .00

Skala, 12 Items)

Beamte 146 .60* .60* .11 -.1 5 -.1 6

* P < .01

Abbildung

Tabelle  1  Faktorenanalyse  der  perzipierten  Tätigkeitsmerkmale.  Faktorladungen  der  VARIMAX-rotierten  Lösung  (N  = 475).
Tabelle 2 Reliabilitätsanalyse.  Durchschnittliche Interitem-Korrelationen und Alphawerte der verwendeten Skalen
Tabelle 4  Multiple  lineare  Regression.  Vorhersage  der  Zufriedenheit  mit  der  Arbeit  und  dem  Job,  des  Selbstwert-  und  Kompetenzgefühls sowie des  psychischen  und  physischen  Wohlbefindens  mit perzipierten Tätigkeitsmerkmalen  (N  =  447).
Tabelle 5  Separate  Regressionen  für  die  Subgruppen  der  Arbeiter,  Angestellten  und  Beamten
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