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Archiv "Perspektiven einer computerisierten Medizin" (11.02.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

II Im DITORIAL

Perspektiven einer

computerisierten Medizin

Rudolf Gross

1. Rückblick un vart

Als die Pioniere der Computeranwendung in der Medizin wie Ledley, Lusted, Warner (Li- teratur bei 1) in den 60er Jahren neue Diagnose- methoden entwickelten, dachten sie — mehr oder minder — an den „Universalcomputer" , der in Zukunft schwierige Differentialdiagnosen stel- len, die optimale Therapie empfehlen, kurz:

Entscheidungsfunktionen übernehmen würde.

Wie so oft, endete übertriebener Optimismus in Pessimismus, in diesem Falle bedingt durch zwei Fakten:

Die bis in die 70er Jahre hinein zu einem er- schwinglichen Preis verfügbaren Geräte und Terminals reichten nicht aus, um die aus Symp- tom- und Krankheitshäufigkeit sich ergebenden 250 000 bis 300 000 Korrelationen ausreichend zudecken (2).

©

Ein Großteil der Ärzte — auch in Kranken- häusern und Gemeinschaftspraxen — war weder personell, räumlich, finanziell in der Lage, noch in der Grundeinstellung willens, sich solcher me- chanisierter oder elektronischer Hilfen zu bedie- nen. Gleichwohl sind die beiden letzten Deka- den gekennzeichnet von Fortschritten in Teilge- bieten:

❑ Entwicklungen mit mehr oder minder mo- dellhaftem Charakter;

❑ Entwicklung und allgemeine Verbreitung von diagnostischen Methoden wie Multikanal- Analyser, Computer-Tomographie, Kernspinre- sonanztomographie, nuklearmedizinischen Me- thoden, die ohne Computerhilfe mit vertretba- rem Zeitaufwand gar nicht möglich wären;

❑ Speicherung und Zugriff zur Weltliteratur auf einem jeweils interessierenden Gebiet oder in einem besonders schwierigen Fall wie durch Medlars (3), Medline und viele andere.

Die umfangreiche Literatur zum Thema Computer in der Medizin ist in zahlreichen Mo- nographien, Kongreßberichten sowie periodisch erscheinenden Zeitschriften niedergelegt. Über den derzeitigen Stand geben einige Beiträge im Oktober-Heft 1987 des Scientific American eine umfassende Übersicht. Danach haben sich Com-

putersysteme vor allem von der physikalisch- technischen Seite her so schnell entwickelt, daß ein neuer Anlauf absehbar ist, dem Arzt ganze oder teilweise Entscheidungshilfen zu geben.

Dafür muß er entweder selbst über einen Satelli- ten oder persönlichen Computer in einem Groß- klinikum Zugriff zu den Daten haben oder lan- desweit (wie zum Teil schon in den USA oder Schweden) mit einem entsprechenden System verbunden sein. Auch bereitet die Interferenz mehrerer Krankheiten noch logistische Pro- bleme.

2. Aufgaben

der ärztlichen Kommunikation c)

Soweit es der (bei uns streng, in Schweden zum Beispiel liberal gehandhabte) Datenschutz zuläßt, erfährt der Arzt Einzelheiten früherer Krankheiten, Befunde und Behandlungen sei- ner Patienten, auch wenn diese bewußt oder un- bewußt verschwiegen werden.

© Er kann die für den jeweiligen Fall relevante Literatur (Übersichten, Kasuistik) abrufen.

• Das System gibt ihm diagnostische Hilfen (in den USA als PDQ = Physician Date Query be- zeichnet), schlägt neueste Behandlungen vor oder kritisiert im Dialog die von ihm geplanten Maßnahmen (2). Die letzte Entscheidung trifft dann der Arzt selbst. Dies gilt um so mehr, als kein Computer und kein bisher bekanntes Pro- gramm alle Variablen und Randbedingungen berücksichtigen kann, die der Behandler in sei- ne Wahl der Medikamente, Dosierung usw. ein- bringen muß.

Erste Erfahrungen werden unter anderen]

zur Zeit in Pittsburgh (520 Betten, 577 Krank- heiten, 4100 Symptome) gesammelt (2).

PDQ (und sein Vorläufer: „Internist 1") sind damit sozusagen elektronische Lehrbücher.

Sie arbeiten nach statistisch-logistischen Prinzi- pien, wie wir es selbst vor zehn Jahren mit

dem Ausdruck von drei Krankheiten in fallender Wahrscheinlichkeit für die Hämatologie ver- sucht haben (5).

Dt. Ärztebl. 85, Heft 6, 11. Februar 1988 (61) A-305

(2)

3. Hardware

Der neue Anlauf zu computergestützten Diagnosen und Behandlungen war nur möglich auf der Grundlage der experimentellen Ent- wicklung der Computertechnologie, besonders durch die Verbesserung und Verfeinerung der Halbleitertechnik. Hier mögen wenige Daten genügen (Literatur bei 4): Durch besondere li- thographische Verfahren können auf Mikro- chips (= Halbleitern) Informationen bis zu ei- nem Mikrometer gespeichert und unterschieden werden (optische Lithographie wird die Größen- ordnung vielleicht bis auf 0,4, Röntgen-Lithog- raphie bis auf 0,1 Mikrometer senken können).

Die Grenzen liegen in den beim Gebrauch ent- stehenden, wenn auch geringen Temperaturen und magnetischen Feldern.

Immerhin beträgt die Dichte der Informa- tionen auf den chips bereits 20 Millionen bits/25 mm2 . Sie wird vielleicht durch kubische chips 300 bytes/25 mm 3 erreichen (das wäre der Inhalt von rund 300 Novellen!). Das Eingabe-Ausga- be-Intervall ( „gate delay") dürfte in den 90er Jahren 200 Picosekunden, das heißt den tril- lionsten Teil einer Sekunde erreichen.

Mikroprozessoren dieser Größenordnung arbeiten mit 30 bis 60 Millionen Instruktionen in der Sekunde (MIPS). Endziel ist vorläufig in den USA die Entwicklung eines Logica-Flop- Rechners , der zehn Milliarden Rechenoperatio- nen/Sekunde ausführen kann. Zur Zeit ist der

„FACOM Alpha-Processor" von IBM vor der Handelsfertigkeit. Ähnliche japanische Produk- te sind angekündigt. Im logistischen Bereich ist damit eine strenge Funktionsverteilung zwi- schen memories und processors gegeben, die durch eine neuartige Kommunikationsgeome- trie in ständiger Bewegung miteinander verbun- den sind ( „Tanzschulen-Maschinen" [6]). Auch geht der Trend zu parallel dezentalisierten Mehrrechnersystemen ( „verteilte Intelligenz").

4. Software

Trotz neuer adaptierter Computersprachen wie Prolog, SAGE, SETL und anderer ist der physikalisch-technische Fortschritt schneller als die Anwendungsformen. „Ich wünschte, wir könnten bei der besseren Software schnellere Fortschritte machen als im Bau besserer Com- puter (4)" . Dies gilt besonders auch für die Me- dizin: Die Symptom-Krankheits- und umgekehrt die Krankheits-Symptom-Relationen haben noch nicht den Stand erreicht, der die Anwen-

dung einer fortgeschrittenen Computer-Techno- logie in der Diagnosefindung, in der therapeuti- schen Entscheidung, in der Verlaufskontrolle gestatten würde.

5. Medizinische Probleme

Der Fortschritt der großen Anwender bringt den Gewinn für die kleineren Belange in der täglichen Praxis und den Krankenhäusern. Auch führt er zu starker Verbilligung der Geräte, wie wir ihn bei Taschencomputern erlebt haben.

Computer können für sich allein, im Verbund oder als Teil fester Geräte benutzt werden.

Schon heute enthalten die meisten Apparate wie etwa die zur Lungenfunktionsprüfung oder die im Laborbetrieb eingesetzten Vielkanal- schreiber ihre einfachen Rechner. Kompatible, zu einem Problemfall passende Literatur ist leicht abrufbar, wenn auch über die dürftigen Zusammenfassungen hinaus die Beschaffung von Originalarbeiten langwierig (und neuer- dings kostspielig) ist. Die nächste Stufe werden Expertenurteile zu Teildiagnosen (wie zum Bei- spiel Beurteilung des Elektrokardiogramms) oder zu Gesamtdiagnosen sein. Eine Computer- Simulation der einzuschlagenden Therapie wird diese sicherer machen und dem neuesten Stand anpassen.

Die vielen unprogrammierbaren Situationen des einzelnen Kranken, das unerläßliche Indivi- dualisieren in Diagnose und Therapie, psycholo- gische und soziale Besonderheiten werden den Arzt in absehbarer Zeit genau so wenig über- flüssig machen wie die vieldeutig formulierte

„Künstliche Intelligenz" das menschliche Ge- hirn.

Literatur

1. Lit. bei Gross R.: Medizinische Diagnostik — Grundlagen und Praxis. Berlin, Springer 1969

2. Rennels, G. D.; Shortliffe, E. H.: Advanced Computing for Medicine. Scient. Americ. 257 (1987) 146

3. Gross, R.; Fritz, R.: Wie kommt der Arzt zu den benötigten In- formationen. In: Der Arzt. Edit.: Buchholz G. u. . Dtsch. Ärz- te-Verlag 1985: 210

4. Peled, A.: The next computer revolution. Scient. Americ. 257 (1987) 35

5. Spechtmeyer H.; Wichmann, H. E.; Gross, R.: Kliniknahe 545

computergestützte Diagnostik. Dtsch. Med. Wschr. 103 (1978) 6. Düchting, W.: Die Bundesrepublik im Technologie-Wettbe-

werb zwischen den USA und Japan. Sieg. Univ. Bl. 7 (1984) 1

Professor Dr. med. Rudolf Gross Herbert-Lewin-Straße 5

5000 Köln 41 A-306 (62) Dt. Ärztebl. 85, Heft 6, 11. Februar 1988

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