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Archiv "Robert Schumann: Falsche Diagnose" (01.10.2010)

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A 1864 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 39

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1. Oktober 2010 tes und Deprimierendes, was der an Schumanns herrlicher Musik – und nur auf die kommt es letztlich an – Interessierte hinzunehmen hat und was die dunkle Folie für ein groß- artiges Lebenswerk und eine beein- druckende Lebensleistung bietet.

Dass U. H. Peters’ Umgang mit den vorhandenen und längst be- kannten Dokumenten nach den Maßstäben seriöser historischer und musikhistorischer Forschung nachweislich höchst mangelhaft ist, stellte übrigens auch der namhafte Schumann- und Brahmsforscher Dr. Michael Struck in seiner ausge- zeichneten NDR-Kultur-Sendung über Schumanns Spätwerk im Juni fest.

Dr. phil. Gerd Nauhaus, Musikwissenschaftler und Herausgeber der Tage- und Haushaltsbücher Robert Schumanns, Vorsitzender der Robert-Schu- mann-Gesellschaft Zwickau e.V., 08058 Zwickau

Falsche Diagnose

Die von Uwe Henrik Peters reakti- vierte Verschwörungshypothese be- züglich der Unterbringung Robert Schumanns in der Endenicher An- stalt nährt zwar die Legende vom

„Albtraumpaar“ der Romantik, er- klärt jedoch nicht dessen fast zwei- einhalbjähriges, schweres Siech- tum. Ihr zufolge wurde er Opfer ei- nes Komplotts zwischen seiner Frau Clara, deren Liebhaber Brahms und den Ärzten Dr. Hasen- clever und Dr. Richarz. Als Auslö- ser benennt Peters zudem in seinen Schriften ein nicht erkanntes alko- holisches Delir. Symptomatik, Krankheitsverlauf und Obduktions- befund sprechen jedoch eine ande- re Sprache: Kontinuierlich zuneh- mende Verwirrtheit, Erregungszu- stände, Wahnvorstellungen, hallu- zinatorische Erlebnisse, Sprechstö- rungen und andere neurologische Ausfälle lassen sich schwerlich mit Schumanns zweifellos empfind- sam-kreative Persönlichkeit samt Neigung zu depressiven Verstim- mungen und Alkoholkonsum in Verbindung bringen, noch weniger mit dessen vermeintlichen Ge- kränktheit, Frustration, Verbitte- rung und Isolierung in der Anstalt.

Sämtliche Auffälligkeiten im Wahr- nehmen, Denken, Fühlen, Erleben dass sich verschiedene Publikati-

onsorgane, darunter leider nun auch eine Fachzeitschrift wie das DÄ, dazu hergeben, sie . . . einem arglosen Publikum wie bewiesene Fakten darzubieten.

Der Kernpunkt der Hypothesen ist Schumanns angebliche Alkohol- sucht. Diese versuchte schon der spätere Schwiegervater des Kom- ponisten, Friedrich Wieck, vor Ge- richt zu beweisen und scheiterte damit nicht nur, sondern wurde we- gen Verleumdung zu 14 Tagen Ge- fängnis verurteilt. Der Student Schumann hat nicht selten (zu-)viel getrunken. In den 14 glücklichen Ehejahren Clara und Robert Schu- manns findet man jedoch nicht den kleinsten Anhaltspunkt für alkoho- lische Exzesse – im Gegenteil:

Wenn Schumann eine Komposition vollendet hat, wird mal zu zweit ei- ne halbe Flasche Champagner ge- leert! Für Schumanns Düsseldorfer Gegner, die ihn aus dem Amt zu drängen versuchten, wäre es wahr- lich ein gefundenes Fressen gewe- sen, den gescheiterten Musikdirek- tor der Trunksucht bezichtigen zu können. Nichts dergleichen fand statt – die gebotene Achtung vor dem großen Künstler, die Herr Pe- ters so sehr vermissen lässt, führte dazu, dass ihm noch viele Monate nach seiner Erkrankung das Diri- gentengehalt gezahlt wurde und man lange zögerte, einen Nachfol- ger zu ernennen. Die Theorie schließlich, dass Schumann von seiner Frau im Verein mit Brahms und im Komplott mit den behan- delnden Ärzten (welches Bild sei- ner damaligen Fachkollegen hegt Peters da eigentlich?) im Irrenhaus interniert wurde, ist allerdings alles andere als neu – das Urheberrecht an ihr kommt vielmehr Eva Weiss- weiler zu, die in ihrem als „Biogra- phie“ getarnten Kolportageroman über Clara Schumann dergleichen schon vor langem verbreitet hat.

Ähnliches versuchte auch bereits H. von Ulmann in seinem Buch

„Die veruntreute Handschrift“ von 1981, das schon bald durch neuere Forschungen ad absurdum geführt wurde. Die Wahrheit sieht anders aus, doch birgt sie eben leider kei- ne Sensationen, sondern viel Tris-

ROBERT SC HUM ANN

Aufgrund zahlrei- cher neuer Quellen konnte das 150 Jahre alte Rätsel um Schumanns an- gebliche Krankheit geklärt werden (DÄ 22/2010: „Abgeschoben ins Irrenhaus“

von Uwe Henrik Peters).

Nur Theorien

Schon der Untertitel des reißeri- schen Artikels ist eine Farce: Es gibt weder „zahlreiche“ noch über- haupt „neue Quellen“ zu Robert Schumanns Krankheit und An- staltsaufenthalt. Die feste Grundla- ge zur Beurteilung der entspre- chenden traurigen Tatsachen ist die umfassende Dokumentation von Prof. Dr. Bernhard R. Appel, „Ro- bert Schumann in Endenich. Kran- kenakten, Briefzeugnisse und zeit- genössische Berichte“, Mainz etc.

2006 (= Schumann-Forschungen, Band 11). An diesem Band hat Uwe Henrik Peters sogar, wenn auch anscheinend ziemlich halb- herzig, selbst mitgearbeitet. Doch erst jetzt offenbart er seine angebli- chen sensationellen Neuentdeckun- gen in zwei Büchern mit insgesamt mehr als 900 Seiten, die im Verlag seiner Frau erschienen und entspre- chend propagandistisch vermarktet worden sind. Es handelt sich dabei um Theorien, deren Wahrheitsge- halt nicht dadurch erhärtet wird, Vielleicht sollten sich die KVen auch nicht als Erfüllungsgehilfen der Krankenkassen und des Ge- sundheitsministers verstehen, son- dern als Vertreter der Ärzte . . . 4. Die überbordende Bürokratie – Helmings Vorschlag klingt nach ei- nem weiteren Monster – ist eines der größten Hindernisse im gesam- ten Beruf. Jetzt kommt auch noch der DRG- und Codierkrake aus den zu bedauernden Kliniken zu uns aufs Land gekrochen. Und Herr Helming fragt sich, warum keiner mehr aufs Land will? . . .

Dr. Ingo Schmidt-Hammer, Praxis Groß &

Schorscher, 96176 Pfarrweisach

B R I E F E

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und Verhalten des erst 45-jährigen Mannes lassen sich plausibel nur der Diagnose einer Neurolues infol- ge einer syphilitischen Infektion (wahrscheinlich während der Leip- ziger Studienzeit) zuordnen, die schließlich nach typischer Latenz etwa 1852 das Spätstadium einer progressiven Paralyse erreichte. Die jahrelang vorlaufenden Beschwer- den, wie rasche Erschöpftheit, Reizbarkeit, Konzentrationsstörun- gen, Stimmungsschwankungen,

Schwindel, Kopfschmerz und ande- re Beeinträchtigungen, entsprechen dem neurasthenischem Vorstadium einer Neurosyphilis, die im Übrigen jenseits des Primäraffekts nicht mehr ansteckend ist. Schumann selbst ahnte wohl, sich 1831 infi- ziert zu haben; Dr. Richarz – ein er- fahrener Psych iater – war offen- sichtlich von dieser Diagnose über- zeugt.

Literatur beim Verfasser

Prof. Dr. Dr. Theo R. Payk, 53177 Bonn

H A U RZTE

Eine Plakataktion soll die Patienten gegen Röslers Pläne mobilisieren (DÄ 30/

2010: „Eckpunkte zur Gesundheits - reform: Hausärzte laufen Sturm“ von Josef Maus und Klaus Schmidt).

Mehr Chaos geht nicht!

. . . Als Arzt, der sich in der Wei- terbildung zum Facharzt für All- gemeinmedizin befindet und in naher Zukunft auf dem Land als Hausarzt tätig sein möchte, habe ich erschreckend zur Kenntnis ge- nommen, wie der „Ärzte-Nach- wuchs“ von Funktionären (des Hausarztverbandes . . .) zur Durch- setzung dessen Ziele instrumenta- lisiert wird. Dies geht so weit, dass behauptet wird, eine Ab- schaffung beziehungsweise Verän- derung der zahlreichen einzelnen Honorierungssysteme der HzV würde dazu führen, dass „es noch schwerer sein würde, junge Ärzte aufs Land und in die Praxis zu kriegen“ (Weil sie dann mögli- cherweise weniger verdienen wür- den? In einem unsicheren, un- durchschaubaren System?). Hier- zu möchte ich Folgendes richtig- stellen.

Wer als junger Arzt diesen Artikel liest, dem graut in erster Linie vor dem Durcheinander an Einzel-, Se- lektiv-, Zusatzverträgen, Einzel- klauseln von Gesetzen und dem un- sinnigen „Bestandsschutz“ des be- reits angerichteten Chaos.

Als angehender Landarzt möchte ich mich mit den Patienten und der Medizin beschäftigen und nicht mit dem erheblichen Daten-, Verwal- tungs- und Abrechnungsaufwand einer komplizierten, uneinheitli- chen Vergütung der ärztlichen Tä- tigkeit. Nach zwölf Monaten mei- ner Ausbildung in einer Landarzt- praxis weiß ich, dass es wichtigere Dinge gibt, als seitenweise Formu- lare auszufüllen, nämlich die direk- te Patientenversorgung, und dafür ist die Zeit manchmal sowieso lei- der schon knapp, insbesondere auf dem Land.

Es gibt leider verschiedene Haus- arztverträge und in Zukunft mögli- che Zusatzverträge aller größeren gesetzlichen Kassen, parallel zu der Abrechnung der Patienten, die bei den HzV-Verträgen „nicht einge- schrieben“ sind, durch die Kassen- ärztliche Vereinigung – mehr Chaos geht nicht!

Für einen jungen Kollegen bedeutet dies nichts anderes als einen erheb- lichen Zeitaufwand für die Verwal- tung, die Notwendigkeit einer zu- sätzlichen Praxissoftware, um den Überblick zu behalten, welcher Pa- tient wo eingeschrieben ist und welche „Privilegien“ der Patient bei welchem Hausarztvertrag geniest und wie viele Dokumentationsbo- gen hierfür extra ausgefüllt werden müssen. Statt dieses Verwaltungs- aufwands und der Schreibtischtätig- keit des unsinnigen Datensammelns würde ich bei meinem späteren Be- ruf lieber die Zeit den Patienten und medizinischen Fortbildungen wid- men . . .

Dr. med Stefan Jantsch, 94491 Hengersberg

U S

E s g m 2 z r laufenSturm“von J

Deutsches Ärzteblatt

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1. Oktober 2010 A 1865

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