• Keine Ergebnisse gefunden

Entscheidend ist die Einschätzungder Nierenfunktion

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Entscheidend ist die Einschätzungder Nierenfunktion"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die Niere ist neben der Leber eines der Haupteliminationsorgane von Arznei- mitteln. Obwohl es Medikamente gibt, die unverändert über die Niere ausge- schieden werden, wird doch der Gross- teil der Substanzen in der Leber ver- stoffwechselt, um danach über die

Niere oder die Gallengänge den Körper zu verlassen. Auch die oft entstehenden inaktiven, aktiven oder sogar toxischen Metabolite können ebenfalls über Niere oder Galle ausgeschieden werden.

Grundlage ist die GFR-Bestimmung Entscheidend für die richtige Dosie- rung von Medikamenten sei die rich- tige Einschätzung der Nierenfunktion, sagte Dr. med. Natascia Corti, Ober- ärztin für Klinische Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsspital Zürich, an der 24. Hirslanden Aca- demy in Zürich. Als wichtigste Grösse für die Abschätzung der Nierenfunk- tion gilt heute die glomeruläre Filtra - tionsrate (GFR) beziehungsweise die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR). Sie wird heute mit der CKD- EPI (Chronic Kidney Disease Epidemio- logy Collaboration)-Formel berechnet und nicht mehr mit der MDRD (Modi- fication of Diet in Renal Disease)-For- mel, welche die GFR in höheren Berei- chen (ab ca. 60 ml/min) weniger präzis angibt.

Bei CKD-EPI werden unterschiedliche Kreatininbereiche berücksichtigt, und zudem wird beim Serumkreatinin zwi- schen Frauen und Männern differen- ziert. Wichtig zu wissen: Parallel zur natür lichen Abnahme der Nierenfunk- tion reduziert sich im Alter auch die Serumkreatininkonzentration. Deshalb

kann bei einem vermeintlich tiefen Kreatininwert die tatsächliche Funk- tion der Niere überschätzt werden. Vor allem im Anfangsstadium einer chro - nischen Nierenerkrankung wird zur GFR-Berechnung auch Cystatin C be- rücksichtigt. Trotz der verbesserten Formel sollte man immer bedenken, dass es sich dabei nur um eine Schät- zung handelt, so Corti. Das Vorhan- densein von sehr wenig oder sehr viel Muskelmasse, ein längerer Aufenthalt auf der Intensivstation, eine schwan- kende Nierenfunktion, Nierenersatz- verfahren oder Amputationen sind Faktoren, die zu einer ungenauen Be - urteilung der eGFR führen können.

Spätestens ab einer eGFR von 60 ml/

min sollte man darüber nachdenken, unter Berücksichtigung der Fachinfor- mationen eine Dosisanpassung des Medi - kaments vorzunehmen. Ganz wesent - lich sei die Frage, ob eine Substanz eine weite oder eine enge therapeutische Breite habe. Medikamente, die vorwie-

BERICHT

316

ARS MEDICI 72016

Entscheidend ist die Einschätzung der Nierenfunktion

Medikamentendosierung bei renalen Erkrankungen

Je nach Schweregrad der Erkrankung sind bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion häufig medikamentöse Dosisanpassungen und Kontraindika- tionen angezeigt. Für die Einschätzung der Nierenfunktion ist die glomeru- läre Filtrationsrate der grundlegende Parameter. Dr. Natascia Corti vom Universitätsspital Zürich erklärte an der 24. Hirslanden Academy in Zürich, bei welchen Medikamenten Vorsicht geboten ist.

Von Klaus Duffner

Entscheidend für die exakte Dosierung von Medikamenten ist die richtige Ein- schätzung der Nierenfunktion (eGFR).

Dabei sind Alter und Gewicht zu berück- sichtigen.

Bei alten Patienten sollte mit niedrigs - ter Dosierung begonnen werden. Ab einer eGFR von ≤60 ml/min sind oft Dosisanpassungen erforderlich. Bei Medikamenten mit enger therapeuti- scher Breite sollten die Plasmaspiegel bestimmt werden.

Es sind regelmässige eGFR-Kontrollen durchzuführen und nierentoxische Sub- stanzen zu meiden. Bei problemati- schen Medikamenten oder instabiler Nierenfunktion sollte auf eine nicht renal eliminierte Substanz umgestellt werden (Metabolite beachten!).

Auch bei angepasster Dosierung sollte bei schwerer Niereninsuffizienz auf Toxizitätszeichen geachtet werden.

MERKSÄTZE

Dr. Natascia Corti

(2)

BERICHT

ARS MEDICI 72016

317

gend unverändert renal ausgeschieden werden und gleichzeitig eine enge the- rapeutische Breite haben, besitzen – bei ungenügender Dosis anpassung – ein relativ hohes Risiko für Toxizitäten, das sind beispielsweise Aciclovir, Aman- tadin, Amikacin, Digoxin, Ganciclovir, Gentamicin, Lithium, Met fomin, Me- thotrexat, Streptomycin, Tobramycin oder Vancomycin. So kann sich einer Studie zufolge bei nicht angepasster täglicher Gabe des Betablockers Ateno- lol bei Patienten mit schwerer Nieren - insuffizienz die Plasmaeliminations- halbwertszeit massiv verlängern und der Medikamentenspiegel auf das Vier- fache des empfohlenen Wertes akku- mulieren (1).

Akkumulationen von Metaboliten Patienten mit schwerer Niereninsuffi- zienz haben oft einen tiefen Albumin- spiegel. Bei stark proteingebundenen Medikamenten kann es dann zu einer höheren freien Plasmaarzneimittelkon- zentration und damit zu einer stärkeren Wirkung des Medikaments kommen.

Durch Ödeme und Aszites oder durch Muskelschwund sind zudem ver - änderte Verteilungsvolumen möglich, was eine Anpassung der Ladedosis er- forderlich macht. Eine schwere Nieren- erkrankung hat aber auch Einfluss auf die arzneimittelmetabolisierenden En- zyme und Transportproteine der Leber, wodurch Bioverfügbarkeit und Wir- kung der Medikamente gestört sein können.

Schliesslich kann es zur Akkumulation von – teilweise unbekannten – Metabo- liten oder auch von Zusatzstoffen kom- men. Bei der Gabe von Morphin ent- stehen beispielsweise aktive Metaboli- ten. Während es bei Gesunden zu einem Abbau solcher Zwischenpro- dukte kommt, ist bei Patienten mit

schwerer Niereninsuffizienz eine An- häufung zu beobachten. Das kann Ver- giftungen nach sich ziehen. Aber auch bei Hydromorphon, Methadon, Tra- madol und Oxycodon können aktive Metaboliten zumindest teilweise akku- mulieren, weshalb mit Vorsicht dosiert werden sollte. Kontraindiziert bei schwerer Niereninsuffizienz ist unter den Opioiden Methadon und Pethidin.

Günstig dagegen seien Fentanyl oder Buprenorphin, da beide nicht über die Niere ausgeschieden werden und es daher nicht zu einer Akkumulation kommt. Allerdings sei bei schwerer Er- krankung auch hier Vorsicht geboten, meinte Corti.

Statine und Antikoagulanzien Dürfen Statine bei schwerer Nieren - insuffizienz gegeben werden? Das ist möglich, allerdings ist Rosuvastatin (Crestor®) kontraindiziert. Hingegen würden Atorvastatin (Sortis®) und Flu- vostatin (Lescol®) nur zu einem sehr ge- ringen Teil über die Nieren ausgeschie- den, weshalb diese beiden Statine bei schwerer Niereneinschränkung sicher- lich den anderen vorzuziehen seien, sagte die Zürcher Pharmakologin.

Auch die Verwendung von oralen Anti- koagulanzien ist möglich, allerdings ist die Gabe solcher Medikamente stark von der Filtrationsleistung der Nieren abhängig. Patienten mit einer GFR von mehr als 30 ml/min können – teilweise mit Dosisianpassungen – sowohl mit Dabigatran (Pradaxa®), Rivaroxaban (Xarelto®) oder Apixaban (Eliquis®) als auch mit Edoxaban (Lixiana®) be- handelt werden. Sinkt dieser Wert je- doch unter 30 ml/min, ist Dabigatran kontraindiziert (80% renale Elimina- tion) und Rivaroxaban ebenfalls nicht empfohlen. Bei schwerer Niereninsuffi- zienz (< 15 ml/min) darf gemäss der

Schweizerischen Hämatologengesell- schaft keines dieser vier Antikoagulan- zien eingesetzt werden, und es bleibt dann nur noch das traditionelle Marcumar®.

Vorsicht bei Antidiabetika

Auch orale Antidiabetika sind bei Pa- tienten mit Niereninsuffizienz nicht sel- ten mit Nebenwirkungen verbunden.

«Es gibt wenige, die bei schwer einge- schränkter Nierenfunktion noch gege- ben werden können», erklärte Frau Corti. Keine Dosisanpassungen bei Niereninsuffizienz benötigten das Glia- zon Piogliazon (Actos®) und der DPP- 4-Inhibitor Linagliptin (Trajenta®).

Während das häufig eingesetzte Met- formin in der Vergangenheit bei einer GFR von 60 ml/min oder weniger klar kontraindiziert gewesen sei, könne man es neuerdings bis zu einer GFR von mehr als 30 ml/min noch geben, aller- dings müsse die Dosis klar angepasst und die Nierenfunktion regelmässig kontrolliert werden (2). Treten be- kannte Risikofaktoren wie Laktatazi- dose, Hypoxämien, Kreislaufversagen, Diarrhö oder Nierenversagen auf, muss

pausiert werden.

Klaus Duffner

Quelle: 24. Hirslanden Academy, Ärztefortbildung «Was muss der Hausarzt über die Niere wissen?», Klinik Hirs- landen, Zürich, 21. Januar 2016.

Literatur:

1. Kirch W et al.: Pharmacokinetics of atenolol in relation to renal function. Eur J Clin Pharm 1981; 19(1): 65–71.

2. Arnouts P et al.: Glucose-lowering drugs in patients with chronic kidney disease: a narrative review on pharmacokinetic properties. Nephrol Dial Transplant 2014; 29(7): 1284–1300.

Welchen Einfluss hat eine eingeschränkte Nierenfunktion auf die Arzneimittelelimination?

Abnahme der Gesamt-Arzneimittel-Clearence (CLtot)

Zunahme der Plasmaeliminationshalbwertszeit

Wirkungsverlängerung bei Einmaldosis

Akkumulation bei Mehrfachdosierung, Gefahr der Toxizität

späteres Erreichen des «steady state» resp. der maximalen Wirkung

Dosisreduktion erforderlich

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

«Wenn Sie NOAK für alte Patienten und Patienten mit niedrigem Gewicht verschreiben, tun Sie gut daran, die Cockcroft-Gault- Formel zu verwenden», empfiehlt

Betrachtet man die Gruppe der lebertransplantierten Patienten für sich und setzt univariat signifikante prädiktive Faktoren in ein multivariates Cox-Regressionsmodell ein,

Die erhöhte Proteinausscheidung durch die Niere stellt nicht nur einen Indikator für das Vorliegen einer Nierenerkrankung dar, sondern bewirkt auch eine weitere

Zwar ist bisher nicht be- wiesen, daß Cholesterin die Entste- hung eines Kolonkarzinoms bewir- ken kann, tierexperimentelle Stu- dien belegen aber, daß das Wachs- tum und

Diese Nierenfunktionsstörungen sind jedoch in erster Linie auf den Einsatz von HES 200/0,62, einer Stärke mit einer extrem langen intravasalen Verweil- dauer, einer

Die hier vorliegende Studie zeigt auf, dass die Albuminurie der männlichen MWF-Ratten durch Testosteron induziert wird und durch Orchiektomie signifikant reduziert werden kann..

Im interventionellen Teil der Studie konnte bei Anhebung des Hämoglobinwertes auf 12,0 g/dl mittels E- rythropoetin und intravenös verabreichtem Eisen bei 26 Patienten (NYHA-Klasse

Eberhard Ritz resümierte die Ergebnisse eigener Untersuchungen und anderer Stu- dien jüngst bei einem Kongreß in Heidelberg: „Rauchen ist offensichtlich das Aschenputtel unter