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Die Krankheit des Lazarus

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Academic year: 2022

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124 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Oktober 2015 | www.pta-aktuell.de

B

evor man überhaupt wusste, dass es Mi- kroorganismen gab, versetzte das Er- scheinungsbild dieser Infekti- onskrankheit, hervorgerufen durch den Erreger Mycobacte-

rium leprae, die Menschen in Angst. Betroffene litten unter typischen knotigen Auswüch- sen im Gesicht, die mit der Zeit zum sogenannten Löwenge- sicht verschmolzen. Durch die Nervenschädigungen an den

Extremitäten kam es außerdem zu Verstümmelungen und Läh- mungen.

Rätsel der Herkunft Selbst der modernen Medizin ist es noch nicht gelungen heraus- zufinden, wo der Erreger über- haupt herkommt. Fest steht nur, dass er ausschließlich den menschlichen Wirt be- siedelt und sich bei Ausbruch in dessen Zellen explosions- artig vermehrt (leproma- töse Lepra). Es ist heute mit einer bestimmten Antibiotika- Kombination ohne weiteres möglich, ihn sehr schnell ab- zutöten. Dabei ist die Lepra keinesfalls ausgerottet, ihre Fallzahl geht allerdings in den entwickelten Ländern gegen Null und existiert nur über Einschleppung. Hauptsäch- lich in Afrika, Brasilien, In- dien und Südostasien finden sich noch bis zu 300 000 Neu- erkrankte jährlich. Die Krank- heit hat eine lange Inkubations- zeit – im Schnitt 4 Jahre, es können aber auch 20 sein – und wird vorzugsweise übertragen, wenn Menschen sehr lange in sehr schlechten hygienischen Verhältnissen dicht beieinan- der leben. Auch dann erkrankt aber wegen der geringen Viru- lenz nur einer von 20 Menschen

daran; man vermutet auch eine familiäre Disposition.

Gestraft von Gott Nichts von dem wusste man im Mittel- alter. Das furchterregende Äu- ßere der Kranken im Gesicht und an den Gliedmaßen ließ auf eine Gottesstrafe schließen.

Die Kranken wurden aus der Gesellschaft ausgeschlossen und zwar mit sehr drastischen Maßnahmen. Während ferne Länder sogenannte „Lepra-Ko- lonien“ gründeten, entstanden in Deutschland „Leprosorien“;

spezielle Siechenhäuser, die ausschließlich Leprakranken als Unterkunft dienten. Das Köl- ner Melatenhaus („mal ladre“, Krankheit des Lazarus) ist dabei wegen des angrenzenden, heute noch bestehenden Friedho- fes vielleicht das Bekannteste.

Anders als um die an Pest Er- krankten kümmerte sich die Kirche um diese Menschen. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Heilung des „aussätzigen“

Lazarus bereits in der Bibel be- schrieben wurde.

Mittelalterliches Attest Für die Aufnahme ins Leprosorium nahm zunächst eine Ärztekom- mission die „Lepraschau“ vor und fällte erstaunlich genaue Urteile: Sie testete die Sensibili-

Die Krankheit des Lazarus

© Juulijs / fotolia.com

Sie war im Mittelalter der Schrecken schlechthin: Lepra, auch Aussatz genannt,

wurde schon in der Bibel beschrieben und galt als göttliche Strafe. Betroffene wurden vom öffentlichen Leben ausgeschlossen.

PRAXIS WELCH EIN NAME

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tätsstörungen, suchte nach Ge- schwüren in den Nasengängen, veranlasste den Betroffenen zu einer „Singprobe“, um die ty- pische raue Stimme zu hören.

War die Krankheit festgestellt, erfolgte der Ausschluss aus der Öffentlichkeit. Das Edikt des Langobardenkönigs Ro- thar legte 634 erstmals fest, den Kranken aus seinem Haus zu vertreiben und ihn fortan wie einen Toten zu behandeln. 757 erlaubte die Synode von Com- piègne sogar, dass eine Ehe ge- schieden werden durfte, wenn einer der Partner an Lepra erkrankt war – in den Zeiten der Unauflöslichkeit der Ehe ein brachialer Akt. Die weit- reichendsten Beschlüsse fasste dann das Dritte Laterankonzil von 1179: Aller Besitz und der Gemeindestatus wurde den tamquam mortuus, den leben- den Toten, genommen; Kirchen durften nicht mehr besucht, die an Lepra gestorbenen Men- schen nicht mehr auf den all- gemeinen Friedhöfen bestattet werden.

Barbarische Sitten Teilweise musste der Erkrankte an seiner eigenen Totenmesse teilneh- men. Der Pfarrer ermahnte ihn dabei vor der Trauergemeinde,

sich künftig von Gesunden fernzuhalten. Danach musste der Leprakranke in die aus- gehobene Grube steigen; ihm wurde symbolisch Erde auf den Kopf gestreut. Die Lepro- sorien standen oft an belebten Straßen oder Wegkreuzungen, sodass die in einer Art klöster- licher Gemeinschaft lebenden jedenfalls betteln konnten. Sie wurden dazu in den charak- teristischen dunklen Kapu- zenmantel gehüllt und hatten eine Art Klapper, um Gesunde vor sich selbst zu warnen. Die Hausordnung selbst war streng;

alle Dinge, die der Zerstreuung dienten wie Singen oder La- chen, waren verboten. Die Tage wurden im Gebet verbracht. So war den Kranken nicht nur ihre Familie genommen, sondern sie mussten auch das Stigma der Ausgrenzung ertragen. Und doch ging es den meisten in Deutschland, den Niederlanden oder Norwegen (einem Land mit besonders hoher Durchseu- chungsrate) immer noch besser als anderswo, wo die Menschen auf der Straße leben mussten.

Endlich geklärt Auf die Spur kam man dem Bakte- rium erst 1873. Da entdeckte der norwegische Arzt Gerhard Henrik Armauer Hansen den stäbchenförmigen Organismus unter dem Mikroskop. Myco- bacterium leprae gehört damit zu den am frühesten entdeckten Krankheitserregern überhaupt.

Der Spuk nahm damit ein Ende:

Das Unerklärliche wurde zu einer ganz normalen Infekti- onskrankheit, auch wenn es bis zur Entdeckung der Antibiotika noch ein wenig dauerte. ■

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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URSPRUNG

Die Krankheit Lepra er- reichte früh den Mittel- meerraum, möglicherweise durch das Heer Alexan- ders des Großen (333, bei Issos‘ Keilerei), das das Mycobacterium leprae aus Indien mitbrachte. Im 12. Jahrhundert erreichte die Erkrankungszahl ihren Höhepunkt und ging dann langsam zurück. Noch im 19. Jahrhundert wurden in Norwegen besonders viele Fälle nachgewiesen.

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