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Archiv "Kinderärzte - Anwälte der Kinder: Für verstärkten Schutz der frühen Kindheit; Gegen vermehrte Verfrühungsbelastung" (01.06.1989)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kinderärzte - Anwälte der Kinder

Für verstärkten Schutz der frühen Kindheit

Gegen vermehrte

Verfrühungsbelastung

Die „Charta des Kindes" der Vereinten Nationen von 1959, der auch die Bundesrepublik beigetreten ist, bestimmt klipp und klar, daß „die Menschheit dem Kinde ihr Bestes zu geben schuldig ist . . . Es wächst, so- weit irgend möglich, in der Obhut und der Verantwortung seiner El- tern . . . auf; im zarten Alter wird das Kind nicht von seiner Mutter ge- trennt, außer durch ungewöhnliche Umstände". Und später nochmals:

„Das Beste des Kindes ist der Leitge- danke für alle, die für seine Erzie- hung und Führung Verantwortung tragen; diese liegt zuallererst bei den Eltern."

Dennoch mußten von den Kin- derärzten in den letzten beiden Jahr- zehnten mit Beharrlichkeit immer wieder neu aufkommende Tenden- zen bekämpft werden, das Kind in seinen verschiedenen Altersstufen — besonders aber die Kinder im „zar- ten Alter" der ersten drei Lebensjah- re — zum Haupt-Lasttragenden der Ansprüche der modernen Industrie- Gesellschaft zu machen. Immer wie- der versuchten die Erwachsenen, geistig-seelische Bürden für Kinder entgegen den juristischen Deklara- tionen auch des Grundgesetzes und des Jugendwohlfahrtsgesetzes in jün- gere Altersstufen vorzuverlegen.

Vielfach geschah dies nicht aus

„Kinderfeindlichkeit", sondern aus unreflektierter großer Kindferne, vor allem aber aus Unkenntnis der entwicklungsbiologischen Grundla- gen der kindlichen Existenz und der daraus abzuleitenden Ansprüche des Kindes an die Erwachsenen.

Die Warnungen der Kinderärzte gelten aktuell ebenso der von der

Bundesministerin für Jugend, Fami- lie, Frauen und Gesundheit, Prof.

Ursula Lehr, am 16. Januar 1989 re- gierungsamtlich eingeleiteten neuen Propagierung des verstärkten Aus- baus des Krippenwesens für Säuglin- ge und Kleinkinder vor dem vollen- deten dritten Lebensjahr („Öffnung der Kindergärten") wie der vom Vorsitzenden der Kultusminister- Konferenz, Dr. Georg Gölter, am 23.

Januar 1989 offiziell empfohlenen

„verstärkten Früheinschulung Fünf- jähriger". Wachsamkeit ist um so mehr nötig, als seitens der Bürger Absprachen oder Zusammenhänge zwecks institutioneller Kosten-Ein- sparung nicht ausgeschlossen wer- den können.

Die Familie ist

wichtiger als der Beruf So hat die Akademie für Kinder- heilkunde in Köln, die die rund 6000 Kinderärzte der Bundesrepublik in ihren drei Gesellschaften — für Kin- derheilkunde, für Sozialpädiatrie und den Berufsverband — repräsen- tiert, sofort reagiert und schon am 6.

Februar 1989 eine „Gemeinsame Er- klärung gegen verstärkte Tages- fremdbetreuung Dreijähriger" her- ausgegeben. Darin wird festgestellt, daß sich zum Beispiel Kinder im drit- ten Lebensjahr „noch in einer völlig anderen, viel empfindlicheren psy- cho-physischen Verfassung als Kin- der etwa im vierten Lebensjahr" be- finden: „Vom Stand ihrer körper- lichen, geistigen und seelischen Rei- fe her ist für sie die Erhaltung des fa- miliären Lebensraumes mit der

höchstens kurzfristig unterbroche- nen Beziehung zu ihrer Hauptbe- zugsperson außerordentlich wich- tig . . . Die Einrichtung von Krippen für Kleinstkinder sollte weiterhin auf soziale Notsituationen beschränkt bleiben. Die Notsituationen sollten durch eine familienfreundliche Poli- tik vermeidbar gemacht werden."

In gleicher Weise muß gegen die Absicht zur verstärkten Frühein- schulung Fünfjähriger Stellung bezo- gen werden. Vorgezogene „Kann- Einschulung" ist schon heute nur in Ausnahmefällen vorauseilender gei- stiger und sozialer Entwicklung zu empfehlen und wird oft mit langdau- ernden Leiderfahrungen früh einge- schulter Kinder bezahlt. Das Pro- blem der pädagogisch unzureichend organisierten Sekundarschulzeit nach dem zehnten Lebensjahr, unge- nügend gestraffter Studiengänge und zu später akademischer Ausbil- dungsabschlüsse — oft erst mit 29 bis 30 Jahren, wenn zum Beispiel für Frauen die biologischen Risiken für Schwangerschaft und Geburt bereits deutlich ansteigen — darf nicht auf dem Rücken der kleinen Kinder durch vermehrte Verfrühungsbela- stung zu lösen versucht werden.

Nötig ist vielmehr der verstärkte Schutz der frühen Kindheit durch ei- nen verbesserten Familienlastenaus- gleich als lange überfällige Pflicht- aufgabe der Politik. Eltern muß Wahlfreiheit zugunsten ihrer Kinder ermöglicht werden. Einer der El- ternteile muß bis zum Ende des drit- ten Lebensjahres des jüngsten Kin- des voll der innerfamiliären Erzie- hung zur Verfügung stehen können — und darüber hinaus noch mehrere Jahre halbtags, um kindeswohl-wid- rige Verfrühungsbelastungen der Kinder zu vermeiden. Im Gegensatz zur Auffassung von Frau Lehr wünscht dies die große Mehrheit junger Eltern, denen die Familie wichtiger ist als der Beruf, die aber wegen der jahrzehntelangen Ver- nachlässigung der Familien durch die Politik oft aus wirtschaftlichen Gründen doppelt aushäusig berufs- tätig sein müssen.

Die bisherigen familienpoliti- schen Leistungen der Regierung sind entgegen ihren Versprechungen nicht über Ansätze hinausgekom- Dt. Ärztebl. 86, Heft 22, 1. Juni 1989 (17) A-1645

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men. Die „Kindergeld-Erhöhung"

deckt eben den Währungsschwund;

trotz der sonstigen Beschlüsse wird den Familien nach wie vor weniger als ein Drittel der Kosten des Le- bensunterhaltes der Kinder erstattet.

Weitere komplexe Ausgleichs-Inve- stitionen zugunsten der Familien sind nötig, besonders um Verfrü- hungsbelastungen für junge Kinder und Folgeschäden für die Gesell- schaft von morgen zu vermeiden.

Literatur beim Sonderdruck

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Johannes Pechstein Hartmühlenweg 2

6500 Mainz 1

Der Verfasser leitet das Institut für Sozia- le Pädiatrie, Kinderneurologisches Zentrum des Landes Rheinland-Pfalz in Mainz.

Präventionskongreß mit alternativer Zielsetzung

Zusammen mit den ebenfalls prestigesuchenden Betriebskranken- kassen beziehungsweise deren Berli- ner Landesgruppierung, mit der Uni- versität und mit der Weltgesund- heitsorganisation veranstaltete die Ärztekammer Berlin unter ih- rer „rot-grünen Kammerführung"

(Kammerpräsident Dr. Ellis Huber) unmittelbar vor dem Deutschen Ärz- tetag einen Kongreß „Zukunftsauf- gabe Gesundheitsförderung". Die Zielsetzung des Kongresses war laut Programmheft: „Die Zukunftsaufga- be heißt Gesundheitsförderung. Ge- sundheitsförderung zielt auf einen Prozeß hin, allen Menschen ein hö- heres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermög- lichen und sie damit zur Stärkung ih- rer Gesundheit zu befähigen. Es geht um eine gesundheitsgerechte Gestal- tung der Arbeits- und Lebensbedin- gungen unter einer entsprechenden Neuorientierung der Kommunal- und Gesundheitspolitik." Dem Pro- gramm entsprechend war auch die Teilnehmerschaft. Der geringste An- teil Mediziner, ein großer Teil junger Angehöriger paramedizinischer Be- rufe und einige Vertreter des öffent- lichen Gesundheitsdienstes; in der

Zusammensetzung im Stil und in der Ideologie ein ähnliches Publikum, wie es vor Jahren die alternativen Gesundheitstage zeigten.

Nahtlos verzahnten sich Inhalt und Ziele der Eröffungsredner Dr.

Ellis Huber und der Senatorin für Gesundheit und Soziales von der Al- ternativen Liste, Ingrid Stahmer.

Und deutlich war auch die Distanz von Bonn. Gesundheitsministerin Lehr hatte ursprünglich zugesagt, dann aber wieder abgesagt. Ein Ver- treter des Bundesarbeitsministeri- ums war im Programm angekündigt, jedoch nicht erschienen.

Deutlich machten sich die Ein- flüsse der WHO im Sinne einer staatlichen, gemeindenahen Ge- sundheitsförderung und Prävention bemerkbar. Dies paßte natürlich gut sowohl in die Interessenlage der durch die rot-grüne Koalition im Aufwind befindlichen alternativen Szene Berlins als auch in die Infra- struktur eines Stadtstaates mit ge- meindeartig verwalteten Bezirken.

Es ist zu erwarten, daß dieser Kongreß für die interessierten Grup- pierungen Anlaß sein wird, andere Präventionskonzepte auszuprobie- ren und auszuführen, als sie von der Gesundheitspolitik der Bundesregie- rung vorgesehen sind oder werden.

Kammer-Präsident Dr. Huber sagte das deutlich: „Berlin wird ein Vor- läufer für die Bundesrepublik wer- den."

Mit von der Partie in Berlin war auch die Spitze des Bundesverban- des der Betriebskrankenkassen; auch dessen Geschäftsführer Wolfgang Schmeinck erklärte, das Marketing- Konzept für eine umfassende Ge- sundheitsförderung müsse noch ge- schaffen werden, der Kongreß könne dazu dienen. Die Zielsetzungen des Kongresses kämen den Ideen der Betriebskrankenkassen entgegen, die schon länger davon ausgingen, daß man für richtige Prävention zu den Zielgruppen, in die Betriebe, Schulen usw. gehen müsse. Das Ge- sundheitsverhalten der Bevölkerung habe sehr viel mit den bestehenden Verhältnissen zu tun. In dem zu schaffenden integrierten Marketing- Konzept müßten Ärzte und andere Berufe arbeitsteilig und gleichbe- rechtigt tätig werden. Hartmut Friel

Arzneimittelkommission:

80 000 Berichte

80 000 Berichte über uner- wünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) wurden bis zum 6. April 1989 von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKdÄ) (Fachausschuß der Bundesärzte- kammer), Köln, registriert. Alles dank der zusätzlichen Arbeit und Mühe engagierter Kolleginnen und Kollegen. Aus anfänglich wenigen Steinchen im Mosaik der Arzneimit- telüberwachung formte sich im Lau- fe der Zeit ein Informations-Panora- ma, das mitgeholfen hat, auf neue und vergessene Risiken der Arznei- mitteltherapie aufmerksam zu ma- chen und dadurch trotz vielfacher Widerstände auch zu vermindern.

Die Arzneimittelkommission, hofft, daß in Zukunft noch mehr Kolleginnen und Kollegen veranlaßt werden, an ihre „AKdA" zu berich- ten. Gemeinsam könnten dann ent- sprechende Folgerungen gezogen und wieder ein Schritt zur Arznei- mittelsicherheit und zum Wohle der Patienten getan werden.

Folgende Arzneimittel bzw. Arz- neimittelgruppen werden von der Arzneimittelkommission zur Zeit be- sonders aufmerksam beobachtet:

1. Impfstoffe (z. B. FSME-Imp- fungen);

2. H2-Rezeptoren (Wirkungen auf Herz-Kreislauf);

3. Fibrate (UAW-Profile);

4. pharmazeutische Hilfsstoffe, vor allem in Parenteralia;

5. sog. Chondroprotektiva (vor allem im Hinblick auf Allergien und Nierenschäden);

6. abhängigkeitserzeugende Arzneistoffe (darunter Metamfepra- mon, enthalten in Cardanat® und Tempil® N);

7. Neuroleptika (vor allem auch in niedriger Dosierung);

8. Antikonzeptiva (besonders Gestoden/Desogestrel-Präparate);

9. Heparine (zur low-dose-Pro- phylaxe);

10. Ibuprofen (Auswirkung der Freiverkäuflichkeit ab 1. 1. 1989).

Die Geschäftsstelle der Arznei- mittelkommission in Köln verpflich- tet sich auch weiterhin, alle einge- A-1646 (18) Dt. Ärztebl. 86, Heft 22, 1. Juni 1989

Referenzen

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