• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Die Bedeutung der Mikrochirurgie in der orthopädischen Chirurgie" (21.02.1992)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Die Bedeutung der Mikrochirurgie in der orthopädischen Chirurgie" (21.02.1992)"

Copied!
6
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die Bedeutung der Mikrochirurgie

in der orthopädischen Chirurgie

Andreas Eisenschenk, Martin Sparmann und Ulrich Weber

ikrochirurgische Eingriffe wurden be- reits vor über hun- dert Jahren durchge- führt. Wahrschein- lich war T. Sämisch in Bonn der er- ste, der im Jahre 1876 eine binokulä- re Vergrößerungsvorrichtung für den chirurgischen Gebrauch entwik- kelte. Ein binokuläres Mikroskop kam im klinisch-operativen Bereich erstmalig im Jahre 1922 durch den Hals-Nasen-Ohrenarzt Nylen zur Anwendung; aber erst in den 50er Jahren wurde es routinemäßig einge- setzt. Zu diesem Zeitpunkt began- nen sich auch die Ophthalmologie und die Neurochirurgie für die Mi- krochirurgie zu interessieren. Eben- falls in der 50er Jahren erschienen Arbeiten zur Mikrochirurgie der pe- ripheren Nerven; 1960 legten die Pu- blikationen von Jacobson und Suarez den Grundstein für die Mikrogefäß- chirurgie; 1965 gelang Kamatsu und Tamai die erste Mikroreplantation mit der erfolgreichen Wiederannä- hung eines Daumens. Daniel und Taylor konnten 1973 die erfolgreiche Transplantation einer freien gefäß- gestielten Lappenplastik vermelden und Taylor et al. 1975 die einer frei- en, gefäßgestielten Fibula.

Die Anfänge der Mikrochirurgie in der Orthopädie sind demgemäß im Rahmen der Entwicklung der re- parativen und rekonstruktiven Mi- krochirurgie relativ spät, zwischen 1965 und 1975, anzusiedeln.

Die mikrochirurgische Technik hat das aktuelle Spektrum repara- tiver und rekonstruktiver operati- ver Maßnahmen im Rahmen der orthopädischen Chirurgie deut- lich erweitert. Große Defektzustän- de im knöchernen wie auch im Weichteilbereich an den Extremi- täten sind durch die Technik der Mikrochirurgie wiederherstellbar;

alle reparativen Eingriffe im Be- reich sensibler Gewebestrukturen können durch die verbesserten Sichtverhältnisse unter dem Mi- kroskop qualitativ gesteigert wer- den.

Einleitung

Nach Millesi (1983) stellt die Mikrochirurgie keine Spezialdiszi- plin dar. Die Grundkenntnisse im je- weiligen Fachgebiet sind mindestens ebenso wichtig wie die Beherrschung der mikrochirurgischen Technik. Mi- krochirurgie stellt insofern auch kein eigenes operatives Fach dar; es han- delt sich vielmehr um eine spezielle Technik, die in jedem operativen Fach anwendbar ist. Allerdings ver- lief die zeitliche Entwicklung in den einzelnen operativen Fächern unter- schiedlich.

Ursprünglich galt die Erlernung der mikrochirurgischen Technik als sehr schwierig, so daß nur ausgebil- dete Spezialisten diese Technik aus- üben sollten. Heute ist die mikro-

Orthopädische Klinik und Poliklinik (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. med.

Ulrich Weber), Freie Universität Berlin im Oskar-Helene-Heim

chirurgische Technik in nahezu allen operativen Fächern ein fester Be- standteil bei zahlreichen Eingriffen, und sie wird zunehmend auch im Ausbildungsprogramm berücksich- tigt. Auch in der orthopädischen Chirurgie ist die Palette der routine- mäßigen Anwendungen mikrochirur- gischer Operationen heute vielfältig.

Die rekonstruktiven Schwer- punkte der orthopädischen Mikro- chirurgie liegen bei den freien, ge- fäßgestielten Knochentransplanta- tionen und bei den Weichgewebs- transplantationen. Weitere Bereiche stellen die Chirurgie peripherer Ner- ven, die Replantationschirurgie und Teilbereiche der Wirbelsäulenchir- urgie, insbesondere die Bandschei- benchirurgie, dar.

Mikrochirurgische Nukleotomie

Die Mehrzahl aller vom Ortho- päden an der Wirbelsäule durchge- führten dorsalen und ventralen Ein- griffe werden in makrochirurgischer Technik durchgeführt; dazu zählen vor allem die Stabilisierungsopera- tionen mit und ohne Osteosynthese.

Auch bei diesen Eingriffen sind für bestimmte Operationsschritte — im- mer dann, wenn empfindsame Struk- turen präpariert werden — Vergröße- rungshilfen sinnvoll und notwendig, ohne daß hier standardisierte Ope- rationstechniken im Einzelfall ange- geben werden können.

Im Gegensatz dazu stehen für die operative Behandlung von Band- scheibenvorfällen, vor allem für de- ren häufigste Form, die lumbale Bandscheibenerkrankung, standardi- sierte mikrochirurgische Techniken A1 -552 (52) Dt. Ärztebl. 89, Heft 8, 21. Februar 1992

(2)

Abbildung 1: Großer, subligamentär seque- strierter Bandscheiben- vorfall L4/L5, mikrosko- pischer OP-Situs mit Darstellung des Prolaps nach Abschieben der Nervenwurzel nach links zur Verfügung. Gegenüber den ma-

krochirurgischen Techniken bieten diese durch Verwendung des Opera- tionsmikroskops mit Vergrößerung und Ausleuchtung des Operations- feldes deutlich bessere Sichtverhält- nisse: Damit werden eine schonen- dere Revision des Spinalkanales und ein außerordentlich sorgfältiger Um- gang mit den neurogenen Strukturen möglich. Dies führt nahezu zwangs- läufig zu einer Verringerung der Zahl der intraoperativen Komplika- tionen und zu einer Verbesserung der Operationsergebnisse. Eigene computertomographische Nachun- tersuchungen an mikro- und makro- chirurgisch nukleotomierten Patien- ten haben gezeigt, daß das Ausmaß der postoperativen Vernarbungen durch die Verwendung des Operati- onsmikroskopes deutlich verringert werden kann. Auch wenn ein unmit-

telbarer Vergleich der Ergebnisse unterschiedlicher Behandlungsver- fahren beim lumbalen Bandschei- benvorfall wegen der teilweise subjek- tiven Beurteilungskriterien schwierig ist, darf angenommen werden, daß sich auch hieraus eine unmittelbare Korrelation zum postoperativen Be- schwerdebild, zum sogenannten Postdiskektomiesyndrom, ableiten läßt.

Wenn zusätzlich die Vorteile moderner diagnostischer Verfahren, die den Bandscheibenvorfall unmit- telbar abbilden, wie CT und MRT, genutzt werden, dann läßt sich bei sorgfältiger Indikationsstellung durch die mikrochirurgische Nukleo- tomie die Erfolgsquote der Band- scheibenoperationen auf mittlerwei-

Tabelle I: Indikationen für gefäßgestielte

Knochentransplantationen 1. kongenitale Fehl- und De-

fektbildungen des Kno- chens (zum Beispiel ange- borene Tibiapseudarthrose) 2. posttraumatische Folge-

schäden am Knochen (zum Beispiel Osteomyelitis, avi- tale Pseudarthrose usw.) 3. Knochendefekte nach Tu-

morresektionen

4. Revaskularisierung von Durchblutungsstörungen des Knochens (zum Beispiel Femurkopfnekrose des Er- wachsenen)

le über 90 Prozent entscheidend ver- bessern (Abbildung 1).

Freie, gefäßgestielte autogene

Knochentransplantation Besonders in der extremitäten- erhaltenden und -wiederherstellen- den orthopädischen Chirurgie stel- len die gefäßgestielten Knochen- transplantate eine wesentliche Be- reicherung dar. Knochendefektstrek- ken bis zu zirka 30 cm Länge sind überbrückbar.

Bei einem freien, gefäßgestiel- ten, autogenen Knochentransplantat handelt es sich um die vollständige Verlagerung eines Knochens oder ei-

nes Knochenanteiles mit seiner ei- genständigen Blutversorgung vom Spender- zum Empfängerort; die für die Blutzirkulation des Knochen- transplantates notwendigen Arterie und Vene werden vor der Verlage- rung durchtrennt und am Empfän- gerort neu anastomosiert.

Das gängige Verfahren zur Re- konstruktion von kleineren Kno- chendefekten (< 6 bis 8 cm) ist bei gesundem Knochenwirtslager die au- togene, avaskuläre Knochentrans- plantation, zum Beispiel aus dem Beckenkammbereich, Liegt eine Knochendefektstrecke von > 6 bis 8 cm vor oder handelt es sich um ein ersatzschwaches Transplantatlager (Minderdurchblutung, zum Beispiel durch Vernarbung; bakterielle Kon- tamination; Zustand nach Bestrah- lung; simultane Chemotherapie usw.), dann ist die zeitgerechte Ein- heilung des avaskulären Knochen- transplantates äußerst unsicher und die Quote der Fehlergebnisse hoch.

Wird ein (autogenes) gefäßge- stieltes Knochentransplantat ver- wendet, liegt ein vitaler und mit ei- genständiger Blutzirkulation ausge- statteter Knochen vor; die Einhei- lung folgt nicht dem Prinzip des schleichenden Ersatzes, sondern ent- spricht den Gesetzmäßigkeiten einer ungestörten Frakturheilung.

Die häufigsten, zur Anwendung kommenden, gefäßgestielten Kno- chentransplantate sind der stabile kortikale Fibulaspan und der korti- kospongiöse Beckenkammknochen.

Inzwischen bestehen für gefäßge- stielte Knochentransplantate vielfäl- tige Indikationen (Tabelle 1).

Vor Einführung mikrochirurgi- scher Techniken waren die thera- peutischen Probleme bei kongenita- len Fehl- oder Defektbildungen von Extremitätenknochen, wie zum Bei- spiel bei der kongenitalen Tibia- pseudarthrose, groß. Stabilisierun- gen und Defektüberbrückungen mit avaskulären Knochentransplantaten in herkömmlicher Technik haben wegen der Größe der Defektstrecke und vor allem wegen der biologi- schen Störung des Transplantatla- gers auch bei mehrfachen Wiederho- lungseingriffen häufig nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt. Mit der mikrochirurgischen und mikrovasku-

(3)

lären Knochentransplantation, vor- zugsweise mit einem Fibulasegment der Gegenseite, läßt sich der nach ei- ner Nekroseausräumung entstehen- de Defekt problemlos überbrücken und innerhalb weniger Monate zur stabilen und dauerhaften Aushei- lung bringen (Abbildung 2). Häufige Indikationen für das gefäßgestielte

Abbildung 3a: Riesenzelltumor des Kno- Abbildung 3b: Knöcherne Ausheilung nach chens, rechter Oberarm, 21jähriger Patient sechs Monaten

Tabelle 2: Weichgewebsblöcke für die freie, gefäßgestielte Trans- plantation

Abbildung 2a: Angeborene Schienbein- pseudarthrose

Fußrückenlappen, Paraskapular- lappen

kutane Lappen:

funktioneller Muskeltransfer: M. latissimus dorsi, M. gracilis

Abbildung 2b: Ausheilungszustand nach sechs Monaten

Knochentransplantat stellen post- traumatische Zustände dar, zum Bei- spiel ausgedehnte Knochendefekte, avitale Pseudarthrosen sowie chroni- sche Knocheninfektionen, die einer regionalen Segmentresektion zu- gänglich sind.

Für die operative Behandlung von Skelettgeschwülsten haben die freien, gefäßgestielten Knochen- transplantationen die Möglichkeiten gliedmaßenerhaltender Therapie- verfahren entscheidend verbessert,

weil auch langstreckige Knochende- fekte, selbst unter adjuvanter Che- mo- oder Strahlentherapie, mit der Aussicht auf zeitgerechte Aushei- lung überbrückbar geworden sind (Abbildung 3).

Die operative Revaskularisation bei lokalen Durchblutungsstörungen des Knochens, vor allem bei der avaskulären Femurkopfnekrose des Erwachsenen, stellt einen weiteren wichtigen Anwendungsbereich dar (Abbildung 4).

fasziokutane Lappen: Unterarmlappen, Oberarmlappen neurovaskuläre Lappen: Fußrückenlappen, Unterarmlappen myokutane Lappen: Latissimus-dorsi-Lappen, Grazilis-

lappen, M.-rectus-abdominalis- Lappen, M.-tensor-fasciae-Lappen

A1-558 (58) Dt. Ärztebl. 89, Heft 8, 21. Februar 1992

(4)

Abbildung 4: Idio- pathische avaskuläre Hüftkopfnekrose des Erwachsenen, Stadium II bis III; Zustand nach Revaskularisation durch Implantation eines gefäßgestielten Beckenspanes;

Darstellung der ver- lagerten span- versorgenden Arterie (A. circumflexa ilium profunda) durch super-selektive Angiographie

ger (zum Beispiel infizierte Sehnen- oder Knochenverletzungen) ausge- nutzt.

Bei anatomisch geeigneter neu- rovaskulärer Versorgung lassen sich bei Hauttransplantationen zudem die sensiblen Funktionen (neurovas- kulärer Lappen), bei Muskulatur enthaltenden Lappenplastiken die motorischen Funktionen des Mus- kels sinnvoll nutzen. Dementspre- chend muß in Abhängigkeit von Aus- maß und Qualität des Weichteilde- fektes ein entsprechendes Angebot an unterschiedlichen Weichgewebs- blöcken für die freie, gefäßgestielte Transplantation zur Verfügung ste- hen (Tabelle 2).

Auch in der rekonstruktiven or- thopädischen Chirurgie ist die Palet- te der Indikationen für freie, gefäß- gestielte Lappenplastiken groß. Sie kommen immer dann zur Anwen- dung, wenn zur Defektdeckung ein- fachere, nicht mikrochirurgische Me- thoden nicht mehr mit ausreichender Aussicht auf Erfolg anwendbar sind, oder wenn zusätzliche Anforderun- gen an das Transplantat gestellt wer- den müssen. Liegt zum Beispiel ein Freie, gefäßgestielte

Lappenplastiken

Die Möglichkeit, Weichgewebs- blöcke beliebiger Art und Größe un- ter Durchführung von mikrovaskulä- ren Anastomosen zu transplantieren, stellte ein bahnbrechendes Ereignis in der rekonstruktiven Chirurgie dar.

Weichteildefekte, die durch Nah- oder Fernlappenplastiken nicht sinn- voll zu verschließen sind, können in- zwischen durch die Anwendung frei- er, gefäßgestielter Lappenplastiken behandelt werden; Haut-, Hautfas- zien-, Hautmuskel- und Muskellap- pentransplantate kommen zur An- wendung.

Die Hautlappenplastiken besit- zen im Vergleich zu den Hautmus- kel- und Muskellappenplastiken eine höhere mechanische Widerstandsfä- higkeit und eine höhere Ischämieto- leranz. Dagegen wird die bessere Vaskularisation der muskelhaltigen Weichgewebsblöcke zur lokalen Therapie chronischer Infekte, vor al- lem im schlecht vaskularisierten La-

Abbildung 5a:

Schwere Quetsch- verletzung des linken Fußes mit posttraumatischer Fersenbeinosteo- myelitis und chronisch rezidivierenden Fersenulzera

Abbildung 5b:

Zustand sechs Monate nach Ausräumung des osteomyelitischen Herdes und Weichteildeckung mit freier neuro- vaskulärer Unter- armlappenplastik;

Vollbelastungs- fähige untere Extremität

(5)

Abbildung 6a: Chronische, seit fünf Jahren bestehende Unterschenkelosteomyelitis mit ausgedehntem Weichteildefekt, Zustand nach mehrfachen operativen Sanierungsver- suchen

Fußsohlendefekt vor, sollte nicht nur der Defekt verschlossen, sondern auch die verloren gegangene Sensibi- lität als Schutz vor Ulzerationen durch neurovaskuläre Haut- oder Hautfaszienlappenplastik rekonstru- iert werden (Abbildung 5).

Die Anwendung von Muskel- oder Hautmuskellappen zur Defekt- deckung ist immer dann in Betracht zu ziehen, wenn das Transplantat zu- sätzliche Aufgaben zur Vaskularisa- tion im Empfängergebiet zu erfüllen hat (Abbildung 6). Das ist zum Bei- spiel bei Strahlenschäden (Tumor- chirurgie) oder zur Sanierung der chronischen Osteomyelitis, vor allem im Unterschenkelbereich, der Fall.

Durch freien neurovaskulären Mus- keltransfer läßt sich in geeigneten Fällen (Volkmannsche Kontraktur, posttraumatische Muskeldefekte mit entsprechendem Funktionsverlust) die Funktion der betroffenen Glied- maße sinnvoll rekonstruieren.

Replantations- und Nervenchirurgie

Die wohl spektakulärsten Er- gebnisse der Mikrochirurgie wurden

Abbildung 6b: Der zur Defekt- und Osteo- myelitissanierung gehobene M. rectus ab- dominis (der Gefäßstiel ist noch nicht durchtrennt)

in den letzten 25 Jahren im Rahmen der Replantationschirurgie erzielt.

Als Replantation bezeichnet man das Wiederannähen eines Extremitä- tenanteiles (oder anderer Körperab- schnitte), dessen Durchblutung durch komplette oder inkomplette Abtrennung aufgehoben ist und der ohne Gefäßanastomose nicht überle- ben würde.

Die Trennungslinie zwischen Makro- und Mikroreplantation (Ge- fäßanastomosierung in mikrochirur- gischer Technik mit Vergrößerungs- hilfe) liegt für die untere Extremität in Höhe des Sprunggelenkes und für die obere Extremität in Höhe des Handgelenkes.

Die Indikationsstellung zur Replantation ist in den letzten Jah- ren ergebnisbezogen präzisiert wor- den. Bei einer Replantationsüberle- bensquote von über 80 Prozent ist die Wiederherstellung der Durch- blutung des abgetrennten Gliedma- ßenabschnittes nicht mehr das ent- scheidende Problem (Abbildung 7).

Es darf heute gefordert werden, daß auch das funktionelle Ergebnis nach Replantation den alternativen Behandlungsverfahren zumindest gleichwertig ist. Dies hat in den letz-

Abbildung 6c: Sanierter rechter Unterschen- kel zehn Monate postoperativ nach An- schluß des freien, gefäßgestielten M. rectus abdominis und Spalthautdeckung

ten Jahren zu erheblich höheren An- sprüchen an die Indikationsstellung zur Mikroreplantation geführt; denn auch bei den rekonstruierenden Be- handlungsverfahren nach Gliedma- ßenteilamputation hat die mikrovas- kuläre Technik das Behandlungs- spektrum erweitert und die funktio- nellen Ergebnisse verbessert. War zum Beispiel ein Replantationsver- such im Bereich des Daumens er- folglos oder nicht möglich, so steht heute eine Vielzahl von rekonstruk- tiven Eingriffen zur Verfügung (zum Beispiel Pollizisation eines Fingers oder eines Teiles eines Fingers, osteoplastische Verfahren, Vertie- fung der ersten Kommissur usw.).

Die funktionell und kosmetisch be- sten Ergebnisse werden dabei heute durch mikrovaskuläre Zehentrans- plantation erzielt.

Voraussetzung in der rekon- struktiven Mikrochirurgie ist neben der mikrochirurgischen Gefäßana- stomosierung die operative Technik der Nervennaht unter dem Mikro- skop. Nachdem James und Smith (1964) das Operationsmikroskop zur Nervennaht eingeführt hatten, konn- ten Millesi et al. (1966/67) die Über- legenheit der mikrochirurgischen A1-562 (62) Dt. Ärztebl. 89, Heft 8, 21. Februar 1992

(6)

Abbildung 7a: Glatte Amputationsverletzung einer Hand

Abbildung 7b: Funktionsaufnahme 1 Jahr nach Replantation Technik bei der Koaptation periphe-

rer Nerven nachweisen. Erst durch die mikrochirurgische Technik wird eine interfaszikuläre Präparation zur Neurolyse oder zur faszikulären so- wie interfaszikulären Koaptation pe- ripherer Nerven möglich.

Diskussion

Die Mikrochirurgie ist kein in sich abgeschlossenes oder organbe- zogenes Spezialgebiet, sondern eine spezielle Technik der verschiedenen operativen Disziplinen. Die reparati-

ven und rekonstruktiven Schwer- punkte der Mikrochirurgie sind auch in der Orthopädie vielfältig. Die ver- besserten Sichtverhältnisse bei An- wendung mikrochirurgischer Techni- ken zur operativen Behandlung von Bandscheibenvorfällen senken die Komplikationsrate und verbessern die postoperativen Ergebnisse.

Große Knochendefektzustände (bis zu 30 cm Länge) können zur Er- haltung von Extremitäten erfolgreich durch gefäßgestielte Knochentrans- plantate überbrückt werden; der knöcherne Einbau folgt dabei den Gesetzen der Frakturheilung. Auch

die Revaskularisierung durchblu- tungsgestörter (avitaler) Knochen- abschnitte erscheint möglich. Große Weichteildefekte werden durch ge- fäßgestielte Lappenplastiken ver- schlossen. Hautmuskel- oder Mus- kellappenplastiken können zur Sa- nierung der chronischen Osteomye- litis transplantiert werden. Die Ner- ven- und Replantationschirurgie so- wie die mikrochirurgische Rekon- struktion der Handform und -funkti- on (zum Beispiel Daumenwiederher- stellung durch Zehentransfer) sind weitere Anwendungsgebiete.

Die mikrochirurgische Technik hat das aktuelle Spektrum erfolgrei- cher reparativer und rekonstruktiver operativer Maßnahmen auch für die orthopädische Chirurgie deutlich er- weitert und verbessert.

Literatur

1. Daniel, R. K.; Taylor G. I.: Distant transfer of an island flap by microvascular anastomo- sis. Plast. reconstr. surg. 52 (1973) 111 2. Smith, J. W.: Microsurgery of peripheral ner-

ven. Plast. reconstr. Surg. 33 (1964) 317 3. Millesi, H.; Ganglberer J.; Berger A.: Erfah-

rungen mit der Mikrochirurgie peripherer Nerven. Chir. plast. 3 (1966) 47

4. Millesi, H.; Ganglberger, J.; Berger A.: Inter- faszikuläre Nerventransplantation mit Hilfe der mikrochirurgischen Technik. Transact. of the 4th intern. Congr. of Plastic. and Recon- structive Surgery. Rom, Oktober 1967. Ex- perta Medica, Int. Congr. Series No. 174, S.

56

5. Millesi, H.: Mikrochirurgie. In: Handchirur- gie, Bd. II. Hrsg.: H. Nigst, D. Buck-Gram- cko, H. Millesi. Georg Thieme Verlag Stutt- gart — New York (1983)

6. Nylen, C. 0.: An oto-microscope. Acta Oto- laryng. (Stockholm) 5 (1924) 414

7. Nylen, C. 0.: An oto-microscope and micro- surgery 1921-1971. Acto Otolaryng. 73 (1972) 453

8. Taylor, G. I.; Miller G. D. H.; Ham F. J.: The free vascularized bone graft: A clincial ex- tension of microvascular techniques. Plast.

reconstr. surg. 55 (1975) 533

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Ulrich Weber Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der FU Berlin im Oskar-Helene-Heim Clayallee 229

W-1000 Berlin 33

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Selbst tieflie- gende Tumoren, so ein Astro- zytom bei tuberöser Sklerose oder große Tumoren (Astrozy- tom Grad II) können mit der verfeinerten Operationstech- nik risikoarm

tigerweise stellt der Autor die Ereignisse in Stalingrad in den Zusammenhang der Kriegs- lage an der Ostfront im Sommerhalbjahr 1942. Denn 1942 erhoffte sich die deutsche Führung

Eine Optik mit optimier- ter Leistungsdichte, vielseiti- ge Einsatzmöglichkeiten durch umfassendes Zubehör und Mobilität, einfache Handhabung sowie Bedie- nungssicherheit sind die

Bei alternativen Operationsmethoden der benignen Prostatahypertrophie müssen laut Hartung etwa 30 bis 40 Prozent der Patienten nochmals operiert werden.. ls weiteren Eingriff

„Minor Stroke“ mit großen Patien- tenzahlen (659 beziehungsweise 758 Teilnehmern) ist allgemein akzep- tiert, daß Patienten mit symptomati- schen Carotis-Stenosen mit einer

Seltene Indikationen für mikro- chirurgische Operationen stellen Replantationen von Penis und Ho- den dar, wobei meist eine Amputati- on durch Trauma oder Selbstver-

• Welche externe Unterstützung gibt es – vor allem durch Unfallversicherungsträger und/oder Krankenkassen?. • Wie können speziell kleinere Unternehmen unterstützt

Um einen besseren Überblick über die Fahrzeiten zu erhalten, können Sie diese Seite einfach an die gewünschte Tabellenzeile