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1   Einleitung

4.2  Elimination von Radiopeptiden

Bezüglich der renalen Elimination entscheidet neben dem Molekulargewicht einer  systemisch applizierten Substanz deren Ladung darüber, ob diese Substanz die so  genannte  glomeruläre Filtrationsbarriere zu  passieren  vermag.  Diese  Barriere  besteht  aus  drei  Schichten:  den  Endothelzellen  der  glomerulären  Kapillarschlingen,  der  Basalmembran  und  den  Schlitzporen  der  epithelialen  Fußfortsätze.159 Stoffe mit höherem Molekulargewicht – vor allem Plasmaproteine  – werden beim Durchtritt durch diese Barriere behindert. An der Basalmembran  werden Teilchen ab einem Molekulargewicht von etwa 200 kDa reflektiert. Durch  die  äußerste  Schicht der  Schlitzporen  als  engste  begrenzende  Stelle  für  den  Durchtritt von Soluten können Stoffe von mehr als 65 kDa normalerweise nicht  hindurchtreten.  Serumproteine mit Molekulargewichten von mehr als 65 kDa  werden daher hepatisch metabolisiert bzw. eliminiert (siehe Kapitel 4.3). Darüber  hinaus werden hydrophile Peptide im Gegensatz zu lipohileren Peptiden verstärkt  renal eliminiert. 

   

                       

Abbildung 4.5 

Reabsorption und lysosomaler Abbau der glomerulär  filtrierten  Radiopeptide  durch  das  renale  Tubulusepithel.  Inhibition  der  Reabsorption  durch  Lysin.  Residualisierende  111In‐DTA‐Peptidreste  verbleiben im Gegensatz zu nicht‐residualiserenden 131J‐

Peptidresten  intrazellulär.18 

   

Radiopeptide

e.g., 111In-DTAP-Lys e.g., 131I-Tyr

Bei den hier untersuchten CCK‐ bzw. Gastrin‐Derivaten handelt es sich  ‐  im  Gegensatz  zu  größeren  Molekülen,  wie  z.B.  Antikörpern  ‐  um  glomerulär  filtrierbare Substanzen. Die so filtrierten Peptide werden anschließend aus dem  Primärharn  durch  das  Epithel  des  proximalen  Tubulus  reabsorbiert  (siehe  Abbildung 4.5). In den Tubulusepithelzellen erfolgt daraufhin der lysosomale  Abbau der Radiopeptide. 

Im Hinblick auf den klinischen Einsatz ist die Zielsetzung eine möglichst geringe  Ansammlung potentieller Radiopeptide im gesunden Gewebe. So würde neben  der  Optimierung  des  Tumor/Nichttumor‐Verhältnisses  eine  Minimierung  der  Zweitorgantoxizität erzielt werden.16 

Die Nieren sind das Organ mit der höchsten Anreicherung von Radiopeptiden der  Gastrin‐  und  CCK‐Familie  –  sowohl  klinisch  als  auch  im  Tiermodell.15,17,22  Abbildung 4.6 zeigt die Bioverteilung von 111In‐DTPA‐Minigastrin eine Stunde  nach systemischer Applikation anhand eines Szintigramms. Es ist deutlich die  prädominierende Aufnahme durch die Nieren zu erkennen.  

                                   

Abbildung 4.6 

Szintigramm  einer  Maus  nach  Injektion  von  111In‐DTPA‐

Minigastrin (siehe Kapitel 2.4). Die Radiopeptidaufnahme durch die  Nieren ist vorherrschend (Pfeil). Des Weiteren ist neben der Harnblase  ein  subkutanes  Xenograft  eines  humanen  medullären  Schilddrüsenkarzinoms (Stern) dargestellt. 

   

Wie bereits in Kapitel 1 erwähnt, führt die Anreicherung der renal eliminierten  Radiopeptide in den Nieren beim Einsatz von Radioaktivität in therapeutischen  Dosen  zum Problem der  strahlungsbedingten  Nierenschädigung,  welche sich 

*

histologisch  in  Form  von  glomerulärer  Sklerose,  tubulärer  Atrophie  und  fibrinoider Nekrose darstellt.13 Die Nieren werden somit zum Dosis limitierenden  Organ. Studien aus dem Bereich der externen Strahlentherapie haben zudem  gezeigt, dass eine strahlungsbedingte Nierenschädigung erst Monate bis Jahre  nach Strahlenexposition ohne vorherige Symptome auftreten kann.98,99,118 

Die Beobachtung, dass die renal‐tubuläre Aufnahme von 111In‐DTPA‐Octreotid69  und von 111In‐markierten Antikörperfragmenten119 durch gleichzeitige systemische  Applikation von Aminosäuren reduziert wird, veranlassten Behr und Mitarbeiter  zur intensiven Erforschung dieser Zusammenhänge. Es konnte gezeigt werden,  dass die zusätzliche systemische Gabe bestimmter kationischer Aminosäuren zu  einer  Inhibition  der  tubulären  Reabsorption  von  glomerulär‐filtrierten  Radiopeptiden  mit  entsprechender  Reduzierung  der  renal  retinierten  Radioaktivität führt.18 Dieser Effekt beruht vermutlich auf einer Neutralisation  negativer Ladungen auf der Zelloberfläche proximaler Tubulusepithelzellen durch  kationische  Aminosäuren  –  insbesondere  Lysin  –  mit  daraus  folgender  Blockierung der tubulären Peptid‐Reabsorption.13,18 Die Strategie einer solchen  adjuvanten Lysin‐Therapie erscheint auch im Hinblick auf den klinischen Einsatz  der hier untersuchten Radiopeptide sinnvoll. 

111In‐DTPA‐derivatisierte  Radiopeptide  sind  so  genannte  residualisierende 

Radiopeptide. Diese Gruppe von Radiopeptiden ist durch eine Internalisierung  des Peptides in die Zielzelle mit darauf folgendem unvollständigem lysosomalem  Abbau  und  Verweilen von  radioaktiv  markierten  Peptidbruchstücken  in  der  Zielzelle charakterisiert. Das Radiometall kann somit nicht mehr durch Exozytose  aus der Zelle entweichen – es bleibt in den Lysosomen „gefangen“.43 Abbildung  4.5  veranschaulicht  dies  am  Beispiel  einer  residualisierenden  111In‐Peptid‐

Verbindung und einer nicht‐residualiserenden 131J‐Verbindung. Einerseits ist die  Retention  von  Radiometallen  im  CCK‐Rezeptor  positiven  Tumorgewebe  mit  daraus resultierenden erhöhten Tumor/Nichttumor‐Verhältnissen erwünscht. Die  Radiometall‐Akkumulation in den Nieren hingegen stellt ein erhöhtes Risiko an  Zweitorgantoxizität dar. Ein renal akkumulierendes Radiopeptid würde demnach  eine niedrige maximal tolerierbare Dosierung aufweisen. Im Hinblick auf den  klinischen  Einsatz  ist  daher  ein  residualisierendes  Radiopeptid  mit  geringer 

renaler  Akkumulation  bzw.  geringen  Nieren/Tumor‐Verhältnissen  von  besonderem Interesse. 

Es  konnte  bei einigen im Rahmen dieser  Arbeit untersuchten  111In‐markierte  DTPA‐derivatisierten Radiopeptide eine im Vergleich zum Minigastrin deutlich  erniedrigte  Nierenclearance  demonstriert  werden  (siehe  Abbildung  4.7).  Als  Vertreter  der  Gastrin‐Familie  zeigten  s[D‐Glu]1‐Minigastrin,  [D‐Glu]61‐6‐ Minigastrin  sowie  [D‐Glu]1‐  [L‐Asp]52‐6‐Minigastrin  eine  im  Vergleich  zum  Minigastrin mehr als zwölffach reduzierte renale Radioakivitätsretention 24 h p.i.. 

Alle  zur  CCK‐Familie  gehörenden  hier  untersuchten  Radiopeptide  wiesen  ebenfalls deutlich reduzierte Radiometall‐Akkumulationen durch die Nieren auf. 

Abbildung 4.8 zeigt die Nieren/Magen‐Verhältnisse 10 Minuten, 1 h, 4 h und 24 h  nach Injektion des jeweiligen Radiopeptides zur Einschätzung des Verhältnisses  zwischen Nierenaufnahme und Aufnahme durch einen CCK2/Gastrin‐Rezeptor  positiven Tumor. Wie bereits erwähnt, sollte dieses Verhältnis möglichst gering  sein. 

   

  

Abbildung 4.7  Vergleich der renalen Radioaktivitätsretentionen aller untersuchten Radiopeptide (24h  p.i.). Asterisk = p < 0,005 versus Minigastrin, Statistik siehe Kapitel 2.12. 

Renale Radiopeptidretention, 24h post injectionem

%A0/g

0 10 20 30 40

Minigastrin [D-Glu]1-Minigastrin s[D-Glu]1-Minigastrin [D-Glu]6-Minigastrin [D-Glu]1-[Asp]5-Minigastrin [D-Glu]1-[D-Trp]10-Minigastrin CCK8 sCCK8 [D-Asp]-[Nle]3,6-CCK8 Cionin sCionin*

*

*

*

*

*

*

*

Abbildung 4.8  Nieren/Magen‐Verhältnisse aller untersuchten Radiopeptide. Angabe der Verhältnisse  der jeweiligen Mittelwerte. 

 

   

Der klinische Einsatz einiger im Rahmen dieser Arbeit untersuchter radioaktiv  markierter  CCK‐Rezeptor‐Liganden  kann  daher  zu  einer  entscheidenden  Reduzierung der gefürchteten Nephrotoxizität beitragen. Dies ist insbesondere im  Hinblick auf den therapeutischen Einsatz von Radiopeptiden von Bedeutung, da  hierbei  höhere  Dosen  an  Radioaktivität  verwendet  werden.  Als  viel  versprechendes Peptid ist in diesem Zusammenhang das sulfatierte [D‐Glu]1‐ Minigastrin durch folgende entscheidende positive Eigenschaften im Hinblick auf  dessen klinischen Einsatz charakterisiert: Es besitzt eine im Vergleich zum nicht‐

sulfatierten Minigastrin deutlich reduzierte renale Anreicherung bei gleichzeitig  erhaltener Affinität und Spezifität für den CCK2/Gastrin‐Rezeptor (siehe Kapitel  3.2.3). Daraus resultiert eine erhöhte maximal tolerierbare Dosis mit erhöhten  Tumor/Nichttumor‐Verhältnissen.  Der  Einsatz  des  sulfatierten  [D‐Glu]1‐ Minigastrins  stellt  demnach  eine  Möglichkeit  zur  Optimierung  der  szintigraphischen  Diagnostik  CCK2/Gastrin‐Rezeptor  positiver  Tumoren  und  deren Metastasen dar und bietet die Möglichkeit, im Rahmen therapeutischer 

Nieren/Magen-Verhältnisse

%A0/g

0 100 200 300 400 500

Minigastrin [D-Glu]1-Minigastrin s[D-Glu]1-Minigastrin [D-Glu]6-Minigastrin [D-Glu]1-[Asp]5-Minigastrin [D-Glu]1-[D-Trp]10-Minigastrin CCK8 sCCK8 [D-Asp]-[Nle]3,6-CCK8 Cionin sCionin

10 Min 1 h 4 h 24 h

Dosen im Vergleich zu anderen bisher präklinisch eingesetzten Radiopeptiden das  langfristige Risiko renaler Strahlenschäden deutlich zu vermindern. 

Eine hepatische  Radiopeptidanreicherung würde einerseits  aufgrund erhöhter  Hintergrundwerte zu einem Kontrastverlust bei der szintigraphischen Darstellung  von Tumoren im Bereich der Leber führen. Andererseits käme es, besonders im  Rahmen  von  radiotherapeutischen  Anwendungen,  zu  einer  unnötigen  hepatischen Strahlenbelastung. Die Sulfatierung des CCK8‐Peptides resultiert in  einer deutlich erniedrigten Leberclearance im Vergleich zum nicht‐sulfatierten  CCK8‐Peptid (siehe Abbildung 4.9). 

   

                 

                

Abbildung 4.9 Vergleich der Leberclearances von CCK8 und sCCK8. Die Sulfatierung des CCK8 führt zu  einer  stark  erniedrigten  hepatischen  Aufnahme.  Angabe  der  jeweiligen  Mittelwerte,  Fehlerbalken = Standardabweichungen, Statistik siehe Kapitel 2.12. 

   

Eine  hepatische  Radioaktivitätsakkumulation  im  Rahmen  der  Bioverteilungsstudien ist generell als unspezifisch anzusehen. Folgende Effekte  können  dabei  zum  Tragen  kommen.  Erstens  kann  es  beim  Vorliegen  einer  instabilen Radiometall‐Markierung des DTPA‐Peptides zur Transchelation des  Radionuklides  auf  hepatisch  metabolisierte  Plasmaproteine  kommen  (siehe 

Leberclearance, sCCK8 vs CCK8

Zeit [h]

0 5 10 15 20 25

%A0/g

0 1 2 3 4 5

sCCK8 CCK8 p < 0,001

Kapitel  4.3).  Die  niedrigen  Knochenwerte  (siehe  Kapitel  3.2.7)  sowie  die  erfolgreiche Qualitätskontrolle der Markierung des CCK8‐Radiopeptides (siehe  Kapitel 2.7) sprechen jedoch in diesem Fall gegen eine Transchelation. Zweitens  liegen Hinweise auf eine direkte Metabolisierung kleinerer Peptide der Gastrin‐ 

und CCK‐Familie in der Leber vor,41,182 welche eine hepatische Anreicherung  zumindest  einiger  Gastrin‐  bzw.  CCK‐Analoga  erklären  können.  Die  wahrscheinlichste Erklärung für die erhöhte hepatische Radioaktivität beim in  vivo Einsatz des CCK8‐Radiopeptides ist der Lipophilieeffekt. Die Lipophilie des  Radiopeptides  spielt  eine  entscheidende  Rolle  bei  dessen  hepatischer  Metabolisierung.  Die  Substitution  einer  polaren  Tyrosingruppe  durch  eine  geladene Sulfatgruppe führt zu einem Lipophiliezuwachs des CCK8‐Peptides. 

Dies  könnte  einerseits  eine  Zunahme  der  unspezifischen  hepatischen  Akkumulation  des  Peptides  im  Rahmen  des  Fettstoffwechsels  bewirken. 

Andererseits  wird das lipophilere CCK8‐Peptid gegenüber dem  CCK8‐Peptid  weniger gut renal eliminiert (siehe Kapitel 3.2.7). Dies führt zu einer zeitlich  ausgedehnten Exposition dieses Peptides in der   Leber mit daraus folgender  erhöhter  Wahrscheinlichkeit  einer  unspezifischen  hepatischen  Aufnahme.  Es  scheinen  jedoch  weitere  Untersuchungen  nötig,  um  die  Auswirkung  der  Sulfatierung  des  CCK8‐Radiopeptides  auf  dessen  hepatische  Akkumulation  vollständig zu verstehen.