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Archiv "Das Problem der Kindesmißhandlung aus ärztlicher Sicht Diagnostik und Interventionsmöglichkeiten" (29.08.1994)

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MEDIZIN KONGRESSBERICHT

Das Problem

der Kindesmißhandlung aus ärztlicher Sicht

Diagnostik und

Interventionsmöglichkeiten

18. Interdisziplinäres Forum der Bundesärztekammer

„Fortschritte und

Fortbildung in der Medizin"

vom 12. bis zum 18. Januar 1994

or dem Hintergrund weiter zu- nehmender Fälle von Kindes- mißhandlung muß die Ärzte- schaft über die Fortschritte bei Dia- gnostik und Interventionsmöglichkei- ten von körperlicher, sexueller und emotionaler Mißhandlung und Ver- nachlässigung von Kindern infor- miert werden, um ein durch seine Umgebung gefährdetes Kind so früh wie möglich zu erkennen. Nur mit Hilfe einer interdisziplinären Konsi- liartätigkeit zwischen Ärzten, Psy- chologen und den für den Kinder- schutz zuständigen Behörden oder Verbänden ist eine Schadensbegren- zung im frühest erkennbaren Stadi- um einer Mißhandlung oder Ver- nachlässigung möglich.

Zu dieser umfassenden Strategie wurde bereits 1992 vom Deutschen Ärztetag in Köln ein entsprechendes Konzept verabschiedet. In Ergän- zung dazu wurden jetzt, 1994 in Köln, die neuesten interdisziplinären Er- kenntnisse zum Schutz des Kindes und zur Veränderung des abartigen Verhaltens der Tatverdächtigen, viel- fach Vater oder Mutter, vorgestellt.

Aus der Sicht des Kinderklini- kers wies W. A. Andler (Datteln) auf Probleme in der Diagnostik hin, wo- bei er das differentialdiagnostisch be- sonders wichtige Erkennungsmerk- mal einer Mißhandlung, die Mehr- zeitigkeit von Gewalteinwirkungen, darlegte. Körperlich-psychische Ent- wicklungsstörungen bei mißhandel- ten Kindern sind: Enuresis, Enkopre- sis, Stottern, Sprachentwicklungsver- zögerungen, Schulversagen, Weglau- fen, Anorexie und psychosomatische Unruhe. Wegen der Vielfalt der Sym-

ptomatik kommt den interdisziplinär besetzten Beratungsstellen im Rah- men der Prävention und Intervention eine besondere Bedeutung zu, weil sie nicht nur der Ärzteschaft, son- dern auch den „Selbstmeldern" zur Verfügung stehen. Diese Thematik stand im Mittelpunkt des Referates von P. Hutz (Berlin), der die Erfah- rungen aus dem Kinderschutzzen- trum in Berlin vorlegte. Eine Kindes- mißhandlung muß als gewaltsames Scheitern der Eltern-Kind-Bezie- hung vor dem Hintergrund gesell- schaftlicher, sozialer und kultureller Bedingungen und Handlungsmuster verstanden werden. Es gilt vor allem, den Eltern die Angst vor den Folgen einer Beratung und einer helfenden Beziehung zu nehmen, um zu den Problemen der Eltern-Kind-Bezie- hung vordringen zu können. Im Rah- men der Prävention müssen familiäre Lebensrisiken (soziale Mangelsitua- tionen, Beziehungskonflikte) gemin- dert oder behoben werden.

Mit der Erkennbarkeit der kör- perlichen Mißhandlung befaßten sich die Beiträge der Rechtsmediziner H.

Joachim (Heidelberg) und K Püschel (Hamburg). „Daran denken ist die Voraussetzung zur richtigen Diagno- se, genau hinschauen der nächste Schritt." Für eine Mißhandlung spre- chen Lokalisationen am Oberkopf, den Augen, Wangen, den Strecksei- ten, der Unterarme und Hände sowie Rücken und Gesäß, insofern sie un- typische Stellen für eine Sturzverlet- zung sind.

Außerdem spricht das Vorliegen von älteren und frischen Gewaltein- wirkungen (Wiederholungsdelikt) für

eine Mißhandlung. Wichtig ist die eingehende Untersuchung des völlig entkleideten Kindes und die sachge- rechte Fotodokumentation, mit an- gelegtem Maßstab, neben der detail- lierten schriftlichen Befunderhe- bung. Auf das Vorschulalter bis etwa zum siebten Lebensjahr entfallen 75 Prozent aller Mißhandlungen, wobei die Verletzungsbilder so vielfältig sind wie die Verletzungsursachen (Hand, Faust, kneifen, treten, schüt- teln, thermische Schäden, Stock- schläge).

Neben der allgemeinen körperli- chen Untersuchung muß bei zerebra- ler Gewalteinwirkung auch an oph- thalmologische Zusatzuntersuchun- gen (Augenhintergrundsblutungen) und insbesondere an eine Computer- tomographie gedacht werden. Miß- handlungsverdächtige Befunde sind Kontusionsherde zwischen Hirnrinde und -mark sowie subdurale Blutun- gen.

Welche Bedeutung der Rönt- genuntersuchung bei Verdacht auf Skelettverletzungen zukommt, wurde mit dem Referat von J. Träger (Hei- delberg) aus der Sicht der Pädiatri- schen Radiologie dokumentiert, vor allem im Hinblick auf die richtige In- terpretation der bildgebenden Dia- gnostik. Wie bei den äußerlich sicht- baren Gewalteinwirkungen sind poly- tope und mehrzeitige Skelettverlet- zungen mit zeitlich unterschiedlich alter Knochenneubildung sowie Ab- sprengungen von Metaphysenkanten oder Osteoepiphyseolyse bei norma- ler Knochenstruktur und Fehlen ei- nes adäquaten Traumas in der Ana- mnese praktisch beweisend für eine A-2250 (52) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 34/35, 29. August 1994

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MEDIZIN

Mißhandlung. Ausgeschlossen wer- den müssen jedoch Kupferstoffwech- selstörungen, abnorme Knochenbrü- chigkeit sowie Vitamin-C- und -D- Mangel.

Erschreckend sind die Zahlen über sexuellen Mißbrauch und Miß- handlung. So weist die Kriminalstati- stik der Bundesrepublik Deutschland allein für das Jahr 1992 16 442 gemel- dete Verdachtsfälle auf, die zu Er- mittlungsverfahren führten. H. Rem- schmidt (Marburg) machte deutlich,

daß dies offenbar nur „die Spitze ei- nes Eisberges" ist, nachdem auf- grund von Fragebogenaktionen bei Studenten 25 Prozent der weiblichen und acht Prozent der männlichen Be- fragten angaben, als Kinder sexuell mißbraucht worden zu sein. Die Dia- gnostik stützt sich neben körperli- chen auf psychische Symptome, bei denen ein altersunangemessenes Se- xualverhalten („sexualisiert") beson- ders auffällig ist. Gravierend sind die mittel- und langfristigen Folgen sexu- ellen Mißbrauchs oder Mißhandlung:

Drogen- und Alkoholmißbrauch, Borderline-Persönlichkeitsstörung, neben multiplen Persönlichkeitsstö- rungen bis hin zur Somatisierung (chronische Schmerzen), größeres Ri- siko, vergewaltigt oder erneut mißhan- delt oder selbst Sexualtäter zu werden.

Bei erkannter sexueller Mißhandlung konzentrieren sich die Interventionen auf individuelle Behandlung von Op- fer und Täter sowie auf familienthera- peutische Maßnahmen.

In der Diskussion wurde die ärztliche Strategie bei festgestellter Kindesmißhandlung von J. Uekötter (Münster) unter allgemeiner Zustim- mung wie folgt umrissen: „Das ärztli- che Vorgehen ist bestimmt vom Prin- zip Hilfe statt Strafe." Bei Fällen schwerer körperlicher und auch sexu- eller Mißhandlung ist dieses Prinzip aber oft nicht umsetzbar. Hier ist die Gewissensentscheidung des Arztes auf dem Boden des ihm von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugebilligten Offenbarungsrechtes gefordert. In solchen Fällen, in de- nen kein Zugang zum Täter sichtbar wird, sollten zum Schutz des Kindes von dem mit der Untersuchung be- trauten Arzt die staatlichen Jugend- schutzmaßnahmen genutzt und gege- benenfalls auch Polizei und Staatsan-

KONGRESSBERICHT / FÜR SIE REFERIERT

waltschaft eingeschaltet werden, um die Leidenszeit des betroffenen Kin- des nicht unnötig zu verlängern. Zu diesem Vorgehen riet aus der Sicht der Allgemeinmedizin auch A. Wiese- mann (Ostringen, Heidelberg), und H. J. Wagner (Homburg-Saar) fügte als Moderator hinzu, daß die Angst vor wirtschaftlichen Schäden der eigenen Praxis bei Wahrung des der Arzte- schaft gegenüber den Behörden zuge- standenen Offenbarungsrechtes nur eine untergeordnete Rolle spielen sollte, nachdem es sich bei diesen uns anvertrauten Patienten um schutz- und wehrlose Opfer handelt.

Adjuvante Chemotherapie nach der Operation eines Mammakarzi- noms mit Lymphknotenbefall redu- ziert die Zahl der Weichteilrezidive, zeigt jedoch nur spät einsetzende oder geringe Auswirkungen auf die Überlebenszeit der Patientinnen.

Das Auftreten von Fernmetastasen in Knochen, Leber oder Lunge wird kaum verringert. Dies sind Ergebnis- se einer randomisierten klinischen Studie der Internationalen Brust- krebsstudiengruppe, die Krankenak- ten von 2 830 Frauen auswertete, die im Zeitraum von 1978 bis 1985 wegen eines Mammakarzinoms operiert wurden. 2 108 Patientinnen wurden nach Operation mit sechs oder mehr Zyklen einer adjuvanten Polychemo- therapie behandelt. 772 bekamen keine Chemotherapie oder nur einen einzelnen perioperativen Zyklus.

Keine der Patientinnen erhielt zu- sätzliche Strahlentherapie.

In den nächsten zehn Jahren tra- ten bei 18 Prozent der Patientinnen, die adjuvante Chemotherapie erhal- ten hatten, lokale oder regionale Re- zidive oder vom Sitz des Primärtu- mor entfernte Weichteilmetastasen auf. Bei den Frauen ohne Chemothe- rapie geschah dies bei 36 Prozent.

Die Rate der Knochenmetastasen lag für beide Gruppen bei 18 Prozent.

Die Referate und alle Diskussi- onsbeiträge zu diesem Thema sind inzwischen im Band 18 (1994/95)

„Fortschritt und Fortbildung in der Medizin", herausgegeben von der Bundesärztekammer im Deutschen Ärzteverlag in Köln, erschienen.

Anschrift des Verfassers:

Em. Prof. Dr. med.

Hans-Joachim Wagner

ehemals Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes

Gebäude 42

66424 Homburg/Saar

Lungen-, Leber- oder Pleurabefall konnte bei 17 Prozent der Frauen festgestellt werden. Die Ergebnisse konnten nicht im Hinblick auf Östro- gen/Progesteron-Rezeptoren der Tu- moren oder menopausalen Status der Patientin unterschieden werden.

Die Wissenschaftler schließen aus diesen Zahlen, daß die adjuvante systemische Therapie den Verlauf der Krankheit hauptsächlich durch eine Verminderung und Verzöge- rung von Lokalrezidiven und Weich- teilmetastasen beeinflußt. Die Le- bensqualität der betroffenen Frauen wird durch diese Therapie verbes- sert. Behandlungsstrategien, die le- bensbedrohliche Metastasen in Kno- chen, Lunge oder Leber verringern, wären nach Ansicht der Ärzte eine wichtige Verbesserung der Standard- therapie. Unter diesem Aspekt wer- den intensivere Schemata von Che- motherapie und Hormontherapie un- tersucht. silk

Goldhirsch, A.; R. D. Gelber et al.: Ef- fects of systemic adjuvant treatment an first sites of breast cancer relapse. Lancet 343 (1994) 377-381

Dr. Richard D. Gelber, International Breast Cancer Study Group Statistical Center, Division of Biostatics, Dana-Far- ber Cancer Institute, 44 Binney Street, Boston, MA 02115, USA

Auswirkung adjuvanter Chemotherapie beim Mammakarzinom auf

die Lokalisation der ersten Rezidive

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 34/35, 29. August 1994 (55) A-2253

Referenzen

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