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Asthma im Kindesalter

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Academic year: 2022

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In der multizentrischen Aller- giestudie (MAS) wurden die Zusammenhänge relevanter Expositionsfaktoren auf die Entstehung des kindlichen Asthma bronchiale und der natürliche Verlauf allergischer Erkrankungen untersucht.

Ziel war es, auf dieser Basis eine Optimierung der The- rapie- sowie Präventivmass- nahmen zu erreichen.

L A N C E T

Asthma bronchiale gehört aufgrund sei- ner hohen Prävalenz zu den Volkskrank- heiten der westlichen Welt, womit der Erkrankung unter anderem eine erhebli- che sozioökonomische Bedeutung zu- kommt. Wie epidemiologische Untersu- chungen festgestellt haben, hat die Häu- figkeit von Asthma im Kindesalter in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenom- men. In etwa 80 Prozent manifestiert sich die Erkrankung vor dem fünften Le- bensjahr. Die Gründe für das vermehrte Auftreten scheinen eher in veränderten Umweltfaktoren als in genetischen Ver- änderungen zu liegen.

Asthma wird als eine chronisch-ent- zündliche Erkrankung der Bronchial- schleimhaut definiert mit einer erhöhten Empfindlichkeit der Atemwege gegen- über verschiedenartigen Stimuli (Hyper- reagibilität). Zu den potenziellen Trig- gerfaktoren wird immer wieder eine Zunahme der Konzentration der Innen-

raumallergene ins Gespräch gebracht, besonders verdächtigt werden Haus- staub, Milben oder Tierhaare.

Bis heute ist unklar, welche Faktoren be- stimmen, welches Kind zwischen Ge- burt und Schulalter an Asthma bronchi- ale erkrankt und welches nicht. Die Au- toren der vorliegenden multizentrischen Allergiestudie (German Multicentre Al- lergy Study, MAS) untersuchten, welche Assoziation zwischen einer frühen Sen- sibilisierung und einer Allergenexposi- tion in jungen Jahren und der Entwick- lung der Krankheit sowie der Lungen- funktion bei Kindern besteht.

Methodik

In die prospektive Geburtskohortenstu- die wurden im Jahr 1990 1314 Neu- geborene und ihre Familien aus fünf deutschen Städten aufgenommen. Da- von hatten 499 Kinder ein Atopierisiko (= 38%) mit einem Nabelschnur-IgE

≥0,9 kU/l oder es lag eine atopische Er- krankung bei mindestens zwei Fami- lienmitgliedern vor, 815 Kinder hatten kein Atopierisiko (= 62%). Das Follow- up der Kinder fand in den beiden ersten Jahren viertel- bis halbjährlich und ab dem zweiten Lebensjahr jährlich bis zum 13. Lebensjahr statt.

Die Eltern wurden in regelmässigen zeit- lichen Abständen zur Asthmaerkran- kung ihrer Kinder in strukturierten Inter- views befragt oder komplettierten stan- dardisierte Fragebögen der International Study of Asthma and Allergy (ISAAC) zur asthmatischen und allergischen Symptomatik, Ernährung, Entwicklung, zum Verhalten des Kindes sowie zum Wheezing (Giemen, pfeifende Atmung) und zur Medikation.

Die regelmässigen Untersuchungen um- fassten auch Blutentnahmen zur Bestim- mung von spezifischem Serum-IgE gegen

Nahrungsmittel- (Kuhmilch, Eiweiss, Soja, Weizen) und Inhalationsallergene (Haus- staubmilben [Dermatophagoides ptero- nyssinus], Katzen- und Hundeepithelien, Gräser- und Birkenpollen). Ein IgE-Wert über 0,355 kU/l wurde als ein erhöhter Atopierisiko-Faktor für das Kind angese- hen. Im Alter von sieben Jahren unter- zogen sich 645 Kinder auch einer Unter- suchung der Lungenfunktion, und es erfolgte eine Messung der bronchialen Überempfindlichkeit mithilfe der Hist- aminprovokation.

Ergebnisse

Von den 1314 rekrutierten Kindern trat bei 972 (73,9%) eine pfeifende Atmung im Alter (von fünf bis sieben Jahren) und bei 759 (57,8%) im Alter von 13 Jahren auf. Hinsichtlich der Verminderung der Lungenfunktion gab es signifikante Unterschiede zwischen atopischen Kin- dern und nicht atopischen Kindern mit wiederholtem Wheezing vom 7. bis zum 13. Lebensjahr: So zeigte sich, dass Kin- dern mit nicht allergischer rekurrieren- der obstruktiver Bronchitis ihre Sympto- matik während des Schulalters verloren und in der Pubertät ihre normale Lungen- funktion beibehielten (n = 37; 90,2%).

Im Gegensatz dazu neigten atopische Kinder mit pfeifender Atmung während der ersten fünf Lebensjahre, welche eine

Asthma im Kindesalter

Ergebnisse der multizentrischen Allergiestudie

ARS MEDICI 20 2007

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S T U D I E

■ Der Zeitpunkt, an dem die Aller- gie erstmals auftritt, ist offen- bar entscheidend: Entwickelt sich eine allergische Sensibili- sierung in den ersten Lebens- jahren, sind die Würfel für die Entwicklung eines allergischen Asthmas bereits gefallen.

■■

■ Ob ein frühzeitiger Einsatz von Steroiden bei allergieanfälligen Säuglingen und Kleinkindern mit Wheezing die Entwicklung eines Asthmas aufhalten kann, ist bis anhin mangels Studien unklar.

M M M

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Sensibilisierung auf perenniale Inhala- tionsallergene (Hausstaubmilben, Kat- zen- und Hundeepithelien) bis zum Alter von drei Jahren entwickelt hatten, je- doch eher zu persistierendem Asthma in der Puberät mit bereits eingeschränkter Lungenfunktion (n = 41; 56,2%). Je hö- her die Allergenexposition in den ersten drei Lebensjahren war, desto schwerer waren die Asthmasymptomatik und die Verminderung der Lungenfunktions- werte. Eine spätere Sensibilisierung hin- gegen hatte einen geringeren Effekt auf die Lungenfunktion. Im Gegensatz dazu hatte eine frühe Sensibilisierung gegen saisonale Allergene und Nahrungsmittel- allergene keinen eindeutigen Effekt auf die Lungenfunktion im Alter von 7, 10 und 13 Jahren.

Das Statement «das kindliche Asthma verwächst mit der Pubertät» trifft offen- bar nur für die Asthmaform der spasti- schen Bronchitis bei Nichtatopikern zu, welche hauptsächlich durch Virusin- fekte ausgelöst wird. Hingegen persi- stiert das kindliche Asthma bei Atopi- kern mit einer frühen Sensibilisierung auf perenniale Inhalationsallergene (we- niger auf Gräser- und Baumpollen), was neben einer erhöhten bronchialen Hyper- reaktivität auch mit einer eingeschränk- ten Lungenfunktion im Schulalter ein- hergeht.

Diskussion

Das Timing in der Allergiekarriere spielt offenbar eine bedeutende Rolle: Es zeigte sich, dass sich eine allergische Sensibi- lisierung hauptsächlich in den ersten Le- bensjahren entwickelt, und ob ein Mensch ein allergisches Asthma bekommt, ent- scheidet sich noch deutlich früher als um das siebente Lebensjahr. Am frühesten bilden sich die Sensibilisierungen gegen Nahrungsmittelallergene aus: Kuhmilch und Hühnerei sind die häufigsten Trigger für Asthma bronchiale im frühen Kin- desalter. Ab dem dritten Lebensjahr überwiegen Sensibilisierungen gegen Inhalationsallergene. Unter den Innen- raumallergenen spielen Hausstaubmil- ben sowie Katzen- und Hundeepithelien die grösste Rolle. Die Sensibilisierung gegen Küchenschaben ist in Deutsch- land jedoch kaum anzutreffen.

Die Ergebnisse haben gezeigt, dass Kin- der in den ersten zwei Lebensjahren auf Allergenbelastung in Innenräumen durchaus mit ihrem Immunsystem rea- gieren und je nach Exposition unter- schiedlich stark Antikörper dagegen aus- bildeten. Ein weiterer Punkt, warum ein Kind in allergenreicher Umgebung Asth- ma entwickelt, ist die atopische Prä- disposition.

Pfeifende Atmung bei Säuglingen und Kleinkindern ist ein häufiges Symptom, muss aber nicht in jedem Fall in einem persistierenden Asthma bronchiale enden. Beim Asthma bronchiale im Kin- desalter handelt es sich nicht um ein ein- heitliches Krankheitsbild. Wie aus Lang- zeitstudien hervorgeht, verbergen sich hinter dem Terminus Asthma verschie- dene Phänotypen, wie das «non atopic wheezing» (obstruktive, spastische Bronchitis) und das «atopic wheezing»

(Asthma), denen unterschiedliche Ur- sachen zugrunde liegen. Studienergeb- nisse haben gezeigt, dass Wheezing in den ersten Lebensjahren kein konstanter Risikofaktor für persistierendes Asthma im späteren Lebensalter ist, sondern häufig im Rahmen von viralen Infekten auftritt. Dass Kinder mit obstruktiver Bronchitis (wheezy bronchitis) im frü- hen Schulalter eine günstige Prognose haben, geht aus der Melbourner Asth- mastudie hervor. Die Kinder wurden ab dem siebten Lebensjahr in regelmässi- gen Kontrollen der Atemfunktion bis zum mittleren Erwachsenenalter unter- sucht. In der Mehrheit der Fälle waren die Kinder im Erwachsenenalter be- schwerdefrei. Auch die Lungenfunktion blieb bei episodischem Wheezing im Normbereich. Obgleich die Forscher das Kohortenkollektiv nicht auf Allergien testeten, scheint es sich bei den Kindern um den nicht allergischen Asthmaphä- notyp zu handeln.

Wie bereits erwähnt, haben Daten aus Langzeitstudien zum besseren Verständ- nis des Asthma bronchiale bei Säuglin- gen und Kleinkindern beigetragen. Es hat sich gezeigt, dass persistierendes Asthma schon in den ersten Lebensjah- ren beginnt. Wenn der Beginn dieses Prozesses beeinflusst werden soll, sollte das Management dieser Erkrankung

überdacht werden. Präventionsmass- nahmen wie eine Hausstaubsanierung oder Vermeidung der ubiquitären Aller- gene lässt sich nicht immer ermöglichen.

Im Gegenteil, es hat sich gezeigt, dass eine mengenmässige Reduktion der Hausstaubmilben das Risiko für die Ent- wicklung einer Atopie eher vergrössert statt verringert, da möglicherweise gleich- zeitig auch schützende Umweltfaktoren eliminiert wurden. Auch die Verwen- dung milbendichter Hüllen für Matratze und Bettwäsche hat sich nicht in der Asthmaprävention bewährt. Nach wie vor sind die Strategien mit präventivem Anspruch unklar. Die Autoren schlagen vor, dass weitere Studien notwendig sind, in denen an allergieanfälligen Säuglingen und Kleinkindern mit Whee- zing untersucht wird, ob ein frühzeitiger Einsatz von inhalierten Kortikosteroiden das Risiko eines Asthma bronchiale im

Schulalter verringert.

Sabina Illi, Erika von Mutius, Susanne Lau, Bodo Nigge- mann, Christoph Grübner, Ulrich Wahn et al.; Perennial allergen sensitisation early in life and chronic asthma in children: a birth cohort study; Lancet 2006; 368: 763–70.

Claudia Sarkady

Interessenlage: Die Autoren deklarieren keine Interessenkonflikte.

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ARS MEDICI 20 2007

Referenzen

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