schwangeren Frauen (25 bis 34 Jahre alt), die aufgrund der Stammbaum- analyse als Frauen mit einem niedri- gen Risiko für eine genetisch beding- te Erkrankung beim Feten eingestuft wurden, die pränatale Chromoso- mendiagnostik durchgeführt und bei einem Prozent dieser Frauen fetale Chromosomenanomalien gefunden.
Clark et al. (8) haben bei Amniozen- tesen bei 7 200 Frauen mit Altersin- dikation in 2,5 Prozent der Fälle eine Chromosomenanomalie festgestellt.
Für 1,4 Prozent der Fälle (55 Prozent der Chromosomenanomalien: Triso- mien und Aneuploidien der Gonoso- men) kann eine Beziehung zum er- höhten mütterlichen Alter herge- stellt werden, die restlichen 1,1 Pro- zent der Fälle (45 Prozent aller ge- fundenen Chromosomenanomalien) sind als altersunabhängig zu bewer- ten. Ferguson-Smith und Yates (14) haben über die Häufigkeit von Chro- mosomenanomalien bei 52 965 Am- niozentesen von mindestens 35jähri- gen Frauen berichtet. Die Rate von Chromosomenaberrationen bei den 35jährigen Frauen wurde mit 1,29 Prozent festgestellt, aber die Rate von de novo entstandenen struktu- rellen Chromosomenaberrationen in den Schwangerschaften der 35- bis 42jährigen Frauen betrug lediglich zwischen 1 und 5 auf 10 000. Im Brüsseler Kollektiv sind das aber 3,6 auf 1 000. Eine ähnliche Erhöhung ist für die Gonosomenaneuploidien festzustellen, nämlich 8 auf 1 000 im
Brüsseler Kollektiv gegenüber 4,3 auf 1 000 im Kollektiv von Ferguson- Smith und Yates (14). Die einzige ge- rechtfertigte Schlußfolgerung, die aus diesen Vergleichen gezogen wer- den kann, ist, daß zu wenige pränata- le Chromosomenanalysen von ICSI- Schwangerschaften vorliegen, um re- levante Aussagen machen zu können.
Resümee
Die bislang vorhandenen Daten über aktive Fehlbildungsdiagnostik bei nach ICSI geborenen Kindern sind für eine abschließende Beurtei- lung des Risikos für Fehlbildungen in solchen Schwangerschaften nicht aus- reichend. Dies gilt auch für die Frage nach einem erhöhten Risiko für Chromosomenanomalien in solchen Schwangerschaften. Man kann eine geringe Risikoerhöhung für Chromo- somenanomalien nach ICSI nicht aus- schließen. Sie könnten zustandekom- men aufgrund von chromosomalen Gonadenmosaiken bei Mann oder Frau (30) oder meiotischen Chromo- somenstörungen bei infertilen Män- nern mit normalem Chromosomen- satz von 46,XY in Lymphozyten. Es wird berichtet, daß bei 1,5 bis 7 Pro- zent der infertilen Männer Störungen der Meiose bestehen (23), die auch zu einer erhöhten Rate von Spermien mit Chromosomenanomalien führen können. FISH-Analysen an Spermien einer größeren Zahl infertiler Männer
könnten ergeben, daß bestimmte Männer doch erhöhte Disomieraten für einzelne Chromosomen in ihren Spermien haben. Eine erhöhte Rate von Chromosomenanomalien in ei- nem Kollektiv von ICSI-Schwan- gerschaften wäre damit zwanglos er- klärbar. Es soll darauf hingewiesen werden, daß Guttenbach et al. (17) bei ihren FISH-Analysen an den Spermi- en von 45 infertilen Männern 2 Män- ner mit einer deutlichen Erhöhung der Diploidierate gegenüber fertilen Männern gefunden haben.
Letztlich wird die Frage nach ei- nem erhöhten Risiko für Fehlbildun- gen und Chromosomenanomalien in ICSI-Schwangerschaften nur dann ge- klärt werden können, wenn sich die an der Klärung dieser Frage interessier- ten Gruppen auf ein gemeinsames und strukturiertes Vorgehen einigen.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1998; 95: A-1902–1908 [Heft 31–32]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. W. Engel Institut für Humangenetik der Universität Göttingen
Goßlerstraße 12 d 37073 Göttingen
A-1908
M E D I Z I N AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT
(36) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 31–32, 3. August 1998 Die Zylinderzellmetaplasie der
Speiseröhre als Ausheilungsstadium einer Refluxösophagitis (Barrett- Ösophagus) gilt als präkanzeröse Kondition für das Adenokarzinom der Speiseröhre, das sich in etwa zehn Prozent aller Patienten einstellt.
Die Autoren aus Wiesbaden be- richten über die Ergebnisse der photo- dynamischen Therapie bei zehn Pati- enten mit einer hochgradigen Epi- theldysplasie und 22 Patienten mit ei- nem Schleimhaut-Karzinom auf dem Boden eines Barrett-Ösophagus.
Vier bis sechs Stunden nach ora- ler Einnahme von 5-Aminolävu- linsäure (60 mg pro kg Körperge- wicht) wurde eine Behandlung mit ei- nem Farbstofflaser (635 nm) durchge- führt. Anschließend erfolgte eine Nachbehandlung mit 20 bis 80 Milli- gramm Omeprazol pro Tag. Bei einer Nachbeobachtungszeit von durch- schnittlich 9,9 Monaten verschwand die hochgradige Dysplasie in 100 Pro- zent der Fälle, das Mukosakarzinom in 77 Prozent. Alle Tumoren mit einer Tiefeninfiltration unter zwei Millime-
tern ließen sich mit dieser Maßnahme beseitigen, außerdem werden Morta- lität und Morbidität mit 0 Prozent an- gegeben.
Bei einem Durchschnittsalter der Patienten mit Barrett-Karzinom von 60 bis 70 Jahren scheint dieses Verfahren wesentlich schonender zu sein als die Ösophagusresektion, fol-
gern die Autoren. w
Gossner L, Stolte M, Sroka R, Rick K, May A, Hahn EG, Ell CH: Photodyna- mic ablation of high-grade dysplasia and early cancer in Barrett’s esophagus by means of 5-aminolevulinic acid. Ga- stroenterology 1998; 114: 448–455.
Innere Medizin II, Klinikum der Landes- hauptstadt Wiesbaden, Ludwig-Erhard- Straße 100, 65199 Wiesbaden.