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A3128 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4721. November 2003
S T A T U S
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wischen Frankreich und Deutschland bestehen im Bereich des Medizinstudi- ums und der Facharztausbil- dung so große Unterschiede, dass ein Wechsel von Deutsch- land nach Frankreich einem bürokratischen Hindernislauf gleichkommt, der trotz red- licher Bemühungen, Geduld und Ausdauer nicht immer mit dem Zieleinlauf belohnt wird.Im Rahmen eines Stipendi- ums des Deutschen Akademi- schen Austauschdienstes ab- solvierte ich mein Praktisches Jahr in Paris. Ich war mit der Ausbildung in den verschie- denen Abteilungen sehr zu- frieden und beschloss, den Aufenthalt in Frankreich um die Zeit des AiP zu verlän- gern. Nach einem Terzial im renommierten Kinderkran- kenhaus Necker Enfants Ma- lades in Paris hatte ich mich für die Fachrichtung Pädiatrie entschieden.
Der Zugang zur Facharzt- ausbildung in Frankreich, dem
„Internat“, ist durch eine lan- desweite Aufnahmeprüfung – dem berüchtigten „Concours d’Internat“ – geregelt, auf den sich die französischen Medi- zinstudenten rund zwei Jahre lang in regelmäßigen, privat organisierten Seminaren vor- bereiten. Eine gute Platzierung verspricht die Möglichkeit, ei- ne gewünschte Fachrichtung in einer attraktiven Stadt zu
wählen. Meine Anmeldung zu dieser Prüfung wurde mit dem Verweis abgelehnt, zur Teil- nahme berechtigt seien nur Studenten aus Frankreich, die bereits die Aufnahmeprüfung des Medizinstudiums, den
„Concours du premier cycle“, absolviert haben. Für ausländi- sche Ärzte gäbe es eine eigene Prüfung, für die aber Arzte aus der Europäischen Union nicht teilnahmeberechtigt seien.
Zwar gäbe es auch eine Auf- nahmeprüfung für Europäer, aber die Zulassungsvorausset- zungen seien so streng, dass es praktisch keine Kandidaten gäbe. Kurzum: In Frankreich sei es für einen Arzt aus der Europäischen Union praktisch unmöglich, eine Facharztaus- bildung zu absolvieren.
Diesem Protektionismus steht ein gravierender Ärzte- mangel gegenüber. Deshalb wird man als deutscher Arzt zwar zunächst vor die Tür ge- setzt, aber dann durch die Hintertür wieder hineingebe- ten. Neben den vom Staat vorgesehenen, den Bedarf nicht deckenden und nach dem „Concours-Klassement“
verteilten Weiterbildungsstel- len engagieren die Kranken- häuser nämlich auch auslän- dische Ärzte. Nach Zustim- mung des Landesprüfungs- amtes für das AiP, der Ärzte- kammer für die Facharztaus- bildung und des französi- schen Krankenhausträgers ist es so doch möglich, als AiP oder Assistenzarzt in Frank- reich zu arbeiten und die- sen Ausbildungsabschnitt in Deutschland anerkennen zu lassen. Dabei kann es jedoch schnell zu einem Spagat zwi- schen den zuständigen Äm- tern kommen.
Die Facharztausbildung in Frankreich entschädigt dage- gen für die bürokratischen Mühen.Üblicherweise wech- seln die Assistenzärzte im Sechsmonatsrhythmus die Ab- teilungen, sodass ein Einblick in die meisten pädiatrischen Subspezialitäten möglich ist und solide Grundkenntnisse erworben werden können. In den großen Kinderkliniken in Paris mit ihren hoch speziali- sierten Abteilungen wird viel Wert auf Diskussionen gelegt – sei es mit Ärzten anderer Fachrichtungen, mit Mitar- beitern aus dem Labor oder
aus den Forschungsabtei- lungen. Dadurch wird das klinische Bild, das bei der Sta- tionsarbeit erworben wird, durch viele theoretische In- formationen ergänzt.
Derzeit leidet die Kinder- heilkunde in Frankreich aller- dings unter den Folgen der jüngsten Arbeitszeitregelun- gen. Die Einführung der 35- Stunden-Woche für das Pfle- gepersonal hat den Mangel an Pflegekräften noch ver- stärkt. Und nun stellt die Re- gelung, die maximale unun- terbrochene Arbeitszeit auf 24 Stunden und die Wochen- arbeitszeit für Ärzte auf 48 Stunden zu begrenzen, vor al- lem jene Abteilungen vor Schwierigkeiten, die einen oder mehrere Dienst haben- de Ärzte benötigen. Bis vor kurzem waren 36-Stunden- Dienste die Regel, doch nun können die nach dem Dienst ausfallenden Ärzte nicht er- setzt werden. Abteilungen werden vorübergehend oder ganz geschlossen, die Zahl der Betten reduziert, die War- tezeiten für einen Termin in der Sprechstunde der Spezia- listen wachsen.
Ich hoffe, dass diese Situa- tion in Frankreich Anlass gibt, darüber nachzudenken, den Protektionismus aufzu- geben und die Ärzteausbil- dung in Europa schneller zu harmonisieren, um den Aus- tausch von Studenten und As- sistenzärzten innerhalb Euro- pas zu vereinfachen.
Dr. med. Alexander Leis E-Mail: alexanderleis@hotmail.com
Weiterbildung in Frankreich
Lohnender Hindernislauf
Montage:Hahne
Kinder und Ehegatten von Mitgliedern sind in der Gesetz- lichen Krankenversicherung (GKV) beitragsfrei mitversi- chert. Die Familienversicherung für Kinder endet mit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder mit der Vollendung des 23. Lebensjahres, wenn sie nicht
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sich das Kind in Schul- oder Berufsausbildung befindet oder ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr leistet.
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obliegen. Insoweit werden also Eltern von ihrer persönli- chen Unterhaltsverpflichtung für das Risiko Krankheit ih- res Kindes entlastet. In der beitragsfreien Einbeziehung von Angehörigen in die GKV liegt ein wesentliches Ele- ment des sozialen Ausgleichs, das die GKV prägt. Kinder sind nicht mit- versichert, wenn der mit den Kin- dern verwandte Ehegatte oder Lebenspartner des Mit- glieds nicht Mitglied einer Krankenkasse ist und sein Ge- samteinkommen regelmäßig im Monat 1/12 der Jahresar- beitsentgeltgrenze (2003: 3 825 Euro) übersteigt. Nach Beendigung der Familienversicherung kann der Versiche- rungsschutz durch eine eigene freiwillige Versicherung fortgesetzt werden. Die Höhe der Beiträge ist in der Sat-
zung der Krankenkassen geregelt. JF