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A2230 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 34–35½½½½28. August 2000
Gutachter
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Im Kreuzfeuer
Als ehemals neurologisch- psychiatrischer Chefarzt und erfahrener Gutachter fällt mir bei Ihrem Beitrag auf, dass Gutachter es schwer ha- ben, der Medienschelte zu entgehen. Ich lese heraus:
Die bösen Gutachter miss- achten die seelischen Folter- spuren der armen Asyl- bewerber im Interesse der bösen staatlichen Abschie- beinstanzen.
Als Psychiater kann ich sa- gen, dass sich die Stoßrich- tung der Medienkritik auf psychiatrischem Gebiet in den letzten Jahrzehnten schon einige Male um 180 Grad gewendet hat. So könn- te sich auch dieser Spieß der Medienattacken in absehba- rer Zeit einmal umdrehen,
❃ wenn auffällig wird, wie un- ter den Dauerprozessierern wegen vermeintlicher Che- mie- und Umweltvergiftun- gen ausgesprochen viele ren- tenneurotisch-hypochondri- sche Personen anzutreffen sind, die die Medien zu mobi- lisieren wissen und durch ständiges Prozessieren enor- me Kosten verursachen,
❃ wenn zum spürbaren Är- gernis wird, wie einige Ärzte sich als Sozialanwälte der Chemie- und Umweltopfer profilieren und durch eine Unzahl von Chemieopferat- testen wirtschaftliche Vortei- le und lobende Beachtung der Medien finden und
❃ wenn eines Tages auffällig wird, dass zahlreiche politi- sche Asylbewerber, denen durch falsch-mitleidige Gut- achten seelische Folterspu- ren attestiert wurden, in Wahrheit in ihrem eigenen Land selbst Übeltäter waren und nun in unserem Land Straftaten begehen.
Kritische Journalisten wollen Stellung beziehen und auf- rütteln. Dabei können die vielen kleinen Zwischen- wahrheiten der Alltagsrea-
lität oft störend sein. Wenn an ihren Reportagen Kleinig- keiten nicht stimmen, wer- den sie auch kaum zur Ver- antwortung gezogen. Verant- wortliche sachverständige Gutachter sollten sich Scheu- klappen zulegen, wie man sie Pferden anlegt, damit sie nicht durch Unruhen an bei- den Straßenseiten aus der Bahn gelenkt werden. Gut- achter sollten sich nicht durch jeweilige Tendenzen der „Political Correctness“ in ein vorsichtiges Vermei- dungsverhalten drängen las- sen. Das wird manchmal Zi- vilcourage erfordern.
Zum Schluss noch eine Klar- stellung: Der sachverständi- ge ärztliche Gutachter han- delt nicht als Arzt im Inter- esse eines Patienten, sondern er ist dem jeweiligen Auf- traggeber behilflich, die Wahrheit zu finden und zu begründen, und er über- nimmt die Verantwortung für die Folgen. Der Zubegut- achtende ist nicht sein Pati- ent. Der Gutachter ist nicht dazu berufen, Patientenin- teressen durchzusetzen.
Wenn dies vor der Begutach- tung mit dem Zubegutach- tenden pflichtgemäß geklärt wird, gibt es auch keine Kon- flikte zwischen Staatsraison und Patientenwohl.
D
Drr.. mmeedd.. RR.. TTeessssmmaannnn,, Il Costa Reale 5, I-17031 Albenga- Salea/Savona
Ärzteblatt
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Deeuuttsscchheenn ÄÄrrzztteebbllaatttteess::
Congratulation
Warmest congratulations! I received today the 7th July issue of the DÄ. The new format is much improved:
clearer and friendlier. Truly, a successful innovation.
Thanks also, and specially, for Prof. Beleites’ interview on the Nazi children’s eutha- nasia and the painful episode of Prof. Ibrahim’s conduct. I will read excerpts of it to my students, to show them the courage and integrity of Ger-
man Doctors in the denoun- ciation and refusal of past er- rors. Thank you again.
P
Prrooff.. GGoonnzzaalloo HHeerrrraannzz,, Department of Medical Humanities, School of Medicine, University of Navarre, E-31080 Pamplona
Rationierung
ZZuu ddeemm BBeeiittrraagg „„BBüünnddnniiss GGeessuunnddhheeiitt 22000000:: TTaacchheelleess iimm TTrräänneennppaallaasstt –– RRaa-- ttiioonniieerruunngg nniimmmmtt zzuu““ vvoonn SSaabbiinnee RRiiee-- sseerr iinn HHeefftt 2277//22000000::
Forderungen festsetzen
Nichts Neues wurde vermel- det. Die Schwäche der Ver- anstaltungen dieser Art liegt
darin, dass niemand glaubt, was da gesagt wird. Wenn wir für unsere Arbeit mehr Geld haben wollen – und das ist ja berechtigt –, sollen wir das sagen und nicht den Versi- cherten mit möglichen Ver- sorgungslücken drohen. Wir müssen unsere Forderungen klar festsetzen und Minimal- standards definieren, zu de- nen wir gerade noch bereit sind zu arbeiten.
Unsere Funktionsträger tä- ten besser daran, mit der Heuchelei Schluss zu machen und zu sagen, dass unsere Verdienstmöglichkeiten im Vergleich zu anderen akade- mischen Freiberuflern eher kümmerlich sind . . . Hinzu kommt, dass unser Gesundheitssystem von Grund auf renovierungsbe- dürftig ist. Die größte Crux ist, dass wir beim Bewerten
unserer Leistungen allenfalls Zaungäste sind und allein die Nachfragerseite die Rahmen- bedingungen schafft. Die ge- samte kurative Medizin un- terliegt einem Budget, das den Krankenkassen weitest- gehend konstante Ausgaben sichert, ohne dass der durch
„Ansprüche“ festgesetzte Leistungsumfang und die Vorhaltungen hierfür in ir- gendeiner Form mit berück- sichtigt werden.
Wenn wir vielleicht etwas überspitzt formulieren, dass der Ausgabenanteil der Krankenkassen, gemessen am Bruttosozialprodukt, seit 1883 bis heute praktisch kon- stant geblieben ist, lässt sich
unschwer schließen, dass der medizinische Fortschritt durch die „Leistungserbrin- ger“ nicht nur erbracht, son- dern auch finanziert wird. Ei- ne solche Lastenverteilung ist nun in der Tat für uns nicht zumutbar.
Solche Dinge aber zu verän- dern, bedeutet einen kom- pletten Systemwandel, der Risiken hat und immense Vorarbeiten und Mut ver- langt. Hierin sehe ich den wesentlichen Grund, dass man sich diesem Problem bisher nicht ernsthaft gewid- met hat. Zu diesem Zweck benötigt man sehr präzise und zeitnahe wirtschaftliche Analysen und Vorausschau, um die Reaktionen unserer Kontrahenten richtig ein- schätzen zu können . . . D
Drr.. mmeedd.. VVoollkkeerr BBuurrggddoorrff,, Elberfelder Straße 20, 58095 Hagen
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 34–35½½½½28. August 2000 AA2231
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Novel Food
ZZuu ddeemm MMeeddiizziinn--BBeeiittrraagg „„NNeeuuaarrttiiggee LLeebbeennssmmiitttteell ((NNoovveell FFoooodd)) uunndd PPhhaarr-- m
maazzeeuuttiikkaa““ vvoonn PPrrooff.. DDrr.. rreerr.. nnaatt.. JJoo-- zzeeff SStt.. SScchheellll uunndd EElliizzaabbeetthh SScchheellll--FFrree-- ddeerriicckk iinn HHeefftt 2288––2299//22000000::
Immunsystem schützen
Schon 1988 ist es Ciba-Geigy gelungen, durch Rückzüch- tung von Forellen und Ge- treide auf fossile Formen den Nährwert und die Schäd- lingsresistenz von Nahrungs- mitteln deutlich zu erhöhen.
Es war ohne Einsatz von Gentechnik und Chemie möglich, die Rückkreuzung – am 15. Juni 1989 unter Nr.
0 35 13 57 zum europäischen Patent angemeldet – gelang mit Hilfe elektrostatischer Felder, woraus diese Urfor- men entstanden.
Die Forschungsergebnisse wurden zurückgehalten, da sie den Absatz von Pestizi- den und Düngemitteln ge- fährdeten. Stattdessen züch- tet man jetzt Getreide, das nur einmal keimt, damit die Bauern kein Saatgut zurück- legen können, sondern im- mer neues kaufen müssen
und so abhängig von der Pharma- und Agrarindustrie bleiben.
So wird mit Gentechnologie gegen den Welthunger gekämpft! Wer will denn die- se verpanschten genmanipu- lierten Nahrungsmittel, an die unsere Organismen gar nicht angepasst sind? Wer will eine Zwangsimpfung mit jeder Banane mit unüberseh- baren Folgen für unser Im- munsystem gegen Krankhei- ten, die man bei einer gere- gelten Lebensweise und ge- sunden Ernährung (die dann leider nicht mehr möglich ist) wahrscheinlich niemals be- kommen würde? Doch nur die, die damit Profit machen, oder die, die ihre eigene menschliche Begrenztheit nicht akzeptieren können.
Hier geht es auch nicht um Wünsche gut situierter Kon- sumenten, sondern darum, unser Immunsystem und die großartige Autoregulation, die die Natur uns mitgegeben hat, vor dauerndem Bombar- dement von außen zu schüt- zen.
D
Drr.. RReeggiinnee vvoonn GGeerrkkaann,, Regensburger Straße 117, 28215 Bremen
Kriminalprognosen
ZZuu ddeemm BBeeiittrraagg „„ZZuuwweeiilleenn mmeehhrr MMuutt zzuurr FFrreeiihheeiitt““ vvoonn SSaabbiinnee RRiieesseerr iinn H
Heefftt 2277//22000000::
Spitze des Eisbergs
Ich möchte als Gegenpol für das ganze Gutachterwesen fordern: „Etwas mehr Mut zur Verantwortung!“ Das heißt, der großzügig bezahlte Gutachter sollte in irgendei- ner Weise die unter Umstän- den schädlichen Folgen sei- ner Fehler mittragen. Dann würde sicher auf diesem Ge- biet mehr Vorsicht walten.
Waren doch gerade die Wie- derholungsmörder teilweise sogar frühzeitig entlassene Schwerverbrecher. Vor allem Psychotherapeuten über- schätzen sich in ihrem Hei- lungseinfluss auf die Täter und bescheinigen eine zu gute Prognose.
Die Kriminalprognose ist aber nur die Spitze des Eis- bergs! „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ gilt auch bei den Gutachten, und da habe ich schon genug zu lesen be- kommen, ja, in einem Sorge- rechtsfall selbst erfahren.
Und was macht man dann, wenn man nicht Geld und Nerven hat, um weiterzupro- zessieren? Die Faust in der Tasche ballen und den Gut- achter zur Hölle wünschen.
Der hat aber seinen Judas- lohn und macht sich noch nicht mal Gedanken.
Wenn ich meine Patienten schlecht oder falsch behand- le, braucht mich nicht einmal ein Haftpflichtanspruch zu treffen, die negativen Folgen in Form schlechten Rufes ruinieren schon die Praxis.
Kein Problem für Gutachter:
Die haben Zwangskunden.
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Drr.. mmeedd.. CCoonnssttaannttiinn RRöösseerr,, Mittelstraße 88, 53474 Bad Neuenahr