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Archiv "Medizinethik in einer offenen Gesellschaft: Ärzte dürfen nicht über Lebenswert entscheiden" (13.06.1997)

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um ersten Mal in der Ge- schichte des Deutschen Ärzte- tages unterbrachen die Dele- gierten die Sitzung für ein kul- turelles Ereignis. Sie fuhren zum Na- tionaltheater in Weimar, um sich dort

die „Iphigenie auf Tauris“ anzusehen, eines der großen deutschen Huma- nitätsdramen. Wie man sich die Um- setzung einer humanen Medizin zu Goethes Zeiten vorzustellen hatte, verdeutlicht ein Zitat seines Arztes Christoph Wilhelm Hufeland: „Der Arzt soll und darf nichts Anderes tun als Leben erhalten; ob es gleich oder ungleich sei, ob es Wert habe oder

nicht, dies geht ihn nichts an. . . .“

Doch heutzutage werde für den Arzt die Unterscheidung zwischen Gut und Böse zunehmend schwieriger, sagte Prof. Dr. med. Eggert Beleites, Prä- sident der Landesärztekammer Thüringen und Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Liberalisierung der Gesellschaft

Zwar waren die Bemühungen der Ärzteschaft, die Rechte und Wür- de des einzelnen Patienten zu sichern und sie gegen alle staatlichen Versu- che der Menschenzüchtung oder Dis- ziplinierung zu verteidigen, bisher im wesentlichen von Erfolg gekrönt ge- wesen, stellte Prof. Dr. phil. Ludwig Siep, Direktor des Philosophischen Seminars der Westfälischen Wil- helms-Universität Münster, fest.

Doch seien gerade in den letzten Jahr- zehnten zunehmend neue ethische und rechtliche Probleme im Umkreis der Medizin aufgetreten.

Die für lange Zeit natürlichen Gegebenheiten und Grenzen des menschlichen Lebens, Zeugung, Ge- burt und Tod, Erbanlagen und Organ- ausstattung, sind nach Ansicht Sieps im Fortschritt des medizinischen Wis- sens und Handelns zu „graduellen Prozessen und zu austauschbaren Funktionen geworden“. Siep stellte zudem eine zunehmende Liberalisie-

rung der Gesellschaft fest, und er un- terscheidet ihre Pluralisierung und In- dividualisierung. Schließlich hätten in einer modernen Gesellschaft ver- schiedene Religionen und Weltan- schauungen Platz. Doch gerade nach den Erfahrungen der „Kollektivis- men“ dieses Jahrhunderts seien das Wohlergehen und die freie Lebensge- staltung des Individuums als Werte anerkannt worden, die zumindest für das Gesundheitssystem konkurrenz- los seien.

Für Siep gibt es keinen Grund, das Individuum für einen höheren

A-1630 (34) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 24, 13. Juni 1997

Medizinethik in einer offenen Gesellschaft

Ärzte dürfen nicht über Lebenswert entscheiden

Ärzte dürften nicht zu Handlangern eines hedonistischen Zeitgeistes werden, forderte Bundespräsident Roman Herzog auf der Eröffnungsfeier zum 100. Deutschen Ärztetag in Eisenach. Diese mahnenden Worte wurden mit viel Applaus bedacht;

einhellig schien auch die Zustimmung zu seinen weiteren Ausführungen zur Medi- zinethik. Und daß es nicht bei bloßen Beifallsbekundungen blieb, sondern auch zu einer ausführlichen Beschäftigung mit dem Thema „Medizinethik in einer offenen Gesellschaft“ kam, verdeutlichten die zu diesem Tagesordnungspunkt gehaltenen Re- ferate, die anschließende Diskussion sowie die abgestimmten Entschließungen.

Prof. Dr. Ludwig Siep: Verpflichtung zu leiden philo- sophisch nicht begründbar

Prof. Dr. Eggert Beleites: „Ärzte im Grunde allein ge- lassen“

Prof. Dr. Rudolf Pichlmayr: Verwendung von Tieren berechtigt

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Zweck leiden zu lassen oder Risiken auszusetzen. Das gelte auch für das Lebensende: Eine Verpflichtung zu leiden, weil es über soziale Pflichten hinaus eine pure Lebenspflicht gibt oder weil es göttlicher Wille sein könnte, könne unabhängig von reli- giösen Überzeugungen nicht begrün- det und niemand auferlegt werden.

Der Philosoph folgert daraus, daß Leidensminderung auch für ärztliches Handeln wichtiger sein könne als Le- bensverlängerung.

Schließlich sieht Siep in der

„großtechnischen naturwissenschaft- lichen Forschung“ eine weitere Ursa- che für die ethischen Probleme der Medizin. Diese Forschung verschlin- ge nicht nur gewaltige öffentliche Mit- tel, sie brauche außerdem Tiere und Menschen als Gegenstand wissen- schaftlicher Experimente. Medizini- sche Forschung schließe Versuche an Patienten und Probanden ein. Dabei könne häufig nicht mehr unterschie- den werden zwischen Therapiever- besserung und Forschung. Was wis- senschaftlich geboten ist, sei häufig für den einzelnen Patienten nicht op- timal.

Die Frage nach Gut oder Böse

Aus ärztlicher Sicht ergänzte die- se Ausführungen Prof. Beleites, der von den ethischen Problemen berich- tete, mit denen er tagtäglich als Arzt konfrontiert wird. Als junger Mensch habe er sich im moralisch-ethischen Bereich noch sicher gefühlt. Er habe den Eid des Hippokrates auswendig gelernt und geglaubt, „mit ihm, dem Wissen um christliche Tradition und der von Albert Schweitzer geprägten, mir so eingängigen Formel von der Ehrfurcht vor dem Leben gewisser- maßen fundiert“ seine ärztliche Lauf- bahn absolvieren zu können.

Doch die Realität habe schließ- lich zu „Triageüberlegungen“ geführt.

So seien in der DDR zum Beispiel Dialyseplätze knapp gewesen. Die Ärzte sollten nicht den Kapazitäts- mangel, sondern das Patientenalter oder prognostisch ungünstige Krank- heiten als Begründung für einen ge- zielten Dialyseverzicht ansehen. Da- mals habe er, so Beleites, viele Fehler

dem sozialistischen System angelastet und damit sein eigenes Gewissen ent- lastet. „Heute weiß ich, daß gesell- schaftliche und individuelle Interes- sen oft sehr konträr gelagert sind, auch und vielleicht ganz besonders in freiheitlichen Systemen“, betonte der thüringische Kammerpräsident. Die Frage nach Sinn oder Unsinn, Gut oder Böse sei nicht mehr einfach zu beantworten, wenn man sich verge- genwärtige, daß die Ausrottung von Krankheiten möglicherweise Leid,

„nämlich Hunger bis hin zum Verhun- gern“, vermehrt habe.

Beleites wies außerdem darauf hin, daß die in Europa entwickelte pränatale Diagnostik in Asien zur Se- lektion von werdenden Mädchen ge- nutzt werde. Wenn die leidvermin- dernde Transplantationsmedizin den Organhandel bedinge, wenn sogar ge- sagt wird, es sei besser, mit nur einer Niere zu leben, als mit zwei Nieren zu verhungern, dann müsse gefragt wer- den, „welchen Grundkonsens zum menschlichen Selbstverständnis wir heute noch erreichen können“.

Weitere ethische Probleme wür- den sich durch den Wandel des Arzt- Patienten-Verhältnisses ergeben. So habe der Selbstbestimmungwille des Patienten einen ausgesprochen hohen Wert bekommen. Daß dieser Wandel ein erhebliches Konfliktpotential in sich trage, werde spätestens dann deutlich, wenn Ärzte beispielsweise eine Beihilfe zum Tod auf Verlangen ablehnen, „obgleich es uns oft nicht gelingt, dieses Verlangen zurückzu- drängen“. Auch beim Umgang mit dem rechtlichen Konstrukt „mutmaß- licher Wille bei nichteinwilligungfähi- gen Patienten“ werde deutlich, „wie allein gelassen wir Ärzte im Grunde damit sind“. Selbst die Aufforderung, sich im Zweifel immer für das Leben zu entscheiden, sei nicht jederzeit hilf- reich.

Die Menschenwürde sei „aus christlicher Sicht jedem Menschen vom Schöpfer gegeben. Der Mensch als Ebenbild Gottes trägt sie unver- lierbar in sich, also auch im komatö- sen Zustand und auch bei anderen schwersten Erkrankungen“. Lebens- qualität und vor allem Lebenswert dürften also auf keinen Fall von Ärz- ten beurteilt werden. Beleites betonte erneut, daß es bei der „Richtlinie zur

ärztlichen Sterbebegleitung und den Grenzen zumutbarer Behandlung“

nicht darum gehe, durch Reduzierung der Nahrungszufuhr den Tod eines Sterbenskranken herbeizuführen. Es müsse vielmehr darüber nachgedacht werden, was unter einem natürlichen Tod zu verstehen sei. „Die Lebensga- rantenpflicht darf nicht degradiert werden zu einer Pflicht, den Sterbe- prozeß verlängern zu müssen“, so Be- leites.

Xenotransplantation Der Ärztetag beschäftigte sich nicht nur mit aktuellen Problemen, wie der Sterbehilfe, sondern auch mit künftigen Entwicklungen, deren ethi- sche Konsequenzen schon jetzt er- kennbar sind, wie der Xenotransplan- tation. Dieses Thema behandelte Prof. Dr. med. Rudolf Pichlmayr, Lei- ter der Klinik für Abdominal- und Transplantationschirurgie der Medi- zinischen Hochschule Hannover. Die Suche nach Alternativen zur mensch- lichen Organtransplantation sei ver- ständlich, dringend und legitim. Bei der heute überwiegenden Akzeptanz des Nutzens von Tieren für medizini- sche und viele nichtmedizinische Be- reiche, besonders für die Ernährung, dürfte nach Ansicht Pichlmayrs die Berechtigung zur Verwendung von Tieren (mit Ausnahme von Primaten) und deren Organen für die Transplan- tation beim Menschen gegeben sein.

Voraussetzung seien „natürlich größt- mögliches Vermeiden von Schmerzen und Leiden der Tiere und entspre- chende Haltung“.

Pichlmayr erinnerte daran, daß Tiere schon länger für medizinische Belange, speziell für die Verhütung und Behandlung menschlicher Er- krankungen genutzt werden. Als Bei- spiele nannte er unter anderem Imp- fungen, die Gewinnung von Medika- menten wie Insulin und die Herstel- lung von Implantaten. Sofern man ei- ne Beeinflussung von Tierspezies durch Züchtung oder Domestizierung akzeptiere, werde man kaum einen Grund haben, gezielte genetische Eingriffe ohne unmittelbare Rele- vanz oder phänomenologische Verän- derungen des Tieres und seiner Nach- kommen abzulehnen, sofern dies dem

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Ziel der Gesundung von Menschen diene.

An mehreren Stellen der Welt seien DAF-(decay accelerating fac- tor-)transgene Schweine vorhanden.

Der Transplantationschirurg hält es für sehr wahrscheinlich, daß bei einer Transplantation eines Herzens oder einer Niere oder bei vorübergehen- der extrakorporaler Perfusion einer Leber dieser Tiere beim Menschen keine Sofortabstoßung eintreten würde.

Einen solchen Behandlungsver- such als Rettungversuch zu unter- nehmen sei unter Umständen akzep- tabel. Forschung und Entwicklung der Xenotransplantation dürften al- lerdings nicht andere, ebenfalls wich- tige und erfolgversprechende Ent- wicklungen wie die der Gentherapie behindern.

Marina Steindor, Ärztin und ge- sundheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, warnte da- vor, „ungerechtfertigte Heilverspre- chen in die Welt zu setzen“. Sie ver- wies auf die Würde des Tieres und hielt die Schlußfolgerung, die Xeno- transplantation zu erlauben, da man Tiere ja auch essen würde, für nicht einleuchtend. Die Problematik erin-

nere sie an die Klonierung des Schafes Dolly.

Daß durch die Xenotransplanta- tion die Würde des Menschen tangiert wird, scheint Siep „gerade aus der Sicht des Eigenwerts des Tieres als minderes Problem – jedenfalls bei Or- ganen, die weder die äußere Gestalt des Menschen noch seine psychische Charakteristik verändern“. Bei allen Transplantationen müsse allerdings die Frage geprüft werden, ob die Per- sönlichkeit des Empfängers verändert wird. Bei Implantaten, die auf klar ab- gegrenzte organische Funktionen be- schränkt seien, werde man das in der Regel verneinen können.

Die Delegierten des Deutschen Ärztetages begrüßten die Xenotrans- plantation „als eine neue Stufe der medizinischen Nutzung von Tieren, zumal dann, wenn für die Transplan- tation von Organen beim Menschen an Tieren gentechnologische Eingrif- fe vorgenommen werden“. Deshalb sei neben einer gründlichen Abwä- gung der medizinischen Chancen, des Nutzens und der Risiken vor allem auch die Diskussion über die ethi- schen Aspekte eines solchen Behand- lungsverfahrens notwendig. Die be- sondere Bedeutung der Xeno-

transplantation würde in der Vermeh- rung der Behandlungschancen und der Milderung von Allokationspro- blemen liegen.

Die Ärzte sprachen sich aus- drücklich auch für das seit 1991 beste- hende Klonierungsverbot aus. „Die Klonierung des Menschen ist mit dem ethischen Prinzip der Menschenwür- de und dem sich daraus herleiten- den Embryonenschutz unvereinbar“, heißt es in einer Entschließung.

Soweit zur Klar- stellung des Ver- bots eine techni- sche Anpassung des Embryonen- schutzgesetzes er- forderlich sei, müs- se dies schnellst- möglich gesche- hen. Außerdem dürfe die pränatale Diagnostik nicht dazu mißbraucht werden, daß Mut- ter und Kind zu ihrem Nachteil manipuliert wer- den. Das gelte be- sonders für die

„Aussonderung und Eliminierung wegen der Ge- schlechtszugehö- rigkeit“. Die be- schleunigte Ent- wicklung der bio- A-1632 (36) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 24, 13. Juni 1997

Marina Steindor: Betont die Würde des Tieres

Plenum des Ärztetages: Klonierung des Menschen mit Menschenwürde unvereinbar

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medizinischen Wissenschaften habe die Möglichkeit eröffnet, in Vorgänge des menschlichen Körpers einzugrei- fen, die bislang dem gezielten Eingriff entzogen waren.

„Die zentrale Frage ist nicht, was die Wissenschaft leisten kann, sie lau- tet vielmehr, was der Arzt für seine Patienten nutzen darf“, heißt es in der Entschließung. Deshalb müsse Medizinethik auch in die Lehrpläne aller Medizinischen Fakultäten in Deutschland aufgenommen und fe- ster Bestandteil der Facharztweiter- bildung sein.

Schließlich übte der Ärztetag Kritik an einigen Punkten der Men- schenrechtskonvention zur Biomedi- zin, der sogenannten Bioethik-Kon- vention des Europarates. So wurde beispielsweise moniert, daß eine fremdnützige Forschung an Nichtein- willigungsfähigen nicht grundsätzlich verboten sei.

Durchweg positiv bewerteten die Delegierten den vom Vorstand der Bundesärztekammer vorgelegten Entwurf für eine Richtlinie „zur ärzt- lichen Sterbebegleitung und die Grenzen zumutbarer Behandlung“.

Einige Änderungsvorschläge wurden an den Vorstand überwiesen. So hatte Prof. Dr. med. Winfried Kahlke, De- legierter der Ärztekammer Hamburg, angeregt, den Umgang mit Wachko- ma-Patienten nicht im Rahmen von Richtlinien zur ärztlichen Sterbeglei- tung zu regeln, da sich die Therapieer- folge bei Wachkoma-Patienten dank des Ausbaus der Frührehabilitaton in den letzten zehn Jahren deutlich er- höht haben.

Ein Antrag von Dr. med. Wolf- dieter Bernard, Delegierter der Ärz- tekammer Nordrhein, forderte, daß die Richtlinien auch auf die Hospiz- bewegung und die Schmerzbekämp- fung eingehen sollten. Wenn Patien- ten auf die Möglichkeit der Schmerz- therapie und die Hospizbewegung hingewiesen würden, rückten sie in der Regel auch von ihrem Todes- wunsch ab, sagte Bernard. Beleites begrüßte die „wertvollen Anregun- gen“ und betonte, daß der BÄK-Vor- stand mit der Veröffentlichung des Entwurfs (Deutsches Ärzteblatt, Heft 20/1997) ausdrücklich ein bewußtes Einbeziehen der Öffentlichkeit be- zweckt habe. Gisela Klinkhammer

N

eben einem „durch lange Tra- dition bewährten Kern – Ver- pflichtung auf das Wohl des Patienten, Schweigegebot und Schweigerecht und dann Tötungsver- bot, Respekt vor der Würde des Men- schen – enthält die

Berufsordnung weitere Bestim- mungen, die sich aus der zeit- gemäßen Organi- sation des Medizin- betriebes ergeben und zum größten Teil lang bewährt haben“, sagte Dr.

med. Hans Hege, Präsident der Bayerischen Lan- desärztekammer und Vorsitzender des Ausschusses sowie der Ständi-

gen Konferenz „Berufsordnung für die deutschen Ärzte“. Die Delegier- ten des 100. Deutschen Ärztetages in Eisenach stimmten mit großer Mehr- heit dem Beschlußantrag des Vorstan- des der Bundesärztekammer zu, der Grundlage für die verbindlichen Be- rufsordnungen der Länder sein wird.

Vertrauen zwischen Arzt und Patient

Gegenstand der Berufsordnung sind die Regelungen „zum Verhalten von Ärzten gegenüber den Patienten, den Kollegen, den anderen Partnern

im Gesundheitswesen sowie zum Ver- halten in der Öffentlichkeit“. Mit der Festlegung der Berufspflichten für Ärzte dient die Berufsordnung zu- gleich dem Ziel, das Vertrauen zwi- schen Arzt und Patient zu erhalten

und zu fördern, die Qualität der ärztli- chen Tätigkeit im Interesse der Ge- sundheit der Bevölkerung sicherzu- stellen, die Freiheit und das Ansehen des Arztberufes zu wahren sowie berufsunwürdiges Verhalten zu ver- hindern.

Zwar meinten viele Mitmen- schen – gewiß nicht zu Unrecht, wie Hege sagte –, Ärzte seien Menschen wie andere Menschen auch und vor dem Gesetz gleich mit allen anderen Bürgern. Jeder Mensch sei verpflich- tet, seinen Beruf anständig auszu- üben, und Menschlichkeit sei kein Geheimwissen von Ärzten. Auch das Tötungsverbot gelte für alle, Betrug

Novellierung der (Muster-)Berufsordnung

Alte und neue Regeln für den Arzt

Mit großer Mehrheit haben die Delegierten des 100. Deutschen Ärztetages in Eisenach erstmals nach rund 40 Jahren eine Gesamtnovellierung der (Muster-)Berufsordnung (MBO) beschlossen. Darin wird unter anderem „das Verhalten von Ärzten gegenüber den Patien- ten, den Kollegen, den anderen Partnern im Gesundheitswesen sowie zum Verhalten in der Öffentlichkeit“ geregelt. In der neuen Berufsordnung sind im wesentlichen die bereits geltenden Vorschriften enthalten. Den schon bestehenden Behandlungsgrundsätzen wur- den unter anderem die „Grundsätze korrekter ärztlicher Berufsausübung“ hinzugefügt.

Dr. Hans Hege: Verhalten von Ärzten gegenüber Patienten und Kollegen

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sei generell strafbar, Verschwiegen- heit liege im Geschäftsinteresse auch anderer Berufe, unlauterer Wettbe- werb sei gesetzlich verboten. Hege wies aber darauf hin, daß es dennoch Sinn habe, wenn Ärzte sich eine eige- ne Berufsordnung geben. Denn trotz aller Qualitätssicherung und aller Wissenschaft stütze sich das Vertrau- en, das der Patient dem Arzt entge- genbringt, „letztlich auf die Erwar- tung, daß Gesinnung, Gewissen und Können des Arztes das Mögliche an Hilfe und Heilung bewirken“.

Deshalb müsse der Gemein- schaft der Ärzte daran gelegen sein, das Ansehen vor Beschädigungen aus den eigenen Reihen zu schützen: „Mit ethischer Mahnung ist es nicht getan.

Es bedarf auch der Sank- tionen gegenüber denen, die dafür eine spezielle Schwerhörigkeit zeigen.“

Wenn die Berufsordnung ohne „Erbsenzählerei und ohne Intrigen“ umgesetzt würde, dann werde den Ärzten die Achtung, die sie verdienten, auch im Alltag entgegengebracht, hofft Hege.

Die Berufsordnung beschreibt zunächst die Aufgaben des Arztes. Er hat „Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schüt- zen und wiederherzustel- len, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhal-

tung der natürlichen Lebensgrundla- gen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mit- zuwirken“.

Der Beistand für Sterbende ist zum ersten Mal „gemäß des Rechts- bestands des geltenden Rechts neu formuliert worden“, so Rechtsanwalt Horst Dieter Schirmer, Leiter der ge- meinsamen Rechtsabteilung der Bun- desärztekammer und der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung, der die einzelnen Punkte der Berufsordnung erläuterte. Der entsprechende Para- graph nimmt Bezug auf die Entschei- dung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1994, wonach in jedem Fall der Vorrang des Willens des Patienten be- steht. Daher darf der Arzt nach der neuen MBO künftig unter Vorrang

des Patientenwillens auf lebensver- längernde Maßnahmen verzichten, wenn ein Hinausschieben des unver- meidbaren Todes für den Sterbenden lediglich eine unzumutbare Verlänge- rung des Leidens bedeuten würde.

Das Leben des Sterbenden dürfe je- doch niemals vom Arzt aktiv verkürzt werden.

Werbeverbot

Am sogenannten Werbeverbot wird grundsätzlich weiter festgehal- ten. Auch künftig dürfen Ärzte nur dann Anzeigen in Tageszeitungen schalten, wenn sie zum Beispiel ihre Sprechstundenzeiten ändern oder

längere Zeit von der Praxis abwesend sind. Anzeigen über Niederlassungen oder Zulassungen dürfen „nur drei- mal in der gleichen Zeitung innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten zur Bekanntgabe der Niederlassung oder der Aufnahme der Kassenpraxis veröffentlicht werden“. Als unerlaub- te Werbung gilt auch künftig die „an- preisende Herausstellung“ von Ärz- ten in Ankündigungen von Sanatori- en, Kliniken, Institutionen oder ande- ren Unternehmen. Veröffentlichun- gen medizinischen Inhalts oder die Mitwirkung des Arztes an Publikatio- nen in den Medien sind jedoch zuläs- sig, wenn sie auf sachliche Informatio- nen beschränkt sind.

Künftig ist es Ärzten gestat- tet, sachliche Patienteninformationen

über öffentlich nutzbare Computer- kommunikationsnetze, beispielsweise via Internet, weiterzugeben. Neben sachlichen medizinischen Informatio- nen dürfen auch organisatorische Hinweise auf Sprechstundenzeiten, Erreichbarkeit außerhalb der Sprech- stunden oder Angaben zur Lage der Praxis und wie sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist, auf einer eigenen Homepage weitergege- ben werden.

Keine wesentlichen Änderungen sieht die MBO bei den Berufspflich- ten vor. Neu aufgenommen wurden die „Verhaltensregeln (Grundsätze korrekter beruflicher Berufsaus- übung)“ für Ärzte. Darin werden die Ärzte unter anderem verpflichtet, rechtzeitig Kollegen hinzu- zuziehen, wenn ihre eigene Kompetenz bei Diagnose und Therapie nicht mehr ausreicht. Dem Wunsch von Patienten nach Einho- lung einer Zweitmeinung dürfen sich Ärzte nicht wi- dersetzen. Verboten ist künftig ausdrücklich auch die Scharlatanerie. „Der ärztliche Berufsauftrag verbietet es, diagnostische oder therapeutische Me- thoden unter mißbräuchli- cher Ausnutzung des Ver- trauens, der Unwissenheit, der Leichtgläubigkeit oder der Hilflosigkeit von Pati- enten anzuwenden. Un- zulässig ist es auch, Heil- erfolge, insbesondere bei nicht heil- baren Krankheiten, als gewiß zuzusi- chern“, heißt es in der novellierten Berufsordnung.

Selbstverständliche Verhaltensmaßregeln Zahlreiche Änderungsanträge wurden von den Delegierten einge- bracht. In einer zweiten Lesung wur- de ein von Dr. med. Klaus Uwe Jo- sten, Privatdozentin Dr. med. Vera John-Mikolajewski und Dr. med.

Robert Richrath, Ärztekammer Nordrhein, eingebrachter Beschluß- antrag verabschiedet. Er sieht vor, daß Ärzte bei Forschungsaufträgen künftig die Interessenlagen transpa- A-1636 (40) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 24, 13. Juni 1997

Rechtsabteilung (mit Ulrike Wollersheim und Horst Dieter Schirmer): Erläuterung der Rechtslage, Diskussion mit Delegierten

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rent zu machen haben. Beziehungen zum Auftraggeber seien in der Publi- kation der Forschungsergebnisse of- fen darzulegen.

Den Argumenten von Dr. med.

Ursula Auerswald, Präsidentin der Ärztekammer Bremen, folgte die Mehrheit der Delegierten allerdings nicht. Sie hatte die Streichung des Teils „Verhaltensregeln“ gefordert.

Auerswald vertrat die Ansicht, daß die Grundsätze einer guten ärztlichen Berufsausübung bereits in der Präam- bel und in den Paragraphen eins und zwei der Berufsordnung aufgeführt seien. Es diene dem Ansehen der Ärzte nicht, wenn man Selbstver- ständlichkeiten regeln müsse, weil sie sonst nicht eingehalten werden könn- ten. So sei es selbstverständlich, daß der Arzt Rücksicht auf die Person des Patienten nehme und er „auch bei Meinungsverschiedenheiten sachlich und korrekt bleibt“. Ärzte, die sich nicht an selbstverständlichen Verhal- tensregeln orientieren könnten, wür- den sich schließlich auch nicht durch einen entsprechenden Passus in der Berufsordnung beeinflussen lassen.

Die Mehrheit der Delegierten hielt den Abschnitt jedoch für erforderlich.

Dr. med. Günther Jonitz, Berlin, konnte sogar einen Antrag durchset- zen, mit dem das Kapitel „Verhal- tensregeln“ vor die „Ergänzenden Bestimmungen zu einzelnen ärztli- chen Berufspflichten“ gestellt wird.

Schließlich, so der Delegierte, seien ethische Grundsätze zum Umgang mit Patienten und Behandlungs- grundsätze von größerer ärztlicher Bedeutung als die Definition von Praxisschildern und Ankündigungen auf Briefbögen. Ergänzt wurde der neue Abschnitt C dann noch auf An- trag von Dr. Gerd Werding, Delegier- ter der Bayerischen Landesärzte- kammer, dadurch, daß „diskriminie- rendes und die Würde nichtärztlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verletzendes Verhalten in Praxen und stationären medizinischen und pflegerischen Versorgungseinrich- tungen berufsunwürdig ist“. Der ge- samte Text der novellierten (Muster-) Berufsordnung wird mit allen be- schlossenen Änderungsvorschlägen in einer der nächsten Ausgaben des Deutschen Ärzteblattes veröffent- licht. Gisela Klinkhammer

D

ie Ärzte haben ihre Hausauf- gaben gemacht“, kommen- tierte Prof. Dr. med. Jörg- Dietrich Hoppe, Vizepräsi- dent der Bundesärztekammer und dort zuständig für Weiterbildungsfra- gen, den Beschluß des 100. Deutschen

Ärztetages, die Novelle der (Muster-) Weiterbildungsordnung in Sachen Allgemeinmedizin mit nur wenigen Änderungen anzunehmen. Der Vor- stand der BÄK folgte mit seiner Vor- lage einem Auftrag des 99. Deutschen Ärztetages in Köln, einen „im Hin- blick auf eine hausärztliche Tätigkeit neuformulierten Weiterbildungsgang für das Gebiet der Allgemeinmedi- zin“ vorzulegen. Die Neufassung

weist der Allgemeinmedizin die le- bensbegleitende hausärztliche Be- treuung von Patienten bei jeder Art der Gesundheitsstörung unter Berücksichtigung der biologischen, psychischen und sozialen Dimensio- nen ihrer gesundheitlichen Leiden zu.

Die Weiterbildungszeit wird von bis- lang drei auf fünf Jahre ausgedehnt.

Eineinhalb Jahre der Weiterbildung müssen im Fach Allgemeinmedizin abgeleistet werden. Zwei Jahre der Weiterbildung erfolgen im Stations- dienst, davon mindestens ein Jahr in der Inneren Medizin. Des weiteren muß ein halbes Jahr in der Chirurgie sowie ein halbes Jahr in der Kinder- heilkunde absolviert werden. Drei

Weiterbildung in Allgemeinmedizin

„Hausarzt-Debatte“

fürs erste beendet

Eine lange Diskussion versprach die Neufassung der (Muster-)Weiterbildungsordnung für das Gebiet Allgemeinmedizin, die der Vorstand der Bundesärztekammer dem 100. Deut- schen Ärztetag zur Abstimmung vorlegte. 77 Delegierte ließen sich auf die Rednerliste set- zen, um sich zu der bereits im Vorfeld heftig diskutierten Vorstandsvorlage zu äußern. Die Kritiker bemängelten vor allem, daß die im Vorjahr beschlossene Ausdehnung der Weiter- bildungszeit auf fünf Jahre mangels finanzieller Ressourcen und fehlender Weiterbildungs- stellen nicht umsetzbar sei. Überraschend schnell beendete das Plenum jedoch die Debatte und stimmte mit großer Mehrheit und nur wenigen Änderungen der Vorstandsvorlage zu.

Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe: „Die Ärzte haben ihre Hausaufgaben gemacht.“

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Jahre der Weiterbildung können bei niedergelassenen Ärzten abgeleistet werden. Ergänzt wurde die Vor- standsvorlage unter anderem durch einen Änderungsantrag, der von Dr.

med. Hans-Jürgen Thomas (Ärzte- kammer Westfalen-Lippe), Dr. med.

Klaus Peter Lau (Ärztekammer Nordrhein) und Prof. Dr. med. Harald Mau (Ärztekammer Berlin) einge- bracht worden war. Demnach fordert der Deutsche Ärztetag Krankenkas- sen und Politik auf, die für die Umset- zung des neuen Weiterbildungsgan- ges erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Dazu gehörten die Be- reitstellung ausreichender Weiterbil- dungsstellen und deren angemessene Finanzierung. Nur wenn diese Bedin- gungen erfüllt sind, wird der alte Wei- terbildungsgang endgültig durch den neuen ersetzt.

Erneuter Streit über Weiterbildungszeit Obwohl bereits der 99. Deutsche Ärztetag eine Verlängerung der Wei- terbildungszeit auf fünf Jahre be- schlossen hatte, war im Vorfeld des 100. Deutschen Ärztetags die Diskus- sion darüber neu entflammt. Vor al- lem zweifelte der Marburger Bund aufgrund fehlender Ressourcen die Umsetzbarkeit der neuen Regelung an (siehe „Streit um Allgemeinarzt- Weiterbildung“ in diesem Heft). Dr.

med. Frank Ulrich Montgomery, Vor- sitzender des Marburger Bundes und Präsident der Ärztekammer Ham- burg, äußerte gegenüber den Dele- gierten die Befürchtung, daß eine Ausdehnung der Weiterbildungszeit über kurz oder lang in ein Primärarzt- system führen werde, was zum einen von allen Beteiligten abgelehnt werde und zum anderen den Tod der ambu- lanten Facharztmedizin bedeute. Ei- ne Verlängerung widerspreche außer- dem Forderungen der Gesundheits- ministerkonferenz nach einer vier- jährigen Weiterbildung für Allge- meinmedizin.

Auch inhaltlich kritisierte Mont- gomery den Entwurf des Vorstandes:

Der Leistungskatalog der neugefaß- ten allgemeinärztlichen Weiterbil- dung sei weder leistbar noch in fünf Jahren erlernbar. Montgomery plä-

dierte statt dessen dafür, neben der Weiterbildungsordnung auch die Ap- probationsordnung zu ändern. Er schloß mit einem Lutherzitat: „Was wäre das für ein Arzt, der sich ständig in der Schule umhertreibt.“

Dr. med. Jörg Zimmermann (Ärztekammer Niedersachsen) be- tonte ebenfalls, daß die Machbar- keitsfrage nicht von der Inhaltsfrage abgekoppelt werden könne. Er appel-

lierte an die Delegierten: „Be- schließen Sie nur das, was Sie auch umsetzen können.“

Solche Argumente hatte Vizeprä- sident Hoppe bereits in seinem Ein- gangsreferat aufgegriffen: „Wir müs- sen zunächst definieren, was wir wol- len. Erst danach sollten wir uns um die Umsetzung kümmern.“ Dr. med. Eli- sabeth Hauenstein (Landesärztekam- mer Baden-Württemberg) erinnerte in diesem Zusammenhang an die Vor- gaben des 99. Deutschen Ärztetags:

„Wir können nicht jedes Jahr das, was wir im Vorjahr beschlossen haben, wieder umstoßen.“ Sie appellierte an die Delegierten, sich nicht zu Mario- netten der einzelnen Berufsverbände degradieren zu lassen.

Dr. med. Gernot Nick (Lan- desärztekammer Rheinland-Pfalz) hält eine fünfjährige Weiterbildung für unverzichtbar, wenn eine qualita- tiv hochwertige Versorgung der Be- völkerung sichergestellt werden soll.

Unter großem Beifall stellte PD Dr.

sc. med. Vittoria Braun (Ärztekam- mer Berlin) die Frage, ob Allge- meinärzte Ärzte zweiter Klasse wer- den sollten, wo doch für alle „klei- nen“ Fächer eine fünfjährige Weiter- bildung Pflicht sei. Dr. med. Klaus- Dieter Kossow (Ärztekammer Nie- dersachsen) sprach für zahlreiche Be- fürworter des Vorstandsantrages: der stelle ein geeignetes weiterentwick- lungsfähiges Zukunftsmodell dar. Er könne die breiten Diskussionen im Vorfeld und die Sorge der jungen Ärzte um ausreichende Stellen ver- stehen, es gebe aber auch eine Fürsor- gepflicht für die Allgemeinmedizin.

Interessengegensätze müßten relati- viert und ein Bündnis der ärztlichen Verbände geschaffen werden. Auch Dr. med. Ellis Huber (Ärztekammer Berlin) hob hervor, daß die Qualität der hausärztlichen Versorgung über die Zukunft des Versorgungssystems entscheide. Deshalb müsse sich das Ziel an der Sache und nicht an mo- netären Interessen orientieren.

Nun sind Kassen und Politik gefordert

In seinem Schlußwort zur Debat- te räumte Hoppe ein, daß die allge- meinmedizinische Weiterbildung in Westdeutschland so heruntergewirt- schaftet sei, daß sie dringend eine An- schubfinanzierung benötige. Trotzdem A-1638 (42) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 24, 13. Juni 1997

Dr. Hans-Jürgen Thomas: Bedingungen für die Ein- führung des Weiterbildungsganges

Dr. Frank Ulrich Montgomery (links, mit Rudolf Hen- ke): Warnung vor Primärarzt

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beurteilt er die Chancen für eine Um- setzung der neuen Weiterbildungsord- nung optimistisch. Die Durchführung ruhe auf drei Schultern: denen der Ärzteschaft, der Kassen und der Poli- tik. Nachdem nun die Ärzte mit der vorliegenden Änderung der Weiter- bildungsordnung ihren Teil der Auf- gabe erfüllt hätten, müßten die beiden anderen Partner in die Pflicht genom- men werden. Wenn beide wie gefor- dert eine langfristige Umschichtung zugunsten der hausärztlichen Versor- gung herbeiführen wollten, müßten sie ihren Beitrag dazu leisten.

Die Kassen hätten beispielsweise die Möglichkeit, andere Größenord- nungen von Praxisbudgets einzurich- ten, wenn ambulant arbeitende Ärzte weiterbildeten. Über solche Fragen der Finanzierung würden zwar bereits Gespräche mit den Kassen geführt, Abmachungen benötigten jedoch noch einige Zeit. Falls es bis zum nächsten Ärztetag positive Signale von seiten der Kassen gebe, könne be- reits der 101. Deutsche Ärztetag die Umsetzung der neuen Weiterbil- dungsordnung für Allgemeinmedizin beschließen. Entschlössen sich die Kassen hingegen zu einer Blockade- politik, müsse alles beim alten blei- ben.

Die Schritte, die zur Eisenacher Debatte führten, hatte Hoppe bereits in seinem Eingangsreferat skizziert.

Ein historisches Ereignis stellt aus sei- ner Sicht der Beschluß des Deutschen Ärztetages von 1990 dar, der im

„Würzburger Manifest“ für die dama- ligen alten Bundesländer eine minde- stens dreijährige Pflichtweiterbildung in der Allgemeinmedizin festlegte.

Mit diesem Tag sei die Facharztwei- terbildung in der Allgemeinmedizin etabliert worden. Als Konsequenz des Würzburger Manifestes habe der Deutsche Ärztetag 1992 die (Mu- ster-)Weiterbildungsordnung novel- liert und eine dreijährige Weiterbil- dung in der Allgemeinmedizin für alte und neue Bundesländer eingeführt.

Im Gesundheitsstrukturgesetz seien die Beschlüsse der ärztlichen

Selbstverwaltung aufgegriffen wor- den: Die fachärztliche Weiterbildung sei seither Voraussetzung für die Nie- derlassung, ebenso sei die Gliederung in eine haus- und eine fachärztliche Versorgung gesetzlich geregelt wor- den – eine Bestimmung, die auf Wunsch der Ärzte ins Gesetz gelangt sei.

Dieser Gliederungsauftrag habe in Zeiten knapper Ressourcen zu hef- tigen Auseinandersetzungen zwi- schen Allgemeinärzten und hausärzt- lich tätigen Internisten geführt. Um den innerärztlichen Frieden wieder- herzustellen, habe die BÄK zahlrei- che Gespräche mit den betroffenen Berufsverbänden geführt. Eine Lö- sung über das Berufsrecht wurde an- gestrebt, um zu vermeiden, daß die Versorgungsgliederung gesetzlich oder von den Krankenkassen geregelt wird. In der Folge habe der 99. Deut- sche Ärztetag in Köln das Differen- zierungsmodell beschlossen, das der Allgemeinmedizin die hausärztliche Tätigkeit und der Inneren Medizin ei- ne spezialistisch fachärztliche Tätig- keit zuschreibt.

Mit dem 100. Deutschen Ärzte- tag in Eisenach ist nun auch die No- velle der Weiterbildung in der Allge- meinmedizin beschlossen. Hoppe wertet dies als wichtiges Bekenntnis zur Aufwertung der Allgemeinmedi-

zin. Heike Korzilius

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