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Archiv "Stereotaktische Strahlenbehandlung schädelbasisnaher Meningeome und Schwannome" (09.04.2004)

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F

ür viele Tumoren im Bereich der Schädelbasis stellt die operative Re- sektion die initiale Therapie der Wahl dar. Aufgrund der Schwere des Eingriffs ist jedoch oft eine individuelle Therapieanpassung notwendig, insbe- sondere wenn der klinische Zustand des Patienten (höheres Lebensalter, multiple Komorbiditäten) ein chirurgi- sches Vorgehen nicht zulässt. Darüber hinaus kann die ungünstige Lage des Tumors, zum Beispiel bei Ummauerung versorgender Gefäßstrukturen, einen radikalen operativen Eingriff verbieten (10). In der Vergangenheit wurde die Strahlenbehandlung bei Schädelba- sistumoren als wenig wirksam einge- schätzt, da sich in Anbetracht der kriti- schen Lage in der Regel mit konventio- nellen Techniken keine suffiziente Do- sis im Tumor erzielen lässt, ohne die To- leranz der involvierten Risikostruktu- ren zu überschreiten. Daher wurden verschiedene Techniken zur Hochpräzi- sionsbestrahlung entwickelt und eta- bliert. Voraussetzung ist die exakte Ab-

grenzung des Zielvolumens gegenüber den Risikostrukturen. Hierzu ist ergän- zend zur Computertomographie eine Kernspinresonanztomographie (MRT) mit Kontrastmittelgabe unumgänglich.

Sinnvoll ist dabei eine Korrelation der Bildinformation, damit eine Zielvolu- mendefinition in der MRT durchge- führt und unmittelbar in den dreidi- mensionalen Datensatz der CT-Bildge- bung übertragen werden kann (Abbil- dung 1).

Voraussetzung für eine hochkonfor- mierende Präzisionsstrahlentherapie ist außerdem eine Lagerungs- und Fixa- tionstechnik, die eine exakt reprodu- zierbare Position sowohl bei der Be-

strahlung als auch bei den Untersu- chungen zur Bestrahlungsplanung er- laubt. Erfolgt die Zielpunktdefinition und die Positionierung des Patienten anhand eines dreidimensionalen Koor- dinatensystems, spricht man von stereo- taktischer Strahlentherapie. Diese Be- handlungsform wurde erstmals 1951 von L. Leksell als einzeitige Bestrah- lung durchgeführt (11). Für die stereo- taktische Applikation der gesamten Dosis in einer Sitzung wurde der Be- griff Radiochirurgie (RS) geprägt. Die RS erfolgte zunächst mit dem von Lek- sell entwickelten Gamma-Knife, einem Bestrahlungsgerät mit 201 schalenför- mig angeordneten Co-Quellen, das eine hochpräzise Bestrahlung mit einer kon- zentrischen Dosisverteilung ermög- licht. Eine Konformation an irregulär geformte Zielvolumina erfolgt durch die Überlagerung verschiedener Dosis- verteilungen unterschiedlicher Ziel- punkte. Für die Radiochirurgie kann al- ternativ auch ein an die Erfordernisse der Radiochirurgie angepasster Linear-

Stereotaktische

Strahlenbehandlung

schädelbasisnaher Meningeome und Schwannome

Zusammenfassung

Gutartige schädelbasisnahe Tumoren galten bisher als wenig strahlensensibel. Die beein- druckende Steigerung der Behandlungser- gebnisse, die mit der Strahlentherapie im letzten Jahrzehnt erzielt werden konnte, be- ruht neben der Verbesserung der Bildgebung und -verarbeitung vorwiegend auf der Ein- führung der stereotaktischen Bestrahlungs- technik. Hierdurch können vor allem bei Meningeomen und Neurinomen Behand- lungsergebnisse erreicht werden, die hin- sichtlich der Langzeitkontrolle und des Kom- plikationsrisikos vielversprechend sind. Da- her ist ein Einsatz der Strahlentherapie in spezialisierten Zentren gerechtfertigt. Ob diese als Einzeitbestrahlung oder als fraktio- nierte Therapie durchzuführen ist, und ob vorher eine Tumorresektion oder Tumorver-

kleinerung angestrebt wird, ist von der Art, der Größe und der Lage des Tumors abhän- gig. Im Folgenden wird über die klinischen Er- fahrungen und Behandlungsergebnisse be- richtet und die mögliche Indikationsstellung erläutert.

Schlüsselwörter: Schwannom, Meningeom, Strahlentherapie, Akustikusneurinom, Stereo- taxie

Summary

Stereotactic Radiotherapy of Meningiomas and Schwannomas at the Base of the Skull Historically, benign tumours at the base of the skull were considered to be resistant to radio- therapy. The impressive improvements in treat- ment results obtained with radiotherapy in the

last decade are based on the progress in imag- ing, image processing and on the implementa- tion of stereotactic radiotherapy. Using modern radiation techniques in the treatment of menin- giomas and schwannomas, local control rates comparable to neurosurgery can be obtained with a low risk of side effects. Therefore, an application of radiotherapy in specialized centers is justified. Whether radiotherapy should be carried out with conventional fractio- nation or as a single dose treatment or whether a tumour resection is considered before radio- therapy, depends on the tumour entity, size and location. Clinical experience and results in stereotactic radiotherapy are reported and treatment algorithms for benign tumours of the base of skull are discussed.

Key words: schwannoma, meningioma, radio- therapy, acoustic neuroma, stereotaxy

1Klinische Kooperationseinheit Strahlentherapeutische Onkologie (Leiter: Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen De- bus), Klinische Radiologie der Universitätsklinik Heidel- berg und des Deutschen Krebsforschungszentrums, Hei- delberg

2Klinische Radiologie (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.

Jürgen Debus) der Universitätsklinik Heidelberg

3Neurochirurgische Universitätsklinik (Direktor: Prof. Dr.

med. Andreas Unterberg), Heidelberg

Christoph Thilmann1,2 Daniela Schulz-Ertner1,2 Andreas Unterberg3 Michael Wannenmacher2 Jürgen Debus1,2

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beschleuniger eingesetzt werden. Die Abweichung der Zielpunkteinstellung im Patienten und der Isozentrumein- stellung des Bestrahlungsgerätes darf 1 mm nicht überschreiten. Für eine ra- diochirurgische Einzeitbestrahlung sind dann mindestens sechs konvergente Bestrahlungsbögen von mehr als 100°

oder mindestens acht isozentrische irre- guläre Bestrahlungsfelder einzusetzen.

Der Vorteil der stereotaktischen Kon- vergenzbestrahlung mit einem Linear- beschleuniger ist, dass sie – falls erfor- derlich – als fraktionierte Behandlung durchgeführt werden kann. Hierbei wird die Präzision der Stereotaxie kom- biniert mit dem strahlenbiologischen

Vorteil der Fraktionierung. In der Regel kann über vier bis sechs irregulär ge- formte Bestrahlungsfelder eine hoch- konformierende Dosisverteilung er- zeugt werden, die es bei ausreichender Schonung der Risikoorgane ermög- licht, eine zur Tumorkontrolle erforder- liche Gesamtdosis zu applizieren. Die stereotaktische Konvergenzbestrah- lung wird meist mit Bestrahlungsfel- dern durchgeführt, über deren Feld- querschnitt eine homogene Intensität eingestrahlt wird. Dies macht eine Scho- nung der Risikostrukturen schwierig, wenn diese in ein konkav geformtes Zielvolumen eingebettet sind. Bei der so genannten intensitätsmodulierten Ra-

diotherapie (IMRT) arbeitet man mit Bestrahlungsfeldern, bei denen einzelne Teilbereiche mit unterschiedlicher In- tensität bestrahlt werden. Dies ermög- licht eine gezielte Dosisreduktion an Ri- sikostrukturen, ohne Dosiseinbußen im Zielvolumen hinnehmen zu müssen. Die Autoren konnten zeigen, dass die IMRT besondere Vorteile bei unregelmäßig ge- formten Tumoren der Schädelbasis bie- tet, wenn mit konventionellen Bestrah- lungstechniken keine befriedigende Do- sisverteilung erreicht werden kann (18).

Mit der fraktionierten stereotaktischen Radiotherapie (FSRT) – in der konven- tionellen Form oder als IMRT – steht ei- ne hochwirksame, komplikationsarme

Abbildung 1: Behandlung eines Rezidiv-Meningeoms mit fraktionierter stereotaktischer Strahlenbehandlung (der 45-jährige Patient war bis auf eine Abduzensparese links beschwerdefrei).

a) Ausgangsbefund vor Strahlentherapie in der Computertomographie; b) Ausgangsbefund vor Strahlentherapie in der MR-Tomographie; das Zielvolumen (rot) kann in der MRT definiert werden und mithilfe der Bildkorrelation als dreidimensionaler Datensatz auf die CT übertragen werden. Dies ermöglicht eine verbesserte Abgrenzung des Tumors von Hirnstamm (grün) und Sehnerven (violett). c) Die MRT-Kontrolle neun Monate nach Radiatio zeigt eine partielle Remission. Der Befund ist seit vier Jahren kon- stant, die klinische Symptomatik unverändert. d) Transversale Dosisverteilung zur FSRT; Zur besseren Schonung der Risikostrukturen wurde die FSRT als intensitätsmodu- lierte Radiotherapie mit sieben koplanaren Einstrahlrichtungen in Step-and-shoot-Technik mit 68 Subfeldern (6-MV-Photonen) durchgeführt. Appliziert wurde eine Dosis von 57,6 Gy in Einzeldosen von 1,8 Gy im Median des Zielvolumens. e) Dosisverteilung in koronarer Schnittführung; f) Dosisverteilung in sagittaler Schnittführung.

a b

d e

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und wenig beeinträchtigende Alternati- ve auch in den Fällen zur Verfügung, bei denen bei unmittelbarem Kontakt des Tumors zu Risikostrukturen oder auf- grund der Tumorgröße mit einem erhöh- ten Komplikationsrisiko durch die Ra- diochirurgie zu rechnen ist.

Meningeome

Meningeome machen 15 bis 20 Prozent aller Hirntumoren im Erwachsenenal- ter aus. Sie gehen von den Hirnhäuten aus, und ihre Pathologie ist vielschich- tig. Etwa 90 Prozent werden dem WHO-Grad I zugeordnet (21). Eine Behandlungsindikation wird im Allge- meinen bei dem Vorliegen einer neuro- logischen Symptomatik oder bei nach- gewiesenem Größenprogress gesehen.

Bei Konvexitätsmeningeomen kann in bis zu 96 Prozent der Fälle eine kom- plette Resektion erreicht werden, wo- hingegen dies im Bereich der Schädel- basis nur in weniger als 60 Prozent der Fälle gelingt (15). Bei makroskopisch verbliebenem Tumorrest liegt das progressionsfreie 10-Jahres-Überleben zwischen 55 Prozent und 18 Prozent (12, 15, 27). Bei makroskopisch voll- ständiger Resektion Grad 1 nach Simp- son, also unter Einschluss der duralen Anhaftungsstelle und gegebenenfalls des veränderten Knochens (26), liegt das Risiko für ein erneutes Tumor- wachstum lediglich bei etwa vier Pro- zent nach fünf Jahren (12). Daher ist die mikrochirurgische Resektion die Me- thode der Wahl, sofern diese mit ver- tretbarem Risiko durchführbar ist. Ein weiterer Vorteil der Operation ist, dass dann Gewebe zur histopathologischen Begutachtung vorliegt.

Für die Radiochirurgie konnte ge- zeigt werden, dass sie eine ebenso gute lokale Kontrolle erreicht wie eine chir- urgisch vollständige Resektion Grad 1 nach Simpson (20). In dieser Untersu- chung wurden in der Mehrzahl Schä- delbasismeningeome behandelt. Die mittlere Größe lag bei 2,4 cm. Die Komplikationsrate war nach Radio- chirurgie mit zehn Prozent sogar gerin- ger als bei der mikrochirurgischen Re- sektion mit 22 Prozent, die Unterschie- de waren jedoch nicht statistisch signi- fikant.

Die meisten Zentren empfehlen eine Radiochirurgie als Alternative zur mi- krochirurgischen Resektion bis zu einer maximalen Größe von 3 cm, da bei größeren Schädelbasismeningeomen das Risiko für Spätkomplikationen dra- stisch ansteigt (4, 7). Von entscheiden- der Bedeutung ist der Abstand des Tu- mors von der Sehbahn, der mehr als 2 mm betragen sollte (16).

Anhand der eigenen Untersuchung von 189 Patienten mit Schädelbasis- meningeomen konnte gezeigt werden, dass mit einer stereotaktisch geführ- ten fraktionierten Konformationsstrah- lentherapie mit einer Gesamtdosis von 55 bis 59 Gy in konventioneller Fraktio- nierung eine exzellente lokale Kontrol- le bei gleichzeitig geringem Komplikati- onsrisiko erzielt wird (2). Das aktuari- sche progressionsfreie 10-Jahres-Über- leben betrug in der Untersuchung der Autoren in der Gruppe der Patien- ten mit Meningeom WHO Grad I (n = 180) 96 Prozent. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied für Patien- ten mit histopathologisch gesichertem Meningeom WHO Grad I und Patien- ten mit dem radiologischen Bild eines Meningeoms WHO Grad I ohne histo- pathologische Begutachtung. Nach die- sen Ergebnissen erscheint bei sympto- marmen Patienten mit eindeutigem radiologischen Befund ein invasiver Eingriff zur Materialgewinnung nicht zwingend erforderlich, wenn aufgrund der Tumorausdehnung oder von Begleit- erkrankungen ein erhöhtes Operati- onsrisiko besteht. Bei Patienten mit ei- ner neurologischen Symptomatik ist ei- ne Operation vorzuziehen, wenn durch eine Teilresektion eine Dekompression erreicht werden kann.

Das mittlere Tumorvolumen im Pati- entenkollektiv der Autoren betrug 52,5 cm2(entsprechend eines Durchmessers von 4,5 cm) und das maximale behan- delte Tumorvolumen 370 cm2. Dennoch lag die Rate der gravierenden Spätkom- plikationen (Radiation Therapy Onco- logy Group [RTOG] III) lediglich bei 2,1 Prozent. Eine Reaktion RTOG IV war nicht aufgetreten. Somit können im Gegensatz zur Einzeitbestrahlung mit einer fraktionierten stereotaktischen Konformationsbestrahlung auch große Tumoren erfolgreich behandelt wer- den. In diesen Fällen ist sie bei ver-

gleichbarer Kontrollrate wie bei kom- pletter Resektion oder Radiochirurgie insgesamt eine risikoarme Behand- lungsmethode und sollte mit dem Pati- enten als mögliche Alternative disku- tiert werden. Ein Nachteil ist bei kon- ventioneller Fraktionierung von fünf Sitzungen pro Woche mit 1,8 bis 2 Gy die lange Gesamtbehandlungszeit von etwa sechs Wochen.

Das Vorgehen nach Teilresektion ei- nes Meningeoms WHO Grad I ist im Einzelfall vom Wachstumsverhalten vor der Operation abhängig. Ist dieses nicht bekannt oder hat das Meningeom in der Vergangenheit nur langsam an Größe zugenommen, kann in vielen Fällen eine abwartende Haltung einge- nommen werden. Erst wenn im weite- ren Krankheitsverlauf eine Größenzu- nahme nachzuweisen ist, sollte eine Therapie durchgeführt werden. Hier- bei kann, sofern keine tumorbedingten Symptome vorliegen, die stereotak- tisch fraktionierte Strahlentherapie be- vorzugt eingesetzt werden, da die histo- pathologische Einordnung des Tumors bereits erfolgt und eine sekundäre Malignisierung selten ist. Das Beispiel der Abbildung 1 zeigt ein ausgedehn- tes petroclivales Meningeom nach er- folgter Teilresektion über einen links gelegenen subokzipitalen Zugang. Die histologische Begutachtung ergab ein meningoendotheliomatöses Meningeom WHO Grad I. Auf eine weitere Tumor- reduktion war zugunsten der Strah- lentherapie verzichtet worden. Zur besseren Schonung der Risikostruktu- ren, insbesondere zur Dosisreduktion im Temporallappen, wurde die stereo- taktisch fraktionierte Radiotherapie als intensitätsmodulierte Strahlenbe- handlung durchgeführt.

Anders sieht die Situation bei höher- gradigen Meningeomen aus. Hier ist im Allgemeinen eine möglichst vollständi- ge Operation anzustreben und auch bei makroskopisch kompletter Resektion eine adjuvante Strahlentherapie durch- zuführen. Hiermit kann die krankheits- freie 5-Jahres-Überlebensrate nach kompletter Tumorresektion von 28 Pro- zent auf 57 Prozent gesteigert werden (3). Nach inkompletter Resektion und postoperativer Bestrahlung oder als primäre Radiatio bleiben die lokalen Kontrollraten mit einer Photonenbe-

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strahlung unbefriedigend (6). Es sind bei Meningeomen WHO Grad II/III Bestrahlungsdosen von deutlich mehr als 60 Gy erforderlich, die aufgrund der Lage des Tumors zu Risikostrukturen auch mit einer hochkonformalen Tech- nik nur unter hohem Komplikationsrisi- ko zu applizieren sind. In diesen Situa- tionen hat eine Strahlentherapie mit ge- ladenen Teilchen Vorteile (9).

Vestibularisschwannome

Vestibularisschwannome (Akustikus- neurinome) sind die häufigsten Tumo- ren des Kleinhirnbrückenwinkels. Typi- sche tumorbedingte Symptome sind Hörminderung und Schwindel. Gele- gentlich ist auch die Funktion weiterer Hirnnerven eingeschränkt, und die Pa- tienten leiden an Trigeminusneuralgien und -dysästhesien, Fazialisparesen oder Geschmacksstörungen. Da mit der mi- krochirurgischen Resektion, mit der Radiochirurgie und der fraktionierten stereotaktischen Radiotherapie unter- schiedliche Therapieoptionen mit ver- gleichbaren lokalen Kontrollraten von mehr als 95 Prozent (nach 5 Jahren) zur Verfügung stehen, ist eine allgemeine Therapieempfehlung schwierig. Zur Entscheidungsfindung sind neben tu- morspezifischen Gesichtspunkten und

den speziellen Risiken der einzelnen Behandlungsformen die individuelle Si- tuation des Patienten und seine Erwar- tungen an die Therapie zu berücksichti- gen.

Die mikrochirurgische Resektion ist im Standardfall die Methode der Wahl.

Die Mortalität wird mit etwa einem Prozent angegeben (24). Allgemeine Operationsrisiken wie Liquorfistel, Blutung und Infektion treten bei der Radiochirurgie nicht auf. Spezielle Ri- siken wie Sehstörungen, Fazialisparese oder Geschmacksstörungen werden von den operierten Patienten häufiger angegeben als bei den primär mit Radiochirurgie behandelten (22). Ins- gesamt konnte jedoch sowohl beim operativen als auch beim radiochirur- gischen Vorgehen das Komplikations- risiko durch eine verbesserte Technik drastisch gesenkt werden. Bei der Ra- diochirurgie konnte dies im Wesent- lichen durch eine Reduktion der mini- malen Tumordosis auf 12 bis 13 Gy und durch Einführung der MR-Tomogra- phie zur Definition des Zielvolumens und der Risikostrukturen erreicht wer- den. Die Abbildung 2 zeigt das Bei- spiel eines Patienten mit Akustikus- neurinom, bei dem aus allgemeininter- nistischen Gründen ein erhöhtes Ope- rationsrisiko bestand. Daher wurde der Patient in Übereinstimmung mit

den neurochirurgischen Kollegen einer Strahlenbehandlung zugeführt. Diese wurde als Einzeitbestrahlung mit ei- nem Linearbeschleuniger in stereotak- tischer isozentrischer Vielfeldertech- nik durchgeführt.

Bei neueren Untersuchungen von primär radiochirurgisch behandelten Patienten verschlechtert sich nur in et- wa zwei Prozent der Fälle die Fazialis- funktion im Vergleich zum präthera- peutischen Ausgangsbefund. Demge- genüber ist dies bei der Rezidivbehand- lung mit Radiochirurgie nach vorange- gangener Resektion mit 23 Prozent sehr viel häufiger der Fall (19).

Die Entwicklung des Hörvermögens bei den unterschiedlichen Behand- lungsformen hängt von zahlreichen Faktoren wie Tumorgröße, Patientenal- ter, Anteil der Patienten mit Neurofi- bromatose, dem Zugangsweg aber auch von der Dauer der Nachbeobachtung ab. Prospektive vergleichende Studien, die nach den entsprechenden Faktoren stratifizieren, fehlen. Bei der Radiochir- urgie geht bei etwa 30 bis 50 Prozent der Patienten, die prätherapeutisch über ein brauchbares Hörvermögen verfü- gen, dieses verloren (25). Das ist ver- gleichbar mit den Ergebnissen der Re- sektion, bei der in Abhängigkeit vom Zugangsweg ein Hörerhalt in 33 bis 74 Prozent der Fälle angegeben wird (13).

Abbildung 2: Radiochirurgische Behandlung eines Akustikusneurinoms

a) Ausgangsbefund vor Strahlentherapie in der MR-Tomographie. Bestrahlung mit stereotaktischer Konvergenz-Einzeitbestrahlung mit einem Linearbeschleuniger (11 nonkoplanare irreguläre 6-MV-Photonen-Felder). b) Gutes Ansprechen ein Jahr und c) vier Jahre nach Radiatio bei unveränderter Hörminderung rechts

a b c

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Sowohl für die Radiochirurgie als auch die Resektion steigt das Be- handlungsrisiko mit der Tumorgröße drastisch an. Für die Radiochirurgie scheint zusätzlich das Verhältnis des Tumorvolumens zur Größe der hinte- ren Schädelgrube von Bedeutung (17), da es drei bis neun Monate postthera- peutisch zu einer vorübergehenden Größenzunahme des Tumors kommen kann. Daher ist besonders bei großen Akustikusneurinomen eine fraktio- nierte Strahlenbehandlung in hoch- präziser, konformierender Technik zu erwägen (5). Wie die Ergebnisse der von den Autoren behandelten Patien- ten zeigen, erreicht eine konventionell fraktionierte Bestrahlung in stereo- taktisch geführter Konformations- technik mit einer medianen Gesamt- dosis von 57,6 Gy auch beim Akusti- kusneurinom eine exzellente lokale Kontrolle (progressionsfreies 5-Jah- res-Überleben von 97,6 Prozent) bei hervorragendem funktionellem Er- gebnis. Lediglich bei vier Patienten mit Neurofibromatose Typ 2 ist es zu einem kompletten Hörverlust gekom- men. Bei keinem andern Patienten ist dauerhaft ein Hörverlust oder eine Fa- zialisparese aufgetreten. Andere Au- toren konnten zeigen, dass mit einer fraktionierten stereotaktischen Strah- lenbehandlung ein Hörverlust im Ver- gleich zu einer abwartenden Haltung verzögert werden kann (23). Ob mit einer FSRT eine vergleichbare Lang- zeitkontrolle bei einem geringeren Komplikationsrisiko wie nach Resek- tion oder Radiochirurgie erreicht wer- den kann, müsste in einer prospektiv randomisierten Studie geprüft wer- den. Eine hypofraktionierte Bestrah- lung mit fünf Fraktionen von 5 Gy zeigte keine Vorteile gegenüber einer Einzeitbestrahlung (14).

Bei Schwannomen anderer Hirn- nerven ist ein vergleichbares Vorge- hen wie beim Vestibularisschwannom zu erwägen. Auch hier ist die mikro- chirurgische Resektion die Methode der Wahl. Insbesondere beim Trigemi- nusneurinom ist beim Vorliegen von Schmerzen eine effektive chirurgische Therapie der Symptomatik möglich (1). Die Radiochirurgie von Nicht- Akustikus-Schwannomen erreicht bei vergleichbaren Dosen ähnlich gute

Kontrollraten wie beim Akustikus- neurinom (8). Die Autoren konnten zeigen, dass die FSRT vor allem bei großen Nicht-Akustikus-Schwanno- men eine wirkungsvolle Therapieopti- on darstellt (28). Die lokale Kontroll- rate betrug 100 Prozent. Allerdings war die Patientenzahl mit 13 Patienten klein und die mediane Nachbeobach- tungszeit mit 33 Monaten kurz.

Schlussfolgerungen

Im letzten Jahrzehnt konnten die Be- handlungsergebnisse, die in der Strah- lentherapie von Meningeomen und Schwannomen der Schädelbasis er- reicht wurden, auf beeindruckende Weise verbessert werden. Dies wurde durch Fortschritte der Bildgebung und -verarbeitung und der Bestrahlungs- technik ermöglicht. Dies beinhaltet ef- fektive Fixationsverfahren, neue For- men der Dosisberechnung wie dreidi- mensionale und inverse Bestrahlungs- planung und der Dosisapplikation wie stereotaktisch geführte Bestrahlung und Intensitätsmodulation. Die ge- nannten Techniken stellen eine Alter- native und Ergänzung zu operativen Verfahren bei der Behandlung von Meningeomen und Schwannomen der Schädelbasis dar. Ob eine komplette Tumorresektion oder Tumorverklei- nerung anzustreben ist, ob eine Strah- lentherapie frühzeitig additiv oder al- ternativ eingesetzt werden soll, ob die- se als Einzeitbestrahlung oder als fraktionierte Therapie durchzuführen ist, hängt von der Art, der Größe und der Lage des Tumors ab. Die Wahl des Behandlungszeitpunkts ergibt sich aus der Abschätzung des Spontanverlaufs bei bekannter oder erwarteter Grö- ßenzunahme des Tumors und den möglichen Risiken der einzelnen Be- handlungsformen im individuellen Fall. Daher sollte in enger Zusammen- arbeit zwischen Neurochirurgen und Strahlentherapeuten im Einzelfall das Risiko der unterschiedlichen Behand- lungsformen gegeneinander abgewo- gen werden. Die Behandlung sollte in Zentren erfolgen, die über umfassen- de Erfahrungen sowohl im Bereich der Oto-/Neurochirurgie als auch der Strahlentherapie verfügen. Nach An-

sicht der Autoren sollte bei allen Pati- enten, die für eine Strahlentherapie infrage kommen, zuvor in einer ge- meinsamen Tumorsprechstunde unter Mitwirkung von Otochirurgen, Neuro- chirurgen und Strahlentherapeuten untersucht werden, wobei dann die zu wählende Therapiemodalität zusam- men festgelegt wird. An strahlenthera- peutischen Behandlungsmöglichkei- ten sollten sowohl die Radiochirurgie als auch die fraktionierte stereotakti- sche Radiotherapie zur Verfügung ste- hen, damit der Patient der optimalen, wenn nötig multimodalen Therapie zugeführt werden kann.

Sowohl bei Meningeomen als auch bei Neurinomen müssen sich Thera- pieempfehlungen bisher in der über- wiegenden Mehrzahl auf retrospekti- ve Untersuchungen stützen. Für die Indikationsstellung ist im individuel- len Fall das erwartete Verhalten bei Spontanverlauf, das wahrscheinliche Verhalten nach subtotaler oder kom- pletter Resektion mit oder ohne Strahlentherapie oder nach alleiniger Strahlentherapie gegeneinander abzu- wägen. Um eine Therapieentschei- dung auf hohem Evidenzniveau tref- fen zu können, wäre eine Behandlung der verschiedenen Schädelbasistumo- ren innerhalb prospektiver, wenn nötig randomisierter Studien sinnvoll.

Manuskript eingereicht: 6. 10. 2003, revidierte Fassung angenommen: 15. 12. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2004; 101: A 1022–1026 [Heft 15]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit1504 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Christoph Thilmann Klinische Radiologie der

Universität Heidelberg INF 400

69120 Heidelberg E-Mail: c.thilmann@dkfz.de

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