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Archiv "Robert Schumann: Fehldiagnose" (19.11.1999)

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A-2940 (8) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999

S P E K T R U M LESERBRIEFE

meinem Leben“ gab (beendet am 19. Dezember 1876, zirka zwei Jahre nach der Ertau- bung), hat er im letzten Satz den Eintritt seiner Ertau- bung, die mit einem quälen- den Ohrensausen einherging, musikalisch dargestellt: „Ich habe daher diese schreckli- che Katastrophe in meinem Schicksal mit dem hellpfei- fenden E im Finale zu schil- dern getrachtet. Daher muß das E fortissimo die ganze Zeitwährung hindurch vorge- tragen werden.“

Ein solcher Verlauf einer unbehandelten Lues, wie ihn Smetana erleben mußte, war im 19. Jahrhundert nichts Un- gewöhnliches, wird aber heu- te dank einer frühen Diagno- stik und wirksamen Behand- lung kaum noch beobachtet.

Dennoch konnte ich 1986 über einen ganz analogen Fall berichten und diesen mit Smetanas Erkrankung in Be- ziehung setzen:

Ein 25jähriger Patient er- krankt im Dezember 1984 an einer Halsentzündung, die sich über mehrere Wochen hinzieht. Dann, im Januar 1985, generalisiertes Exan- them. Der Hautarzt vermutet eine Lues und leitet eine sero- logische Diagnostik ein. Ende Januar 1985 Hörminderung links, dann massive Hörver- schlechterung links und be- ginnende Schwerhörigkeit rechts. Der HNO-Arzt dia- gnostiziert einen Hörsturz und führt eine entsprechende Behandlung durch. Inzwi- schen hatte die serologische Diagnostik das Vorliegen ei- ner Lues bestätigt. Die sofort begonnene spezifische Be- handlung konnte ein Fort- schreiten der Hörstörung ver- hindern, aber keine Besse- rung des schon eingetretenen Hörverlustes bewirken.

Hinzuzufügen bleibt, daß ich wegen der beiden Veröf- fentlichungen von tschechi- scher Seite heftig kritisiert worden bin. Es gibt also tatsächlich diese, vielleicht verständliche, nationale Emp- findlichkeit, wie der Verfasser vermutet, und Bemühungen,

„daß die irrtümliche und durch nichts zu belegende Be-

hauptung von einer lueti- schen Erkrankung unseres größten und verdienstvoll- sten Komponisten aus dem wissenschaftlichen Schrift- tum getilgt werde“ (Bôrik und Bôriková).

Literatur beim Verfasser Prof. Dr. med. Harald Feld- mann, Universitäts-HNO- Klinik Münster, Kardinal- von-Galen-Ring 10, 48149 Münster

Fehldiagnose

Sie räumen einer einseiti- gen Betrachtungsweise zuviel Platz ein und geben dieser Darstellung durch das Titel- bild ein zu großes Gewicht.

Wenn auch ein Fragezeichen hinter der – auch heutzutage noch – „anrüchigen“ Diagno- se steht, so vermittelt doch die in sich schlüssige und auf den ersten Blick plausibel er- scheinende Darstellung mit dem nachfolgenden Kom- mentar den Eindruck, daß es sich um eine wahre Diagnose handelt.

Mir erscheint die Darstel- lung indes zurechtgezimmert auf die vorgestellte Diagnose, die meines Erachtens eine Fehldiagnose ist. Der Verfas- ser glaubt, die aufgeführten Symptome des Musikers auf eine einzige Diagnose – näm- lich die Syphilis (Lues) – zurückführen zu können oder zu müssen. Selbst wenn eini- ges dafür spräche, könnte man im übrigen einen derart phantastischen Komponisten doch in Ruhe ruhen lassen, zumal sich nach so langer Zeit eine Todesursache mit letzter Sicherheit nicht mehr feststel- len läßt. Muß man jetzt noch eine Diagnose finden, die ihn quasi nachträglich – und wohl zu Unrecht – abstempelt?

Schumanns Schicksal war schlimm genug! „Fernhalten eines Makels?“ – Ja!

Im vorliegenden Bericht fehlt der Hinweis, daß in Schumanns Familie mehrere Mitglieder an Tuberkulose litten; zumindest ein Sohn starb meines Wissens daran.

Es ist nun naheliegend anzu-

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A-2942 (10) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999

S P E K T R U M LESERBRIEFE

nehmen, daß auch der in sei- ner Resistenz geschwächte R.

Schumann von dieser Infekti- onskrankheit nicht verschont geblieben ist. Der Obdukti- onsbericht spricht meines Er- achtens sehr für eine abgelau- fene tuberkulöse Meningo- Enzephalitis; in typischer Weise sind dabei die basalen Hirnabschnitte besonders be- troffen, auch die knöcherne Schädelbasis kann angegrif- fen sein. Die Exazerbation dieser Infektion kann zu Schumanns frühem und schließlich auch relativ ra- schem Tod geführt haben.

Die geschilderten abnorm weiten Pupillen Schumanns sprechen eher gegen eine Lu- es. Es mag schlicht und ein- fach eine zeitweilig erhöhte Sympathikusaktivität vorge- legen haben; es kann aber auch ein pathologischer Pro- zeß an der Schädelbasis (via Schädigung des N. oculomo- torius) dafür verantwortlich gewesen sein.

Die im Laufe des Lebens bestehenden Beschwerden (Depressionen, autistische Verhaltensweisen, Schwindel, Tinnitus, Hörstörungen, schi- zophrene Symptomatik) las- sen sich eher (und allesamt!) auf eine – leider unbekannte, aber weitverbreitete – Stoff- wechselstörung, nämlich die Pyrrolurie,zurückführen. Die Pyrrolurie verursacht haupt- sächlich einen gravierenden Mangel an Vitamin B6 und Zink, da diese zur „Entsor-

gung“ der im Übermaß anfal- lenden Pyrrolringe (Bestand- teile des Blutfarbstoffs Häm) benötigt werden (zur Kom- plexbildung und Ausschei- dung über den Urin) und dem Organismus dadurch verlo- rengehen. In den vergange- nen Monaten habe ich inter- essehalber etliche, zumeist hochmusikalische Patienten mit ähnlicher, allerdings schwächerer Symptomatik (dabei auch Depressionen, psychomotorische Störun- gen, Kopfschmerzen, ver- mehrte cerebrale Erregbar- keit undTinnitus!) auf diese Stoffwechselstörung hin un- tersuchen lassen: alle haben eine Pyrrolurie, alle fühlen sich unter Substitution der fehlenden Vitamine (haupt- sächlich Vitamin B6) und Spurenelemente (hauptsäch- lich Zink) und diätetischen Maßnahmen (Reduktion un- verträglicher Eiweiße) inzwi- schen besser. Interessanter- weise leiden/litten zwei dieser Patienten passager auch un- ter den bei Schumann er- wähnten Sprachstörungen, die man ebenfalls bei MS- Kranken des öfteren antrifft.

Nebenbei bemerkt, läßt sich im übrigen bei Multiple- Sklerose-Kranken die Stoff- wechselstörung Pyrrolurie be- sonders häufig finden. Da ein extremer Zinkmangel zu einer Infektabwehrschwäche führt, könnte dieser die Ursa- che für eine besondere Tuber- kuloseanfälligkeit gewesen

sein. Das paßt doch auch alles zusammen. Ich hoffe, die Dia- gnose des Verfassers erschüt- tert zu haben.

Dr. med. Vera Mehl, Birken- weg 3, 91054 Buckenhof

Gesundheitsreform

Zu dem Beitrag „Größeres Budget, aber keine größere Zustimmung“ von Sabine Rieser in Heft 41/1999:

Forderung: Mehr Eigenverantwortung

Man sollte einsehen, daß in unserer Welt trotz aller Be- schwörung der „Menschen- würde“ Gesundheit, ja auch das Leben längst eine Ware geworden sind, wenn auch mit relativ hohem Stellen- wert. Die Begrenzung der Ausgaben im Gesundheits- wesen, gekoppelt an die Grundlohnsumme, die soge- nannte soziale Indikation bei der Abtreibung oder die utili- taristischen Diskussionen um die Sterbehilfe bedeuten doch nichts anderes, als daß Gesundheit und Leben „sozi- al verträgliche“ Grenzen ge- setzt werden.

Wenn aber Gesundheit und Leben auf dem allgemei- nen Markt gehandelt werden, so ist es völlig unverständlich, daß bei der Krankenversiche- rung nicht wie bei allen ande- ren Versicherungen auch eine Eigenverantwortung, das heißt eine gesunderhaltende Le- bensführung, gefordert wird.

Statt dessen wird stets nur eine einseitige Solidarität be- schworen, nämlich die der Ge- meinschaft der Versicherten mit dem Kranken, jedoch nicht umgekehrt! Diese unso- ziale Schieflage sollte daher bei den drei hauptsächli- chen Krankheitsverursachern (Übergewicht, Alkohol- und Nikotinabusus), die selbstver- schuldet und unschwer zu be- langen sind, korrigiert wer- den. Ebenso sind wirksame prophylaktische Maßnahmen bei zum Beispiel Jodmangel- Struma, Freizeitlärmschwer- hörigkeit und bei AIDS, die bei diesen kostenträchtigen Krankheiten bisher aus ideo-

logischen Gründen blockiert werden, zu fordern.

Da die „Fortschrittsfalle“

vorrangig im „süßen Leben“

zu suchen ist, liegen hier auch die eigentlichen „Wirtschaft- lichkeitsreserven“.

Ich halte es daher für un- zureichend, lediglich gegen die unzweifelhaft unaus- gegorenen Regierungspläne Sturm zu laufen, wenn nicht einmal die einfachsten ver- sicherungsrechtlichen Erfor- dernisse und Vorbeugungs- maßnahmen Berücksichti- gung finden.

Dr. med. Bonifaz Ullrich, Von-der-Leyen-Straße 20, 66440 Blieskastel

GKV

Zur Finanzlage der GKV:

Soviel Eigenverant- wortung wie möglich

Es ist unmenschlich, in un- serer Intensivmedizin ster- bend Kranke mit allen verfüg- baren Mitteln noch ein paar Tage länger unter großen Schmerzen und großem Lei- densdruck am Leben zu erhal- ten.

Und es ist unsachlich, in ein in Agonie siechendes Ge- sundheitswesen, das mit fast 100 Prozent am Tropf einer schwammigen Ideologie von Solidarität hängt, noch mehr Geld zu stecken.

Statt daß die Krankenkas- sen ihre Beiträge wieder er- höhen, sollten sie ihre Beiträ- ge auf 33 bis 50 Prozent sen- ken und damit Raum für pri- vate Absicherung schaffen, nach individuellen Risiken (Rauchen, Alkohol, Reise- krankheiten, Sportunfälle, kos- metische Chirurgie, Wunsch- medizin, Zahnhygiene, Inno- vation etc.).

Soviel Solidarität wie nötig, soviel Eigenverantwor- tung und Vorsorge wie mög- lich. Wann verwirklichen wir endlich den mündigen Patien- ten, und wann verwirklichen wir patientenzentrierte Medi- zin?

Dr. med. Thomas Kunick, Hah- nenäcker 2, 74219 Möckmühl Das ZDF bringt in der Reihe „Die ZDF-dokumentati-

on“am 23. November, ab 22.55 Uhr,einen Beitrag unter dem Titel „Alte, wollt Ihr ewig leben? – Auf dem Weg in die Rentnergesellschaft“.

In der Vorankündigung des Senders zu dem Filmbericht von Monika Hoffmann heißt es: Es wird prognostiziert, daß im Jahr 2030 mehr als 35 Prozent der Einwohner in Deutschland über 60 Jahre alt sein werden. Zur Zeit sind es 21 Prozent, zur Jahrtausendwende waren es nur fünf Pro- zent. Daraus kann sich ein „Kampf der Generationen“ ent- fachen, härter als jeder Klassenkampf. Der Fernsehbeitrag analysiert die mit dem gesellschaftlichen Wandel und der Verschlechterung der Altersstruktur entstehenden Proble- me, für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Unter- sucht werden medizinische, gerontologische und demogra- phische Komplexe. EB

TV-Tip

Referenzen

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