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Mitteilungen des Eidgenössischen Institutes für Schnee- und Lawinenforschung

Dezember 1986

TEMPORAERE UND PERMANENTE LAWINENSCHUTZMASSNAHMEN FUER TOURISTISCHE ANLAGEN

von H. Gubler

Nr. 45

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TEKPORAERE UND PERMANENTE LAWINENSCHUTZMASSNAIIMEN FUER TOURISTISCHE ANLAGEN

H.Gubler, Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung Weissfluhjoch/Davos

Dezember 1986 ZUSAMMENFASSUNG

Anhand einer Risikoanalyse werden die heute üblichen Methoden der t~mporären und permanenten Lawinenschutzmassnahmen insbesonders im Hinblick auf den Schutz hochalpiner skitouristischer Anlagen miteinander verglichen.

EINLEITUNG

Um Wirkungsweise und Wirksamkeit der verschiedenen Methoden zur Sicherung von touristischen Anlagen miteinander vergleichen zu können, werden im Folgenden die das verbleibende Restrisiko bestimmenden Faktoren diskutiert. Das Ziel aller Methoden besteht in einer

möglichst grossen Reduktion des Risikos eines Lawinenunfalls. Jegliche Art von Schäden oder Verletzungen verursacht durch Lawineneinwirkung an Installationen, Gebäuden, Wald oder Menschen werden wir in der Folge als Lawinenunfall bezeichnen.

RESTRISIKO

Die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Unfalls während einem vorgegebenen Zeitintervall wird als Risiko bezeichnet. Ist die Wahrscheinlichkeit 1, so tritt der Unfall während dem vorgegebenen Zeitintervall mit Sicherheit ein, beträgt die Wahrscheinlichkeit 0, so ist kein Unfall zu erwarten. Das Risiko eines tödlichen Unfalls im Strassenverkehr beträgt zum Beispiel 0.000001 pro Stunde, auf 1 Million Fahrstunden trifft somit im Mittel ein tödlicher Verkehrs- unfall. Das Risiko lässt sich grundsätzlich in drei voneinander unabhängige l{ahrsclieinlichkeiten aufspalten, die miteinander zu multiplizieren sind: Die Gefahr, die Schadenwahrscheinlichkeit und das Sc/iadenausmass. Als Restrisiko bezeichnen man das verbleibende Risiko nachdem jeder einzelne Faktor minimalisiert worden ist.

GEFAHR

Unter Gefahr verstehen wir die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Lawine in der zu schützenden Zone. Die zu sichernde Zone kann den ganzen Lawinenzug oder auch nur Teile davon wie Anrissgebiet, Teile der Sturzbahn oder des Lawinenauslaufes umfassen. Die Lawinengefahr ist somit wesentlich durch die Schneedeckenstabilität sowie durch die Lawinenauslaufstrecke bestimmt.Die Schneedeckenstabilität ist

grundsätzlich durch das Verhältnis von mechanischen Spannungen zu den entsprechenden Festigkeiten bestimmt. Die Stabilität bezüglich jedes einzelnen Spannungszustandes wie Druck, Zug, Scherung kann innerhalb eines möglichen Anrissgebietes sehr stark variieren. Geländeform,

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Exposition, Windeinfluss, lokale Störungen des Schneedeckenaufbaues durch Felsen, Verbauungswerke aber auch Skifahrer, Ueberschnee- fahrzeuge, Sprengstoffdetonationen sind einige der bestimmenden Faktoren für die lokale Stabilität. Diese kleinräumige, lokale Stabilität ist bestimmend für das Auftreten von Initialbruchen in der Schneedecke. Ist die Stabilität in der unmittelbaren Umgebung eines solchen Initialbruches sehr viel höher, wird es kaum zu einer

Bruchausbreitung und somit zu einer Schneebrettauslösung kommen. Liegt die Stabilität in der Umgebung einer Initialbruchstelle nur wenig über 1, so wird im allgemeinen eine Bruchausbreitung und damit die

Auslösung eines Schneebrettes möglich. Die Gefahr einer Schneebrett·

auslösung hängt somit nicht nur von der mittleren Schneedecken- stabilität sondern auch von der lokalen Verteilung der Stabilitäten ab. Stark vereinfachend ist hohe mittlere Stabilität gleichbedeutend mit niederer Gefahr, kleine Stabilitäten die nur wenig höher als 1 sind, deuten auf eine sehr hohe Gefahr hin. Für eine richtige Anwendung und Interpretation aller Methoden der künstlichen Lawinen- auslösung, aber auch der Wirkungsweise eines Stützverbaues, ist ein genaueres Verständnis der mechanische Eigenschaften einer Schneedecke und der Lawinenauslösemechanismen notwendig. Liegt die zu sichernde Zone im Auslaufgebiet der Lawine, so ist die Lawinenauslaufstrecke, die ihrerseits wesentlich durch die Lawinengrösse bestimmt ist, bei der Abschätzung der Gefahr ebenfalls zu berücksichtigen. Die Gefahr im zu sichernden Teil des möglichen Auslaufgebietes bleibt minimal, solange die Lawinengrösse nicht ausreicht um die Lawine bis in die zu sichernde Zone vordringen zu lassen. Die Gefahr 1.-lrd somit durch die Stabilitätsverhältnisse und die Lawinengrösse bestimmt.

SCHADENWAHRSCHEINLICHKEIT

Die Schadenwahrscheinlichkeit gibt an mit welcher Wahrscheinlichkeit Objekte, Installationen, Bauten, Menschen, Wald etc. einer möglichen Lawinenwirkung ausgesetzt sind. Für ständige Installationen, Bauten oder Wald ist die Schadenwahrscheinlichkeit immer 1. Temporäre Installationen und vor allem Menschen können aus der Gefahrenzone evakuiert werden, damit kann die Schadenwahrscheinlichkeit für solche Objekte grundsätzlich auf Null gesenkt werden. Ist eine vollständige Evakuation nicht möglich, so kann die Schadenwahrscheinlichkeit zumindest erheblich gesenkt werden indem die Aufenthaltsdauer von Menschen und Objekten, wie zum Beispiel Pistenfahrzeugen, in der Gefahrenzone so klein wie möglich gehalten wird. Die Schadenwahr- scheinlichkeit ist also wesentlich durch die Nutzungsart der zu sichernden Zone bestimmt. Für ein Dorf oder eine fest installierte touristische Anlage ist die Schadenwahrscheinlichkeit immer 1. Für eine stark befahrene Abfahrtspiste insbesonders an Stellen mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad, an bevorzugten Ruhestellen oder

Treffpunkten ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand von einer Lawine erfasst wird sehr hoch. Dies gilt insbesonders auch für stark begangene Skiwege, Spazierwege oder Langlaufloipen, da hier die Fortbewegungsgeschwindigkeit besonders langsam ist und sich die Menschen daher besonders lange im Gefahrenbereich aufhalten. Für wenig begangene Skirouten oder einfache Gleitstrecken auf Abfahrtspisten,

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auf denen praktisch alle Skifahrer zügig voran kommen, ist die Schaden- wahrscheinlichkeit bereits wesentlich kleiner. Die Schadenwahr- scheinlichkeit ist somit proportional zur Aufenthaltsdauer gefährdeter Objekte in der Gefahrenzone.

SCIIADENAUSMASS

Das Schadenausmass quantifiziert die Grösse des möglichen Schadens. Gebäude, Masten und andere feste Installationen können grunsätzlich auf Lawinenkräfte dimensioniert werden, sodass das Schadenausmass sehr g~ring oder näherungsweise O bleibt. Werden andernseits Menschen durch eine Lawine totalverschüttet, so können gemäss der bekannten Ueber- lebenskurve auch bei sofortigem Auffinden der Verschütteten in 20\ der Fälle nur noch Tote geborgen werden. Das Schadenausmass ist in diesen Fällen sehr hoch, also nahe 1 einzuschätzen. Die Beurteilung des Schadenausmasses ist teilweise subjektiv und beruht auf einer Wert- skale in der materielle Schäden mit Verletzungen und dem Verlust von Henschenleben gleichgesetzt werden.

MÖGLICHKEITEN DER REDUKTION VON SCHADENWAHRSCHEINLICHKEIT UND SCHADENAUSMASS.

Die Schadenwahrscheinlichkeit kann mit Hilfe von Lawinengefahrenkarten und der Lawinenwarnung reduziert werden. Aufgrund von Lawinen-

gefahrenkarten können Lawinenzonen ausgeschieden werden in denen jegliche Bauten verboten oder, bei geringerer möglicher Gefahr nur mit baulichen Auflagen und Evakuationspflicht im Falle erhöhter aktueller Gefahr gestattet werden. Zur Beurteilung der aktuellen Gefahr bedarf es allerdings einer gut eingespielten Lawinenwarnung. Touristische Anlagen und überwachte Abfahrtspisten können in den meisten Fällen relativ einfach evakuiert und gesperrt werden. Durch lokale Informationen an die Skifahrer in Zonen erhöhter Gefahr könnte die Schadenwahrscheinlichkeit weiter gesenkt werden. Auf Skiabfahrten und Skipisten sind grundsätzlich ähnliche Warntafeln denkbar, wie sie auf amerikanischen Gebirgsstrassen für den Autofahrer anzutreffen sind, durch die der Skifahrer angehalten wird, die gefährdeten Zonen möglichst schnell zu durchfahren. Nur durch Sperrung und Evakuation kann die Schadenwahrscheinlichkeit für Henschen und damit das Restrisiko für Henschen auf Null gesenkt werden. Für bestehende Gebäude und Anlagen kann die Schadenwahrscheinlichkeit allerdings nicht geändert werden. Hingegen kann das Schadenausmass für Bauten und Anlageteile innerhalb der Gefahrenzonen durch bauliche Hassnahmen stark verringert werden. Aber auch die Ueberlebenschancen von Lawinen- verschütteten können wesentlich beeinflusst werden. Voraussetzung dazu sind ein gut organisierter Rettungs- und Pistendienst, Notruftelefone in der Nähe kritischer Pistenabschnitte und Information der Skifahrer. Die Information der Skifahrer kann in den Warteräumen der Talstation oder z.B. durch Aufdrucke auf den Kontrollkarten erfolgen. Rasche Alarmierung und perfekte Rettunsorganisation, wenn möglich mit permanent stationierten Lawinenhunden oder entsprechenden technischen Suchmitteln können die Ueberlebenschancen von Verschütteten ganz wesentlich erhöhen und somit das Schadenausmass verringern.

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VERRINGERUNG DER GEFAHR

Verringerung der Gefahr ist für unseren Fall gleichzusetzen mit Verkleinerung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Lawinen in den zu sichernden Zonen. Dies kann erreicht werden durch eine künstliche Erhöhung der Stabilität der Schneedecke in den möglichen Lawinen- anrisszonen sowie durch Massnahmen zur Veränderung der Lawinenbahnen und Verkürzung der Lawinenauslaufstrecken. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen permanenten und temporären Massnahmen. Die permanenten Massnahmen umfassen dauernd wirksame Bauten wie den Stützverbau in Anrissgebieten, möglicherweise kombiniert mit einem Verwehungsverbau, sowie Ablenk- und Bremswerke in der Lawinenbahn. Im Gegensatz dazu sind die temporären Massnahmen nicht dauernd wirksam, die Gefahr kann nur w~hrend bestimmenten Zeiten erniedrigt werden. In diesen Bereich gehören vor allem die Methoden der künstlichen Lawinenauslösung. Durch den Stützverbau wird die Stabilität der gesamten Schneedecke in möglichen Anrissgebieten künstlich erhöht, durch einen Verwehungs- verbau kann der Transport von zusätzlichem Schnee durch den Wind in Anrissgebiete reduziert werden. Durch Ablenk-, Brems- und Auffangwerke

in Lawineauslaufgebieten können extreme Auslaufstrecken verkürzt werden. Die temporären Methoden erlauben die Entfernung bedrohlicher Schneemassen aus den Anrissgebieten durch die künstliche Auslösung von Lawinen zu bekannten Zeiten. Damit wird die Stabilität des in den Anrissgebieten verbleibenden Schnees stark erhöht. Im Unterschied zu den permanenten Massnahmen kann die Lawinenbildung nicht verhindert werden, einzig der Zeitpunkt und unter gewissen Voraussetzungen die maximale Lawinengrösse · allerdings mit beschränkter Sicherheit - können bestimmt werden. Um bei Anwendung temporärer Massnahmen das Restrisiko für einen Unfall permanent klein halten zu können, muss es demnach möglich sein das Produkt der beiden anderen Faktoren Schaden- wahrscheinlichkeit und Schadenausmass für bestimmte Zeitperioden vernachlässigbar klein zu machen. Dies kann nur durch Evakuation und Objektschutz erreicht werden. Damit unterscheiden sich die möglichen Anwendungsgebiete der beiden Massnahmen zur Gefahrenreduktion ganz wesentlich. Für nicht oder schlecht evakuierbare und absperrbare Gebiete mit nur beschränkt möglichem Objektschutz wie Siedlungen oder Wälder kommen im allgemeinen ausschliesslich permanente Schutz•

massnahmen zur Anwendung. Für kurzzeitig sperrbare Verkehrs.-ege wird oft eine Kombination von Objektschutz und künstlicher Lawinenauslösung als optimal errachtet. Die temporären Massnahmen werden vor allem zum Schutz von Skipisten und Abfahrten eingesetzt. Hier ist es in den meistem Fällen möglich, durch Nichtinbetriebnahme oder Abschalten von Beförderungsanlagen gefährdete Pisten nachhaltig zu sperren und damit die Schaden- oder Unfallwahrscheinlichkeit Null zu setzen. Anlageteile wie Masten können oft durch bauliche Massnahmen geschützt werden. Es muss hier erwähnt werden dass der ungeschützte Skifahrer auch durch kleine, kleinräumige Rutsche stark gefährdet ist. Orten mit unge- schützten Menschenansammlungen wie Liftstationen, Lifttrasses etc.

sind besondere Beachtung zu schenken. Um die Einsatzmöglichkeiten der beiden Massnahmen zur Gefahrenreduktion besser verstehen zu können sind ihre Erfordernisse, Zielsetzungen und Möglichkeiten untenstehend

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kurz zusammengfasst.

Künstliche Lawinenauslösung -5-

Das Ziel der künslichen Lawinenauslösung besteht in der zeitlich beschränkten Sicherung von möglichen Lawinenanrisszonen, Lawinen- sturzbahnen und Ablagerungsgebieten bei akuter Lawinengefahr oder Lawinenverdacht. Zeitlich begrenzte Sicherung bedeuted, dass die möglicherweise gefährdeten Gebiete für eine bekannte begrenzte Zeitperiode als Zonen mit zumindest stark reduzierter Lawinengefahr betrachtet werden können (Einleitung zu "Künstliche Auslösung von Lawinen durch Sprengungen, eine Anleitung für den Praktiker", Mitteilung EISLF Nr. 36, 1983). Die Methode beinhaltet eine wesentliche Einschränkung: Lawinenabgänge können nicht verhindert werden, nur ihr Zeitpunkt kann bestimmt werden. Daher muss die mögliche extreme Auslaufstrecke evakuierbar, sperrbar und

kontrollierbar sein. Objekte innerhalb der Lawinenbahn müssen durch bauliche Massnahmen schützbar sein. Wald, insbesonders in möglichem Lawinenanrissgelände, soll grundsätzlich durch künstlich ausgelöste Lawinen nicht gefährdet werden.

Die Methode der künstlichen Lawinenauslösung beinhaltet mehrere Teilaufgaben die alle eine kontinuierliche und gewissenhafte Bearbeitung erfordern: Gefahrenbeurteilung bezüglich Wetter,

Schneedecke und Gelände; Sprengmitteleinsatz zur Lawinenauslösung und als Stabilitätstest; Sperrung, Evakuation, Information und Objekt- schutz. Als Grundlage für die Gefahrenbeurteilung dienen das Lawinen- bulletin, die Wetterprognose, Wind- und Schneehöhenmessungen im Bereich der Anrisszonen und regelmässige Schneeprofilaufnahmen, nach Möglichkeit ergänzt durch Stabilitätsindexmessungen sowie Lawinen- gefahrenkarten und Lawinenkataster. Insbesonders der Schneedecken- aufbau muss vom ersten Schneefall an und nicht erst ab Beginn der Skisaison verfolgt und beurteilt werden. Lawinenkataster und

Lawinengefahrenkarte müssen sorgfältig nachgeführt werden, sie dienen als Grundlage zur Erstellung und nachträglichen Optimierung des Sicherungskonzepts. Der Sprengmitteleinsatz wird aufgrund der

aktuellen Gefahrenbeurteilung angeordnet. Der Sprengmitteleinsatz muss sorgfältig vorausgeplant werden, wobei insbesonders folgende Punkte zu beachten sind: Gefahrenfreier Zugang durch Sprengpatrouille, sicherer Standort während des Sprengmitteleinsatzes, Wahl der optimalen Einsatzmethode (Handsprengung, Ruten- oder Pfahlsprengung, Spreng- seilbahn, Einsatz von Geschossen und Raketen, Sprengmitteleinsatz aus dem Helikopter), Sicherstellen der Möglichkeit der Abdeckung des gesammten möglichen Anrissgebietes mit den der Einsatzmethode entsprechenden Wirkungszonen unter besonderer Berücksichtigung möglicher lokaler Druckwellenabschattungen, Beurteilung der Wirkung der Sprengungen insbesonders bei Handsprengungen, Geschossabgabe und Helikoptersprengungen sowie Beachtung der Gesetze über Lagerung und Einsatz von Sprengmitteln. Während des Sprengmitteleinsatzes muss die Sperrung und Evakuation des extremen, möglicherweise gefährdeten Gebietes sichergestellt sein. Absperrungen müssen durch Sicherungs- posten kontrolliert werden. Sperrposten und Sprengpatrouille müssen jederzeit in direktem Funkkontakt stehen.

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Der Sprengmitteleinsatz ist besonders geeignet für die Auslösung vo11 Hanglawine11 aus steilen Anrissgebieten. Hier ist es im allgemeinen möglich die Schneemassen auch zeitlich gestaffelt in kleineren Portionen auszulösen und damit grosse Lawinen mit extremen Auslauf- strecken und grosser Zerstörungskraft zu verhindern. Voraussetzung ist allerdings die Möglichkeit praktisch unabhängig von Wetter und

Tageszeit sprengen zu können. Solche Bedingungen können durch gut angelegte Sprengbahnen eventuell auch durch Blindschiesseinrichtungen realisiert werden. In weniger steilen Anrissgebieten, wie sie typisch für Extrem- oder Katastrophenlawinen mit grossen natürlichen Wieder- kehrdauern sind, ist die Methode des zeitlich gestaffelten portionen- weisen Auslösens meist erfolglos. Ueberschneespre11gu11gen, wie sie in de11 meisten Fällen durch Sprengbahnen realisiert werden, haben die grössten Wirkungszonen und ergeben in ihrer praktischen Anwendung auch die kleinsten Restgefahren verglichen mit den übrigen Spreng-

methoden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Seilführung die Abdeckung des extremen möglichen Anrissgebietes mit Wirkungszonen erlaubt. Eine wesentliche Eigenschaft der Methode der künstlichen Lawinenaulösung besteht in deren zeitlichen und vor allem örtlichen Flexibilität (ausgenommen Sprengseilbahnen). Die Wahl der Sprengpunkte kann der jeweiligen Situation angepasst, auch kleine Einhänge konnen bei Bedarf gesichert werden. Zudem können bedrohliche Wächten abgesprengt werden. Negative Sprengungen (keine Lawine ausgelöst) können bei sorgfältiger Abdeckung des möglichen Anbruchgebietes mit Wirkungszonen auch als Stabilitätstests interpretiert werden. Unter gewissen Bedingungen und mit der notwendigen Erfahrung in einem bestimmten Gebiet sind auch Stabilitätstest in Testhängen mciglich.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die temporären Sicherungsmassnahmen die ständige Aufmerksamkeit der Verantwortlichen bezüglich der Schneedeckenentwicklung und der zu treffenden Sicherungsmassnalimen erfordern.

Stützverbau im Anrissgebiet

Die Stützverbauung hat zur Aufgabe, das Abgleiten von Lai,inen zu verhindern oder zum mindesten entstehende Schneebewegungen - sie können nicht vollständig unterbunden werden - auf ein unschädliches Hass zu beschränken. Voll entfaltete Lawinen entwickeln Kräfte, die in der Regel von Stützverbauungwerken nicht aufgenommen werden können

(Art.4 "Lawinenverbau im Anbruchgebiet, Richtlinien des Eidg.

Oberforstinspektorats", Mitteilung EISLF Nr. 29, 1968). Die Wirkungs- weise der Stützverbauung beruht darauf, dass der kriechenden und eventuell gleitenden Schneedecke eine im Boden verankerte, mehr oder weniger hangsenkrechte, bis an die Schneeoberfläche reichende Stützfläche entgegengestellt wird. Innerhalb der Stauzone, tlie praktisch über eine hangparallele Distanz von mindestens der dreifachen lotrechten Schneehöhe reicht, entstPhen im Schnee zusätzliche hangparallele Druckspannungen. Diese werden von der Stützfläche übernommen, wodurch die im Staubereich liegenden

schneebrettbildenden Scherspannungen vermindert werden. Bei Abbrüchen verhindert die Stützverbauung das Mitreissen der Altschneedecke und beschränkt flächenmässig das Gebiet über welches sich Scherrisse

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fortpflanzen können. Durch die Bremswirkung der Werke wird die Geschwindigkeit - die für eine Schadenwirkung vor allem massgebende Grösse - in Schranken gehalten. Endlich wirkt sich auch das Auffang- vermögen der Stützwerke günstig aus. Aus diesen Aufgabenstellungen folgt, dass Stützverbauungen gemäss den oben erwähnten Richtlinien meist zur Verhinderung von grösseren Lawinen, in vielen Fällen ausschliesslich zur Verhinderung von Katastrophenlawinen mit grossen natürlichen mittleren Wiederkehrdauern dimensioniert und gebaut werden. In den meisten Fällen will man die Bildung von sehr grossen Lawinen mit extremen Auslaufstrecken verhindern. Ein Stützverbau z.B.

zum Schutz eines Dorfes ist dann erfolgreich, wenn er auch in Extremsituationen das Vordringen von Lawinen bis zum Dorf verhindert.

Kleinere Lawinen innerhalb, seitlich oder unterhalb der Verbauung dürfen das Dorf nicht gefährden. Vor allem im Hochwinter treten während Grossschneefällen auch in richtliniengemässen Verbauungen immer wieder Oberflächenrurschungen auf. Solche Rutschungen können ohne sich zu vergrössern und ohne irgenwelche Schäden anzurichten mehrere Werkreihen durchfliessen. Würde die Durchlässigkeit der Werke wesentlich verkleinert, so würden einzelne Werke sehr bald vollständig hinterfüllt und nachfolgende Rutsche könnten diese Werke praktisch ungebremst und damit weiteren Schnee mitreissend überspringen. Werke können unter bestimmten Voraussetzungen die Startbedingungen für kleine Lockerschneerutsche sogar verbessern, verhindern aber die Bruchausbreitung und bremsen solche Schneebewegungen. Hieraus können sich Probleme bei der Sicherung von Skipisten ergeben. Kreuzen die Skiwege Anrissgebiete oder liegen die zu schützenden Pisten unmittel- bar am Fusse des Steilhanges, so können sie durch den herkömmlichen Stützverbau nicht immer genügend geschützt werden, da die Skifahrer bereits durch die kleineren Rutschungen gefährdet sind. Liegt das zu sichernde Gelände hingegen im Lawinenauslaufgebiet, so kann durch einen richtig dimensionierten Stützverbau eine sehr hohe Sicherheit erreicht werden. Umso näher das zu sichernde Gebiet am Sturzbahnende liegt, umso grösser sind die Anforderungen an den Stützverbau. Auch kleine Geländekammern innerhalb des Anrissgebietes müssen dann verbaut werden. Die Verbauung muss alle Geländeteile umfassen aus denen unter den verschiedenen möglichen Wettersituationen Lawinenabgänge auf die Piste möglich sind. Eine Anpassung des Sicherungskonzepts während des Winters an eine ausserordentliche Wettersituation ist ausser durch Sperrung nicht möglich. Für die Dimensionierung einer wirkungsvollen Verbauung sind oft mehrjährige Schneehöhenmessungen im zu verbauenden Anrissgebiet notwendig um das Ueberschneien von Werken zu verhindern.

In steilem Lawinenanrissgebiet ist eine Kombination eines Stütz- verbaues mit einem leichten Objektschutz z.B. bestehend aus einer Auffangwand denkbar um auch kleine Rutschungen von Skiwegen fernzuhalten. Der Auffangraum eines solchen Objektschutzes ist allerdings bei Hinterfüllung jeweils umgehend zu räumen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein Stützverbau eine sehr sorgfältige Planung und oft mehrjährige Beobachtungsreihen voraussetzt. Verlaufen Skiwege oder Pisten durch das Anrissgebiet, so sind zusätzliche Nassnahmen im Verbau notwendig um Rutschungen zu verhindern. Ein richtig dimensionierter Verbau bietet für im Auslaufgebiet verlaufende Pisten einen sehr guten La,dnenschutz.

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GEFAHRENREDUKTI0N

Unter Gefahrenreduktion verstehen wir das Verhältnis der Restgefahr nach Einführung der Sicherungsmassnahmen zur Gefahr ohne Sicherungs•

massnahmen. Die Gefahr selbst ist proportional zur Häufigkeit oder mittleren Frequenz des Auftretens eines Lawinenereignisses im zu sichernden Geländeabschnitt. Für die im Zusammenhang mit alpinen touristischen Anlagen zu sichernden Hanglawinen beträgt diese Frequenz ohne Sicherungsmassnahmen im Allgemeinen 0,5 · 5 Lawinenabgänge pro Jahr. Erfahrungswerte sowie theoretische Betrachtungen ergeben übereinstimmend, dass die Gefahrenreduktion durch temporäre Massnahmen im Bereich 0,006 · 0,012 liegen mit dem kleinsten Wert für Uberschnee- sprengungen wie sie zum Beispiel mit Sprengbahnen möglich sind. Damit erhalten wir für die Frequenz der unvorhergesehenen Lawinenabgänge pro Jahr (Lawinenereignisse bei geöffneter Piste und demzufolge mögliche Unfallawinen) 0,003 - 0,06 oder mittlere Wiederkehrperioden für eine mögliche Unfallawine in einen vorgegebenen Lawinenzug von 15 • 300 Jahren. Sind in einem grossen Skigebiet zwischen 10 und 100 Lawinen- züge zu sichern, so muss auch bei sorgfältiger Durchführung der Sicherungsmassnahmen im Abstand weniger Jahre mit unvorhergesehenen Lawinenabgängen auf geöffnete Pisten gerechnet werden. Sind durch die Lawinen keine Menschenansammlungen an Liftstationen oder auf dem Lifttrasse gefährdet, so wird das Restrisiko für einen Unfall durch die beiden Faktoren Schadenwahrscheinlichkeit und Schadenausmass nochmals wesentlich reduziert. Für den einzelnen Skifahrer sinkt das mittlere Restrisiko in einer Lawine zu sterben somit unter das offensichtlich tolerierte Restrisiko beim Autofahren umzukommen von 0.000001 pro Stunde. Für die Sicherung von Pisten durch Stützverbau liegen noch keine Erfahrungswerte vor. Für den Extremlawinenschutz im Auslaufgebiet, d.h. dem traditionellen Anwendungsbereich des Stütz- verbaues, liegen die Restrisiken auch bei der Annahme einer Schaden- wahrscheinlichkeit von 1 noch deutlich tiefer.

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GEGENUEBERSTELLUNG TEMPORAERER - PERMAMENTER LAWINENSCHUTZ

In der folgenden Tabelle werden permanenter und temporärer Lawinen- schutz unter verschiedenen Gesichtspunkten miteinander verglichen:

Stützverbau Künstliche 1 1

1 1 Lawinenauslösung 1

--- ---1---1 'Restrisiko Für Anlagen, Gebäude I Für Anlagen und 1

Kontinuierliche Lagebeurteilung durch qualifi- zierte und aus- gebildete Fachleute

Sperrzeiten

Anpassungsfähig- keit an selten auftretende Situationen

vernachlässigbar. 1 Gebäude Objektschutz 1 Für ungeschützte I notwendig. Gelände 1 Menschen (Skifahrer auf! inkl. extreme Auslauf- Plsten) im Auslauf- 1 strecken müssen gebiet sehr klein. 1 evakuierbar sein.

Für Pisten in oder un- 1 Für Pisten, Abfahrten mittelbar unter dem An- und Varianten klein rissgebiet nicht immer bis sehr klein je

genügend. nach Methode.

Für Variantenfahrer meist ungenügend.

Wichtig zur Erfassung von Extremsituationen

Für Gebäude, Anlagen 0 bis sehr klein.

Für Pisten im Auslauf- gebiet sehr klein bis klein.

Kurzfristig unmöglich.

Ohne Unterbruch vom 1.

Schneefall bis Ende Saison notwendig.

Wichtigste Voraus- setzung für eine er- folgreiche Anwendung der Methode.

Bei Helisprengungen bis zu mehreren Tagen.

Bei Sprengbahnen und Handsprengungen klein.

Für Handsprengung und Helisprengung sowie Geschossabgabe sehr gut. Für Sprengseil- bahnen Anpassungen nurj entlang Seilführung 1

möglich. 1

- - - ____________ !

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Verhinderung von

Extremlawinen

Sehr gut, eigentlicher I Mit Helisprengungen 1 Zweck des Stützverhaus. 1 meist unmöglich. Mit 1

1 Sprengbahnen bei guter!

1 Anlage möglich 1 _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1 _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1

Verhinderung I Nur gut wenn jegliche 1

von Frühlings- Sehr gut I Schneeansammlung im 1

Lawinen I Anrissgebiet durch 1

1 kontinuierliches Ab- 1

1 sprengen während des 1

1 ganzen Winters ver- 1 1 hindert werden kann, 1 1 sonst ungenügend. 1 _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ I 1

1 1

Verfügbarkeit Dauernd ausser in nicht Handsprengung und 1 vorausgesehenen insbesonders Heli- 1 Situationen. sprengung wetterab- 1 hängig. Geschosse 1 und insbesonders 1 Sprengbahn sehr gut. 1

- - - -- - - _____________ ! Kosten

Installation/

Betrieb

Sehr hoch/ klein Handsprengung: klein/klein Geschosse:

1 1 1 1 klein/sehr hoch 1 Sprengbahn: hoch/kleinl Helikopter: klein/hochl

- - - - - - - '

Stabilitätstest unmöglich möglich 1 1

- - - - --- ---'

SCHLUSSBEMERKUNGEN

Temporärer und permanenter Lawinenschutz hatten ursprünglich deutlich voneinander getrennte Anwendungsgebiete. Der sehr aufwendige und teure permanente Stützverbau wurde beinahe auschliesslich zum Schutz von Ortsteilen, die während Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten unbehelligt in extremen Auslaufzonen von Katastrophenlawinen erbaut wurden, eingesetzt. Der temporäre Schutz wurde benahe ausschliesslich für den Schutz von leicht sperrbaren Verkehrswegen und skitouristischen Anlagen verwendet. Heute zeichnet sich eine Vermischung der

Anwendungen ab. Währendem in einigen Ländern aus Kostengründen und aus der Ueberzeugung heraus, dass die temporären Massnahmen die heutigen Sicherheitsbedürfnisse erfüllen, weitgehend auf neue Stützverbauungen verzichtet wird, werden andernorts Stützverbauungen zur Erhöhung der Lawinensicherheit auf Abfahrtspisten verlangt. Es scheint mir wichtig, dass Jedes einzelne Sicherungsproblem unabhiingig analysiere t,ird, damit ein optimales Sicherungskonzept gefunden <,erden kann.

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