Direktor: Prof. Dr. med. Thomas M. Behr
Entwicklung und präklinische Evaluation von
Radiopeptiden als Cholezystokinin‐Rezeptor
Liganden zur Tumordiagnostik und ‐therapie
Inaugural‐Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der gesamten Medizin dem Fachbereich Medizin der Philipps‐Universität Marburg vorgelegt von Maik Stiehler aus Oldenburg (i.O.) Marburg 2006
Angenommen vom Fachbereich Medizin der Philipps‐Universität Marburg am 31.08.2006. Gedruckt mit Genehmigung des Fachbereichs. Dekan: Prof. Dr. med. B. Maisch Referent: Prof. Dr. med. T. Behr Korreferent: Prof. Dr. med. T. Gudermann
Für Dia.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 7 2 Material und Methoden 23 2.1 Peptide 23 2.2 Tiere 23 2.3 Radionuklid 24 2.4 Radioaktivitätsmessung 26 2.5 DTPA‐Derivatisierung der Peptide und Aufreinigung der DTPA‐Peptide 29 2.6 111In‐Markierung der DTPA‐Peptide 35 2.7 Qualitätskontrolle der 111In‐Markierung 36 2.8 Algorithmus: Synthese der Radiopeptide 40 2.9 Stabilitätsstudien 40 2.9.1 Inkubation ausgewählter Radiopeptide in freiem DTPA 40 2.9.2 Inkubation ausgewählter Radiopeptide in humanem Serum 41 2.10 Bioverteilungsstudien der Radiopeptide im Tiermodell 42 2.11 Radiopeptid‐Szintigraphie eines Probanden 44 2.12 Statistik 44 2.13 Ethische Aspekte 45 3 Ergebnisse 46 3.1 Stabilitätsstudien an Radiopeptiden 46 3.1.1 Inkubation ausgewählter Radiopeptide in freiem DTPA 46 3.1.2 Inkubation ausgewählter Radiopeptide in humanem Serum 47 3.2 Bioverteilungsstudien der Radiopeptide im Tiermodell 50 3.2.1 Minigastrin 503.2.2 [D‐Glu]1‐Minigastrin 52
3.2.3 s[D‐Glu]1‐Minigastrin 54
3.2.4 [D‐Glu]61‐6‐Minigastrin 56
3.2.5 [D‐Glu]1‐[Asp]52‐6‐Minigastrin 58
3.2.6 [D‐Glu]1‐[D‐Trp]10‐Minigastrin 60 3.2.7 CCK8 62 3.2.8 sCCK8 64 3.2.9 [D‐Asp]1‐[Nle]3,6‐CCK8 66 3.2.10 Cionin 68 3.2.11 sCionin 70 3.3 Radiopeptidclearances 72 3.4 Ganzkörperszintigraphie eines Probanden mit 111In‐DTPA‐Minigastrin und 111In‐DTPA‐[D‐Glu]1‐Minigastrin 78 4 Diskussion 79 4.1 Affinität und Spezifität von Radiopeptiden 80 4.2 Elimination von Radiopeptiden 88 4.3 Stabilität von Radiopeptiden 95 5 Literaturverzeichnis 100 6 Zusammenfassung 109 Verzeichnis der akademischen Lehrer 111 Danksagung 112
Abkürzungen
CCK Cholezystokinin cpm Counts per minute DTPA Diäthylentriaminpentaacetat HPLC Hochleistungs‐Flüssigkeitschromatographie 111In 111‐Indium kDa Kilodalton p.i. post injectionem1
Einleitung
Die Erkenntnis, dass bestimmte Tumorzellen auf ihrer Oberfläche Antigene, wie zum Beispiel das carzinoembryonale Antigen, exprimieren bahnte Mitte der siebziger Jahre die Entwicklung von Radionuklid‐konjugierten Immunglobulinen zur szintigraphischen Darstellung dieser Tumoren und deren Metastasen in vivo.58,59,62,63,125 Durch die Arbeit von Goldenberg und Mitarbeitern57,60 wurde die so
genannte Radioimmuntherapie ins Leben gerufen. Im Vergleich zur externen Radiotherapie und Chemotherapie ermöglicht diese Form der Behandlung eine selektive Eliminierung Antigen tragender Krebszellen. Die Radioimmuntherapie wurde besonders durch die Entwicklung der monoklonalen Antikörpertechnik durch Köhler und Milstein im Jahre 197585 vorangetrieben. Diese Technik
ermöglicht die Herstellung von gegen bestimmte Antigene gerichteten, untereinander völlig identisch strukturierten Immunglobulinen, so genannten monoklonalen Antikörpern. Besonders die Radioimmuntherapie von Lymphomen und anderen radiosensitiven hämatologischen Tumoren scheint sich als innovative und potente Methode zu etablieren.121,122 Der Einsatz radioaktiv
markierter Antikörper ist allerdings nicht nur auf den onkologischen Bereich beschränkt. So lassen sich mittels solcher Radioantikörper eine Vielzahl unterschiedlicher diagnostischer Ziele, wie zum Beispiel entzündliche Regionen, Infarktgebiete sowie atherosklerotische und thrombotische Gefäßveränderungen im Körper visualisieren.9,10,56
Radioaktiv markierte Immunglobuline können jedoch nur eingeschränkt zur diagnostischen Bildgebung und Therapie von Tumoren verwendet werden. Relativ langsame Gewebsdiffusionen und Blutclearances, ungenügend hohe Affinitäten gegenüber dem Zielantigen, nur mäßige Tumor/Nichttumor‐ Verhältnisse, Dosis limitierende Knochenmarkstoxizitäten, immunologische Reaktionen (besonders bei mehrmaliger Verwendung von fremden, tierischen Immunglobulinen) sowie eine unspezifische Anreicherung von IgG‐Antikörper in entzündlich veränderten Regionen stellen in diesem Zusammenhang Hindernisse
dar.48,57,61 Einige dieser unerwünschten Eigenschaften können durch die
Verwendung von kleineren Molekülen umgangen werden. So konnten durch den Einsatz von Antikörperfragmenten9,10,12,24,56,61 und von nur aus wenigen
Aminosäuren bestehenden Rezeptor bindenden Peptiden89,190 schnellere
Hintergrundclearances mit entsprechender Optimierung der Tumor/Nichttumor‐ Verhältnisse erzielt werden. Da Antikörperfragmente mit Molekulargewichten von einigen Tausend Dalton zu groß sind, um eine effektive Penetration ins Tumorgewebe mit entsprechend günstiger Pharmakokinetik zu erreichen, gilt das besondere Interesse im Hinblick auf die Darstellung und Elimination von Tumorzellen dem Einsatz noch kleinerer, radioaktiv markierter Peptide.
Peptide sind in der Evolution entwickelte molekulare Einheiten zur Übermittlung, Aufnahme und Weiterleitung von Signalen. Sie erfüllen als Hormone, Neurotransmitter, Neuromodulatoren, Wachstumsfaktoren und ‐inhibitoren sowie als Zytokine eine Vielzahl biologischer Funktionen im Organismus. Die Kenntnis über das Vorkommen von Peptidrezeptoren auf Tumorzellen ebnete den Weg für neue nuklearmedizinische Konzepte in der onkologischen Diagnostik und Therapie.
Bereits Ende der siebziger Jahre konnte die im Vergleich zum Normalgewebe höhere Expression von Somatostatin‐Rezeptoren durch Tumorzellen beobachtet werden.160 Reubi et al. gelang Mitte der achtziger Jahre mittels
autoradiographischer Methoden erstmals der Nachweis von Somatostatin‐ Rezeptoren in menschlichen Tumoren.135‐139,205 Diese Beobachtung gab der
Entwicklung und Erforschung von auf Peptiden basierenden Radiopharmaka zur Lokalisationsdiagnostik und zur systemischen Therapie dieser Tumoren weiteren Antrieb. Obwohl Bardfeld schon 1976 über den Einsatz jodierten Somatostatins in vivo berichtete,7 gelang erst gut ein Jahrzehnt später mit der Synthese des
gegenüber Plasma‐ und Gewebsproteasen stabilen Somatostatin‐Analogons Octreotid der Durchbruch. Durch Injektion des radioaktiv markierten Octreotid können nun Somatostatin‐Rezeptor exprimierende Tumoren und ihre Metastasen szintigraphisch lokalisiert werden.4,86,87,90 Octreoscan®, ein 111In‐markiertes DTPA‐
Derivat des Octreotid, ist das erste so genannte Radiopeptid, welches als Pharmakon europaweit und in den USA regulär zugelassen ist. Die
neuroendokriner Tumoren dar. Tabelle 1.1 zeigt eine Auswahl an Somatostatin‐ Rezeptor positiven Tumoren. Karzinoid medulläres Schilddrüsenkarzinom Glukagonom kleinzelliges Bronchialkarzinom VIPom kolorektales Karzinom Phäochromozytom malignes Lymphom Paragangliom malignes Mammakarzinom Gastrinom Adenokarzinom der Prostata Astrozytom GH und TSH produzierendes Hypophysenadenom Meningeom Insulinom
Tabelle 1.1 Somatostatin‐Rezeptor positive menschliche Tumoren. 86,87,90‐93,112,139,155 Linke Spalte:
Tumoren mit deutlicherer Somatostatin‐Rezeptor Überexpression.
Die gewünschte Anreicherung radioaktiv markierter Somatostatinanaloga im Tumorgewebe – einschließlich Metastasen – führte zu einer Ausweitung der Indikationsstellung dieser Methode auf therapeutische Ansätze durch die Applikation höherer Strahlendosen bei Verwendung entsprechend geeigneter Radionuklide.38,94,114,115
Bereits 1983 konnten Estival et al. die Überexpression von VIP(vasoactive intestinal peptide)‐Rezeptoren auf humanen Tumorzellen nachweisen. Autoradiographische Untersuchungen bestätigten den Nachweis von VIP‐ Rezeptoren auf einer Vielzahl menschlicher epithelialer Tumoren.132,133,142,145,148
Dabei handelt es sich vor allem um Tumoren, welche keine sst2‐ und sst5‐ Somatostatin‐Rezeptor‐Subtypen exprimieren und somit nicht durch Octreoscan®‐
Szintigraphie darstellbar sind. Virgolini et al. berichteten bereits über den erfolgreichen klinischen Einsatz von radioaktiv markiertem VIP zur Lokalisationsdiagnostik von gastrointestinalen und endokrinen Tumoren und deren Metastasen.71,88,126,189,190 Die Verwendung von VIP‐Rezeptor‐Antagonisten mit
dem Ziel der Wachstumshemmung VIP‐Rezeptor‐positiver Tumoren stellt zudem eine innovative Therapiemöglichkeit einiger Formen des Brustkrebses dar.206
Die Expression von Substanz P‐Rezeptoren konnte unter anderem in Astrozytomen, Glioblastomata, medullären Schilddrüsenkarzinomen, Ganglioneuroblastomata, hepatozellulären Karzinomen und einigen Brustkrebsarten nachgewiesen werden. Darüber hinaus finden sich Substanz P‐ Rezeptoren in intra‐ und peritumorösen Blutgefäßen vieler unterschiedlicher Tumoren.70,140,149,169 Breeman et al. beschrieben 1996 den In‐vivo‐Einsatz eines 111In‐
markierten DTPA‐derivatisierten Substanz P‐Analogons zur szintigraphischen Darstellung immunologisch bedingter Krankheitszustände (z.B. Vaskulitiden, rheumatoide Arthritis) sowie bestimmter Tumoren (z.B. Karzinoid) unter der Annahme der Überexpression von Substanz P‐Rezeptoren in diesen Geweben.30
Ende der achtziger Jahre wurden Bombesin‐Rezeptoren auf Zellen des kleinzelligen Bronchialkarzinoms entdeckt.36,46,107,187,200 Diese Rezeptoren konnten
auch in anderen neoplastischen Geweben gefunden werden, wie zum Beispiel in Mammakarzinomen,27,53,66 Prostatakarzinomen,101,131,184 Melanomen,117
Magenkarzinomen,32,68,123,124 Glioblastomata,166 Pankreaskarzinomen,67,185
kolorektalen Tumoren32,33 und Duodenaltumoren.197 Rogers et al. erreichten 1997
die Syntheseinduktion von Bombesin‐Rezeptoren auf Ovarialtumorzellen, welche intraperitoneal in Nacktmäuse transplantiert wurden und mittels Injektion eines radioaktiv markierten Bombesin‐Derivates zur szintigraphischen Darstellung gebracht werden konnten.152 Erste präklinische Studien sind viel versprechend
und deuten auf die Möglichkeit des klinischen Einsatzes radioaktiv markierter Bombesinanaloga in naher Zukunft hin.3,28,29,153,154
Auch das Vorkommen von Neurotensin‐Rezeptoren auf Tumorzellen zentralnervösen Ursprungs ist schon seit längerer Zeit bekannt.37,111,175 Einige
Kolonkarzinome,100,196 Prostatakarzinome,161,162 Pankreaskarzinome,143,196,203 nicht‐
kleinzellige Bronchialkarzinome196 und das Ewing Sarkom147 stellen weitere
Neurotensin‐Rezeptor positive Tumoren dar. Hiermit eröffnen sich neue Wege für die nuklearmedizinsche Diagnostik und Therapie dieser Tumoren.
Rezeptoren des Alpha‐Melanozyten stimulierenden Hormons (AMSH) konnten schon vor längerer Zeit auf Melanomzellen dargestellt werden.35,52,167,168 Es sind
bereits eine Reihe von Arbeiten über die erfolgreiche Entwicklung verschiedener AMSH‐Radiopeptide zur szintigraphischen Lokalisationsdiagnostik des malignen
Die bisher erwähnten Rezeptorliganden können unter dem Begriff Neuropeptide zusammengefasst werden. Diese stellen eine vor allem während der letzten 30 Jahre erforschte Substanzfamilie dar, deren Name sich aus dem primären Syntheseort ihrer Vertreter, nämlich den Neuronen, herleitet.132 Neuropeptide
werden jedoch auch in Geweben außerhalb des Nervensystems synthetisiert, wie z.B. im Gastrointestinaltrakt, im endokrinen System oder im lymphatischen Gewebe. Die unterschiedlichen Syntheseorte dieser Peptide deuten bereits auf deren vielfältige Wirkungen im menschlichen Organismus hin. Tabelle 1.2 gibt einen Überblick über einige aus nukelarmedizinischer Sicht relevante Vertreter dieser Familie. Gastrin Bradykinin Cholezystokinin (CCK) Calzitonin Somatostatin Neuropeptid Y Substanz P Galanin Vasoaktives Intestinales Peptid (VIP) Atrialer natriuretischer Faktor Hypophysäres Adenylatzyklase aktivierendes Peptid Neurotensin Alpha‐Melanozyten stimulierendes Hormon (AMSH) Sekretin Arginin‐Vasopressin Melatonin Oxytozin Opioid‐Peptide Angiotensin Thyrothropin‐releasing hormone Insulin Endothelin Luteinizing hormone‐releasing hormone Corticotropin‐releasing factor Bombesin‐/Gastrin‐releasing peptide Growth hormone‐releasing factor
Tabelle 1.2 Nuklearmedizinisch relevante Neuropetide, einschließlich Verdauungs‐ und hypophysärer Peptide sowie hypothalamische Releasing‐Hormone.132
Ebenfalls zu dieser Familie gehören die Peptide Gastrin und Cholezystokinin (CCK). Schon vor längerer Zeit wurde die wachstumsstimulierende Wirkung des Peptidhormons Gastrin auf die Schleimhaut von Magen und Dickdarm beobachtet.79,80 Diese Wirkung wird entsprechend über Gastrin‐Rezeptoren der
Schleimhautzellen vermittelt.5,177 In den achtziger Jahren erfolgten verschiedene
und kolorektaler Tumoren beeinflussen. Tatsächlich konnte eine wachstumsstimulierende Wirkung dieses Peptids auch auf neoplastische Gewebe beobachtet werden.8,73,84,104,108,172,183,195,199,204 Die Expression von Gastrin‐Rezeptoren in
menschlichem Tumorgewebe konnte bereits 1985 durch Singh et al. beobachtet werden.171 Staley und Sethi vermuteten den Zusammenhang zwischen dem
Wachstum des kleinzelligen Bronchialkarzinoms in Gegenwart von Gastrin‐ ähnlichen Peptiden und dem Vorkommen von CCK2/Gastrin‐Rezeptoren in diesen Geweben.164,180 Die hohe Sensitivität der Erhöhung der
Calzitoninplasmakonzentration nach intravenöser Gabe des synthetisch hergestellten Pentagastrins bei Vorliegen eines medullären Schilddrüsenkarzinoms ließ die (Über‐)Expression des entsprechenden Rezeptortyps durch Zellen des menschlichen medullären Schilddrüsenkarzinoms bereits vermuten.1,51,106 1996 schließlich entdeckten Reubi et al. das Vorkommen
von CCK1‐ und CCK2/Gastrin‐Rezeptoren in diesem Tumortyp mittels In‐vitro‐ Rezeptorautoradiographie unter Verwendung zweier unterschiedlicher Rezeptorliganden.142 Ebenfalls durch Reubi erfolgte ein Screening einer Vielzahl
unterschiedlicher menschlicher Primärtumorgewebe auf das Vorhandensein von CCK‐Rezeptoren.141 Tabelle 1.3 zeigt eine Auswahl der jeweils relevanten CCK1‐
bzw. CCK2/Gastrin‐Rezeptor überexprimierenden Tumoren mit Angabe der von Reubi et al. nachgewiesenen Häufigkeiten. CCK1‐Rezeptor positive Tumoren CCK2/Gastrin‐Rezeptor positive Tumoren Gastroenteropankreatische Tumoren (38%) Stroma‐Ovarialkarzinom (100%) Meningeom (30%) medulläres Schilddrüsenkarzinom (92%) Neuroblastom (19%) Astrozytom (65%) medulläres Schilddrüsenkarzinom (8%) kleinzelliges Bronchialkarzinom (57%) Tabelle 1.3 CCK‐Rezeptor Überexpression in Tumoren mit Angabe der jeweiligen Häufigkeiten.141
Autoradiographische Untersuchungen von Smith et al. deuten zudem auf das Vorkommen von CCK‐ bzw. Gastrin‐Rezeptoren in menschlichen Dickdarm‐ und Magentumoren hin. Es wird deutlich, dass CCK und Gastrin im menschlichen
Organismus eine größere Rolle spielen, als zuvor angenommen wurde.173 Sie
scheinen nämlich nicht nur auf gastrointestinale und neuroendokrinologische Gewebe zu wirken, sondern auch auf Tumoren, welche vorher nicht mit ihnen in Verbindung gebracht wurden. Die Entdeckung der Überexpression von CCK‐ Rezeptoren durch verschiedene Tumoren ermöglichte somit den Einstieg in die Erforschung nuklearmedizinischer Methoden zur Diagnostik und Therapie CCK‐ Rezeptor positiver Tumoren.
CCK und Gastrin sind sowohl zentralnervös40,127,156,188,201 als auch peripher
gastrointestinal109 wirkende Peptidhormone mit großen Wirkspektren. Gastrin
wurde erstmals 1905 von Edkins als eine in der Antrumschleimhaut befindliche, die Magensäureproduktion stimulierende Substanz erwähnt.45 Gregory et al.
beschrieben 1964 die Aminosäuresequenz des Gastrins.64 Im Jahre 1968 erfolgte die
Strukturbeschreibung des 1928 von Ivy und Oldberg75 erstmals beschriebenen
Cholezystokinins durch Mutt und Jorpes.110 Gastrin und CCK weisen ein jeweils
identisches C‐terminales Ende auf: Tryptophan‐Methionin‐Aspartat‐Phenylalanin‐ NH2 (Trp‐Met‐Asp‐Phe‐NH2, siehe Abbildung 1.1). Dieses Tetrapeptid stellt
diejenige Struktur dar, welche für eine Rezeptorbindung mit daraus resultierender biologischer Wirkung erforderlich ist.78 Abbildung 1.1 Gemeinsamer C‐Terminus von Gastrin und CCK.
Die Potenz beider Peptide ist jedoch von deren N‐terminaler Ausdehnung abhängig,78 welche zwischen CCK‐5129 bzw. Gastrin‐665,128 als kleinste und CCK‐
8344 bzw. Gastrin‐71130 als größte bisher beschriebene Vertreter dieser
Peptidfamilien variiert. Abbildung 1.2 veranschaulicht einerseits den konstanten C‐Terminus sowie andererseits mögliche Sulfatierungen von CCK, Gastrin und Cionin.
Die beiden Peptidfamilien unterscheiden sich durch die Position des Tyrosins im Peptid. Dabei liegt bei der Gastrin‐Familie eine Aminosäure (üblicherweise Glyzin) zwischen dieser Tyrosyl‐Einheit und der C‐terminalen Rezeptor‐ Bindungs‐Sequenz Trp‐Met‐Asp‐PheNH2 vor; bei der CCK‐Familie hingegen
befinden sich dort zwei Aminosäuren (Methionin‐Glyzin oder Threonin‐Glyzin). Abbildung 1.2 zeigt weiterhin die Aminosäuresequenz des Cionin, einem aus neuralen Ganglien des Protochordaten Ciona intestinalis aufgereinigtem Peptidhormon. Aufgrund seines C‐terminalen Tetrapeptid‐Amids Trp‐Met‐Asp‐ Phe‐NH2 und der Sulfatierung seiner beiden Tyrosine nimmt es
entwicklungsgeschichtlich eine Vorgängerrolle gegenüber dem Gastrin und dem CCK ein.158 Wie schon seine Strukturverwandschaft zu Gastrin und CCK
vermuten lässt, weist Cionin tatsächlich agonistische Effekte zu diesen beiden Peptidfamilien auf.102 Es scheint jedoch bezüglich seiner biologischen Wirkungen
und seiner Struktur (Oktapeptid) dem CCK näher zu stehen.158 ( 3) − HSO
Abbildung 1.2 CCK, C‐Terminus von Gastrin und Cionin mit den Stellen möglicher Tyrosyl‐
Sulfatierungen. Das eingerahmte C‐terminale Tetrapeptid‐Amid ist allen Vertretern der Gastrin‐ und CCK‐Familie gemeinsam.
Es werden zwei Gruppen von CCK‐Rezeptoren unterschieden: CCK1‐ und
(s)CCK Asp – Tyr – Met – Gly – Trp – Met – Asp – Phe-NH2
( 3) −
HSO
(s)Gastrin Rest – Glu – Ala – Tyr – Gly – Trp – Met – Asp – Phe-NH2
( 3) −
HSO ( 3)
−
HSO
CCK2/Gastrin‐Rezeptor dar. Dies erklärt, warum Gastrin über diesen Rezeptor vermittelte Wirkungen hervorruft, nämlich typischerweise eine durch die gastralen Belegzellen hervorgerufene Säureproduktion, welche durch zusätzliche parallele Stimulation von ECL(entero‐chromaffine‐like)‐Zellen mit konsekutiver Histaminausschüttung verstärkt wird.157 CCK besitzt eine hohe Affinität zu beiden
CCK‐Rezeptoren. Die beschreibenden Namen Cholezystokinin und Pankreozymin für dasselbe Peptid81 deuten schon auf dessen zwei Hauptwirkungen im
menschlichen Organismus hin: Kontraktion der Gallenblasenmuskulatur mit Entleerung der Gallenblase (Cholezystokinin) und Förderung der Sekretion von Verdauungsenzymen der Bauchspeicheldrüse ins Darmlumen (Pankreozymin). Durch die parallele CCK1‐Rezeptor‐vermittelte Somatostatinausschüttung der D‐ Zellen der Magenschleimhaut kommt es zu einer deutlichen Unterdrückung der gastralen Säureproduktion.31,176 Weitere Effekte der beiden Peptidhormone sind
proliferative Wirkungen im Bereich des Gastrointestinaltraktes sowie relativ unspezifische zentralnervöse Wirkungen. Tabelle 1.4 zeigt eine Zusammenstellung der Lokalisation beider Rezeptortypen und der durch ihre Liganden vermittelten biologischen Wirkungen. CCK1‐Rezeptor CCK2/Gastrin‐Rezeptor ZNS und PNS: gesamtes ZNS: ‐ Sattheit ‐ Angst ‐ Dopamin↑ ‐ Panikattacken ‐ Opioid‐Analgesie↓ ‐ Dopamin↓ Magenschleimhaut: Magenschleimhaut: ‐ Pepsinogen↑ (Hauptzellen) ‐ Pepsinogen↑ (Hauptzellen) ‐ Somatostatin↑ (D‐Zellen) ‐ Säure↑ (Belegzellen) Pankreas ‐Azini: ‐ Histamin↑ (ECL‐Zellen) ‐ Enzym‐Sekretion↑ Allgemein: ‐ Proliferation↑ ‐ Proliferation↑ glatte Muskulatur der Gallenblase und des GIT: T‐Lymphozyten/ Monozyten: ‐ Kontraktion, Motilität↑ ‐ Wirkung?
Tabelle 1.4 Lokalisation der beiden CCK‐Rezeptoren und biologische Wirkungen ihrer Liganden.193
GIT = Gastrointestinaltrakt.
Bei den CCK‐Rezeptoren handelt es sich um schon von vielen anderen Peptidhormonen bekannte, durch sieben Transmembran(7TM)‐Helices gekennzeichnete so genannte Typ‐III Hormonrezeptoren. Dies sind membrangebundene Polypeptidketten mit einer extrazellulären Domäne für die Ligandenbindung und einer intrazellulären Domäne für die Aktivierung von Second‐Messenger Molekülen. Abbildung 1.3 zeigt schematisch einen Zellmembranausschnitt mit einem solchen 7TM‐Rezeptor. Abbildung 1.3
Schematische Darstellung des CCK‐Rezeptors. Die Bindung eines CCK‐Rezeptor Liganden an den G‐ Protein gekoppelten 7TM‐Rezeptor führt zur Aktivierung von Second‐Messenger Molekülen (z.B. Ca2+, cAMP) via Adenylatzyklase‐ oder Phospholipase
C‐Aktivierung.17
Der Signaltransduktionsweg dieses Rezeptortyps wird mit der Bindung des Liganden – in diesem Falle CCK bzw. Gastrin – an das membranständige Rezeptormolekül initiiert. Die so ausgelöste Konformationsänderung des Rezeptors wird auf ein Guanin‐Nukleotid bindendes Protein (G‐Protein) übertragen.103,105,116 Es kommt zu einem Austausch von Guanosindiphosphat gegen
den beiden anderen Untereinheiten ab und lagert sich in der Zellmembran mit einer Phospholipase C (PLC) zusammen.150,174,186,202 Die dadurch aktivierte PLC
katalysiert als Effektorenzym die Hydrolyse von Inositol‐bisphosphat mit der Bildung von Inositol‐1,4,5‐trisphosphat (IP3) und Diacylglycerol (DAG).26,181,198,205
Durch Erhöhung der IP3‐Konzentration kommt es zu einer intrazellulären Ca2+‐
Freisetzung.191,192 DAG aktiviert eine Proteinkinase C (PKC).120 Die Aktivierung
von PKC und Ca2+‐Calmodulin‐abhängigen Serin‐ und Threonin‐
Proteinkinasen42,55,77,97 führt zur Phosphorylierung verschiedener Proteine,
wodurch schließlich die Wirkung auf den Organismus, wie zum Beispiel die Sekretion von Verdauungsenzymen, zustande kommt.82,193 Des weiteren sind
Adenylatzyklase vermittelte Signaltransduktionswege bei CCKA‐Rezeptoren beschrieben worden.193
Andere Typ‐III Hormonrezeptoren, wie zum Beispiel solche mit Dopamin, Serotonin und Somatostatin als Liganden, weisen eine große Anzahl an Rezeptoruntereinheiten auf.193 Trotz der weiten Verteilung im menschlichen
Organismus, der Vielzahl an Funktionen (siehe Tabelle 1.4) und der berichteten pharmakologischen Ungleichheit der beschriebenen CCK‐Rezeptoren konnten jedoch unter Verwendung moderner molekularbiologischer Methoden lediglich zwei verschiedene CCK‐Rezeptoren identifiziert werden, welche die Wirkungen von CCK und Gastrin vermitteln: CCK1‐ und CCK2/Gastrin‐Rezeptoren (siehe Abbildung 1.4).193 Die aus je 5 Exons und 4 Introns bestehenden Gene beider
Rezeptoren sind vergleichbar strukturiert. Dieser hohe Grad an Konservierung zwischen beiden Genen auf der einen Seite und die hohe Affinität beider CCK‐ Rezeptoren für CCK auf der anderen Seite deuten auf eine Entwicklung der beiden CCK‐Rezeptor Gene – einige Zeit nach dem Erscheinen der Amphibien – aus der Duplikation eines gemeinsamen Vorläufergens hin, wie dies auch bei der Entwicklung der Rezeptor‐Liganden zu vermuten ist. Diese Theorie wird durch die Tatsache unterstützt, dass die CCK‐Rezeptoren im Gehirn und in der Bauchspeicheldrüse der Kröten Rana catesbeiana und Xenopus laevis identisch sind.193 Bei höheren Säugern hingegen sind dies jeweils typische Lokalisationen für
die beiden unterschiedlichen CCK‐Rezeptoren.
Abbildung 1.4 Schematische Darstellung des CCK1‐Rezeptors (oben) und des CCK2/Gastrin‐Rezeptors
(unten) mit Angabe der
Aminosäuresequenzen.17
Die Frage, ob es sich beim peripheren Gastrin‐Rezeptor der Parietalzellen und dem CCK2‐Rezeptor des zentralen Nervensystems um unterschiedliche Rezeptoren handelt, konnte durch molekularbiologische Untersuchungen endgültig verneint werden: Die Gene, welche für die beiden Rezeptoren kodieren, sind identisch.96,193,194 Die oft verwendete Bezeichnung Gastrin‐Rezeptor rührt von
der Tatsache her, dass dieser Rezeptor zuerst im Magen entdeckt wurde, wo der Ligand Gastrin vorherrscht. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Name CCK2/Gastrin‐Rezeptor verwendet, der so vom genetisch verschiedenen CCK1‐ Rezeptor abgrenzt wird, welcher eine nicht relevante, bis zu tausendfach geringere Affinität für physiologisches Gastrin aufweist. So ergibt sich eine Klassifizierung, die sowohl der Pharmakologie, also den physiologischen Liganden (CCK für den CCK1‐Rezeptor, CCK und Gastrin für den CCK2/Gastrin‐ Rezeptor), als auch der unterschiedlichen genetischen Natur („1“ und „2“) der beiden Rezeptoren Rechnung trägt. Des weiteren konnten zwei CCK2/Gastrin‐ Rezeptor Isoformen geklont werden, welche sich durch fünf Aminosäuren in der dritten intrazellulären Schlinge, einer für die Signaltransduktion G‐Protein gekoppelter Rezeptoren wichtigen Region, voneinander
unterscheiden.49,83,95,113,165,178 1995 beschrieb Singh einen weiteren CCK‐Rezeptortyp
mit einer im Vergleich zum CCK2/Gastrin‐Rezeptor höheren Affinität für Gastrin und einer niedrigeren Affinität für CCK.170 Diese neueren und weitere sicherlich
noch folgende Beobachtungen werden zum weiteren Verständnis der funktionell unterschiedlichen Gastrin‐ bzw. CCK‐vermittelten Signaltransduktionswege beitragen.178
Die Somatostatin‐Szintigraphie ist zwar für die Erkennung und das Staging gastroenteropankreatischer neuroendokriner Tumoren, wie zum Beipiel des Karzinoids, wertvoll.86,133,163 Sie ist jedoch bei einer Vielzahl anderer, durch
verminderte Somatostatin‐Rezeptor Expression gekennzeichneter Tumoren, ungeeignet – z.B. beim kleinzelligen Bronchialkarzinom und bei undifferenzierten, klinisch aggressiven Formen des medullären Schilddrüsenkarzinoms.20,21,134,163 Die
(hoch) exprimierten CCK‐Rezeptoren in vielen menschlichen Tumoren können als Ziel für radioaktiv markierte Liganden dieser Rezeptoren zur nuklearmedizinischen Tumordiagnostik und ‐therapie genutzt werden. Die Annahme, dass bei aggressiveren entdifferenzierteren CCK‐Rezeptor positiven Tumoren – im Gegensatz zu Somatostatin‐Rezeptor exprimierenden Tumoren20 –
keine Abnahme der Rezeptorendichte zu verzeichnen ist,15 stellt einen weiteren
Grund für den klinischen Einsatz von CCK‐ und Gastrinanaloga dar. Durch die CCK2/Gastrin‐Rezeptor Szintigraphie könnte mit über 90 Prozent ein deutlich größerer Anteil aller medullären Schilddrüsenkarzinome als mit Octreoscan®
entdeckt werden.148 Reubi et al. gelang der Nachweis von CCK‐Rezeptoren sowohl
im Gastrointestinaltrakt144 als auch in verschiedenen menschlichen Tumoren141,142
unter Verwendung eines jodierten CCK‐Analogons. Dieses weist eine hohe Affinität und eine hohe Spezifität für menschliche CCK2/Gastrin‐Rezeptoren auf und könnte somit als potentieller Radioligand für die Szintigraphie CCK2/Gastrin‐ Rezeptor positiver Tumoren in vivo in Frage kommen.146 Für den
nuklearmedizinschen Routineeinsatz zur Diagnostik und Elimination maligner Zellen wäre jedoch ein mit einem Chelator verbundenes CCK‐Analogon vorteilhafter, welches – wie schon von der Szintigraphie mit dem Somatostatin‐ Analogon Octreoscan® bekannt86 – je nach Indikation mit geeigneten
Bedeutung, eine möglichst stabile Bindung des Radionuklides an das Peptid zu erhalten. Die Derivatisierung von Peptiden mit einem Chelator ermöglicht die koordinative Bindung eines radioaktiven Metall‐Ions (z.B. 111In3+) mit dem Peptid
über den Chelator als so genannten Linker (siehe Abbildung 1.5). Als Radiometalle kommen für diagnostische Zwecke γ‐Strahler, wie zum Beispiel
99mTc, 123I oder 111In in Frage. Letzteres eignet sich aufgrund seiner Halbwertzeit
von knapp drei Tagen besonders gut für die häufig erforderliche Durchführung von szintigraphischen Serienaufnahmen mit zeitlichen Abständen von Tagen. Als Chelator für 111In bietet sich das vom Octreoscan® her bekannte
Diäthylentriaminpentaacetat (DTPA) an. Für den therapeutischen Einsatz bieten sich höherenergetische β‐Strahler, wie zum Beispiel 131I, 90Y, 153Sm oder 161Tb an.38,39
Sowohl mit Radiometallen beladene als auch jodierte Radiopeptide werden nach Bindung an den entsprechenden Rezeptor zusammen mit diesem in die Zelle internalisiert und dort metabolisiert.13 Die Markierung des an das Peptid
gebundenen Chelators mit bestimmten Radiometallen, wie zum Beispiel 111In oder 90Y, führt zur intrazellulären Akkumulation der nicht‐metabolisierbaren
Radiometall/Chelator‐Komplexe.19 Der Einsatz dieser so genannten
residualisierenden Markierungen führt demzufolge zu höheren Tumor/Nichttumor‐Verhältnissen im Vergleich zum Einsatz nicht‐ residualisierender jodierter Verbindungen. Der höheren renalen radioaktiven Belastung bei Verwendung residualisierender Verbindungen könnte durch die parallele Gabe bestimmter, in diesem Zusammenhang renoprotektiver Aminosäuren und durch die Verwendung wenig renal‐anreichernder Radiopeptide, entgegengewirkt werden. Es erscheint daher generell sinnvoll, residualisierenden Radiometallverbindungen den Vorrang zu geben. Abbildung 1.5 verdeutlicht schematisch den Aufbau eines radioaktiv markierten Peptides: Das Peptid mit dem – im Falle eines CCK‐Rezeptor‐Liganden – für die Rezeptorbindung wichtigen C‐terminalen Tetrapeptid‐Amid („Schlüsselzinken“) ist N‐terminal mit dem Chelator verbunden, welcher wiederum koordinativ das Radionuklid bindet. Die Bindung zwischen Radiopeptid und Rezeptor erfolgt spezifisch nach dem „Schlüssel‐Schloss Prinzip“, das heißt, nur Liganden mit entsprechenden „Schlüsselzinken“ können den Rezeptor („das Schloss“) besetzen.
Abbildung 1.5 Schematischer Aufbau eines radioaktiv markierten Peptides (so genanntes Radiopeptid)
und des entsprechenden Zellmembran gebundenen Rezeptors: „Schlüssel‐Schloss Prinzip“ (siehe Text).
Es folgten sowohl erste Stabilitätskontrollen mit Indium‐markierten, N‐terminal DTPA‐derivatisierten CCK‐Analoga in Plasma und Urin des Menschen als auch Untersuchungen zur Verteilung dieser Radiopeptide in Tieren.22,143 Dabei konnten
die anfänglichen Vermutungen bestätigt werden, dass es sich bei DTPA‐ derivatisierten Peptiden der Cholezystokinin‐ und Gastrin‐Familie um geeignete Verbindungen zum szintigraphischen Nachweis und zur Radiotherapie von CCK‐ Rezeptor exprimierenden Tumoren handelt. Die bisher untersuchten DTPA‐ Peptide zeigten eine selektive hohe Affinität für CCK2/Gastrin‐Rezeptoren (IC50‐
Werte im nanomolaren Bereich), eine beachtliche Serumstabilität (> 24 h bei 37°C) sowie eine rasche renale Clearence aus dem Blut.22,143 Sie sind also demnach mit
ihren jodierten Analoga vergleichbar. Behr und Mitarbeiter beschrieben bereits erste viel versprechende klinische Erfahrungen mit CCK2/Gastrin‐Rezeptor affinen, DTPA‐derivatisierten Radiopeptiden.15,17,22,23 Des weiteren wurden von
Behr et al. therapeutische Studien an Tumor tragenden Nacktmäusen mit 131I‐
markierten Gastrinanaloga erfolgreich durchgeführt.23 Es konnten dabei
entscheidende Daten, wie zum Beispiel maximal tolerierbare Dosen bezüglich der verwendeten Radioaktivität und Aussagen über das Ausmaß an
eliminierten Radiopeptiden stellt deren Anreicherung in den Nieren dar. Die tierexperimentell beobachtete strahlungsbedingte Nephritis als gefürchtete langfristige Nebenwirkung schien mit dem daraus folgenden Status der Niere als Dosis limitierendem Organ besonders bei therapeutischen Ansätzen mit Verwendung höherer Strahlendosen Probleme zu bereiten. Zusammen mit den von Behr und Mitarbeitern entwickelten Methoden zur Reduktion dieser renalen Peptidansammlung13,18,25 könnte die Verwendung von wenig renal anreichernden
Radiopeptiden den Einsatz radioaktiv markierter Peptide nun auch zu therapeutischen Zwecken ermöglichen. 1999 begann die Arbeitsgruppe um Behr, systematisch weitere Radioliganden für die Darstellung CCK2/Gastrin‐Rezeptor positiver Gewebe zu untersuchen.14
Durch die Weiterentwicklung von Radiopeptiden könnten für viele Tumorerkrankungen neue diagnostische und therapeutische Strategien entwickelt bzw. bisher bestehende Lücken gefüllt werden. Das Ziel dieser Arbeit war es, anhand von präklinischen Bioverteilungs‐ und Stabilitätsstudien mit modifizierten radioaktiv markierten, DTPA‐derivatisierten Peptiden einen Überblick über das Verhalten von CCK‐Rezeptor‐Liganden in vivo zu verschaffen – im Hinblick auf den klinischen Einsatz dieser Peptide zur Diagnostik und Therapie von CCK‐ Rezeptor exprimierenden Tumoren.
2.1
Peptide
Tabelle 2.1 zeigt eine Auflistung der untersuchten zur CCK‐ und Gastrin‐Familie gehörenden Peptide mit Angabe der entsprechenden Aminosäuresequenzen. Die Peptide wurden kommerziell erworben (Sigma Chemie, Deisenhofen, Deutschland; ICN Biomedicals, Eschwege, Deutschland; Bachem Biomedicals, Heidelberg, Deutschland und Genosys Biotechnologies, Cambridge, England) und bis zur Derivatisierung als lyophilisiertes Pulver bei ‐20°C aufbewahrt.
2.2
Tiere
Bei den Versuchstieren handelte es sich um weibliche, athymische Nacktmäuse (siehe Abbildung 2.1), welche kommerziell bezogen wurden (Charles River, Bad Sulzfeld, Deutschland). Bei Lieferung der Tiere hatten diese ein Durchschnittsalter von 4,5 Wochen und ein durchschnittliches Gewicht von 21 Gramm. Die Ernährung erfolgte mittels Spezialdiät. Zur Vermeidung von Infektionen wurde alle zwei Tage Streu gewechselt; die Käfige wurden darüber hinaus mit luftdurchlässigen Filterhauben abgedeckt. Abbildung 2.1 Für die Bioverteilungsstudien verwendete Nacktmaus.
Tabelle 2.1 Die untersuchten Peptide mit Angabe der Aminosäuresequenzen. Das C‐terminale Tetrapeptid‐Amid ist allen Vertretern der Gastrin‐ und CCK‐Familie gemeinsam. Besonderheiten des jeweiligen Peptides sind hervorgehoben (s = Sulfat‐Seitengruppe).
2.3
Radionuklid
Das für die Bioverteilungen benötigte Indium wurde als 111InCl3 in 0,02 M HCl
(185 MBq, pH 1,5‐1,9) geliefert (Mallinckrodt Medical GmbH, Hennef, Deutschland).
Im Folgenden wird der Zerfallsprozess dieses Radionuklids im Hinblick auf die entstehenden szintigraphisch messbaren Energien beschrieben.
Gastrin-Familie
Minigastrin [L-Leu]1-[L-Glu]52-6-Ala-Tyr-Gly-Trp-Met-Asp-PheNH2
[D-Glu]1-Minigastrin [D-Glu]1-[L-Glu]52-6-Ala-Tyr-Gly-Trp-Met-Asp-PheNH2
s[D-Glu]1-Minigastrin [D-Glu]1-[L-Glu]52-6-Ala-sTyr-Gly-Trp-Met-Asp-PheNH2
[D-Glu]61-6-Minigastrin [D-Glu]1-6-Ala-Tyr-Gly-Trp-Met-Asp-PheNH2
[D-Glu]1- [L-Asp]52-6-Minigastrin [D-Glu]1-[L-Asp]52-6-Ala-Tyr-Gly-Trp-Met-Asp-PheNH2
[D-Glu]1- [D-Trp]10-Minigastrin [D-Glu]1-[L-Glu]52-6-Ala-Tyr-Gly-D-Trp-Met-Asp-PheNH2
Cholezystokinin(CCK)-Familie
CCK8 Asp-Tyr-Met-Gly-Trp-Met-Asp-PheNH2
sCCK8 Asp-sTyr-Met-Gly-Trp-Met-Asp-PheNH2
[D-Asp]1-[Nle]3,6-CCK8 D-Asp-Tyr-Nle-Gly-Trp-Nle-Asp-PheNH2
Cionin Asn-Tyr-Tyr-Gly-Trp-Met-Asp-PheNH2
Das radioaktive Nuklid 111In
49 verfügt im Vergleich zum stabilen Isotop 11349In und
dem äußerst langlebigen Isotop 115In
49 über einen relativen Protonenüberschuss.
Ein solcher Protonenüberschuss wird üblicherweise durch Emission eines Positrons, also durch β ‐Zerfall, korrigiert. Da der Betazerfall jedoch aus + energetischen Gründen nicht möglich ist (die Ruheenergie des zerfallenden Teilchens ist kleiner als die Summe der Ruheenergien der Zerfallsteilchen), zerfällt das 111In 49 über Elektroneneinfang (EC) gemäß e * 111 48 EC 111 49In+e−⎯⎯→ Cd +ν (Gleichung 2.1)
zu Cadmium, das sich allerdings noch im angeregten Zustand befindet. Das eingefangene Elektron entstammt der Atomhülle des Indiums und muss daher bereits vor dem Einfang eine endliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Kern gehabt haben. Diese ist für Elektronen der s‐Unterschale (l = 0) gegeben, in besonders hohem Maße für die zwei 1s Elektronen (n = 0, l = 0) der K‐Schale – die Elektroneneinfangreaktion wird daher auch als K‐Einfang bezeichnet. Innerhalb des Kerns kommt es aus Gründen der Impulserhaltung zur Umwandlung eines Protons in ein Neutron unter Emission eines Neutrinos (siehe Gleichung 2.1). Die Halbwertszeit von 111In 49 beträgt etwa 2,8 Tage. Der angeregte Cadmiumkern fällt in seinen Grundzustand zurück, indem er sukzessive zwei γ‐Quanten emittiert: 2 1 111 48 * 111 48Cd → Cd+γ +γ (Gleichung 2.2) Das erste Gammaquant γ1 (Wahrscheinlichkeit: 90%) weist eine Energie von 171,28 keV auf (das mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,01% emittierte γ1′ mit 150,82 keV kann in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden), das zweite Gammaquant γ2 (Wahrscheinlichkeit: 94%) hat eine Energie von 245,42 keV. Abbildung 2.2 zeigt das Zerfallsschema von111In 49 .
Nach dem Elektroneneinfang durch den Kern ist das energetische Niveau des eingefangenen Elektrons in der Hülle unbesetzt (Vakanz). Infolge dessen kommt es zu einem Nachrücken der äußeren Elektronen der Hülle („Elektronenlawine“), dem so genannten Auger‐Prozess. Unter Aussendung von Auger‐Elektronen wird
Die Halbwertzeit von knapp drei Tagen ermöglicht eine bequeme Aktivitätsmessung in den für Bioverteilungsstudien und Szintigraphie notwendigen Zeiträumen, ohne das Risiko eines übermäßig langen Anhaltens der Strahlung bei eventueller Kontamination – wie dies zum Beispiel beim 123I (T½ =
13,2 h) und beim 125I (T½ = 60 d) der Fall wäre – in Kauf nehmen zu müssen.
E T½
In
111 49 2,8049 d 4,0466 d EC 11148Cd
99,99% 416,7(1) keV 0,12(3) ns 0,17(4) ns 0,01% 396,22(3) keV 48,54(5) Min. 70,03(7) Min.171,28(3) 150,824(17)
245,42(1) keV 85,0(7) ns 122,6(10) ns
245,422(6)
0 keV stabil stabil
Abbildung 2.2 Zerfallsschema von 111In.47 C = Elektroneneinfang, E = Energie, T½ = Halbwertzeit, τ =
mittlere Lebensdauer.
2.4
Radioaktivitätsmessung
Im Folgenden werden die in diesem Zusammenhang relevanten Methoden zur Messung von Radioaktivität erläutert.
Radioaktivität wird messbar, sobald Energie aus der Strahlung in Materie absorbiert wird. Die zum Nachweis von Gammaquanten eingesetzten Szintillationszähler enthalten als absorbierendes Medium einen Thallium‐ aktivierten Natriumjodidkristall. Abbildung 2.3 skizziert den physikalischen
dort eine Anregung der Elektronen des Valenzbandes der Tl+‐Ionen mit Änderung
dessen Oxidationsstufe von +1 nach +3. Das Thallium erreicht seinen Grundzustand durch Emission von Photonen der Wellenlänge λ = 410 nm („Lichtblitze“). Legende Na Tl J γ-Quant Elektronen, Löcher, Exitronen Photonen („Lichtblitze“) Abbildung 2.3 Modellvorstellung der Szintillation im NaJ(Tl)‐Kristal.50
Die Registrierung dieser Lichtblitze erfolgt mittels Photokathoden, welche daraufhin Elektronen freisetzen. In dem nachgeschalteten Elektronenvervielfacher werden diese um das 1.000.000fache verstärkt. Beide Baugruppen zusammen bezeichnet man auch als Sekundärelektronenvervielfacher oder Photomultiplier. So entsteht ein elektrisch messbares Signal, dessen Größe der Energie der absorbierten Strahlung entspricht. Die Zahl der pro Zeiteinheit messbaren Signale, die Zählrate, ist der Höhe der Radioaktivität proportional (Abbildung 2.4).
Sekundärelektronenvervielfacher NaJ-Kristall Verstärker Diskriminator γ-Quant Anode Lichtblitz EDV Photokathode Dynode Abbildung 2.4 Aufbau eines Szintillationszählers.50 Bei den hier durchgeführten Bioverteilungsstudien radioaktiv markierter Peptide im Mausmodell war es notwendig, sowohl die pro Tier applizierte Gesamtaktivität als auch die Aktivität der einzelnen Organe zu bestimmen. Dabei sollten möglichst alle Quanten einer radioaktiven Probe im Nachweisgerät absorbiert werden, so dass die Probe in den Mittelpunkt einer Kristallkugel gebracht werden müsste. Eine praktikable Lösung ist der Bohrlochdetektor, dessen Kristall in einer axialen Bohrung die Probe zur Messung aufnimmt. Die Aktivitätsbestimmung der Tiere, Organe, Standards, Leerwerte sowie der Kontrollmessungen erfolgte mittels Verwendung solch eines in Abbildung 2.5 schematisch dargestellten Bohrlochdetektors (capintec radioisotope calibrator© crc‐
120; Ramsey, MN, USA).
Die Bioverteilung ausgewählter Radiopeptide wurde mittels Ganzkörperszintigraphie (Picker Prism 2000 Gammakamera) des jeweiligen Tieres (siehe Abbildung 4.6) bzw. eines gesunden Probanden (siehe Abbildung 4.12) dargestellt.
Aufgrund der beim radioaktiven Zerfall von 111In frei werdenden γ‐Energien
eignet sich dieses Radionuklid zur Erstellung szintigraphischer Bilder mittels Gammakamera. Aus diesem Grund wurde 111In auch bei dieser Arbeit verwendet.
Bleiabschirmung NaJ-Kristall Probe Photomultiplier EDV Abbildung 2.5 Schematischer Querschnitt eines Bohrlochdetektor.50
2.5
DTPA‐Derivatisierung der Peptide und Aufreinigung
der DTPA‐Peptide
Zur DTPA‐Derivatisierung wurden 5 bis 10 mg des jeweiligen Peptides in 1 ml 0,1 M NaHCO3 gelöst. Der pH‐Wert wurde gegebenenfalls mit 2 M NaHCO3‐Lösungauf 8 bis 9 eingestellt. Diäthylentriaminpentaacetat(DTPA)‐Dianhydrid (Sigma‐ Aldrich Chemie, Deisenhofen, Deutschland) wurde bezogen auf das Peptid in 10fach molarem Überschuss hinzugefügt. Die Lösung wurde unter Beibehaltung des pH‐Werts im leicht alkalischen Bereich für 60 Minuten bei Raumtemperatur inkubiert. Abbildung 2.6 veranschaulicht DTPA‐Derivatisierung eines Peptides.
Glu Glu Glu Glu Glu Ala Tyr Gly Trp Met Asp PheNH2 N H2 COOH O N N N HOOC O O O O
Glu Glu Glu Glu Glu Ala Tyr Gly Trp Met Asp PheNH2
N H COOH O N N N O COOH COOH COOH COOH
Abbildung 2.6 Synthese eines DTPA‐Peptides am Beispiel des [D‐Glu]1‐Minigastrins.
[D‐Glu]1‐Minigastrin + DTPA‐Dianhydrid Æ DTPA‐[D‐Glu]1‐Minigastrin (siehe Text).
In Anwesenheit eines Peptides kommt es zu einer Öffnung beider Ringstrukturen des reaktionsfreudigen offenkettigen DTPA‐Anhydrids mit darauf folgender Ausbildung einer Amidbindung zwischen einem Carbonsäurerest aus einer der beiden nun geöffneten Ringstrukturen des DTPA auf der einen Seite und dem N‐ terminalen Ende des Peptides auf der anderen Seite. Um zu vermeiden, dass zwei Peptide mit den Carbonsäureresten beider geöffneter Ringstrukturen eines DTPA‐ Moleküls reagieren (die Folge wäre eine Peptid‐DTPA‐Peptid‐Struktur mit verminderter Nuklidaffinität), wurde das DTPA‐Dianhydrid mit zehnfach molarem Überschuss, bezogen auf das Peptid, zur Peptidlösung hinzugegeben. Bei den nächsten Schritten muss zwischen der Auftrennung des überschüssigen freien DTPA vom DTPA‐Pepitd mittels Anionenaustauschersäule (Diethylaminoethyl Sephadex A‐25, Sigma‐Aldrich Chemie, Deisenhofen, Deutschland) und mittels Festphasenextraktion (Sep‐Pak© C18‐Kartuschen,
Milford, NJ, USA) unterschieden werden.
Bei Verwendung einer Anionenaustauschersäule (Dimensionen: 1 x 20 cm, gelagert bei 4°C) wurde die Lösung mit Aqua dest. auf 10 ml verdünnt, auf die
Säule nach deren Vorwaschung mit ca. 30 ml 0,05 M NH4HCO3 aufgetragen und
anschließend mit einem zeitlich linearen Gradienten von 0,05 M versus 2 M NH4HCO3 (jeweils 150 ml) eluiert (siehe Abbildung 2.7). Das über die Säule
gelaufene Eluat wurde fraktioniert (LKB RediFrac Fraction Collector, Peristaltic Pump P‐1; Amersham Biosciences, Freiburg, Deutschland). Man erhielt so bei einer durch Pumpgeschwindigkeit und entsprechender Fraktions‐Sammelzeit festgelegten Fraktionsgröße von 3,5 ml etwa 88 Eluatfraktionen, in denen das überschüssige DTPA von dem DTPA‐Derivat des Peptides getrennt vorlag.
Abbildung 2.8 veranschaulicht das Prinzip der Anionenaustauschersäule. Hierbei wurde die Verdrängung unterschiedlich stark negativ geladener Stoffe von der Säule durch ein ebenfalls negativ geladenes Anion – in diesem Fall HCO3- –
ausgenutzt. Durch den mit der Zeit zunehmenden Gradienten (zu der 0,05 M Lösung kam im zeitlichen Verlauf ein immer größer werdender Anteil an 2 M Lösung hinzu) nahm die Molarität bzw. die Konzentration der NH4HCO3‐Lösung
kontinuierlich zu. Ab einer bestimmten Konzentration verdrängten die negativ geladenen HCO-3‐Ionen zunächst das fünffach negativ geladene DTPA von dem Säulenmaterial. Das zehn‐ ([D‐Leu]1‐Minigastrin) bis zwölffach (s[D‐Glu]1‐
Minigastrin) negativ geladene DTPA‐Peptid wurde erst bei Erreichen einer höheren HCO-3‐Ionen Konzentration von der Säule eluiert, so dass DTPA‐Peptid
und freies DTPA schließlich getrennt voneinander, auf die Fraktionen verteilt, vorlagen.
Abbildung 2.7 Aufbau der Anionenaustauschersäule (siehe Text).
Abbildung 2.8 Prinzip der Anionenaustauschersäule: Freies DTPA und DTPA‐Peptid wurden auf das
positiv geladene Säulenmaterial aufgetragen (A). Die linear zunehmende Konzentration an
-3
HCO ‐Ionen bewirkte zunächst eine Verdrängung des freien DTPA vom Säulenmaterial (B). Bei Erreichen einer kritischen Konzentration an HCO3-‐Ionen wurde schließlich auch
das stärker negativ geladene DTPA‐Peptid von der Säule eluiert (C und D).
Nach der Reaktion der Peptid enthaltenen Eluatfraktionen mittels BCA‐ Testreagenz (Micro BCA© Assay; Pierce, Rockford, IL, USA) konnte die
Pumpe
Anionenaustauschersäule
Fraktion mit Eluat
0,05 M NH4HCO3 2 M NH4HCO3 Leitungsschlauch Säulenmaterial -3 HCO freies DTPA DTPA-Peptid A B C D
Auswaschung des DTPA‐Peptides von der Anionenaustauschersäule photometrisch im Wellenlängenbereich von λ = 578 nm kontrolliert werden (Photometer 1101M; Eppendorf, Hamburg, Deutschland). Abbildung 2.9 verdeutlicht das Prinzip des phototmetrischen Peptid‐Nachweises mittels Micro BCA© Assay. In Anwesenheit von Proteinen bzw. Peptiden wird Cu2+ zu Cu+
reduziert. Zwei Moleküle des BCA (bichinonic acid) reagieren mit einem Cu+‐Ion
zu einem lilafarbenen, wasserlöslichen Komplex, welcher spektrophotometrisch im Wellenlängenbereich von λ = 562 nm nachgewiesen werden konnte. Die Höhe der Extinktion verhält sich linear‐proportional zur Peptidkonzentration in der jeweiligen Fraktion. Schritt 1: Peptid + Cu2+ − OH Cu+ 1 Schritt 2: Cu+ + 2 BCA Cu+BCA Komplex
(photometrisch nachweisbar bei λ = 578nm)
Abbildung 2.9 Prinzip des Micro BCA© Assay (Pierce, Rockford, IL, USA).
Abbildung 2.10 zeigt exemplarisch die Extinktionen der einzelnen Fraktionen des eluierten DTPA‐[D‐Asp]1‐[Nle]3,6‐CCK8. Die hauptsächlich aufgereinigtes DTPA‐
Peptid enthaltenen Fraktionen ‐ in diesem Fall die Fraktionen 34 bis 41 – wurden gesammelt und weiter verwendet. Weitere Extinktionswerte oberhalb des Leerwertes – dieser liegt in diesem Beispiel etwa bei 0,25 – entsprachen Verunreinigungen durch Nebenprodukte oder eventuell vorliegendes freies Peptid. Die das aufgereinigte DTPA‐Peptid enthaltenden Eluatfraktionen wurden
0,2 0,25 0,3 0,35 0,4 0,45 0,5 0,55 0,6 0,65 0,7 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 Fraktion E x tinktion Leerwert
lyophilisiert. Dabei konnten noch vorhandene NH4+‐ und HCO-3‐Ionen gemäß
Gleichung 2.3 im Vakuum entweichen; sie führten somit zu keiner Verunreinigung.
NH4+ + HCO3‐ ‐> NH3↑ + H2CO3 ‐> CO2↑+ H2O↑ (Gleichung 2.3)
Abbildung 2.10 Extinktionen der eluierten Fraktionen des DTPA‐[D‐Asp]1‐[Nle]3,6‐CCK8.
Wenn – wie bei den Peptiden der CCK‐Familie – die Differenz der negativen Ladungen zwischen DTPA und DTPA‐Peptid nicht entsprechend groß genug ist, kann dies eine ausreichende Trennung mittels Anionenaustauschersäule verhindern. In diesem Fall bot sich die auf Unterschieden in der Hydrophilie basierende Trennung mittels Festphasenextraktion (siehe oben) an. Sep‐Pak© C18‐
Kartuschen wurde mit 5 ml Ethanol aktiviert und mit 5 ml ddH2O gewaschen.
Dabei ging das auf die Kartusche aufgetragene DTPA‐derivatiserte Peptid mit der hydrophoben C18‐Säule Wechselwirkungen ein. Mittels hydrohphiler Lösungen, wie zum Beispiel Natrium‐Acetat‐Puffer oder Aqua dest., wurden zunächst überschüssiges freies DTPA von der Säule gewaschen. Das DTPA‐Peptid wurde
hauptsächlich DTPA-Peptid enthaltende Fraktionen Verunreinigung
durch
anschließend mit dem lipophileren Methanol von der Säule verdrängt. Nach Abdampfen des Methanols aus der entsprechenden Fraktion konnte das verbleibende Peptid lyophilisiert werden.
Unabhängig von der Art der Auftrennung (Anionenaustausch oder Festphasenextraktion) lag das jeweils aufgereinigte DTPA‐Peptid somit als lyophilisiertes Pulver vor, wurde in 0,5 M Natrium‐Actetat Puffer (pH 5,5) gelöst und schließlich als ca. 10‐8 M Peptid‐Lösung bis zum Zeitpunkt der Markierung
bei ‐20°C aufbewahrt.
Der Vorteil des Anionenaustausches gegenüber der Festphasenextraktion lag in der durch die vergleichsweise hohe Fraktionsanzahl besseren Trennung des DTPA‐Peptides vom überschüssigen freien DTPA, welches mit steigender Konzentration hauptsächlich für eine schlechte Markierung aufgrund kompetitiver Nuklidbindung verantwortlich ist. Die Trennung mittels Festphasenextraktion konnte jedoch durch Wiederholung der Trennung bzw. Verwendung längerer Kartuschen optimiert werden (siehe Kapitel 2.7). Dabei war zu bedenken, dass jede Wiederholung des Trennvorganges mit dem Risiko von Peptidverlusten verbunden war (z.B. durch unvollständige Aufnahme des pulverförmigen Stoffes in Flüssigkeit nach Abdampfen oder durch Lyophilisieren der Lösung) und zudem der Vorgang des Lyophilisierens eine Schädigung der Peptidbindungen hervorrufen konnte.
2.6
111In‐Markierung der DTPA‐Peptide
Am Tag der jeweils anstehenden Bioverteilungsstudie wurden nach dem Auftauen der entsprechenden DTPA‐Peptidlösung 5 μl (entspricht etwa 12,5 μg, bzw. 1,25 x 10‐5 Mol Peptid) davon entnommen, in 100 μl 0,5 M Natrium‐Acetat‐
Puffers gelöst und nach Zugabe von ca. 11,1 MBq der 111InCl‐ Lösung (entspricht
etwa 6,35 x 10‐12 Mol 111In) für 30 Minuten bei 37°C inkubiert. Abbildung 2.11 zeigt
zur Veranschaulichung ein räumliches Modell des mit (Radio)Metall markierten DTPA‐[D‐Glu]1‐Minigastrin.
Abbildung 2.11
Räumliches Modell des mit (Radio)Metall markierten DTPA‐[D‐Glu]1‐
Minigastrin.
2.7
Qualitätskontrolle der
111In‐Markierung
Im Anschluss an die Inkubation erfolgte die Qualitätskontrolle der Markierung mittels Festphasenextraktion (siehe Kapitel 2.5) oder Hochleistungs‐ Flüssigkeitschromatographie (HPLC)‐Analyse. Mit diesen beiden Verfahren konnte das Verhältnis zwischen markiertem DTPA‐Peptid und freiem 111In
bestimmt werden. Dieses Verhältnis sollte möglichst hoch sein. Im Gegensatz zum auf Ladungsunterschieden beruhenden Anionenaustausch macht man sich bei diesen beiden Auftrennverfahren zunutze, dass unterschiedlich hydrophile Stoffe unterschiedlich starke Wechselwirkungen mit dem Säulenmaterial eingehen, welches aus Ketten mit 18 Kohlenstoffatomen (C18) besteht.
Bei Verwendung einer C18‐Kartusche zur Kontrolle der Markierung wurde das überschüssige freie Nuklid sowie eventuell vorhandene Verunreinigungen, wie zum Beispiel markierte Peptidbruchstücke, mit hydrophilem 0,1 M Natrium‐ Acetat‐Puffer (pH 5,5) und anschließend das markierte DTPA‐Peptid mit dem lipophileren Methanol vom Säulenmaterial eluiert. Zusammen mit der Kartusche selbst erhielt man so drei Fraktionen, deren Aktivitäten in einem Gammaszintillationszähler (Modell 8SF8/2E‐X; Berthold, Wildbad, Deutschland) gemessen wurden. Der prozentuale Anteil der Aktivität der Methanol‐Fraktion an der sich aus den Aktivitäten aller drei Fraktionen zusammensetzenden
Gesamtaktvität konnte sodann zur Bewertung der Markierung herangezogen werden. Eine akzeptable Markierung sollte einen entsprechenden Anteil von mindestens 80 Prozent aufweisen.
Die Markierung konnte gegebenenfalls durch erneute DTPA‐Peptid‐Zugabe mit anschließender nochmaliger Inkubation verbessert werden. Das in Gleichung 2.4 dargestellte Gleichgewicht zwischen freiem 111In einerseits und der erwünschten
Bindung des Nuklids an das DTPA‐Peptid andererseits konnte so zugunsten letzterer Bindung verschoben werden.
111In + DTPA‐Peptid 111In‐DTPA‐Peptid (Gleichung 2.4)
Eine weitere Möglichkeit, eine schlechte Markierung zu verbessern, stellt die Wiederholung der Trennung bzw. die Verwendung längerer C18‐Kartuschen dar (siehe unten).
Neben der C18‐Kartusche stellt die HPLC(High Performance Liquid Chromatography)‐Analyse (Knauer, Berlin, Deutschland) eine genauere Methode zur Beurteilung der Markierung dar. Nach Auftragung der markierten DTPA‐ Peptid Lösung auf die HPLC‐Säule erfolgte deren Auftrennung mit einem zeitlich linearen Gradienten von NH4‐Acetat (hydrophil) versus Acetonitril (weniger
hydrohil), so dass mit zunehmender Acetonitril‐Konzentration zunächst ungebundenes 111In, danach eventuell bestehende radioaktiv markierte DTPA‐
Peptidbruchstücke bzw. unterschiedliche Protonierungsstufen des DTPA‐Peptides und anschließend das markierte DTPA‐Peptid von der Säule eluiert wurden. Der Nachweis der einzelnen aufgetrennten radioaktiven Stoffgruppen erfolgte mittels kontinuierlicher Gammaszintillationszählung des Eluates (siehe Kapitel 2.4). Man erhielt so HPLC‐Profile der 111In‐markierten DTPA‐Peptide in Form von
Kurvendiagrammen, in denen die mittels Gammaszintillationszähler gemessene Radioaktivität des Eluates (cpm) im zeitlichen Verlauf des Auftrennvorganges dargestellt wurde (siehe Abbildung 2.12). Das Vorliegen nicht radioaktiv markierter Verunreinigungen durch Peptide, Peptidbruchstücke oder andere Stoffe konnte mittels UV‐Detektion bei λ = 280 nm nachgewiesen werden. Zu den jeweiligen Elutionszeitpunkten radioaktiver Stoffe waren diese durch sich deutlich
Fläche unter der Kurve um den 111In‐DTPA‐Peptid‐Spitzenwert (bei ca. 15
Minuten) in Bezug auf die Gesamtfläche unter der Kurve entsprach dem zu bestimmenden prozentualen Anteil der Aktivität des markierten DTPA‐Peptides an der Gesamtaktivität. Des Weiteren konnte anhand der HPLC‐Profile der Grad der Verunreinigung der markierten Lösung durch eventuell vorhandenes ungebundenes Nuklid oder markierte DTPA‐Peptidbruchstücke bestimmt werden. Die Abbildung 2.12 dient neben der Veranschaulichung der Darstellung der Stoffauftrennung der Verdeutlichung der Optimierung einer Markierung durch Wiederholung der Trennung des freien DTPA vom derivatisierten DTPA‐ Peptid mittels C18‐Kartusche, wobei die Markierung sowohl nach einfacher (obere Kurve) als auch nach zweifacher C18‐Trennung (untere Kurve) dargestellt ist. Erkennbar sind die dem 111In‐DTPA‐[D‐Asp]1‐[Nle]3,6‐CCK8 (a), dem nicht
gebundenem Nuklid (c) sowie den Verunreinigungen durch verschiedene Protonierungsstufen des Radiopeptides und markierte DTPA‐Peptidbruchstücke (b) entsprechenden Aktivitätsspitzen. Der prozentuale Anteil der 111In‐DTPA‐
Peptid entsprechenden Aktivität an der gesamten zur Markierung verwendeten Aktivität (Fläche unter der Kurve bei a bezogen auf die gesamte Fläche unter der Kurve) betrug nach einmaliger C18‐Trennung 61%, nach Wiederholung der Trennung über 96%.
Abbildung 2.12 Qualitätskontrolle mittels HPLC‐Analyse am Beispiel des 111In‐DTPA‐[D‐Asp]1‐ [Nle]3,6‐CCK8. Siehe Text. Auftrennzeit (Min.) 0 5 10 15 20 R adioak tivi tät (cpm ) 0 200 400 600 einmalige C18-Trennung zweimalige C18-Trennung c a b