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Die Logik der kurzen Wege: räumliche Mobilität und Verkehr als Gegenstand der Stadtforschung — erdkunde

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D I E L O G I K D E R K U R Z E N W E G E : R Ä U M L I C H E M O B I L I T Ä T U N D V E R K E H R A L S G E G E N S T A N D D E R S T A D T F O R S C H U N G1)

Mit 6 Abbildungen MARKUS HESSE

Summary. The logic of compact city and short distance: urban research perspectives on spatial mobility and transport The paper covers the interrelationship of urban development and transport. Based on empirical findings about urban mobility in the context of settlement structures, effective planning strategies related to a city structure with short distances are discussed. Compact settlement structures are considered an important but not sufficient requirement for less transport- intensive environments, since further conditions have to be reflected. Due to the complexity and openness of this multi- facetted system of interdependencies, spatial mobility and transport cannot be directly managed through urban structures. In the context of more individualised patterns of spatial behaviour and an increasing level of personal freedom (income, leisure time), future research should be enlarged. First, towards socio-spatial aspects of individual activities (as an outcome of time- space-flexibilisation), secondly with regard to highly complex and dispersed urban structures (suburbanisation).

Zusammenfassung. Im Mittelpunkt des Beitrags steht das Bedingungsgefüge von Stadtentwicklung und Verkehr. Ausgehend von empirischen Untersuchungen zur siedlungsstrukturellen Ausprägung räumlicher Mobilität werden aktuelle Planungs- strategien im Zeichen des Leitbilds der „Stadt der kurzen Wege" diskutiert. Kompakte Stadtstrukturen stellen zwar eine ,gebaute' Voraussetzung für einen möglichst niedrigen Verkehrsaufwand dar, diese Wirkung ist jedoch an weitergehende Vor- aussetzungen geknüpft. Mobilität und Verkehr lassen sich nicht ohne weiteres siedlungsstrukturell steuern, da dieser Kontext auf einer Reihe von nicht hinterfragten Annahmen beruht. Vor dem Hintergrund zunehmend individualisierter räumlicher Verhaltensmuster bei steigenden Freiheitsgraden (Einkommen, Freizeit) sollte der analytische Blickwinkel der Forschung erweitert werden, zum einen in bezug auf das sozialräumliche Handeln (als Ausdruck raum-zeitlicher Flexibilisierung), zum anderen im Licht einer zunehmend ausdifferenzierten siedlungsstrukturellen Kulisse (Suburbanisierung).

1 Einleitung: Der Kontext von Siedlung und Verkehr als Forschungsgegenstand

Mit der Wirkungsbeziehung von Stadt und Verkehr rückt ein Spannungsverhältnis, eine „delikate" Bezie- hung in den Blick der Forschung. Die Interaktion von Siedlungsstrukturen und Verkehr ist bereits im histori- schen Kontext von zentraler Bedeutung. Verkehrswege und ihre Schnittstellen (Häfen, Bahnhöfe, Flughäfen) haben immer eine zentrale Rolle in der Stadtentwick- lung gespielt und in hohem Maße Einfluß auf Funktio- nalität, Lebensqualität und Entwicklungsfähigkeit der Stadt genommen. Der Bedeutungsgewinn von Städten war insbesondere während der Industrialisierung elementar an die Mobilisierung von Arbeitskräften und Wohnbevölkerung, Rohstoffen und Gütern, von Ideen und Innovationen gekoppelt. Heute ist die Siedlungs- entwicklung in den hochentwickelten Ländern zu- nehmend von Tendenzen der räumlichen Dezentrali- sierung und Dekonzentration geprägt (Suburbanisie- rung). Dieser Prozess der umgekehrten Mobilisierung ist ohne die modernen Verkehrsmittel ebenfalls nicht denkbar. Stadtfunktion und Verkehrsfunktion stehen auch in der modernen Stadt in einem klassischen Spannungs-

verhältnis zueinander: Verkehr ermöglicht städtische Entwicklung, und er wirkt als einer der Motoren von Sub- und Desurbanisierungsprozessen gleichzeitig an der Ausweitung und tendenziellen Auflösung der Stadt als Lebens- und Wirtschaftsraum mit.

Seit der motorisierte Individualverkehr in Städten in massenhafter Form auftritt, wird über Möglichkeiten der Reduzierung seiner negativen Folgen nachgedacht.

Wurden die Funktionsprobleme des Kfz-Verkehrs vor allem in der Nachkriegszeit in der Regel über eine Erweiterung der Infrastrukturen und damit über die Anpassung der Stadt an die Bedürfnisse des wachsenden Verkehrs zu lösen versucht, steht seit den 80er Jahren die Anpassung des Verkehrs an die städtischen Strukturen stärker im Mittelpunkt. Neben Strategien der Ver- kehrsverlagerung (Umschichtung des Kfz-Verkehrs auf Busse, Bahnen und nichtmotorisierten Verkehr) geht es '' Dieser Beitrag beruht auf Vorarbeiten für die For- schungskonzeption „Raum-Zeit-Strukturen, Mobilität und Verkehr im Modernisierungsprozess", die derzeit am IRS entwickelt wird. Teile dieser Argumentation wurden im November 1998 auf einem wissenschaftlichen Kolloquium zum Thema „Siedlungsstruktur und Verkehr" am IRS vor- getragen (HESSE 1999).

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nun auch um Verkehrsvermeidung, also die Reduzie- rung von Distanzen und die Einsparung motorisierter O r t s v e r ä n d e r u n g e n (GÜLLER u . BREU 1996).

Vor allem unter dem Dach der rhetorischen Figur einer Stadt bzw. Siedlungsstruktur „der kurzen Wege"

werden verstärkt Ideen zur verkehrssparsamen Organi- sation von Raum- und Siedlungssystemen diskutiert (vgl. zuletzt BBR 1999; GERTZ 1998). Eine solche inte- grierte Planung von Siedlung und Verkehr basiert auf Leitbildern wie dem der „kompakten Stadt" (APEL, LEHMBROCK u.a. 1998) oder der „Dezentralen Kon- zentration" (KAGERMEIER 1997 a). Ausgangspunkt ist die These, daß kompakte Stadtstrukturen mit Dichte, Mischung und Polyzentralität eine wichtige Vorausset- zung für möglichst niedrigen Verkehrsaufwand darstel- len. Wie im folgenden gezeigt wird, stützen empirische Befunde die impliziten Annahmen, die diesen Ansät- zen mit Blick auf ihre Verkehrswirksamkeit unter- liegen, bisher nur sehr begrenzt. Sie weisen mindestens in zwei verschiedene, widersprüchliche Richtungen - je nachdem, wie stark der Zusammenhang aus räum- licher Mobilität (urban biology) und gebauten Strukturen (urban physics) gesehen wird (zu dieser Begrifflichkeit s. LAUBE e t al. 1999). E i n e k o m p a k t e S i e d l u n g s s t r u k t u r wird damit aber noch nicht überflüssig. Sie ordnet sich gleichwohl anders in das Beziehungssystem der städti- schen Mobilität ein.

2 Planungsstrategien und Leitbilder in der Logik

„der kurzen Wege"

Planerische Programmatik und Städtebau- und Raumordnungspolitik basieren wesentlich auf dem Prinzip der kurzen Wege: „Die Stadt der Zukunft ist eine Stadt der kurzen Wege. Die Funktionen Wohnen, Arbeiten, Versorgung und Freizeit werden, wo immer möglich, schrittweise zusammengeführt. In den re- urbanisierten Städten - vor allem in deren Zentren - steigt die Bevölkerungsdichte. [...] Der Autoverkehr in der Innenstadt ist auf das notwendige Maß zurückge- führt; Straßen werden so wieder zu Aufenthaltsorten.

[...] Der öffentliche Nahverkehr und die Bahnverbin- dungen sind deutlich verbessert. Seitdem ist der Zu- gang zu den Innenstädten für die Bewohner der länd- lichen Regionen leichter geworden. Umgekehrt können die Städter bequem ins Umland; dort läßt sich in Augenschein nehmen, woher Wasser, Gemüse, Früchte und Fleisch für das städtische Leben kommen.

So kommt es zu Rückkopplungen, zu einem neuen Stadt-Land-Verhältnis. Die breiige Zersiedlung der Landschaft ist gestoppt, da Raumordnungs- und Bau- leitpläne sich konsequent am Bodenschutz orientieren.

n. n L L 1 n

1 1 1

G sonstige

• MIV-Fahfer

5-20 20- 100- 200- 500- ab 100 200 500 1 000 1000

alte Bundesländer

ICO- 200- 500- ab 200 500 1000 1000

®ue Bundesländer Gememdegroßenklasse (in 1000 EW)

Abb. 1: Werktagsdistanzen nach Gemeindegrößenklassen in den alten und neuen Bundesländern (berechnet nach KONTIV '89 und SrV-Plus 91)

Quelle-, HOLZ-RAU 1997, 29

Average daily distances related to city-size in the new and old German Länder (calculations based on KONTIV '89 and SrV-Plus 91)

Durch eine Innenverdichtung entstehen langsam wieder Stadtgrenzen [...]." (BMBau 1996, 50-51).

Entsprechendes gilt für das Leitbild der dezentralen Konzentration auf der regionalen Ebene, das der Raumordnungspolitik von Bund und Ländern unter- liegt. Es soll die polyzentrische, ausgeglichene Raum- und Siedlungsstruktur der Bundesrepublik sicherstel- len, negative Folgen ungesteuerten Flächenwachstums in den Verdichtungsräumen dämpfen und ein ,Aus- bluten' der Peripherie verhindern (BMBau 1993,

1995). Mit Blick auf den Verkehr werden eine Ent- lastung der hochbelasteten Korridore zwischen den Agglomerationen sowie Verkehrsvermeidung durch eine geordnete städtebauliche Entwicklung angestrebt.

Auch im europäischen Ausland gehört dieser Ansatz zum Kanon politischer Programme, etwa in den Niederlanden, wo im Kontext der staatlichen Raum- ordnungspolitik die lokale Flächennutzungsplanung (ABC-Planung) mit diesen Zielen korrespondiert (Ministry of Housing, Physical Planning and Environ- ment O.J.). In Großbritannien setzt die "PPG 13" auf eine Stärkung kompakter Strukturen (DoE, D o T

1994). Selbst in den USA wird im Licht der Dezentra- lisierung des Siedlungsraumes über eine Kurskorrektur in der Flächennutzungspolitik nachgedacht. Anzeichen hierfür sind z.B. der "New Urbanism" (CALTHORPE

1993) oder das Regierungsprogramm zur Schaffung lebenswerter Siedlungen und zur Begrenzung des Flächenverbrauchs ("Smart Growth"). Darin spielt auch der Verkehr eine Rolle.

Der Versuch, eine gemeinsame Perspektive für Sied- lungsentwicklung und Verkehr zu finden, ist aber kei- neswegs neu. Der S- und U-Bahnbau im Groß-Berlin Anfang des 20. Jahrhunderts kann als Musterbeispiel einer integrierten Planung gelten, da hier die Inwert- setzung der neuen Siedlungsräume durch die Terrain-

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gesellschaften Hand in Hand mit der Netzerweiterung d e s ö f f e n t l i c h e n V e r k e h r s erfolgte (BERNHARDT 1 9 9 8 ) . Auch in der Nachkriegszeit wurden viele Neubausied- lungen frühzeitig mit ÖPNV-Infrastruktur erschlossen, in West- und Ostdeutschland. Aktuelle Ansätze im In- und Ausland, etwa das Konzept „Wohnen am Ö P N V "

in Nordrhein-Westfalen (eine interessante Abwandlung des Leitbilds „Wohnen im Grünen") oder die soge- nannte ABC-Planung in den Niederlanden, bauen viel- fach nur auf diesen historischen Vorbildern auf. Es bleibt allerdings zu fragen, inwieweit diese Überlegun- gen unter den heutigen Bedingungen tragfähig sein können und auf welche empirische Basis sie gestützt sind.

3 Siedlungsstruktur, Mobilität und Verkehr:

empirischer Kenntnisstand

Aus den empirischen Arbeiten zur Verkehrsinten- sität unterschiedlich strukturierter Siedlungsräume sei hier vertiefend auf Untersuchungen aus Deutschland (HOLZ-RAU 1 9 9 7 ; H O L Z - R A U , KUTTER u . a . 1 9 9 5 ; KAGERMEIER 1 9 9 7 ) , d e n U S A b z w . A u s t r a l i e n (NEW- MAN a. KENWORTHY 1999) eingegangen.21 Ausgangs- p u n k t d e r A r b e i t e n v o n KUTTER b z w . H O L Z - R A U waren die Ergebnisse der Verkehrsbefragung in West- Berlin (1986), die mit Blick auf die Verkehrsstrukturen verschiedener Stadtquartiere ausgewertet wurden. Im Mittelpunkt des Befunds stand die Tatsache, daß zwi- schen den Stadtzentren und ihren Randbereichen ein signifikanter Unterschied in bezug auf Wegelängen, Motorisierung und Kfz- bzw. ÖPNV-Nutzung beob- achtet wurde. In Randbezirken wie Berlin-Spandau (12 310 km) oder Gropiusstadt (14100 km) war zur Realisierung von 1000 Aktivitäten eine erheblich höhere motorisierte Verkehrsleistung erforderlich als in Berliner Kernbezirken (6500 km); in Hamburger

„Schlafstädten" oder in sehr kleinen Umlandgemein- den wurden Spitzenwerte von über 18000 bzw. über 2 0 0 0 0 k m p r o 1 0 0 0 A k t i v i t ä t e n r e g i s t r i e r t (KUTTER 1 9 9 1 ; H O L Z - R A U 1 9 9 7 , 3 3 ff). D i e U n t e r s c h i e d e w u r - den zunächst auf die höhere Dichte dieser Quartiere, die geringeren Distanzen zur Innenstadt sowie die bes- sere ÖPNV-Erschließung bei geringerer Motorisierung zurückgeführt. Als Konsequenz daraus wurde der all-

Auf weitere wichtige Aspekte der siedlungsstrukturell bedingten Mobilität, etwa die Entwicklung der Innenstädte im Konflikt zwischen Erreichbarkeit und Aufenthaltsqualität, kann hier nicht vertiefend eingegangen werden; verwiesen sei exemplarisch auf MONHEIM (1997; 1999).

gemeine Satz bestätigt, mit einer an Dichte, Mischung und Zentralität orientierten Städtebau- und Stadtstruk- turpolitik den Verkehrsaufwand der Bevölkerung be- g r e n z e n z u k ö n n e n (KUTTER 1 9 9 1 ) .

Auswertungen der bundesweiten Erhebung KON- T I V '89 (Kontinuierliche Erhebung des Verkehrsver- haltens) sowie der Volkszählung 1987 in bezug auf den Verkehrsaufwand in Gemeinden verschiedener Größenklassen haben dieses Bild ergänzt. Wesentliche Aussage war, daß die größten Distanzen der Wohnbe- völkerung von kleinen Orten (weniger als 20 000 EW) sowie von Millionenstädten zurückgelegt wurden, was im ersten Fall an den größeren Distanzen zum nächsten Zentrum, im zweiten an den steigenden Entfernungen innerhalb der Metropolen liegt. Städte zwischen 100 000 und 500 000 EW wurden als für die eigene Be- völkerung relativ verkehrssparsam eingestuft (HOLZ- RAU 1997, 57 f sowie Abb. 1). „Die dominante Bestim- mungsgröße des innerörtlichen Verkehrsaufwands ist die Entfernung zur Innenstadt. [...] Die Nutzungs- dichte der Stadt entscheidet über die Ausdehnung der Siedlungsgebiete und prägt auf diese Weise den Ver- k e h r s a u f w a n d . " ( H O L Z - R A U 1 9 9 7 , 55)

Daß es zwischen Dichte und Ortsgröße einerseits und dem Verkehrsaufwand andererseits im Wider- spruch zu diesem Befund keine direkte Korrelation gibt, liegt an der Abgrenzung des Bezugsgebietes: Die o.g. Bewertungen beziehen sich ausschließlich auf die

Wohnbevölkerung der untersuchten Räume; dies gilt grundsätzlich auch für die 1976, 1982 und 1989 durch- geführten KONTIV-Befragungen sowie viele örtliche Erhebungen zum Stadtverkehr, die insofern ein unvoll- ständiges Bild zeichnen. Werden zusätzlich zur Wohn- bevölkerung die nicht am gleichen Ort wohnenden Er- werbstätigen berücksichtigt, verschiebt sich dieses Bild.

Ursache sind die gestiegenen siedlungs- und wirt- schaftsräumlichen Verflechtungen, die eine gemein- same Betrachtung von Quellverkehr (der Wohnbe- völkerung) und Zielverkehr (der Einpendelnden) zwingend erforderlich machen. Unter dieser erweiter- ten Perspektive zeigt sich, daß nicht Dichte, Mischung und Größe des Siedlungsraumes allein, sondern das spezifische Verhältnis aus Wohnbevölkerung und Arbeitsplatzangebot bestimmende Größe des Ver- kehrsaufwandes ist (HOLZ-RAU 1997, 57 f). „Die Gegenüberstellung des Bewohnerverkehrs von Gebie- ten unterschiedlicher Dichte in vergleichbaren Lagen der Stadt ist [...] kein Beleg für die höhere Verkehrs- intensität von Bauformen geringerer Dichte. Die Frage, ob Bewohnerinnen von Gebieten geringerer Dichte besonders weit unterwegs sind, ist von untergeordneter Bedeutung und abhängig von der Lage im jeweiligen Stadtgebiet".

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Abb. 2: Schematische Darstellung der Zusammenhänge zwi- schen siedlungsstrukturell bedingtem Verkehrsaufkommen und bestimmenden Einflußaktoren

Quelle: KAGERMEIER, 1997 b, 320

System of interdependencies between settlement-structure based on mobility and dertermining factors

Empirische Untersuchungen in der Region Stuttgart (HOLZ-RAU u . a . 1 9 9 5 ; s.a. HOLZ-RAU 1 9 9 7 ) h a b e n d i e - ses Zusammenwirken von Siedlungsstruktur und Ver- kehr weiter ausdifferenziert. Sie zeigen zwar deutliche Unterschiede in der Verkehrsmittelnutzung und den zurückgelegten Distanzen innerhalb der Stadt, zwi- schen Stadt und Umland sowie zwischen (Umland-) Gemeinden unterschiedlicher Größe. Diese können aber nicht allein auf Dichte und Größe des Stadtraums zurückgeführt werden. Die Ausdehnung der Aktions- räume bei zunehmender Nutzung des Kfz-Verkehrs geht auf ein ganzes Set von Faktoren zurück, bei denen siedlungsräumliche Kriterien einen Teil ausmachen, sozialräumliche (i. w. S.) einen anderen. Dies kann am Beispiel der o. g. Relation von Erwerbs- und Wohnbe- völkerung illustriert werden: Selbst unter der Voraus- setzung einer rechnerisch ausgewogenen Relation dieser beiden Größen konnten in der Region Stuttgart real steigende Auspendlerzahlen nachgewiesen werden (HOLZ-RAU u.a. 1995, 58). Naheliegende Ursache für diese unausgewogene ,Job-housing-balance" (so die U.S.-Terminologie) ist, daß individuelle Entscheidun- gen auf den beiden zentralen Märkten - dem Woh- nungsmarkt und dem Arbeitsmarkt - nach anderen als allein räumlichen oder siedlungsstrukturellen Kriterien getroffen werden und sich in der Summe dieser ratio- nalen Einzelentscheidungen oft ein abweichendes,

„irrationales" Gesamtbild ergibt.

KAGERMEIER (1997) hat diesen Problemkreis in sei- ner empirischen Analyse der siedlungsräumlichen Ver- kehrsmobilität in Südbayern bearbeitet. Er kommt auf der Basis seiner Erhebungen (Haushaltsbefragungen, Berechnungen) und unter Einbezug nicht nur der Be- rufs- und Ausbildungsverkehre, sondern auch der Ein- kaufs* und Freizeitverkehre zu einer verhalten optimi- stischen Einschätzung räumlicher Steuerung. Dabei betrachtet er zum einen die Stadtregion, in der der siedlungsstrukturell bedingte Verkehrsaufwand vor allem aus dem Grad der Binnenorientierung und der Entfernung zur Kernstadt resultiert. Hier hält er das Leitbild der dezentralen Konzentration zumindest für die Alltagsmobilität durchaus für geeignet, den Ver- kehrsaufwand dämpfend zu beeinflussen, denn die höherrangigen Gemeinden sind in der Regel durch einen geringeren Verkehrsaufwand gekennzeichnet.

Innerorts sieht er die empirischen Befunde weniger eindeutig: Kleinteilige Funktionsmischungen wirken sich hier nur auf den Binnenverkehr aus. Dieser ist aber im Gesamtbild der stadtregionalen Mobilität weitaus weni- ger problematisch als die durch die Außenorientierung induzierten, distanzintensiven Verkehre (K^GERMEIER

1997, 193/194 sowie Abb. 2).

D a ß sich die Unterschiede im räumlichen Verhalten nicht allein oder vorrangig aus dem siedlungsstruktu- rellen Kontext erklären, sondern Ausdruck vieler indi- vidueller Entscheidungen sind, geht insbesondere auf die Randwanderung im Zuge der Suburbanisierung zurück. Die résidentielle Mobilität von Haushalten ver- lagert sich vor dem Hintergrund niedrigerer Boden- preise, guter Verkehrserschließung und ausdifferenzier- ter individueller Wohnwünsche vorrangig in disperse Räume zwischen den Verkehrsachsen und in größerer Distanz zur Kernstadt; Analoges gilt für Standortent- scheidungen der Betriebe. In Abhängigkeit von der in- dividuellen Motorisierung bzw. der Verfügbarkeit des Pkw entwickelt sich die Bereitschaft zu einer mehr oder weniger verkehrsaufwendigen Alltagsorganisation. In den ostdeutschen Ländern ist dabei ein abweichender,

„exogen" gespeister Suburbanisierungstypus zu beob- achten, der von ortsfremden Kapitalverwertungsstrate- gien gesteuert wird und die tradierten Raum-Zeit- Muster erheblich überformt. Resultat sind stark ver- kehrsaufwendige Siedlungsstrukturen (ARLT 1999;

SINZ 1999; Universität Rostock 1995). Im dispersen, schlecht ausgestatteten Umland der Städte wie z.B. in Schwerin steigt die Zweit- und Drittmotorisierung der Haushalte und damit die Bedeutung des Pkws nach der Randwanderung rapide an (HERFERT 1996 sowie Abb. 3).

Qualitativ handelt es sich bei suburbanen Verkehrs- formen um vielgestaltige Beziehungen, z.B.: Pendelbe-

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Fahrzaugbaatand , 1 pro Hauahalt Bohne • 1 Pkw D2 und mehr Pkw

80 - * - - I

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wn dem Umzug (%) nadi dem Umzug (*t vor dem Umzug * n«di dorn Umzug % Leipziger Umland Schweriner Umland

Abb. 3: Fahrzeugbestand pro Haushalt in neuen Wohnsied- lungen im Umland von Leipzig und Schwerin 1994/1995 Quelle: ÜL/HERFERT 1996, 4 3

Cars per household in new suburban dwellings on the periphery of Leipzig and Schwerin, 1994/1995

Ziehungen der Umlandbewohner und Bewohnerinnen, die in der Kernstadt arbeiten; zentrumsorientierte Ver- sorgungsbeziehungen (Einkaufen in der Stadt); um- landorientierte Entsorgungsbeziehungen (Abfall auf die Deponie); disperse Verflechtungsbeziehungen (Zu- liefertransporte, Geschäftsreisen) oder umland- wie stadtorientierte Freizeitverkehre. In Abhängigkeit von der raumstrukturellen Entwicklung gewinnen dabei interne Verflechtungen in den Außenbereichen (z.B.

Tangentialverkehre) an Gewicht. Quantitative Daten liegen dazu aber bisher kaum vor. KUTTER und STEIN (1998, S. 57) haben am Beispiel der Region Dresden- Oberer Elbraum den Anteil des Binnenverkehrs (in der Kernstadt) mit 38% des Personen- und 34% des Güterverkehrs angesetzt, der Rest verteilt sich zu 27%

des Personen- und 25% des Güterverkehrs auf die Ach- sen und zu 33% (Güterverkehr: 41%) auf das disperse Umland.

Als Zwischenfazit läßt sich festhalten: Die Siedlungs- struktur trägt nur zu einem Teil zu Unterschieden im Verkehrshandeln bei.3' Die siedlungs- und verkehrs- strukturellen Veränderungen sind nicht monokausal erklärbar, sondern in ein Beziehungsgeflecht mit Rück- kopplungen eingebettet. Dabei spielen längerfristige Motive (z.B. Standortentscheidungen) ebenso eine Rolle wie das alltägliche Aktivitätenspektrum. Mit sinkenden Raumwiderständen bilden sich verkehrs- intensive Siedlungs- und Verkehrsstrukturen heraus.

Parallel entstehen als Folge gesunkener Raumwider- stände (Kosten, Zeit) individuelle Handlungsmuster, die im Rahmen von Abwägungen (sog. second best- Lösungen) einen hohen Verkehrsaufwand akzeptieren.

Eine eher „klassische" Sichtweise der Interaktion von Dichte und Verkehrsaufwand (bzw. Verkehrsmittel-

nutzung) prägt die Längsschnittuntersuchungen von NEWMAN a n d KENWORTHY ( 1 9 8 9 a ; 1 9 8 9 b ; 1 9 9 5 ; 1999), die seit Ende der 80er Jahre eine große inter- nationale Aufmerksamkeit erlangt haben. Sie waren von Beginn ihrer Publikation an auch Gegenstand einer heftigen wissenschaftlichen Kontroverse (GOR- DON a. RICHARDSON 1989). Im Kern geht es dabei um den statistischen Nachweis des Zusammenhangs von Siedlungsdichte und Verkehr, insbesondere um das Zu- sammenspiel von Siedlungsdichte und Benzinver- brauch. In der extremen Ausprägung dieser Merkmale standen sich asiatische Städte (mit hoher Dichte und geringem Benzinverbrauch) und nordamerikanische Stadtregionen (geringe Dichte, hoher Benzinver- brauch) gegenüber, während europäische und australi- sche Städte eine vermittelnde Position einnahmen. Auf der Basis der Daten von 32, später 46 Stadtregionen weltweit wird folgender Satz abgeleitet: Je geringer die Siedlungsdichte einer Agglomeration ist, umso größer ist der Verkehrsaufwand, vor allem im Kfz-Verkehr.

Umgekehrt bietet danach eine dichte Stadtstruktur beste Voraussetzungen für eine Abkehr von der Domi- nanz des Automobils.

Die kontroverse Diskussion dieser Arbeiten beruht wesentlich auf einer Methodenkritik - abgesehen da- von, daß interkulturelle Vergleiche bei einer global an- gelegten Untersuchung grundsätzlich schwierig sind, gerade weil die Spezifika der Politik- und Planungs- praxis als Randbedingung nicht ohne weiteres isoliert werden können. Im Mittelpunkt der Kritik steht der Versuch, aus der statistischen Beziehung zwischen Siedlungsdichte und Verkehrsbild einen kausalen Wir- kungszusammenhang abzuleiten. Zu vermuten ist aber, daß die Siedlungsdichte weniger eine erklärende Größe als vielmehr einen vermittelnden Parameter darstellt, der durch andere Faktoren gesteuert wird. Unter diesen Bedingungen ist die verkehrliche Wirksamkeit von höheren Siedlungsdichten begrenzt. Umgekehrt kön- nen die einer höheren Dichte unterstellten Effekte auch auf andere Weise erzielt werden, sie wären dann also nicht primär oder zwangsläufig eine Funktion der U r b a n e n F o r m (vgl. SCHMITZ 1 9 9 9 a).

3' Vgl. die ähnlich gelagerte Bewertung durch ALBERS und BAHRENBERG (1999) am Beispiel der Berufspendlerentwick- lung in der Stadtregion Bremen (1970-1987). Der Einfluß der Raumstruktur auf die im Zeitablauf veränderte Ver- kehrsmittelwahl (nicht auf Distanzen oder Häufigkeiten) wird mit nicht mehr als 15% angegeben. Als methodische Ein- schränkung muß hier aber neben dem Alter der Volks- zählungsdaten von 1987 die hohe Zahl der Falschangaben zur Verkehrsmittelwahl sowie der Beschränkung auf den Berufsverkehr berücksichtigt werden.

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Das dem Untersuchungskonzept zugrunde liegende Modell ist daher als zu eindimensional anzusehen. Die Konzentration auf die Größe „Siedlungsdichte" ver- deckt den Einfluß weiterer wichtiger Faktoren im Er- klärungszusammenhang. Dies gilt vor allem für den Benzinpreis, der möglicherweise als Ursache hinter der tendenziell kompakten Stadtstruktur steht - wie der- jenigen australischer Städte im Vergleich zu den USA

(WEGENER 1994). Dies gilt auch für den Faktor ÖPNV- Angebot, der mögliche Unterschiede sowohl in der Siedlungsstruktur als auch im Verkehrshandeln er- klären könnte. Die realisierten Reiseentfernungen bei- spielsweise in großen Ländern wie den USA gehen oft weit über das hinaus, was auf die räumliche Trennung der Nutzungsfunktionen zurückzuführen wäre. Bei geringen Raumwiderständen gibt es daher neben der baulich-räumlichen Funktionstrennung offenbar wirkungsstärkere individuelle Dispositionen. Wäre es möglich, diese individuelle Funktionstrennung als Aus- druck entfernungstoleranter Aktionsräume und Wirt- schaftsweisen zu reduzieren, dann wäre eine Reduzie- rung des Verkehrsaufwands theoretisch auch in Agglomerationsräumen mit abnehmender Siedlungs- dichte möglich (HESSE u. SCHMITZ 1998, 451).

Diese Überlegung liegt auch teilweise der Kritik von G O R D O N a n d RICHARDSON ( 1 9 8 9 ; z u l e t z t 1998) a n d e r Philosophie der siedlungsräumlichen Steuerung zu- grunde. Sie vertreten die These, daß sich der „spatial mismatch" zwischen Wohnbevölkerung und Arbeits- stätten mit zunehmender Suburbanisierung und quali- tativer Anreicherung der Quartiere auflöst. Als empi- rischen Beleg führen sie neben einer weiteren Abwanderung von Arbeitsstätten u.a. gesunkene Pend- lerzeiten an. Dies läßt sich aber auch mit dem Ausbau des Straßennetzes bzw. den weniger stauanfälligen tangentialen Relationen erklären. CERVEREO and W u (1998) sehen aufgrund ihrer empirischen Analyse der Pendelmobilität in 22 Subzentren der Bay Area ein- deutige Belege für einen Anstieg der Pendeldistanzen - gerade weil Arbeitsplatzangebot und individuelle Prä- ferenz häufig nicht übereinstimmen und deshalb nicht zu kurzen Wegen führen, selbst wenn dies rechnerisch möglich wäre. Auch andere Erhebungen aus den USA (PEERS 1 9 9 2 ; KULASH 1 9 9 0 ; HOLTZCLAW 1 9 9 1 ; 1 9 9 4 ) halten die These der Verkehrsreduktion durch kom- pakte Strukturen weiter aufrecht. In der Arbeit von PEERS wurden ältere, stark gemischte Quartiere in der Bay Area mit „modernen" suburbs sowie mit "Neotra- ditional Communities" (NTD) verglichen.4' HOLTZ- CLAW sieht aufgrund seiner vergleichenden Analysen von zwei unterschiedlichen Quartieren in der San Francisco Bay Area (Standard suburban development in Contra Costa County; traditional mixed-use in

Rockridge, Oakland) ebenfalls hinreichende Argu- mente, die für einen siedlungsstrukturellen Ansatz sprechen.5'

Auch diese Interpretationen der Ergebnisse sind nicht unumstritten, vor allem mit Blick auf die Er- hebungsmethoden, die Datenquellen und die Validität der Modellannahmen. CERVERO and KoCKELMAN (1996) kritisieren, daß die Datenbasis zu schwach sei, um zu empirisch gesicherten Aussagen über jenes Be- ziehungsgeflecht zu kommen, das die individuellen Verkehrsentscheidungen prägt. In ihrer Faktoranalyse zum Einfluß von Mischung, Dichte und Urban Design auf das Verkehrsverhalten (Fahrzeugkilometer aus Be- rufs- und anderen Verkehren von Haushalten in 50 ver- schiedenen Neighborhoods der Bay Area) können sie nur einen schwachen statistischen Zusammenhang dieser Variablen ermitteln.6' Sie weisen darauf hin, daß die untersuchten Parameter als Faktoren von Verkehrs- verminderung relativ schwach in Erscheinung treten:

"Overall, this research shows that the elasticities be- tween each dimension of the built environment and travel demand are fairly moderate, though certainly not inconsequential, and it supports the contention of new urbanists and others that creating more compact, diverse, and pedestrian-oriented neighborhoods, in

4' Die tägliche gesamte Verkehrserzeugung lag in den suburbs urn 23% über denen der traditionellen Quartiere;

NTD lagen auf einem ähnlichen Level wie die traditionellen Quartiere. Bei den Autofahrten in den suburbs lag die Rate der nur mit einer Person besetzten Kfz erheblich höher als in den Vergleichsräumen, sowohl in älteren Quartieren als auch in NTDs. Der Anteil des öffentlichen Verkehrs war auch in den NTDs gering (5%), jedoch höher als in den suburbs mit 3%; in den älteren Quartieren wurden Anteile des ÖPNV von 17% registriert. Der Anteil des Fahrradverkehrs lag in den NTDs mit 9% am höchsten, gegenüber 2% in den älteren Quartieren und 3% in den suburbs (PEERS 1992).

Die jährliche Pkw-Fahrleistung lag im traditionellen Quartier (Rockridge) um ca. 50% unter der des suburb. Eine Verdoppelung der Siedlungsdichte würde rechnerisch eine potentielle Reduzierung der Pkw-Fahrleistungcn um 20 bis 30% bringen. CO-Emissionen des Pkw-Verkehrs waren in den gemischten Quartieren um 40%, NOx-Emissionen um 5% niedriger als in den suburbs (HOLTZCLAW 1994).

6 ) "The research finds that density, land-use diversity, and pedestrian-oriented designs generally reduce trip rates and encourage non-auto travel in statistically significant ways, though their influence tend to be marginal. Elasticities between variables and factors that capture the 3Ds and various measures of travel demand are generally in the .06 to .18 range, expressed in absolute terms." (CERVERO a.

KOCKELMAN 1996, i).

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combination, can meaningfully influence how Ameri- cans travel."

Außerdem kann Konzentration in funktionsge- mischten Quartieren auch zu Verkehrserzeugung bei- tragen - also genau das Gegenteil von Verkehrsent- lastung durch Dichte bewirken. Dies beruht auf den ambivalenten Wirkungsdimensionen des Verkehrs und demonstriert die Widersprüchlichkeit siedlungsstruktu- reller Steuerungsversuche: Der Annahme einer positi- ven Wirkung von Dichte durch Konzentration von Nutzungen bei guter Erreichbarkeit steht im Erfolgsfall paradoxerweise eine mögliche Überlastung entgegen, die schnell negativ bewertet wird. Insofern ist es kein Zufall, w e n n CRANE ( 1 9 9 8 , 7) i n s e i n e r s y n t h e t i s i e r e n - den Darstellung zum möglichen Einfluß der Urbanen Form auf die räumliche Mobilität zu einer kritischen Einschätzung kommt: "However, there is no convinc- ing evidence that these designs influence travel behav- iour at the margin. They remain a wobbly foundation indeed for current transportation policy. We have much to learn. Improved understanding of how, and if, urban form affects individual and aggregate travel could help transportation planners immensely."

Betrachtet man die Spannbreite der verschiedenen theoretischen und empirischen Befunde, dann stehen fundamental gegensätzliche Ansichten nebeneinander.

In seiner zusammenfassenden, historisch reflektieren- den Skizze der konkurrierenden Positionen bewertet BREHENEY (1996, 29) die verschiedenen Ansätze von Centrists - also der normativ auf Dichte und Kompakt- heit setzenden Position - und von Decentrists, der stärker empirisch argumentierenden Position. Seine persön- liche Einschätzung sieht er zwischen beiden angesiedelt (Compromisers): "Given the merits and demerits of the centrist and decentrist cases, a compromise position has many attractions. From the centrist case it can adopt continued, indeed tougher, containment, urban rege- neration strategies, and a whole range of new intra- urban initiatives. There will be environmental gains, but not at the expense of quality of life. From the decentrist case it can allow for the controlled direction of inevitable decentralisation to suburbs and towns able to support a full range of facilities and public trans- port, and to sites that cause the least environmental damage. It takes account of the grain of the market, without being subservient to it. It might allow for some development in the form of environmentally-conscious n e w s e t t l e m e n t s " (BREHENEY 1 9 9 6 , 31). D i e b e g r e n z t e Tragfähigkeit einer siedlungsstrukturellen Steuerung begründet er mit eigenen Modellrechnungen von Ver- k e h r s a u f w a n d u n d E n e r g i e v e r b r a u c h (BREHENEY 1 9 9 6 , 25). Eine rigide Politik gegen den Trend der Dezentrali- sierung würde demnach langfristig nur eine geringe

Energieeinsparung mit sich bringen, so daß die Effekte

"trivial", die entstehenden Kosten jedoch ganz erheb- lich sein würden. In die gleiche Richtung weisen die M o d e l l r e c h n u n g e n v o n WEGENER ( 1 9 9 4 ) , d e r d i e E i n - schätzung von BREHENEY teilt. Dies gilt auch unter Be- achtung der Tatsache, daß diese Entwicklung insge- samt ein Resultat erheblicher öffentlicher und privater Investitionen ist, daß sie keineswegs zufällig zustande kam und erhebliche externe Kosten verursacht hat. Sie ist allerdings - obwohl gewolltes Resultat von Politik und Planung heute nur schwer wieder rückgängig zu machen. Der Weg von der „automobilabhängigen Stadt" zur zukünftigen nachhaltigen Stadtstruktur (s. Abb. 4 und 5) ist keineswegs einfach zu beschreiten.

4 Die „Logik der kurzen Wege": eine kritische Bewertung

Wie die Auswertung der empirischen Befunde ge- zeigt hat, beruht der Zusammenhang von Stadtstruktur und Verkehr auf einem komplexen Geflecht räum- licher Interaktionen, das von vielen, auch nicht-räum- lichen Determinanten beeinflußt wird. Planungskonse- quenzen, die sich aus der Urbanen Form begründen, sind daher mit spezifischen Unsicherheiten und Pro- blemen konfrontiert (vgl. im Überblick auch HALL

1997). Diese gehen keineswegs allein oder in erster Linie auf Umsetzungsprobleme zurück, sondern zunächst auf die Frage nach dem gegenstandsgemäßen Bild der Stadt, also der Konstruktion der Interaktion von Mobilität, Stadtstruktur und Verkehr, die dem Ver- meidungsansatz implizit zugrunde liegt.

In der „Logik der kurzen Wege" wird implizit ange- nommen, daß die Sicherung oder Rekonstruktion einer dichten, gemischten Stadtstruktur dazu beiträgt, Wege zu verkürzen, motorisierten Verkehr durch nichtmoto- risierten Verkehr zu ersetzen, Verkehr zu vermeiden. In diesem Kontext wird auch von „integrierter" Planung gesprochen. Das Problem dieser Integration ist jedoch generell, daß diese Beziehung einen komplizierten Gegenstand bildet, der sich aus mehreren Elementen zusammensetzt. Diese gehorchen wiederum jeweils eigenen Gesetzmäßigkeiten.

- Es geht erstens um eine bestimmte räumliche Konfiguration als Voraussetzung, die überwiegend aus der traditionellen „europäischen" Stadtstruktur abge- leitet wird (kompakte Stadt) und je nach Ausgangs- situation gesichert oder wiederhergestellt werden soll;

Es geht zweitens um das Zusammenwirken dieser Stadtstruktur bzw. der ihr unterliegenden Flächennut- zung mit der räumlichen Mobilität (dahinter stehen be- stimmte Annahmen über eine stadtstrukturspeziflsche Ausformung des Verkehrs);

(8)

Automobile Dependent City

• Low density

• Separated uses

• Arterial grid and cul de sac based

• Decentralised

route*

railway track partes city/towns tram suburbs rail transit 'pedestrian pockets' hlflh density middle suburb (grid based) post GO'S residential cul de sacs ex-urban or special rural industrial uses

Abb. 4\ Darstellung einer „automobilabhängigen" Stadtstruktur

Quelle: NEWMAN a. KENWORTHY 1999

Automobile-dependent City - Es geht drittens um die Frage, inwieweit sich dar- aus Anhaltspunkte zur gezielten Steuerung einer ver- kehrssparsamen Entwicklung ableiten lassen und in- wieweit die angestrebten Effekte (Verkehrsreduzierung, daraus abgeleitet Umweltentlastung) auf diese Weise auch tatsächlich wirksam werden können.

Die Diskussion der Stadt der kurzen Wege beruht also auf mindestens drei Hypothesen, die sehr vorausset- zungsvoll sind. Es stellt sich die Frage, inwieweit die darin implizit gesetzten Annahmen, die einem eher tra- ditionellen Bild der europäischen Stadt entsprechen, unter den heutigen Bedingungen noch gültig sein kön- nen. Mit Blick auf eine stark veränderte Planungs- kulisse seien hier nur die aktuellen Tendenzen der Stadtentwicklung (Entmischung, Dezentralisierung, G r ö ß e n w a c h s t u m , vgl. INGRAM 1998; BRAKE 1999), der soziale Wandel mit Individualisierung und Mobi- lisierung (ZUKIN 1998) sowie der ökonomische Wett- bewerb genannt - manifeste Trends, die hinter der Empirie stehen und die sich nicht ohne weiteres steuern lassen.

Mit der „Logik der kurzen Wege" verbindet sich noch kein ausgereifter Planungsansatz. Zum einen ent- koppelt sich die städtische Realität zunehmend vom Ideal der kompakten Stadt. Diese ist vor allem in Grün- derzeitvierteln und Innenstädten noch sichtbar. Diese Räume machen aber eben nur noch einen Teil des städtischen Funktionssystems aus, gemessen an den dynamischen wachsenden Randräumen der „Zwi- schenstadt" (SIEVERTS 1997). Zum anderen scheint sich die individuelle Mobilität parallel zur Erweiterung der persönlichen Freiheitsgrade (Einkommen, Freizeit) in

wachsendem Maße von den baulich-räumlichen Vor- aussetzungen abzukoppeln - zumindest spielt die ge- baute Kulisse nicht mehr die einst dominierende Rolle in der raum-zeitlichen Ausprägung von Aktivitäten.7' Die Menschen handeln anders, als es nach der in ihrer Bedeutung offensichtlich überschätzten Logik des kurzen Weges zu erwarten wäre. Schließlich sind die Wirkungsbeziehungen von Siedlungsstruktur und Ver- kehr sehr komplex geknüpft. Die Aussicht auf ihre gezielte Steuerung beruht möglicherweise auf einer zu starken Abstraktion von komplizierten Realitäten und vielschichtigen Wechselwirkungen.

Dieses Dilemma definiert gleichzeitig die Grenzen einer integrierten oder Kontext-Steuerung von Stadt und Mobilität/Verkehr, ohne ihre Bedeutung im Grundsatz in Zweifel zu ziehen: Die Straßenbahn in das Potsdamer Kirchsteigfeld oder die S-Bahn in das Neubaugebiet nach Karow-Nord im Berliner Nord- osten bleiben notwendiger Bestandteil einer städtebau- lichen Integration des Verkehrs bzw. einer verkehrs-

7 ) Die These von den wachsenden Freiheitsgraden gilt natürlich so nicht für alle Bevölkerungsschichten, sondern vorrangig für Erwerbshaushalte in den alten Bundesländern, die ungeachtet der wachsenden gesellschaftlichen Polarisie- rung über steigende Einkommen verfügen. Vor allem in den neuen Bundesländern stellt sich dieser Sachverhalt ganz an- ders dar. Aus Sicht des Verkehrs ist es zudem fatal, daß auch zunehmende Erwerbslosigkeit auf eine spezifische Weise zur Mobilisierung der Bevölkerung (Fernpendeln) und insofern zum Verkehrswachstum beitragen kann.

(9)

• Mixed density high - urban villages medium • 600m around transit stops low - demand responsive transit or cycle distance to trensit

• Integrated - residential, commercial end small scale Industry

• Sub-centralized - linked to transit and telecommunications

routes

middle suburb (grid based}

post 60 s residential cut de S4 ex-urban or specie! rural Industrial uses

Abb. 5: Konzeptualisierung der Struktur einer informationsbasierten Netz-Stadt Quelle: NEWMAN a. KENWORTHY 1999

A conceptual plan for the "Future" Nodal/Information City

integrierten Bauleitplanung. Sie sind aber nicht hin- reichend, um eine definierte Wirkung zu erzielen - zu- mindest solange einige bestimmende Determinanten des raum-zeitlichen Handelns unberücksichtigt blei- ben. Die Raum-Zeit-Muster der Großstadtbürger des wilhelminischen Deutschland waren offenbar so kalkulierbar, daß die U-Bahn-Erschließung von Sied- lungsterrains etwa in Berlin mehr oder weniger zwangsläufig entsprechend hohe Nutzungsraten nach sich zog. Auch im fordistischen Städtebau im Nach- kriegsdeutschland konnte von einer weitgehenden Synchronisierung der räumlichen Mobilität ausgegan- gen werden, die von den Massenverkehrsmitteln gut aufgefangen werden konnte. Die heutigen Mobilitäts- anforderungen und -möglichkeiten stellen sich dagegen vermutlich heterogener und anspruchsvoller dar als zu jener Zeit (SCHMITZ 1999 b). Die Vorhaltung neuer Ver-

kehrsangebote erweitert nun das Spektrum der Mög- lichkeiten, rechtfertigt darüber hinaus aber - gerade aufgrund ihres optionenerweiternden Charakters noch keine Erwartungen in Richtung Steuerbarkeit.

5 Schlußfolgerungen

Trotz der hohen Komplexität des Gegenstandes und der begrenzten Vorhersehbarkeit bzw. Steuerbarkeit

der zugrunde liegenden Interaktionen zwischen Sied- lungsstruktur und räumlicher Mobilität lassen sich einige konkrete Schlußfolgerungen aus dieser Diskus- sion ziehen, sowohl für Politik und Planung als auch für die Forschung.

a) Politik und Planung: Die empirischen Befunde zei- gen, daß dem Ansatz einer indirekten Steuerung der Ver- kehrsentwicklung über die Siedlungsstrukturcn Gren- zen gesetzt sind. Stadtstrukturen reagieren träge und verändern sich nur mittel- bis langfristig. Ihr Einfluß auf den Verkehr erfolgt weniger direkt als vielmehr m i t t e l b a r (CURDES u . ULRICH 1 9 9 7 ; a u ß e r d e m H U M - PERT u.a. 1996). Kurzfristig gibt es für die Planung wenig Alternativen dazu, mit einer klugen Bestands- politik auf den Feldern Flächennutzung und -recycling, Innenentwicklung, Aufwertung und Sicherung des Bestands etc. der weiteren Dispersion des Siedlungs- raumes entgegenzuwirken bzw. eine verkehrser- zeugende Standortpolitik zu vermeiden. Strategische Reaktionsmöglichkeiten bietet sicher eine raumbe- zogene Kopplung von Wohnungs- und Arbeitsmarkt- politik, etwa durch gezielte Standortentscheidungen, Wohnungstauschbörsen etc. (HOLZ-RAU u.a. 1998).

Gerade weil eine verkehrssparsame Siedlungsstruk- tur nicht ohne weiteres rekonstruierbar ist, darf die Ver- kehrsinfrastruktur als eine derjenigen Stellgrößen nicht vernachlässigt werden, die sehr dominant auf die

(10)

S t a d t s t r u k t u r e i n w i r k e n . CURDES u n d U L R I C H ( 1 9 9 7 )

haben dazu auf die „eigene Logik der Raumstruktur"

hingewiesen, die anscheinend verhältnismäßig unab- hängig von den Zielen und Aktionen der Planung ihre Wirkung ausübt. Sie besteht, und dies ist für die Frage- stellung dieses Themas zentral, aus den „Möglichkeiten und Grenzen, die die Verkehrsnetze und deren bau-

l i c h e A u s f ü l l u n g z u l a s s e n " (CURDES u . U L R I C H 1 9 9 7 ) .

Unter den Entwicklungsgesetzen der Stadtstruktur nennen die Autoren unter anderem: a) die Nutzung be- reits vorhandener Siedlungskerne als Sprungbrett für eine Erschließung der Umgebungsräume, b) die ver- kehrliche Verknüpfung benachbarter Siedlungskerne zur Intensivierung arbeitsteiliger Austauschprozesse und c) die Nutzung von Verkehrsinnovationen zur Aus- weitung des Territoriums und zur Anbindung der Stadt an das regionale und nationale Austauschsystem.

Weil sich die Logik des räumlichen Verhaltens bisher noch einer genaueren Bestimmung entzieht, kommt der Verkehrsinfrastruktur unter den relevanten Ein- flußgrößen ein besonderes Augenmerk zu. Sie ist nicht nur materielles Bindeglied zwischen Stadt und Verkehr, sondern möglicherweise dominierende Stellgröße zwi- schen beiden Polen. Ein behutsamer Umgang damit, der Verkehrswege im Sinne von „constraints" (Raum-/

Zeitwiderstände) und nicht zur Flexibilisierung und Ausweitung von Raum-Zeit-Strukturen einsetzt, ist offenbar mindestens genauso wichtig wie eine vor- sorgende Planung der künftigen Stadtstruktur.

b) Die Stadt- und insbesondere die Verkehrsforschung steht vor der Herausforderung, Abschied von einfachen, linearen Denkmustern zu nehmen, im Sinne von

„impact-studies" oder „conventional wisdoms", also vereinfachten, zielgerichteten Annahmen über kom- plexe Wirkungszusammenhänge. Mobilität und Ver- kehr sind eng verwoben mit der individuellen Lebens- führung bzw. der Organisation von Unternehmen.

Häufig wird der Verkehr aus diesen Umgebungsbedin- gungen isoliert, was der forschungspraktischen Opera- tionalisierung geschuldet ist. Mit dieser Reduktion geht jedoch eine erhebliche Simplifizierung des Gegen-

standes einher. Statt dessen ist es notwendig, zu einem besseren Verständnis der relevanten Regelkreise und ihrer Kontexte zu kommen und ihr Zusammenwirken genauer zu beobachten. Dies setzt auch andere metho- dische Zugänge voraus. Erst auf der Basis eines besse- ren Verstehens von Mobilität und ihren Umgebungs- bedingungen ist eine zielgerichtete Steuerung, z.B. in Richtung „Nachhaltigkeit" möglich. Je mehr vermeint- liches Umsetzungswissen in den vergangenen Jahren produziert wurde, um so dringender erscheint eine gründlich formulierte Problem- und Fragestellung.

Mit anderen Worten: der Sprung von der „Stadt" zur

r

Flächenangebot

Bodenpreise ^ Baukultur V ^ g£SSffih

technische Infrastruktur Verkehrszeiten

Angebots- 1 V Übergänge/

qualität Schnittstellen Netzzugang Nah-/Fern-

erreichbarkeit

A l _ Verkehrsnetze/

Verkehrsangebot

Siedlungsentwicklung

t

Lebensstile, Milieus

Quelle: Eigene Darstellung

Erwerbstätigkeit

Einkommen , Haushaltsgröße Aktivitätenspektrum ^ ü g b a r k e i f '

Zeitbudget ' V i Motorisierung Einstellungen Wohneigentum

Abb. 6: Interaktionsfeld von Siedlungsstrukturen, Lebens- stilen und Verkehr

Field of interactions between settlement-structure, lifestyle and transport

„Region der kurzen Wege" (BBR 1999) ist erheblich komplizierter, als es diese Formulierung suggeriert.

Forschungsbedarf besteht vor allem dort, wo die spezifischen Wechselwirkungen von Mobilität und indi- viduellem Handeln in konkreten räumlichen Kontex- ten verfolgt werden. In diesem Zusammenhang könnte der Ansatz der Lebensstile bzw. Milieus erheblich an Bedeutung gewinnen, der zur Zeit eine Renaissance in der raumbezogenen Forschung erfährt (KEIM 1997;

MATTHIESEN 1 9 9 8 ; HELBRECHT U. P O H L 1 9 9 5 ) . M i t

diesem Ansatz wurde aber bisher - von einer Aus- nahme abgesehen (GÖTZ 1998) — nicht in bezug auf Mobilität und Verkehr gearbeitet. Hier kommen zwei For- schungsdefizite zusammen: die bisher unzureichende theoretische und empirische Durchdringung der sozialen Aspekte des Mobilitäts- und Verkehrshandelns einerseits sowie die in gewisser Weise „raumlose" Kon- figuration der Lebensstil- und Milieuforschung ande- rerseits. Dieser Ansatz könnte aber geeignet sein, die aufgezeigten Forschungslücken zu schließen und der Vielschichtigkeit des Forschungsgegenstands besser als

b i s h e r g e r e c h t z u w e r d e n (WACHS a . CRAWFORD 1 9 9 2 ) .

Bei der Zusammenführung dieser Forschungskontexte könnten auch geographische Ansätze, beispielsweise die Aktionsraumforschung, eine wichtige Rolle spielen

( F o x 1 9 9 5 ; SCHEINER 1 9 9 8 ) .

Dieses Forschungsdefizit läßt sich im städtischen Kontext auch konkret verorten, da der Siedlungsstruk- turansatz bislang offensichtlich stark auf die Innenstadt und die verdichteten Stadtquartiere ausgerichtet war.

Mit Blick auf die demgegenüber sehr verschiedene soziale und kulturelle Lebenswirklichkeit an den sich dyna- misch entwickelnden Rändern der großen Städte

(11)

(PRIGGE 1998) sind eine Reihe von raumspezifischen Fra- gen aufgeworfen, denen sich die Forschung m. E. ver- stärkt widmen sollte. Möglicherweise liegen die größe- ren Probleme und Hemmnisse für die Stadt der kurzen Wege gar nicht im Verkehrsbereich, sondern in den absehbaren Entwicklungspfaden der Städte. Denn es könnte sein, daß der Stadt der kurzen Wege mittelfristig das Referenzmodell, die „kompakte Stadt", abhanden k o m m t (HESSE U. SCHMITZ 1 9 9 8 ; SIEVERTS 1997).

Wenn es stimmt, daß Dezentralisierung und Dekon- zentration weiterhin die bestimmenden Trends darstel- len, und dafür gibt es viele Anzeichen, wäre nicht nur die Hypothese von der engen Verbindung aus Ver- kehrsorganisation und gebautem Raum brüchig (wie vermutet). Es könnte auch sein, daß die Grund- annahme von der kompakten Stadt und damit die Basis dieser Argumentation nicht mehr gegeben ist.

Fazit'. Es wäre sinnvoll, zu einer erweiterten Sicht auf das Zusammenwirken von Siedlungsstruktur und Mobilitätsmuster zu kommen, die sowohl den ver- änderten siedlungsstrukturellen Ausgangsbedingungen als auch den individuellen Mobilitätsanforderungen

und -möglichkeiten gerecht wird. Als Ergebnis dieser kritischen Reflektion wird für eine erweiterte, drei- dimensionale Darstellung des Beziehungsgeflechtes plädiert, das die hier skizzierten Überlegungen zusam- menführt (Abb. 6). Es enthält die Gegenstände Sied- lungsentwicklung/ -struktur (als Oberbegriff für baulich- räumliche Strukturen), Verkehrsnetze und -angebote (als Ausdruck von Verkehrsorganisation und -infrastruktur im weiteren Sinn) sowie Lebensstile und Milieus als Ober- begriff für die sozial-kulturellen Determinanten aktionsräumlichen Handelns. Aus der Interaktion dieser drei Dimensionen - so die forschungsleitende These - ergibt sich die konkrete Ausprägung räum- licher Mobilität. Die weitere Forschung sollte diese Bereiche zueinander in Beziehung setzen und systema- tisch nach Möglichkeiten der Integration und Ver- knüpfung suchen. Dabei ist es notwendig, die Struktur und Dynamik der drei Kategorien zunächst jeweils für sich „richtig" abzubilden und zu verstehen. Erst dann kann auch ihre Interaktion angemessen untersucht werden, könnten diesbezügliche Steuerungschancen realistisch eingeschätzt werden.

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