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Cystatin C: ein neuer Marker der Nierenfunktion ; Referenzwerte im Kindesalter

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der Medizinischen Hochschule Hannover Leitung Prof. Dr. med. Jochen H. H. Ehrich

Cystatin C

- ein neuer Marker der Nierenfunktion - Referenzwerte im Kindesalter

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin an der Medizinischen Hochschule Hannover

Vorgelegt von

Michael Frank Georg Domanetzki aus Braunschweig

Hannover 2006

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Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann Betreuer: Prof. Dr. Jochen Ehrich

Referent: Prof. Dr. Georg Eisenbach Koreferent: PD Dr. Ulrich Baumann

Tag der mündlichen Prüfung: 26.06.2007

Promotionsaussschussmitglieder:

Prof. Dr. Hermann Haller Prof. Dr. Klaus Otto Prof. Dr. Christoph Klein

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Hintergrund – Methoden der Nierenfunktionsbestimmung 1

Funktionen der Niere 1

Das Konzept der glomerulären Filtrationsrate GFR 3

Messung der exkretorischen Nierenfunktion mit Hilfe exogener Marker 3

Klassische Clearance Methodik 3

„Single Injection“ Technik 4

Endogene Marker der exkretorischen Nierenfunktion 5

Kreatinin-Clearance 5

Abschätzung der Nierenfunktion aus der Plasmakonzentration von Nierenfunktionsmarkern 7

Vorbetrachtung 7

Harnstoff 8

Kreatinin 8

Kreatinin-Bestimmungsmethode 10

Kleinmolekulare Eiweiße 13

Cystatin C 16

Physiologie 16

Cystatin C als Nierenfunktionsparameter 20

Messmethoden 21

Fragestellung 24

Material und Methoden 25

Probengewinnung 25

Probanden 26

Einschluss- und Ausschlusskriterien 26

Cystatin C- und Kreatinin-Messungen 32

Statistische Methoden 33

Ergebnisse 35

Serumkonzentration von Cystatin C und Kreatinin in Abhängigkeit vom Lebensalter 35

Einfluss des Geschlechts auf die Cystatin C-Konzentration 38

(4)

Referenzwerte für Cystatin C jenseits des ersten Lebensjahres 52

Provisorische Referenzwerte für Cystatin C im ersten Lebensjahr 53

Diskussion 54

Referenzwerte 54

Vorgehen bei der Ermittlung von Referenzwerten 54

Referenzwertproblematik im Kindesalter 61

Cystatin C-Konzentrationen in verschiedenen Altersgruppen 62

Referenzwerte für Cystatin C 65

Gegenüberstellung des immunturbidimetrischen und des immunnephelometrischen Messverfahren 69

Betrachtung möglicher Einflussfaktoren auf die gemessenen Cystatin C-Konzentrationen 71

Einflussfaktoren auf die Cystatin C-Bestimmung 71

Endogene Einflussfaktoren auf die Cystatin C-Konzentration 72

Einfluss medikamentöser Behandlung auf die Cystatin C-Konzentration 74

Cystatin C und Kreatinin als Nierenfunktionsparameter 76

Cystatin C und Kreatinin in Querschnittsuntersuchungen 76

Cystatin C und Kreatinin in longitudinalen Studien 77

Stellenwert von Cystatin C in der Kinderheilkunde 78

Wirtschaftliche Aspekte 80

Zusammenfassung 82

Literaturverzeichnis 83

Anhang 84

Erfassungsbogen zur Identifikation der Blutprobe im Zentrallabor 91

Tabellen 94

Erklärung 103

Lebenslauf 105

Danksagung 107

Literaturverzeichnis 109

(5)

Einleitung

Hintergrund – Methoden der Nierenfunktionsbestimmung

Funktionen der Niere

Die Funktionen der Nieren lassen sich in die Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes, die Elimination von Endprodukten des Stoffwechsels und exogener Stoffe sowie die endokrine Aktivität teilen.

In den kleinsten Einheiten der Niere, den Nephronen, wird der Harn produziert. Aus dem circulierenden Blut wird in den Glomeruli der unkonzentrierte Primärharn abfiltriert. Durch die Struktur der Glomeruli können Flüssigkeiten und Moleküle in Abhängigkeit von ihrer Ladung bis zu einer Größe von ca. 60 kDalton (kDa) die glomeruläre Schranke passieren. Neben Wasser und Elektrolyten werden Aminosäuren und kleine Proteine, Endprodukte des Stoffwechsels wie Harnstoff, Harnsäure und Kreatinin und exogene Stoffe von entsprechender Größe und Ladung wie z.B.

Medikamente in den Primärharn filtriert. Im Verlauf des Nephrons werden im Tubulusapparat ein Großteil des Wassers sowie Elektrolyte, Aminosäuren und Proteine reabsorbiert. Die Tubuluszellen sezernieren zusätzlich körpereigene und körperfremde Stoffe aktiv in den Urin, so z.B. Harnsäure, Ammoniak, Glukuronide und Medikamente.

Im klinischen Sprachgebrauch beschreibt der Begriff „Nierenfunktion“ die exkre- torische Funktion, die sich aus der glomerulären Filtrationsrate (GFR) als Maß der Filtrationsleistung der Glomeruli und dem renalen Plasmafluss (RPF) als Maß der glomerulären Filtrations- plus der tubulären Sekretionsleistung ergibt.

(6)

Abbildung 1: schematische Abbildung eines Nephrons, Quelle Internet: Medicine worldwide; www.m-ww.de/niere.

Mit Hilfe verschiedener endogener und exogener Stoffe kann die Nierenfunktion beurteilt werden. In der Behandlung ist eine möglichst genaue Einschätzung der aktuellen Nierenfunktion für die Diagnosestellung, den Verlauf einer Erkrankung und ggf. die Therapieplanung essentiell um z.B. eine evtl. notwendige Dosisanpassung bei renal eliminierten Medikamenten abschätzen zu können oder um den Verlauf der Nierenfunktion unter der Behandlung mit potentiell nephrotoxischen Substanzen (einzelne Antibiotika, Chemotherapeutika) zu überwachen. Die Bestimmung von Markern der Nierenfunktion gehört im klinischen Alltag häufig routinemäßig zur Eingangsuntersuchung.

(7)

Das Konzept der glomerulären Filtrationsrate GFR

Die glomeruläre Filtrationsleistung wird als glomeruläre Filtrationsrate (GFR) gemessen. Die GFR ist der sensitivste Parameter der exkretorischen Nierenfunktion.

Eine Reduktion der GFR ist schon früh vor dem Auftreten klinischer Symptome einer Nierenfunktionseinschränkung nachweisbar. Die glomeruläre Filtrationsrate oder glomeruläre Clearance (Cl) gibt die Plasmamenge an, aus der pro Zeiteinheit eine bekannte Substanz, die frei glomerulär filtriert und nicht tubulär resorbiert oder sezerniert wird, vollständig eliminiert wird. Das Konzept der Clearance geht auf Homer W. Smith zurück, einem Pionier der modernen Nephrologie1,2. Im Kindesalter wird die Clearance auf die mittlere Körperoberfläche eines Erwachsenen (1,73 m2) normiert. Sie ist auf diese Weise nach Abschluss der Nierenentwicklung im 1. Lebensjahr bis etwa um das 60. Lebensjahr, wenn die Nierenfunktion aufgrund der zunehmenden Nephrosklerose zurückgeht, konstant3,4:

Konz. Substanz A (im Urin) * Urinvolumen * 1,73 m2 (1) Clearance (Cl Substanz A) =

Konz. Substanz A (im Plasma) * Körperoberfläche * Zeit

Formel 1: Zur Messung der GFR werden sowohl endogene als auch exogene Marker verwendet. Angabe der Clearance in ml/min/1,73m2 Körperoberfläche, Urinvolumen in ml, Körperoberfläche in m2, Zeit in min.

Messung der exkretorischen Nierenfunktion mit Hilfe exogener Marker

Klassische Clearance Methodik

Zur Bestimmung der GFR durch exogene Marker wird ein nicht-toxischer Stoff in den Kreislauf eingebracht und dessen Elimination durch Messung der Konzentration im Urin gemessen. Im „steady state“, d.h. bei durch kontinuierliche Infusion konstant gehaltener Plasmakonzentration, kann nach Formel 1 aus Plasma- und

(8)

Urinkonzentration sowie Urinmenge pro Zeiteinheit die Clearance als Maß der GFR bestimmt werden. Inulin erfüllt die Bedingungen zur Messung der GFR in idealer Weise. Inulin ist ein inertes Fruktosepolymer aus der Zicchorie mit einer Größe von 5,1 kDa, das im Körper weder gebildet noch metabolisiert wird2. Es ist im Blut nicht an Proteine gebunden, wird aufgrund seiner Größe frei glomerulär filtriert und tubulär weder reabsorbiert noch sezerniert. Zur GFR-Messung wird Inulin nach einer initialen Bolusinjektion über eine mehrstündige Dauertropfinfusion kontinuierlich zugeführt, um eine Gleichgewichtskonzentration im Serum zu erreichen. Zu definierten Zeiten sind zur Clearance-Bestimmung Blutentnahmen sowie eine vollständige Blasenentleerung notwendig. Bei nicht sicher kontinenten Kindern ist dies nur unter Verwendung von Blasenkathetern möglich5. Auch unter optimalen Bedingungen bleibt die Variabilität der Ergebnisse zwischen konsekutiven Clearanceperioden hoch, so dass die Ergebnisse mehrerer Sammelperioden gemittelt werden. Die klassische Inulin-Clearance mit Urinsammlung ist heute vor allem Forschungsindikationen vorbehalten, da sie einen sehr hohen personellen Aufwand bedeutet und für die untersuchten Patienten sehr belastend ist5.

„Single Injection“ Technik

Die GFR kann auf andere Weise dadurch bestimmt werden, dass Substanzen, welche die vorstehend für Inulin genannten Bedingungen erfüllen, als Bolus injiziert werden.

Durch wiederholte Blutentnahmen und Bestimmung des Konzentrationsverlaufs im Blut wird die glomeruläre Filtrationsrate unter Zuhilfenahme pharmakokinetischer Modelle errechnet. Voraussetzung ist die genaue Kenntnis der Verteilungsvolumina der Test- substanz in den Körperkompartimenten des individuellen Patienten. Für diese Unter- suchungstechnik werden neben Inulin auch Iohexol, ein nicht-ionisches Röntgen- kontrastmittel6,7,8 und die radioaktiv markierten Moleküle 51Cr-EDTA (Chrom- Ethylendiamintetraacetat) oder 99mTc-DTPA (Technetium-Diethylentriamin- pentaacetat) verwendet9. Bei stark eingeschränkter Nierenfunktion nimmt die Konzentration der Marker im Plasma nach Injektion nur sehr langsam ab, was die Präzision der Methode beeinträchtigt und sehr späte Blutentnahmen erforderlich macht10. Die Notwendigkeit wiederholter Blutentnahmen über einen längeren

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Zeitraum7, der apparative Aufwand und die, wenn auch geringe, Strahlenbelastung bei der Verwendung radioaktiv markierter Stoffe macht auch die „Single Injection“

Clearanceuntersuchung mit exogenen Markern zu einer invasiven und vor allem im Kindesalter nicht unproblematischen Untersuchungsmethode und bleibt speziellen Fragestellungen vorbehalten.

Endogene Marker der exkretorischen Nierenfunktion

Für die Abschätzung der exkretorischen Nierenfunktion wird in der täglichen klinischen Praxis auf endogene Markersubstanzen zurückgegriffen, die im Körper in einer Gleich- gewichtskonzentration vorliegen. Geeignete Marker sollen auch hier ausschließlich durch glomeruläre Filtration eliminiert werden, sie dürfen weder tubulär sezerniert werden, noch nach Resorption erneut in den Kreislauf gelangen. Die endogene Produktion soll konstant sein und mit der renalen Elimination im Gleichgewicht stehen.

Die Marker müssen sich frei im Extrazellularraum verteilen, eine signifikante Eiweißbindung sowie ein extrarenaler Abbau sind auszuschliessen11.

Kreatinin-Clearance

Kreatinin (Molekulargewicht 113 Da), das als Abbauprodukt von Kreatin im Muskel- stoffwechsel entsteht, erfüllt die Anforderungen an einen endogenen Nierenfunktions- parameter, wenn auch mit Einschränkungen11,12. Seine Ausgangssubstanz – Kreatin – wird in Leber, Nieren und Pankreas gebildet, gelangt über den Blutkreislauf in die Muskulatur, wird dort zu Kreatinphosphat phosphoryliert und gespeichert.

Kreatinphosphat wird bei Muskelaktivität neben Adenosintriphosphat (ATP) als Energielieferant genutzt. Die beim Abbau von Kreatinphosphat freigesetzte Kreatininmenge ist von der Muskelmasse abhängig13 und somit interindividuell, wie auch im Langzeitverlauf intraindividuell variabel14. Kreatin und Kreatinin finden sich auch im Fleischanteil tierischer Lebensmittel, in Sportlerkreisen wird Kreatin als anaboles Nahrungssupplement verwendet15,16. Ein Teil des mit der Nahrung zugeführten Kreatins und Kreatinin wird resorbiert und erscheint im Serum12,17,18. Dies hat zur Folge, dass die Konstanz der Kreatin- und Kreatininzufuhr als eine der Anforderungen

(10)

an einen endogenen Nierenfunktionsparameter nicht erfüllt ist. Um Interferenzen durch das mit der Nahrung aufgenommene Kreatin- und Kreatinin zu vermeiden, ist eine fleischarme Ernährung am Vortag und während einer Kreatinin-Clearance einzuhalten.

Ein weiteres Problem in der Beurteilung der exkretorischen Nierenfunktion durch die Kreatininkonzentration im Serum ist, dass Kreatinin mit nachlassender GFR zunehmend proximal-tubulär sezerniert wird. Dabei kann die tubuläre Kreatininausscheidung fast die gleiche Höhe wie die glomeruläre Kreatininfiltration erreichen11. Dies erklärt, warum die Kreatininkonzentration bei mäßiger Niereninsuffizienz noch nicht ansteigt – in der Literatur wird dies mit dem Begriff des „Kreatinin-blinden-Bereichs“ (GFR zwischen 50 und 80 ml/min/1,73 m2) bezeichnet, in dem die Kreatininkonzentration im Serum als Nierenfunktionsparameter versagt19,20.

Im Prinzip ist es möglich, mit dem H2-Rezeptor-Antagonisten Cimetidin, der als organisches Kation mit der Kreatininsekretion konkurriert, die tubuläre Sekretion von Kreatinin zu blockieren. Nach mehrtägiger Gabe von Cimetidin vor Bestimmung der Kreatinin-Clearance resultiert eine bessere Übereinstimmung zwischen Inulin- und Kreatinin-Clearance21,22. Die erforderliche Cimetidin Dosis ist interindividuell verschieden, so dass die Blockade der tubulären Effekte im Einzelfall unsicher bleibt. In der klinischen Praxis und in der Literatur hat dieses Verfahren keine weite Verbreitung gefunden.

Trotz der oben genannten Einschränkungen stellt die Kreatinin-Clearance das Standardverfahren zur Bestimmung der exkretorischen Nierenfunktion im klinischen Alltag dar. Sie wird durch Messung der Kreatininkonzentration im Serum in Verbindung mit der Bestimmung der Kreatininausscheidung in einem 24-Stunden Sammelurin in Analogie zur klassischen Infusionsclearance nach der Formel 2 errechnet:

(11)

Konz. Krea (im Urin) * Urinvolumen * 1,73 m2

(2) Cl Krea =

Konz. Krea (im Plasma) * Körperoberfläche * Zeit

Formel 2: Die Clearance von Kreatinin wird in ml/min/1,73 m2 angegeben, Urinvolumen in ml, Körperoberfläche in m2, Zeit in min.

Die zeitgenaue und vollständige Sammlung des Urins stellt vor allem im Kindesalter ein nicht unwesentliches Problem dar23. Es wurde versucht, durch Modifikation des Ablaufes der Kreatinin-Clearance mit mehreren verkürzten Sammelperioden bei einer Gesamtdauer von 2 bis 3 Stunden unter klinischen oder poliklinischen Bedingungen präzisere Ergebnisse zu erzielen21.

Abschätzung der Nierenfunktion aus der Plasmakonzentration von Nierenfunktionsmarkern Vorbetrachtung

Erfüllt eine endogene Substanz SX die Bedingung der konstanten Produktion und alleinigen Elimination durch glomeruläre Filtration, kommt sie als Nierenfunktions- parameter in Betracht. Es besteht dann eine reziproke Beziehung zwischen ihrer Serum- bzw. Plasma-Konzentration und der GFR1:

(3) GFR ~ 1 / Plasmakonzentration S X

Formel 3: reziproke Beziehung zwischen der Plasmakonzentration einer Markersubstanz SX

und der GFR1.

(12)

Harnstoff

Harnstoff wird in der Leber im Harnstoffzyklus aus Ammoniak als Abbauprodukt des Proteinstoffwechsels gebildet24. Seine Serumkonzentration wird durch die renale Elimination reguliert. Mit der Nahrung aufgenommenes Protein beeinflusst die Harnstoffkonzentration im Serum, so dass eine stark erhöhte Eiweißzufuhr (z.B. bei hoch proteinhaltiger Nahrung (Sportler) oder oberer gastrointestinaler Blutung) erhöhte Harnstoffkonzentrationen im Serum zur Folge hat13. Auch bei kataboler Stoffwechsel- lage wie anhaltendem Fieber, Kachexie, nach Trauma und Verbrennungen oder einer Operation sowie unter Behandlung mit Corticosteroiden, finden sich erhöhte Harnstoff- konzentrationen im Serum. Bei eingeschränkter Leberfunktion oder Harnstoffzyklus- defekten hingegen sind niedrige Harnstoffkonzentrationen im Serum typisch24. Im proximalen Tubulus werden diurese-unabhängig 40 bis 60% der filtrierten Harnstoffmenge reabsorbiert. Im distalen Tubulus hingegen hängt die Harnstoff- absorption von der Diurese ab, d.h. bei Antidiurese können bis zu 60% der verbliebenen Harnstoffmenge reabsorbiert werden12,34. Erhöhte Serum-Harnstoffkonzentrationen finden sich so z.B. bei Dehydratation. Aus diesen Gründen ist die Sensitivität und Spezifität der Harnstoffkonzentration im Serum zur Erkennung einer glomerulären Funktionsstörung gering.

Kreatinin

Wie vorstehend dargestellt, entstammt Kreatinin dem Muskelstoffwechsel und wird überwiegend durch glomeruläre Filtration eliminiert. Seine Produktionsrate hängt stark von der Muskelmasse des Individuums ab, die im Kindesalter bei normaler Körperkomposition der Körperlänge proportional ist17. Interindividuell findet sich eine breite Streuung der Werte, intraindividuell sind die Schwankungen geringer14. In der Entwicklung des Kindes nimmt die Muskelmasse bis nach dem Ende der Pubertät geschlechtsspezifisch unterschiedlich stark zu. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache entwickelten Counahan et al.25 und Schwartz et al.26 im Vergleich zu 51Cr-EDTA- bzw.

Inulin-Clearances Formeln, die die in Formel 4 angegebene reziproke Beziehung zwischen GFR und einem endogenen Marker (in beiden Arbeiten das Serum-Kreatinin) um die Körperlänge erweitern. In der Pädiatrie findet diese als „Schwartz-Formel“

bezeichnete Abschätzung der exkretorischen Nierenfunktion breite Anwendung:

(13)

(4) GFR ~ k * Länge / S Krea

Formel 4: Schwartz-Formel zu Abschätzung der GFR im Kindesalter: Angabe der GFR in ml/min/1,73m2, der Länge in cm, der Kreatininkonzentration in mg/dl. Der Wert der Konstante k ist abhängig vom Alter, dem Geschlecht und der Kreatininbestimmungsmethode27.

Bis zur Pubertät sind die Kreatininwerte im Serum bei Jungen und Mädchen in etwa gleich, ab der Pubertät ist die Muskelmasse bei Jungen größer und damit die Kreatinin- konzentration im Serum höher. Um dies auszugleichen, ermittelten Schwartz et al.

durch Korrelation der „wahren Kreatininkonzentration“ in der Einheit mg/dl mit einer Inulin-Clearance k-Werte für verschiedene Altersgruppen (k = 0,45 bei Neugeborenen, k = 0,55 für alle Mädchen über einem Jahr sowie präpubertäre Jungen und k = 0,70 für Jungen ab Beginn der Pubertät)27.

Burghard et al. konnten zeigen, dass die mit der Schwartz-Formel abgeschätzte GFR im Kindesalter besser mit der gemessenen Inulin-Clearance korreliert als die mit 24-Stunden Sammelurin bestimmte Kreatinin-Clearance23. Dies geht wahrscheinlich auf Urinsammelfehler zurück28,29.

Die in der Schwartz-Formel verwandte Konstante k setzt eine normale Körper- komposition, d.h. Muskelmasse, voraus. Bei deutlichen Abweichungen der Muskel- masse, z.B. bei neuromuskulären oder schweren konsumierenden Erkrankungen, bei Anorexia nervosa oder bei sehr athletischen Jugendlichen, liefert die Schwartz-Formel falsche Ergebnisse17,30. Bei Dystrophie wird die tatsächliche GFR überschätzt31, bei vermehrter Muskelmasse oder regelmäßiger Kreatineinnahme wird sie unterschätzt.

Auch für die Schwartz-Formel gelten aufgrund der bekannten renal-tubulären Kreatininsekretion die Einschränkungen des Kreatinin-blinden Bereichs.

Bei Erwachsenen hingegen besteht eine stärkere Korrelation der Kreatininclearance mit dem Körpergewicht, was in der von Cockroft und Gault erstellten Formel zum Ausdruck kommt (Formel 5)32. In neueren Arbeiten von Levy et al. wurde die

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sogenannten MDRD-Formeln (Modification of Diet in Renal Disease) entwickelt, die in ihrer einfachsten Form (Formel 6) allein Korrekturfaktoren für Geschlecht, Lebensalter und negroide Rasse beinhaltet33.

(140 – Alter) * Körpergewicht (5) Cl Krea =

72 * S Krea

* (0,85 für Frauen)

Formel 5: Cockcroft & Gault Formel zur Abschätzung der Nierenfunktion im Erwachsenenalter mit Korrekturfaktor für das weibliche Geschlecht32. Angabe der Kreatininclearence in ml/min, Körpergewicht in kg und Alter in Jahren, Kreatininkonzentration in mg/dl.

(6) GFR = 186 x (Serumkreatinin) -1,154 x (Alter) -0,203 x (0,742, falls weiblich) x (1,210, für afro-amerikanische Ethnizität)

Formel 6: MDRD-Formel zur Abschätzung der GFR im Erwachsenenalter mit Korrekturfaktoren für das weibliche Geschlecht und afro-amerikanische Abstammung33. Angabe der GFR in ml/min/1,73 m2, Alter in Jahren, Serumkreatinin in mg/dl.

Kreatinin-Bestimmungsmethode

Im Serum ist Kreatinin bis zu 7 Tage bei Raumtemperatur stabil. Zur Messung der Kreatininkonzentration werden vor allem die Jaffé-Methode und enzymatische Verfahren angewendet13. Bei der Jaffé-Methode entsteht in einer unspezifischen chemischen Reaktion im alkalischen Milieu durch Reaktion des Kreatinins mit Pikrat

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ein orange-roter Komplex, dessen Konzentration durch Bestimmung der Absorption eines Lichtstrahles der Wellenlänge 509 nm gemessen wird. Dabei werden auch zahlreiche andere Substanzen (die als Nicht-Kreatinin-Chromogene bezeichnet werden) mit erfasst, welche als Störfaktoren in der Bestimmung wirken (Tabelle 1) 34.

Das Pikration reagiert mit Kreatinin und Nicht-Kreatinin-Chromogenen, z.B. reagieren Azetessigsäure schneller und Glucose langsamer als Kreatinin mit dem Pikrat, bilden dabei jedoch ähnliche Reaktionsprodukte wie das Pikration mit dem Kreatininmolekül.

Nach Mischung des Analyten mit dem Pikrat-Ion läuft die Reaktion mit dem Patientenserum in 3 Phasen ab (Kinetische Jaffé-Methode). In den ersten 30 Sekunden reagieren vorwiegend sogenannte schnelle Nicht-Kreatinin-Chromogene, in den folgenden ca. 120 Sekunden reagiert hauptsächlich Kreatinin mit dem Pikration. In der dritten Phase reagieren hauptsächlich die langsamen Nicht-Kreatinin-Chromogene13. Um die Präzision der Jaffé-Methode zu verbessern, werden durch vorangehende selektive Adsorption des Kreatinins an Silikate (Fuller-Erde), Auswaschen der nicht adsorbierten Nicht-Kreatinin-Chromogene (auch Enteiweißung genannt) und anschließende Bestimmung des durch Reaktion mit Pikrat wieder freigesetzten Kreatinin als „wahres Kreatinin“, mögliche Störfaktoren der Kreatininbestimmung weitestgehend eliminiert13. Der analytische Aufwand dieser Technik als Endpunktmethode steigt hiermit aber beträchtlich. In Autoanalysern kann die Bestimmung an Continuous-Flow-Systemen nach dem Passieren semipermeabler Membranen (Dialyseprinzip) erfolgen.

Die Kreatininkonzentration kann mit hoher Spezifität auch durch Reaktion des Serums mit dem Enzym Kreatininase, das Kreatinin zu Kreatin umsetzt, bestimmt werden, wobei nicht zwischen exogen zugeführtem Kreatinin bzw. Kreatin und endogenem Kreatinin unterschieden werden kann. Um die genaue Kreatininkonzentration zu erhalten, muss in einem ersten Schritt die im Serum vorhandene Kreatinkonzentration in einer Leerprobe gemessen werden. Für alle Kreatininbestimmungsmethoden ist der gerade in der Pädiatrie relevante Einfluss von Bilirubin (z.B. Ikterus neonatorum) bekannt, der auf die Reaktion des bei den Kreatininbestimmungen in den Reaktions- schritten aus Kreatinin entstehenden Peroxid zurückgeht. Bei Bilirubinkonzentrationen über 120 µmol/l finden sich so falsch niedrige Kreatininwerte13. Auch die enzymatische

(16)

Methode zur Bestimmung der Kreatininkonzentration wird – wenn auch in geringerem Maß - durch eine Hyperbilirubinämie gestört. Dies ist bei der Bewertung der Kreatinin- konzentration zu berücksichtigen (Tabelle 1).

Kreatininmessung Interferenz/Störanfälligkeit Effekt Bilirubin (> 120 µmol/l) falsch-niedrige Werte

Jaffé-Methode:

Allgemein

Hämolyse

Glucose, Fructose (hohe Konzentrationen) Ketonkörper Ascorbinsäure

einige Cephalosporine Fluocytosin

falsch-hohe Werte

Jaffé-Methode:

Endpunkt

Interferenzen geringer

ausgeprägt durch vorangehende Enteiweißung

Jaffé-Methode:

kinetisch

Temperatur und pH-Werte müssen konstant bleiben

Bilirubin (> 120 µmol/l) falsch niedrig Enzymatischer

PAP-Farbtest

Glucose (hohe Konzentration) Metamizol (in hoher Dosis) Ascorbinsäure (in hoher Dosis) α-Metyhldopa (in hoher Dosis)

falsch-hohe Werte

Bilirubin (> 200 µmol/l) falsch-niedrige Werte Enzymatischer

UV-Test

Glucose Aminosäuren Ammoniak

falsch-hohe Werte

Tabelle 1: Störfaktoren verschiedener Kreatininbestimmungsmethoden nach L. Thomas13.

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Um valide Werte der absoluten Kreatininkonzentration zu erhalten, sollten die Messungen enzymatisch mit der Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC) oder als „wahres Kreatinin“ erfolgen. In der Literatur und in der klinischen Praxis werden v.a. aus Kostengründen häufig noch modifizierte Jaffé-Reaktionen verwendet. Die unterschiedliche Spezifität der gebräuchlichen Kreatininbestimmungsmethoden erschwert den Vergleich von Kreatininbefunden verschiedener Laboratorien und schränkt die Verwendbarkeit kreatinin-basierter Prädiktionsformeln wie der MDRD- Formel stark ein35.

Kleinmolekulare Eiweiße

Neben den zuvor beschriebenen Substanzen kommen auch Proteine mit niedrigem Molekulargewicht, sog. Low-molecular-weight (LMW) Proteine, als potentielle Marker der exkretorischen Nierenfunktion in Frage. Kleinmolekulare Eiweiße wie Wachstumshormon, Insulin, Parathormon, Lysozym, Retinol-bindendes-Protein, Faktor D des Komplementsystems und α-1-Mikroglobulin werden fast ausschließlich über die Nieren ausgeschieden36,37. Diese Substanzen eignen sich jedoch im Allgemeinen nicht als Nierenfunktionsparameter, da ihre Serumkonzentration primär durch Veränderung der Syntheserate reguliert wird. Dies gilt vor allem für die metabolische Kontrolle des Glucose- und des Calciumstoffwechsels durch Insulin bzw. Parathormon. Auch für Retinol-bindendes-Protein, Faktor D und α-1-Mikroglobulin fand sich keine zufriedenstellende Korrelation zwischen ihrer Serumkonzentration und der gemessenen mittels 51Cr-EDTA-Clearance bestimmten GFR38,39.

Als weiteres LMW-Protein ist β-2-Mikroglobulin auf seine Eignung als Nierenfunktionsparameter hin untersucht worden. Es besteht aus 100 Aminosäuren, sein Molekulargewicht beträgt 11,8 kDa. Im Serum kommt es in freier Form und in geringem Maße proteingebunden vor40. Wie alle kleinmolekularen Moleküle wird es weitgehend frei glomerulär filtriert, proximal-tubulär durch Endozytose resorbiert und katabolisiert41. β-2-Mikroglobulin entstammt der schweren Kette des HLA-Antigens und wird in Lymphozyten gebildet. Schon bei geringer Einschränkung der GFR auf

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Werte unter 80 ml/min/1,73 m2 fanden sich beim Kind erhöhte Konzentrationen von β- 2-Mikroglobulin42,43. Allerdings fanden sich auch bei Stimulation des lymphatischen Systems, wie bei viralen Infekten, Autoimmunerkrankungen, bei Abstoßungsreaktionen nach Transplantation oder bei lymphoproliferativen Tumoren, erhöhte β-2- Mikroglobulin-Konzentrationen im Serum40,44. Eine hochdosierte Corticosteroid- behandlung hingegen vermindert die β-2-Mikroglobulinkonzerntration im Serum45. Aufgrund dieser Charakteristika ist β-2-Mikroglobulin für den Einsatz als Parameter der exkretorischen Nierenfunktion nur eingeschränkt verwendbar.

Das kationische kleinmolekulare Eiweiß Cystatin C wurde erstmals 1985 von Grubb et al. als möglicher Nierenfunktionsparameter erkannt38,46. In seinem ersten Bericht war die Korrelation der Serumkonzentration von Cystatin C mit der durch 51Cr-EDTA- Clearance bestimmten GFR mit r = 0,77 der von Kreatinin (r = 0,75) vergleichbar38, die Serumkonzentrationen beider Substanzen korrelierten auch in weiteren Untersuchungen deutlich besser mit der gemessenen GFR als die Serumkonzentration von Faktor D (r = 0,69) oder von β-2-Mikroglobulin (r = 0,59)39. Mit der Verbesserung der Messmethodik wurde Cystatin C Mitte der 90er Jahre für eine breite klinische Anwendung zugänglich, so dass Cystatin C intensiv als Nierenfunktionsparameter untersucht werden konnte (Abbildung 2).

(19)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110

1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Abbildung 2: Publikationen über Cystatin C zwischen 1985 und 2005. Angabe der jährlich in Medline erfassten Publikationen, die mit dem Suchwort „Cystatin C“ und „Cystatin C and renal function“ identifizert wurden. Starke Zunahme v.a. klinischer Publikationen seit 1994.

Anzahl n

Cystatin C als Nierenfunktions- parameter Cystatin C Biochemie / Physiologie

Jahrgang

(20)

Cystatin C Physiologie

Erstmals 1957 wurde Cystatin C - in früheren Publikationen γ-CSF, γ-trace, Post-γ- Protein oder Post-γ-Globulin genannt- als Hemmstoff der Cystein-Proteinase Kathepsin B im Homogenat der Rattenleber beschrieben47. In der Elektrophorese fand es sich jenseits der Gamma-Bande als schmales Band, was zu der Bezeichnung „Post-γ- Protein“ führte. Der Begriff „Cystatin C“ wurde von A.J. Barrett, E. Davies und A.

Grubb geprägt, die den Proteinaseinhibitor im Hühnereiweiß charakterisiert hatten48, und setzte sich im Verlauf in der Literatur durch49,50.

Cystatin C gehört mit den weiteren bislang bekannten Cystatinen A, B, S, SD und SU wie auch z.B. Kininogen zur „Cystatin-Superfamily“, einer Gruppe von Proteinase- Inhibitoren, die Mitte der 80er Jahre eingehend klassifiziert wurden (Tabelle 2)51,52,53,54. Das Cystatin C-Molekül ist ein nicht glykosyliertes kationisches Polypeptid aus 120 Aminosäuren mit einer Molekülmasse von 13.359 Dalton (isoelektrischer Punkt 9,3)55. Es ist ein einkettiges Molekül mit zwei Disulfidbrücken zwischen den Cystein- Molekülen an Position 71 und 81 sowie zwischen Position 95 und 115. Die Molekülgröße wurde mit 45 Ångström längst und 30 Ångström quer bestimmt, der Stokes Radius misst 16 Ångström56.

(21)

Abbildung 3: Aminosäurensequenz des Cystatin C-Moleküls mit den beiden Disulfidbrücken zwischen den Aminosäuren C 71 und C 81 sowie C 95 und C 115 (Doppellinien);

Wasserstoffbindungen sind als gepunktete Linien dargestellt (nach Bode56).

Abbildung 4: Tertiärstuktur des Cystatin C Moleküls.

(22)

Das Gen für Cystatin C ist auf Chromosom 20p11.2 lokalisiert, die Nukleotidsequenz ist bekannt. Cystatin C ist phylogenetisch weitgehend konserviert, das humane Cystatin C Gen weist eine 71 bzw. 73 prozentige Homologie zum Cystatin von Maus und Ratte auf57. Die Promotorregion am 5'-Ende weist Merkmale von Genen des „Housekeeping Type“ auf, die keiner kurzfristigen Regulation unterliegen. So finden sich dort sogenannte HTF Islands mit einem hohen Anteil an Cytosin und Guanin58. Die Region weist Bindungsstellen für den Transkriptionsfaktor Sp 1 auf, regulatorische Elemente wie eine CAAT- oder TATA-Box finden sich hingegen nicht59. Aus diesen Gründen wird die Produktion von Cystatin C als konstant angesehen.

Familie I (=Stefine) (intrazellulär)

Familie II (extrazellulär)

Familie III (intravaskulär)

Cystatin A Cystatin C Niedermol. Kininogen

Cystatin B Cystatin D Hochmol. Kininogen

Cystatin E Cystatin G

Cystatin F (Leukocystatin) Cystatin S (Speichel) Cystatin SN (Speichel) Cystatin SA (Speichel)

Tabelle 2: Die Cystatin-Superfamilie: Cystatine der Familie 1 sind intrazelluläre Proteine aus 100 Aminosäuren ohne Disulfidbindungen mit einem Molekulargewicht um 11.000 Dalton.

Cystatine der Familie 2 weisen Disulfidbrücken auf, bei einem Molekulargewicht von 13.000 bis 14.000 Dalton. Nachweis in allen untersuchten Körperflüssigkeiten und Geweben. Cystatine der Familie 3 umfassen hoch- und niedermolekulare Kininogene mit einem Molekulargewicht von 68.000 bis 120.000 Dalton. Zur Cystatin-Superfamilie zählen auch die Vorstufen vasoaktiver Kinine wie Bradykinin und Kallidin. Diese wirken wie die übrigen Cystatine als Hemmstoffe cysteinhaltiger Proteinasen.

(23)

Cystatin C wird in allen kernhaltigen Zellen des Körpers synthetisiert, Cystatin C- mRNA wurde in unterschiedlicher Konzentration in allen Geweben bei Mensch und Tier nachgewiesen60,61. Die höchsten Cystatin C-Konzentrationen beim Menschen fanden sich in Ejakulat (49 mg/l) und Liquor (7,2 mg/l)62.

Cystatin C ist der potenteste Inhibitor der Cystein-Proteinasen Kathepsin B, H, L und S in vivo sowie von Papain in vitro. Im Gegensatz zu den Cystatinen A und B, die intrazellulär wirken, wird Cystatin C in den Extrazellularraum abgegeben und gelangt so in den Blutkreislauf63. Die Interaktion zwischen Hühner-Cystatin C und Papain als Beispiel für eine Cystein-Proteinase ist ausführlich untersucht. Bei der Reaktion kommt es zu einer äquimolaren Komplexbildung, in der sich die Haarnadelschleifen des Cystatin C-Moleküls (Abbildung 3 und Abbildung 4) mit dem N-terminalen Ende (Gly-9, Ala 10) an das aktive Zentrum des Papainmoleküls legen, ohne dass diese Region des Cystatin C-Moleküls selbst aufgrund ihrer Konformation und der Distanz zum reaktiven Zentrum der Papainmoleküls (Cys-25) angegriffen werden kann56,61. Diese Befunde sind auf die Reaktion von humanem Cystatin C mit Proteinasen übertragbar64,65.

Eine Funktion des Cystatin C besteht darin, den Organismus vor der proteolytischen Wirkung extrazellulär wirkender Cystein-Proteinasen z.B. aus zerstörten Körperzellen oder Tumorzellen zu schützen66. Sokol und Schiemann haben 2004 nachweisen können, dass Cystatin C Tumorwachstum und Metastasierung durch direkte Antagonisierung des das Tumorwachstum stimulierenden Transforming-Growth-Factor-ß an Rezeptoren der Zelloberfläche hemmt, sowie das kathepsin-abhängige invasive Wachstum von Fibrosarkomen inhibiert67. In derselben Arbeit wurde eine bis zu 50 Prozent reduzierte Expression von Cystatin C mRNA in humanen Tumorzellen (Magen, Uterus, Colon und Niere) gefunden. In Zellkulturen von humanen Fibrosarkomen (HT1080) mit schneller Tumorreplikation und hoher Metastasierungsrate, die relativ große Mengen Kathepsin B sezernieren und nur geringe Mengen Cystatin C synthetisieren, vermochte eine Steigerung der Cystatin C-Produktion die Invasion in eine Testmatrix, als Modell des invasiven Tumorwachstums und der Metastasierung, zu hemmen67.

Weitere Beispiele für die Funktion von Cystatin C sind der Schutz von Spermien (höchste Cystatin C-Konzentration im Ejakulat)68, die Hemmung einer Virus- Replikation (z.B. Herpes Simplex Virus)69 und die Hemmung von aus Osteoklasten

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freigesetzten proteolytischen Enzymen in den Knochenlamellen70. Anders als ß-2- Mikroglobulin ist Cystatin C jedoch kein akute-Phase-Protein71.

Cystatin C als Nierenfunktionsparameter

Aufgrund seiner Größe und Ladung wird Cystatin C renal annähernd frei filtriert. Der glomeruläre Siebungskoeffizient für humanes Cystatin C wurde an der isoliert perfundierten Rattenniere, deren tubuläre Funktionen durch Glutaraldehydfixierung ausgeschaltet worden waren, mit 0,84 bestimmt72. Dies entspricht dem Ergebnis der Untersuchungen von Tenstad et al. an Ratten in vivo, wo die Elimination von radioaktiv markiertem Cystatin C eng mit den Ergebnissen einer 51Cr-EDTA Clearance (Ccys = 0,94 * CCr-EDTA, r = 0,99) korrelierte73. Bei bilateral nephrektomierten Ratten wurde die extrarenale Elimination mit 15% bestimmt. In derselben Publikation wurde gezeigt, dass glomerulär filtriertes Cystatin C fast vollständig im proximalen Tubulus resorbiert und katabolisiert wird. Bei intakter Tubulusfunktion findet sich deshalb nur ein sehr geringer Teil des glomerulär filtrierten Cystatin C im Urin. Die Berechnung der GFR als „Cystatin C-Clearance“ in Analogie zur Kreatinin-Clearance ist aus diesem Grund nicht möglich. Wie bei anderen niedrig-molekularen Proteinen deuten erhöhte Urinkonzentrationen auf einen tubulären Defekt hin41,74,75. Da chronische Nephropathien, auch primär glomerulärer Genese, zu einer tubulo-interstitiellen Schädigung führen, haben einzelne Autoren eine erhöhte Cystatin C-Ausscheidung im Urin als Marker für eine verminderte GFR beschrieben76. Dies ist jedoch kein zuverlässiger Parameter der GFR, da unter isolierten Tubulopathien, wie auch beim nephrotischen Syndrom, eine tubuläre „Überlauf“-Proteinurie aufgrund der Erschöpfung der tubulären Absorptionsmechanismen auftritt77,78.

Im Gegensatz zum Plasma wird Cystatin C im Urin rasch proteolytisch abgebaut, so dass nach Angaben der Arbeitsgruppe um Grubb der Urin unmittelbar nach der Gewinnung mit Proteinaseinhibitoren konserviert werden muss79. Als Marker einer tubulären Proteinurie werden daher gegenwärtig andere Proteine, wie das ohne Konservierung stabile α-1-Mikroglobulin, bevorzugt. Neuere Arbeiten von Herget- Rosenthal et al. deuten jedoch darauf hin, dass Cystatin C im Urin auch ohne Konservierung als tubulärer Funktionsparameter verwendet werden kann und anderen

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Markern in der Abschätzung der Schwere eines akuten Nierenversagens sogar überlegen ist80.

Als endogener Marker der exkretorischen Nierenfunktion ist Cystatin C in den letzten Jahren ausführlich untersucht worden. Erste Metaanalysen von mehr als 20 Publikationen konnten zeigen, dass Cystatin C eine bessere Korrelation mit der durch Gold-Standard-Methoden gemessenen GFR als Kreatinin aufweist, und dass gering erhöhte Cystatin C-Konzentrationen eine beginnende Niereninsuffizienz mit höherer Sensitivität und Spezifität als Kreatinin anzeigen81,82.

Messmethoden

Die ersten quantitativen Messungen von Cystatin C erfolgten mit radialer Immundiffusion. Anfang der 80er Jahre standen mit Enzym- und Radioimmunoassays (ELISA und RIA) Nachweismethoden mit sehr hoher Empfindlichkeit (Nachweisgrenze 1 µg/l) und ausreichender Präzision (Variationskoeffizient 5-10 %) zur Verfügung83. Der Untersuchungsaufwand war zu groß und die Zeit bis zum Vorliegen eines Ergebnisses zu lang, um Cystatin C in einem klinischen Umfeld einsetzen zu können.

Dies änderte sich 1994 mit der Entwicklung partikel-verstärkter immunturbidi- metrischer (PETIA - Particle Enhanced Turbidimetric Immunoassay) und immun- nephelometrischer (PENIA - Particle Enhanced Nephelometric ImmunoAssay) Methoden. Nach Einführung dieser automatisierten Verfahren waren Cystatin C-Werte in kurzer Zeit verfügbar84,85.

Bei beiden Verfahren werden polyklonale, im Kaninchen erzeugte Antikörper gegen humanes Cystatin C mit Patientenserum inkubiert. In Abhängigkeit von der Cystatin C- Konzentration kommt es zur Aggregation der Partikel, was eine Trübung der Probe zu Folge hat. Im Testansatz ist eine definierte Antikörpermenge im Überschuss enthalten.

Die Trübung der Lösung nach einer definierten Zeit bei bestehendem Antikörper- überschuss ist ein Maß für die Cystatin C Konzentration in der untersuchten Probe. Zur Verstärkung des Messsignals (verstärkte Änderung eines durch die Probe laufenden Lichtsignals) werden antikörperbeschichtete Latex- oder synthetische Partikel verwendet. Bei der Immunturbidimetrie wird die Abschwächung der Intensität eines durch die Probe laufenden Lichtstrahls durch die aggregierten Cystatin C- Partikel-

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Komplexe bei 340 nm Wellenlänge gemessen, bei der Immunnephelometrie wird die Streuung eines in die Probe laufenden Lichtstrahls nach Aggregation des Cystatin C im Patientenserum mit den antikörperbeschichteten Partikeln bei 840 nm Wellenlänge gemessen (Abbildung 5a und 5b). Die detektierte Lichtmenge ist der Cystatin C- Konzentration in der Probe bei der immunnephelometrischen Messung proportional, während beim immunturbidimetrischen Verfahren das Gegenteil der Fall ist86.

a: PETIA

b: PENIA

Lichtquelle Detektor

Lichtquelle

De et kt or Lichtquelle

De et kt or Detektor

Lichtquelle

Abbildung 5: Messprinzip moderner Cystatin C-Assays. Nach Inkubation der mit polyklonalen Antikörpern gegen Cystatin C beschichteten Partikel kommt es zur Aggregation. Die Cystatin C- Konzentration in der Probe wird durch Abschwächung (Immunturbidimetrie PETIA, Abb. 4 a) bzw. die Streuung des durch die Lösung laufenden Lichtstrahles (Immunnephelometrie PENIA, Abb. 4 b) bei definierter Wellenlänge des Lichtes gemessen.

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Für beide Verfahren stehen kommerziell erhältliche Assays für die Messung an Großgeräten der Klinischen Chemie zur Verfügung (PETIA: Cystatin C PET Kit, Fa.

DAKO, Hamburg; PENIA: N Latex Cystatin C, Fa. Dade-Behring, Marburg). Die Messergebnisse liegen wenige Minuten nach Analysebeginn vor. Beide Methoden weisen eine ausreichende Sensitivität (untere Nachweisgrenze zwischen 0,25 und 0,4 mg/l) und Präzision (Variationskoeffizient 2 bis 5%) bei kleinen Probenvolumina (turbidimetrisch 10-15 µl, nephelometrisch 80-100µl) auf, die eine breite klinische Anwendung zulassen. Der Personal- und Zeitaufwand ist gering, da die Messungen an Laborautomaten erfolgen. Im Ablauf der Messungen und dem erforderlichen Personalaufwand sind Immunturbidimetrie und Immunnephelometrie mit gängigen Bestimmungen der klinischen Chemie wie der Leberenzyme oder des Serum-Kreatinins vergleichbar, die Sachkosten sind jedoch deutlich höher (ca. € 2,- bis €3,- pro Messung).

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Fragestellung

Mit Entwicklung eines klinisch-chemisch robusten, in der Routine der klinischen Praxis einsetzbaren Assays für Cystatin C bestand das Problem, dass zwar erste Referenzwerte für Erwachsene publiziert, für das Kindesalter jedoch keine Referenzwerte bekannt waren.

Ziel der vorliegenden Arbeit war daher, den Referenzbereich der Cystatin C- Konzentration im Kindesalter unter Berücksichtigung der Empfehlungen der International Federation of Clinical Chemistry (IFCC) zu ermitteln. Darüber hinaus wurde der Einfluss von Alter und Geschlecht, Körpergröße und -gewicht sowie nicht-renaler Erkrankungen auf die Cystatin C-Konzentration im Serum untersucht und mit den Kreatininkonzentrationen im Serum in unterschiedlichen Altersbereichen und geschlechtsspezifisch verglichen.

(29)

Material und Methoden

Probengewinnung

Die Konzentration von Cystatin C und Kreatinin wurde in Serumresten von Routineblutentnahmen gemessen, die in der Kinderklinik der MHH und in der Kinderklinik Rothenburg/Wümme (CA Dr. M. Scharnetzky) entnommen wurden. Bei allen Kindern wurden Diagnose und der Tag der Blutentnahme, eine eventuelle Medikation, Geburtsdatum, Größe und Gewicht auf einem gesonderten Anforderungsbogen erfasst (s. Anhang), der mit der Blutprobe an das Zentrallabor am Institut für Klinische Chemie der MHH geschickt wurde. Diese Vorgehensweise war von der Ethikkommission der MHH genehmigt worden (der vollständige Antrag findet sich im Anhang).

Die Eltern gaben vor der Untersuchung ihr schriftliches Einverständnis zur Bestimmung von Cystatin C und Kreatinin im Restserum (eine vollständige Darstellung des Einwilligungsformulars findet sich im Anhang).

Die Blutentnahmen erfolgten venös in Serummonovetten (Saerstedt, Nümbrecht), die Kinder waren nicht obligat nüchtern. Die Proben wurden binnen einer Stunde bei Zimmertemperatur verarbeitet. Nach Zentrifugation für 10 Minuten bei 3000 U/min (500g) wurde das Serum zur weiteren Diagnostik abpipettiert. Nachdem die vom behandelnden Arzt angeforderten Untersuchungen durchgeführt waren wurde das verbleibende Serum bis zu 5 Tage bei 4° C verwahrt, um Nachbestimmungen aus der anfordernden Klinik zu ermöglichen. Falls nach 5 Tagen noch ausreichend Serum vorhanden war, wurde im Rahmen der Studie die Cystatin C- und Kreatinin- Konzentration bestimmt, die Ergebnisse auf dem Erfassungsbogen vermerkt und an den Studienleiter übermittelt.

Cystatin C im Serum ist bei -18º C über Monate lagerungsstabil79. Wiederholte Messungen im Labor der MHH über 3 Monate in wöchentlichen Abständen zeigten bei entsprechend gelagerten Proben keine systematische Messwertveränderung.

(30)

Probanden

Einschluss- und Ausschlusskriterien

In die Untersuchung wurden pädiatrische Patienten vom ersten Lebenstag bis zum 18.

Lebensjahr eingeschlossen.

Weitere Einschlusskriterien waren:

- geplante Blutentnahmen aus medizinischer Indikation

- Einwilligung der Eltern, bei Kindern über 12 Jahren auch der Kinder

Ausschlusskriterien waren:

- anamnestisch bekannte Beeinträchtigung der Nierenfunktion

- aufgrund der Grunderkrankung nicht auszuschliessende Störung der Nierenfunktion (Gastroenteritis, Dehydratation, mögliche Sepsis) - jegliche potentiell nephrotoxische Medikation

- jegliche urologische oder nephrologische Grunderkrankung (Ausnahme unkomplizierte Phimose als kleinerer chirurgischer Eingriff)

In die Untersuchung konnten 274 Kinder eingeschlossen werden, 101 Mädchen und 173 Jungen. Das Alter der Probanden lag zwischen dem ersten Lebenstag und 17,58 Jahren, im Mittel bei 6,27 ± 5,23 Jahren (± Standardabweichung, Median 5,93 Jahre). 73 Kinder waren jünger als ein Jahr, davon 49 Jungen und 24 Mädchen (Abbildung 6). Die Körpergröße betrug im Mittel 109 ± 39,2 cm (Median 115 cm), das Körpergewicht 26,5

± 19,5 kg (Median 22,0 kg).

(31)

Alter in Jahren

18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

Anzahl n

50

40

30

20

10

0

weiblich männlich

Abbildung 6: Alters- und Geschlechtsverteilung der Probanden gruppiert nach Lebensjahren.

Lebenswochen

42 38 34 30 26 22 18 14 10 6 1

Anzahl n

20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0

weiblich männlich

Abbildung 7: Alters- und Geschlechtsverteilung der Probanden im ersten Lebensjahr.

(32)

Den Probanden wurde im Rahmen kleiner kinderchirurgischer Eingriffe, zum Ausschluss einer Erkrankung oder zur Diagnostik und Therapieüberwachung extrarenaler Krankheiten ohne potentielle Beeinträchtigung der Nierenfunktion Blut entnommen. Junge Säuglinge befanden sich postpartal zur Beobachtung oder Behandlung von Hypoglykämien oder Hyperbilirubinämien in neonatologischer Betreuung.

Das Diagnosespektrum der gesamten der Untersuchung zugrunde liegenden Population ist in Tabelle 3 dargestellt. Kinder mit endokrinologischen Dysfunktionen befanden sich unter Substitutionstherapie. Einbezogen wurden ausschliesslich Erkrankungen mit Unterfunktionen, die durch Substitution ausgeglichen waren (Adrenogenitales Syndrom, Hypothyreose und Wachstumshormonmangel). Patienten mit Phenylketonurie erhielten eine phenylalaninarme Diät. Potentiell akut vital beeinträchtigte Kinder wurden in diese Untersuchung nicht mit einbezogen.

(33)

Diagnosegruppe Abkürzung

Gesamtanzahl, davon (n) im ersten Lebensjahr

Anteil der Gesamtgruppe

Adrenogenitales Syndrom AGS 8 (0) 2,9 %

Keine erkennbare Erkrankung G 58 (31) 21,2 %

Kleine chirurgische Eingriffe Gop 67 (12) 24,5 %

Endokrinologische Diagnostik,

unauffälliges Ergebnis Ge 30 (0) 10,9 %

Hyperbilirubinämie HB 21 (21) 7,7 %

Hypothyreose HT 11 (0) 4 %

Phenylketonurie PKU 27 (3) 9,9 %

Wachstumshormonmangel STH 33(1) 12 %

Anderweitig nicht zu

klassifizieren GKO 19 (5) 6,9 %

Gesamt (1. Lebensjahr) 274 (73) 100 (26,6)

Tabelle 3: Diagnosespektrum der Referenzpopulation,

Angabe der in der Arbeit verwendeten Abkürzungen für die einzelnen Diagnosegruppen mit der jeweiligen Patientenzahl sowie der relativen Häufigkeit. In Klammern die jeweiligen Angaben für das erste Lebensjahr.

Im Gesamtkollektiv waren am häufigsten Probanden vertreten, die sich kleineren chirurgischen Eingriffen (Gop) unterziehen mußten und Probanden bei denen zum Ausschluss einer Erkrankung (Keine erkennbare Erkrankung- G) eine Blutentnahme durchgeführt worden war. Sie umfassten annähernd die Hälfte aller Probanden (125 von 274, entsprechend 45,7%). In der Gruppe der Probanden mit kleineren chirurgischen Eingriffen fällt eine deutliche Knabenwendigkeit auf (53 Jungen 14 Mädchen). Diese ist

(34)

durch knabentypische Probleme wie Maldeszensus testis (n = 8), Hydrocele/Leistenhernie (n = 26) und sowie Phimose (n = 12) bedingt. Bei den übrigen Diagnosegruppen lag ebenfalls keine homogene Geschlechterverteilung vor, die unterschiedlichen Anteile der Geschlechter in den Diagnosegruppen waren geringer ausgeprägt (Tabelle 4). Die graphische dargestellte Geschlechterverteilung in den jeweiligen Diagnosegruppen findet sich in Abbildung 8.

STH PKU HT HB Gop GKO Ge G AGS

Anzahl n

60

50

40

30

20

10

0

weiblich männlich

Abbildung 8: Geschlechtsverteilung in den Diagnosegruppen,

AGS – Adrenogenitales Syndrom, G – keine erkennbare Erkrankung, Ge – endokrinologische Diagnostik (unauffällig), GKO – anderweitig nicht zu klassifizieren, Gop – kleinere chirurgische Eingriffe, HB – Hyperbilirubinämie, HT – Hypothyreose, PKU – Phenylketonurie, STH – Wachstumshormonmangel.

(35)

Diagnosegruppe weiblich männlich gesamt

Anzahl 5 3 8

% der Diagnosen 62,5% 37,5% 100,0%

AGS

% der Gesamtzahl 1,8% 1,1% 2,9%

Anzahl 25 33 58

% der Diagnosen 43,1% 56,9% 100,0%

G

% der Gesamtzahl 9,1% 12,0% 21,2%

Anzahl 16 14 30

% der Diagnosen 53,3% 46,7% 100,0%

Ge

% der Gesamtzahl 5,8% 5,1% 10,9%

Anzahl 6 13 19

% der Diagnosen 31,6% 68,4% 100,0%

GKO

% der Gesamtzahl 2,2% 4,7% 6,9%

Anzahl 14 53 67

% der Diagnosen 20,9% 79,1% 100,0%

Gop

% der Gesamtzahl 5,1% 19,3% 24,5%

Anzahl 8 13 21

% der Diagnosen 38,1% 61,9% 100,0%

HB

% der Gesamtzahl 2,9% 4,7% 7,7%

Anzahl 3 8 11

% der Diagnosen 27,3% 72,7% 100,0%

HT

% der Gesamtzahl 1,1% 2,9% 4,0%

Anzahl 13 14 27

% der Diagnosen 48,1% 51,9% 100,0%

PKU

% der Gesamtzahl 4,7% 5,1% 9,9%

Anzahl 10 23 33

% der Diagnosen 30,3% 69,7% 100,0%

STH

% der Gesamtzahl 3,6% 8,4% 12,0%

Anzahl 100 174 274

% der Diagnosen 36,5% 63,5% 100,0%

Gesamt

% der Gesamtzahl 36,5% 63,5% 100,0%

Tabelle 4: Übersicht der Geschlechterverteilung in den Diagnosegruppen in Prozenten.

(36)

Cystatin C- und Kreatinin-Messungen

Die Cystatin C-Konzentration wurde immunturbidimetrisch mit dem Cystatin C PET Kit der Fa. DAKO, Hamburg bestimmt. Das zugrundeliegende Messverfahren wurde im Kapitel Messmethoden (Seite 21) ausführlich dargestellt. Die vom Hersteller angegebene Nachweisgrenze für Cystatin C beträgt 0,4 mg/l. Die Bestimmung erfolgte an einem Autoanalyser Typ Hitachi 717 (Roche Diagnostik, Mannheim). Die Messung der Cystatin C-Konzentration im Serum wurde bei einer Probentemperatur von 37° C im linearen Anteil der Kalibrationskurve (Messbereich 0,4 bis 14 mg/l) nach 240 Sekunden durchgeführt. Die Dauer einer Messung vom Start bis zur Ausgabe des Ergebnisses beträgt 7 Minuten.

In allen Proben wurde parallel am selben Gerät die Kreatininkonzentration im Serum enzymatisch bestimmt (PAP-Assay, Roche Diagnostik, Mannheim). Bei der enzymatischen Bestimmung wird Serumkreatinin durch das hoch spezifische Enzym Kreatininkinase umgesetzt. Im ersten Reaktionsschritt wird Kreatinin mit H2O durch das Enzym Kreatininase zu Kreatin hydrolysiert. Im zweiten Schritt wir das entstandene Kreatin mit H2O durch das Enzym Kreatinase in Sarcosin und Harnstoff überführt. Das Sarcosin wird im nächsten Reaktionsschritt mit H2O und O2 durch das Enzym Sarcosinoxidase abgebaut, wodurch am Ende der Reaktionskette abhängig von der Kreatinkonzentration Glycin, HCOH und H2O2 gebildet werden. Durch Reaktion des entstandenen H2O2 mit der Indikatorsubstanz Phenol-Aminophenazon (PAP-Reaktion) entsteht ein roter Farbstoff, dessen Absorption bei 546 nm Wellenlänge13.

Die Vorbehandlung der Proben für beide Untersuchungen ist identisch, die Messung der Cystatin C- und der Kreatinin-Konzentration erfolgt in für Autoanalysatoren geeigneten Küvetten gegen eine Leerprobe. Die Präzision der Messungen von Cystatin C und Kreatinin im Serum, sowohl bei serieller Messung als auch bei Messung von Tag-zu- Tag über 3 Wochen, sind in (Tabelle 5) dargestellt.

(37)

seriell Kreatinin (µmol/l) seriell Cystatin C (mg/l)

Mittel SD VK (%) n Mittel SD VK (%) N

13,8 0,45 3,2 5 0,97 0,06 6,2 5

77,2 0,84 1,1 5 1,76 0,037 2,1 5

534 7,5 1,4 5 5,11 0,124 2,4 5

von Tag-zu Tag Kreatinin (µmol/l) von Tag-zu Tag Cystatin C (mg/l)

Mittel SD VK (%) n Mittel SD VK (%) N

13,7 0,48 3,5* 21 0,97 0,054 5,5* 21

79,1 1,3 1,6** 21 1,70 0,080 4,7** 21

540 6,4 1,2 21 5,28 0,065 1,2 21

Tabelle 5: Variabilität der Cystatin C- und Kreatinin-Bestimmung im Serum. Präzision der Messung in verschiedenen Konzentrationsbereichen, sowohl in Serie als auch von Tag-zu-Tag über 3 Wochen. Vergleich der Variationskoeffizienten (VK) zwischen den Methoden mit dem t-Test für unverbundene Stichproben, bei der seriellen Messung aufgrund des geringen Umfangs keine Angabe eines Signifikanzniveaus; * = p < 0,05, ** = p < 0,001.

Statistische Methoden

Die Erfassung und ein Teil der graphischen Auswertung erfolgte mit dem Tabellenkalkulationsprogramm EXCEL 7.0 für Windows 95 (Microsoft Corporation, Redmond, WA, USA). Die statistische Auswertung und der übrige Teil der graphischen Bearbeitung erfolgte in SPSS (Statistical Packages for the Social Sciences, Version 8.0.0 für Windows, SPSS Incorporation, San Francisco, CA, USA).

Nach vollständiger Datenerfassung wurden die Kinder anonymisiert und aufgrund der Diagnose einzelnen Subgruppen zugeteilt. Innerhalb der Subgruppen wurden die Cystatin C-Werte mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test auf Normalverteilung überprüft87.

(38)

Da die Cystatin C-Konzentrationen bis zum ersten Geburtstag deutlich zurückgingen und jenseits des ersten Lebensjahres konstant blieben, wurden Kinder unter einem und über einem Jahr getrennt ausgewertet. In beiden Gruppen wurde ein Einfluss des Geschlechts mit dem t-Test nach Student für unverbundene Stichproben überprüft87. Bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres wurden die Cystatin C-Mittelwerte in den Diagnosegruppen mit dem Scheffé-Test (ANOVA - Analysis of Variance) verglichen87. Hierbei fanden sich keine signifikanten Unterschiede, so dass die Einzelwerte aus den Subgruppen für die weitere Auswertung zusammengeführt werden konnten.

Das Referenzintervall für Cystatin C wurde aus den Messwerten von insgesamt 201 Kindern im Alter zwischen einem Jahr und 18 Jahren nicht-parametrisch als 2,5te und 97,5te Perzentile ermittelt88. Zweiseitige Konfidenzintervalle auf dem 90%-Niveau wurden anschließend ebenfalls nicht-parametrisch bestimmt89. Doppelmessungen einzelner Probanden wurden von der Auswertung ausgeschlossen.

Im ersten Lebensjahr wurden die insgesamt 73 Kinder in vier Altersgruppen eingeteilt, innerhalb derer die Cystatin C-Konzentration in etwa konstant blieb. Angesichts der kleinen Gruppengröße wurde die Cystatin C-Konzentration hier als Median mit Minimum, 25. und 75. Perzentile und Maximum angegeben.

(39)

Ergebnisse

Serumkonzentration von Cystatin C und Kreatinin in Abhängigkeit vom Lebensalter

Sowohl für die Cystatin C- als auch die Kreatinin-Konzentration fanden sich ausgeprägte Veränderungen im ersten Lebensjahr (Abbildung 9 und Abbildung 10).

Beide Parameter wiesen ein Maximum in den ersten Lebenstagen auf und gingen in den folgenden Wochen auf niedrigere Werte zurück (Abbildung 11 und Abbildung 12).

Jenseits des ersten Lebensjahres stabilisierten sich die Cystatin C-Konzentrationen zwischen 0,7 und 1,4 mg/l (Abbildung 9), während die Kreatininkonzentration bis zum 18. Geburtstag anstieg und jenseits der Pubertät zunehmend stärker streute (Abbildung 10). Aufgrund dieses Befundes erfolgte die Analyse der Cystatin C-Daten getrennt für Kinder über und unter einem Jahr.

Der beobachtete Rückgang der Cystatin C-Konzentration bis zum Ende des ersten Lebensjahres folgte der physiologischen Ausreifung der Nierenfunktion. Bei semilogarithmischer Auftragung der Cystatin C-Konzentration gegen das Lebensalter fand sich ein linearer Abfall mit dem Alter im ersten Lebensjahr (Abbildung 13), der der Entwicklung der GFR (als 1/GFR aufgetragen) parallel ging.

(40)

A lte r in J a h re n 2,8

2,4 2,0 1,6 1,2 0,8

0,4 m ä n n lic h

w e ib lic h 0,0

1 7 16 15 1 4 13 12 11 1 0 9 8 7 6 5 4 3 2 1

20 19 18

Abbildung 9: Altersverteilung der Cystatin C-Konzentration nach Geschlecht getrennt. Der im Rahmen der vorliegenden Arbeit ermittelte Referenzbereich für Kinder jenseits des 1.

Lebensjahres ist zur Orientierung grau unterlegt.

Alter in Jahren 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0

Kreatinin im µmol/l 100

80

60

40

20

0

männlich weiblich

Abbildung 10: Altersverteilung der Kreatininkonzentration nach Geschlecht getrennt.

(41)

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00

0 50 100 150 200 250 300 350

Alter in Tagen

Cystatin C in mg/l

Abbildung 11: Altersverteilung der Cystatin C-Konzentration im ersten Lebensjahr.

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

0 50 100 150 200 250 300 350

Kreatinin in µmol/l

Alter in Tagen

Abbildung 12: Altersverteilung der Kreatininkonzentration im ersten Lebensjahr.

(42)

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50

1 10 100 1000

Alter in Tagen

0,04 0,05

0,03

0,02

0,01 0

Abbildung 13: Cystatin C-Konzentration und Entwicklung der GFR im ersten Lebensjahr.

Semilogarithmische Darstellung über das Alter (in Tagen) mit Darstellung der Regression zwischen Cystatin C-Konzentration und Lebensalter (y = -0,1271 Log(x) + 2,1378), R2 = 0,419).

Angesichts der reziproken Beziehung zwischen den Cystatin C-Werten und der GFR gibt die rechte Ordinate das Reziprok der GFR an. Die Entwicklung der GFR im ersten Lebensjahr (nach Heilbron et al.4) ist als 1/GFR in grau im Diagramm hinterlegt.

Einfluss des Geschlechts auf die Cystatin C-Konzentration

Im t-Test für unverbundene Stichproben fand sich kein signifikanter Unterschied der Cystatin C-Konzentrationen zwischen Jungen und Mädchen im ersten Lebensjahr (Jungen 1,85 ± 0,35 mg/l, Mädchen 1,88 ± 0,41 mg/l; p = 0,916).

Auch beim Vergleich der Kinder jenseits des ersten Lebensjahres fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern (Jungen 1,06 ± 0,18 mg/l, Mädchen 1,06 mg/dl ± 0,19 mg/l; p = 0,819).

(43)

Einfluss von Körpergröße und Körpergewicht

Der Einfluss von Körperlänge und -gewicht auf die Konzentration beider Nieren- funktionsparameter wurde für Kinder jenseits des 1. Lebensjahres untersucht. Die Cystatin C-Konzentrationen blieben sowohl mit zunehmender Körperlänge (Abbildung 14) als auch mit zunehmendem Gewicht (Abbildung 15) jenseits des ersten Lebens- jahres konstant. In der schrittweisen Regressionsanalyse (Tabelle 6) zeigte sich keine statistisch signifikante Beziehung zwischen der Cystatin C-Konzentration im Serum und der Körperlänge (r = -0,014, p = 0,423), bzw. dem Körpergewicht (r = 0,037, p = 0,304) oder dem Alter (r = 0,001, p = 0,496).

Für die Kreatininkonzentrationen (Tabelle 7) fand sich in der schrittweisen Regressionsanalyse der (bekannte) signifikante Einfluss der Körperlänge. Körpergröße und Lebensalter waren ohne signifikanten Einfluss auf die Kreatininkonzentrationen in dem untersuchten Patientenkollektiv.

Cystatin C Korrelation nach

Pearson Signifikanz (einseitig)

Körpergröße -0,014 0,423

Körpergewicht 0,037 0,304

Lebensalter 0,001 0,496

n 201

Tabelle 6: Korrelationskoeffizienten nach Pearson in der schrittweisen Regressionsanalyse für die Cystatin C-Konzentrationen bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres.

Kreatinin Korrelation nach

Pearson Signifikanz (einseitig)

Körpergröße 0,754 0,02

Körpergewicht 0,136 0,157

Lebensalter 0,104 0,212

n 201

Tabelle 7: Korrelationskoeffizienten nach Pearson in der schrittweisen Regressionsanalyse für die Kreatininkonzentrationen bei Kinder jenseits des ersten Lebensjahres.

(44)

Körperlänge in cm 200 175

150 125

100 75

50

Cystatin C in mg/l

2,0 1,8 1,6 1,4 1,2 1,0 ,8 ,6 ,4 ,2 0,0

männlich weiblich

Abbildung 14: Cystatin C-Konzentration in Abhängigkeit von der Körperlänge bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres getrennt nach Geschlecht, r2 = 0,0043, p = 0,235 (männlich), r2 = 0,0232, p = 0,096 (weiblich).

(45)

Körpergewicht in kg

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Cystatin C in mg/l

2,0 1,8 1,6 1,4 1,2 1,0 ,8 ,6 ,4 ,2 0,0

männlich weiblich

Abbildung 15: Cystatin C-Konzentration in Abhängigkeit vom Körpergewicht bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres getrennt nach Geschlecht, r2 = 0,0097, p = 0,137 (männlich), r2 = 0,0048, p = 0,277 (weiblich).

(46)

Alter in Jahren

18 16 14 12 10 8 6 4 2 0

Kreatinin in µmol/l

80 70 60 50 40 30 20

10 0

männlich weiblich

Abbildung 16: Kreatininkonzentration in Abhängigkeit vom Alter bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres getrennt nach Geschlecht, r2 = 0,6156, p < 0,001 (männlich), r2 = 0,5068, p < 0,001 (weiblich).

(47)

Körperlänge in cm

200 175

150 125

100 75

50

Kreatinin in µmol/l

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

männlich weiblich

Abbildung 17: Kreatininkonzentration in Abhängigkeit von der Körperlänge bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres getrennt nach Geschlecht, r2 = 0,6094, p < 0,001 (männlich), r2 = 0,484, p < 0,001 (weiblich).

Referenzen

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