579
Textkritische Bemerkungen
zur Käthaka- und Prasna-Upanisad.
Von Alfred Hillebrandt.
F. 0. Schräder gebührt das Verdienst, den ersten Grund zu
einer textkritischen Ausgabe der üpanisads gelegt zu haben, und
sein erster Band der „Minor üpanisads' wird allen willkommen
gewesen sein," die den Versuch machen, diese trotz ihrer Berühmt¬
heit oder vielleicht gerade wegen ihrer Berühmtheit in einzelnen 5
Partien recht unvollkommen überlieferten Werke zu übersetzen.
Erst wenn ein Codex üpanisadum vorhanden ist, der die Lesarten
der wichtigeren Handschriften verzeichnet, wird es möglich sein,
dem vollen Verständnis dieser alten Traktate, die an der Spitze
der indischen Philosophie stehen, näher zu kommen. Einige Kon- lO
iekturen zu Texten, die Schräder noch nicht gibt, seien hier vor¬
geschlagen.
Käthaka-Upanisad 1,28:
ajiryatam amrtänäm upetya jiryan martyah kvadhahsthah prajänan
abhidhyäyan varnaratipramodän atidirghe jivite ko rameta || is
In diesem Verse bereiten die Worte kvadhahsthah und varna¬
ratipramodän dem Verständnis Hindernisse. Whitney^) deutet
kvadhahsthah als , standing below', ,with the ku of depreciation
prefixed"; Böhtlingk (SKSGW., 14. Nov. 1890) sagt, mit kvadhah¬
sthah oder der v. 1. kva tadästhah sei nichts anzufangen und ver- 20
mutet darin einen von prajänan abhängigen Akkusativ; Kern liest
sadhastham. Unseren Ansprüchen genügt nur die Lesart kvava-
sthak (d. i. ku-avasthah), die ich in der Fußnote der Anandäirama-
ausgabe (Heft 7, Jahr 1897) als aus einem in K&Si gedruckten
Text entnommen finde, ,in übler Lage': das sind die Gebrechen 25
des jiryat. Aber sie reicht nicht aus. Zu upetya muß ein Objekt
gesucht werden, das allein in prajänan stecken kann. Wie wir
cintäm upeyivän im Mbh. (PW) finden, so wird man auch upetya
prajflänam lesen und annehmen können , daß prajflänam leicht
und um so leichter verlesen werden konnte , als sonst prajüänam 30
mit einem Gen. obj. nicht verbunden zu werden scheint.
Die zweite Schwierigkeit finden wir in varnaratipramoda.
1) Transactions of tlie American Pliiiologicai Assoc. 21, S. 97 (1890).
580 Hillebrandt, Texthr. Bemerk, z. Käthaka- u. Praäna- Upanifad.
Whitney übersetzt , thinking upon the delights of caste and
carnal pleasure ', Böhtlingk ähnlich, Ge 1 dn er (Rel.-gesch. Lese¬
buch 1908, S. 205): , Schönheit, Freude, Liebeslust'. Gegen jede
dieser Übersetzungen läßt sich Einspruch erheben. Ich schlage die
5 Konjektur für varna varga , das leicht verlesen werden kann , vor
und lese entweder vargaratipramodän oder vargatrayipramodän ■
letzteres gewaltsamer aber besser, da das Nebeneinander von rati
und pramoda in ähnlicher Bedeutung vermieden wird. Andernfalls
varga = trivarga = Käma, Artha, Dharma. Bhäg. Pur. IV, 21, 29
10 (PW) steht varga auch allein in dieser Bedeutung. Zu übersetzen
wäre demnach:
,Wie möchte ein alternder Mensch in übler Lage,
der zur Kenntnis der nicht alternden Götter ge¬
kommen ist, noch an die Freuden des Trivarga denken
i5und an einem überlangen Leben Gefallen finden?'
Käthaka-Upanisad I, 17:
brahmajajrlam devamidyarn viditvä
nicäyyemäm däntim atyantam eti |
Whitney: , knowing the ÄroÄman-comprehending, the divine,
80 the praiseworthy'; Böhtlingk: ,Hat man beim heiligen Studium
den preisenswerten Gott (Agni) erkannt und verehrt'; näher kommt
Geldner dem nach meiner Ansicht richtigen: ,Weil er das zur
Welt gewordene Brahman als den anzubetenden Gott erkannt und
erschaut hat' und fügt erklärend hinzu: ,das Brahman des bekannten
25 Verses brahma jajnänarn'. Die Stelle erwähnt den Anfang von
Texten; brahmajajnam und devamtdyam sind zu verstehen wie
kayäivhhtya, tadidäsiya, nänäniya ; jenes steht für brahma jcy'üä-
nam und ist abgekürzt etwa wie mähitra, die Bezeichnung des
Liedes mahi trinäm avo E.V. X, 185; devamtdyam ist ein un-
30 bekannter Text. Auch die unverständliche Stelle Käthaka-Upanisad
IV, 6 dürfte nur eme Aufzählung von Textanfängen sein; und
ebenso sehe ich in II, 11 in den Worten stomamahad urugayam
eine Anführung eines Visnuliedes, das urugäya als Kennwort ent¬
hält, ebenso wie sajaniya der Name von RV. H, 12 ist, weil es
35 die Worte sa janäsah am Ende jedes Verses als eine Art Kenn¬
wort betrachtet. Demnach wäre zu übersetzen: ,Wer die Schrift¬
stellen brahma jajnänarn, devam tdyam kennt usw.'
Die Upanisad bietet öfters Gelegenheit von den Auffassungen
anderer abzuweichen. Ich möchte noch zwei Einzelheiten erwähnen ;
40 daksinäsu niyamänäsu I, 2 bezieht sich nicht auf das Wegführen
der , Rinder', sondem der Daksinäs überhaupt, in der Rinder, aber
auch Rosse und anderes enthalten sein können, nl ist ein Terminus,
der sich auf das Inempfangnehmen der Opferhonorare bezieht. Ein
alter Interpret hat das schon mißverstanden und ausschließlich auf
45 Kühe bezogen ; die Worte pltodakä jagdhatrnä dugdhadohä nirin-
driyäh, an sich hier sinnlos, hat er eingeschoben, um sich das
Hillebrandt, Texthr. Bemerk, z. Käthaka- u. PraSna- Upanifad. 581
folgende , freudlos' zu erklären. Es scheint mir ferner unrichtig in
I, 4 an einen Zorn des Vaters zu denken , weil er dem Sohn erst
nach dreimaligem Fragen antwortet. Der Vater hat alles hingegeben
und zögert nun, auch den Sohn noch hinzugeben. Die Kommentare
haben den ,Zorn des Vaters' aus I, 10 konstruiert, wo es heißt, 5
der Vater solle den zurückgegebenen Sohn ohne Groll begrüßen.
Die Situation ist aber anders. Wenn der Sohn, nachdem er ein¬
mal hingegeben ist, wiederkehrt, könnte der Vater über den, dem
Anschein nach als Opfergabe zurückgewiesenen und ungeeigneten
Sohn zornig sein und Groll empfinden. Ein Grund, über die mehr- lo
malige Frage des Sohnes zornig zu sein , ist aber für ihn nicht
vorhanden.
Praäna-Upanisad I, 13:
ahorätro vat prajäpatih \ tasyähar eva präno rätrir eva
rayih I präriarn, vä ete prasicandantiye divä ratyä sarnprayujyante \ 15
brahmacaryam eva tad yad rätrau ratyä samyujyante.
Es fällt auf, daß es brahmacaryam sein soll, wenn sie nachts
sich in Liebe verbinden ; denn das steht in Widerspruch mit allem,
was sonst als Charakter des Brahmacarya gilt und steht auch mit
dem in Widerspruch , was unser Kapitel darüber sagt ; denn dieses 20
weist in § 10 Brahmacarya mit Tapas, Öraddhä und Vidyä denen
zu, die nach dem Selbst forschen, die Sonne gewinnen und nicht
mehr wiedergeboren werden. Böhtlingk nimmt keinen Anstoß
und übersetzt : , Keuschheit ist es, wenn man sich in der Nacht im
Liebesgenuß verbindet' (SKSAW. , 14. Nov. 1890, S. 53); ähnlich 2s
Deussen: ,und dieses ist der [auch dem Grhastha obliegende]
Brahmanenwandel , daß man sich nur in der Nacht in Lust ver¬
bindet'. Das ist aber alles andere als , Brahmacarya'. Den ge¬
wöhnlichen und verbreiteten Begriff konnte der Verfasser der
Upanisad nicht so nach Wunsch umdeuten. Vergessen wir nicht, so
daß es sich um ein Vrata handelt, das man dem ,Herm der Ge¬
schöpfe ' zuliebe begeht ; § 15: tad ye ha vai tat prajäpativratarn
caranti te mithunam ufpädayante ; es ist mit Umänderung von
hm in t statt brahmacarya zu lesen vratacarya, das sonst, nach
Jacob's Concordance, nicht vorkommt und das bei einiger Un- ss
aufmerksamkeit vermöge allgemeiner Ideenassoziation leicht durch
das geläufige brahmacarya verdrängt werden konnte.
Praina-Üpanisad 1,9:
Eine andere Schwierigkeit, die den Sinn des ganzen Kapitels
verändert und und mich lange beschäftigte, liegt in I, 9: tasmäd m
eta rsayah prajäkämä daksinam pratipadyante; denn rsayah
prajäkämäh ist ein Widerspruch in sich. In § 12 stehen die Rsis
im Gegensatz zu den anderen ; sie tun istam *) (nicht isUm !) in der 1) Nicht von yaj, sondern von is: ,was sie für wünschenswert erachten';
die einen üben Tapas, die andern opfern.
582 Hülebrandt, Texthr. Bemerk, z. Käthaka- u- Prama- UpanÜad,
lichten Hälfte des Monats, die anderen in der dunklen, und das
steht im Zusammenhange mit dem ganzen Gedankengange des Kapitels.
prajäkämäh verträgt sich nicht mit der allgemeinen Auffassung von
einem ßsi. Brhad Ar. Up. 3, 4, 1 heißt es: , Brahmanen, die das
5 Seihst erkannt haben, stehen ab vom Verlangen nach Kindern,
Reichtum usw.'; oder 4, 4, 26: , Frühere Brahmanen, wenn sie ge¬
lehrt und klug waren, wünschten sich keine Nachkommenschaft;
(denn): ,was sollen wir mit Nachkommenschaft tun?' Also ist ein
9si nichts weniger als prajäkämä. Der Text wird erst klar, wenn
10 wir rsayah streichen und die, welche Nachkommenschaft wünschen
und das Prajäpatigelübde halten, im Gegensatz zu denen stellen, die
als 5sis mittels des brahmacarya der Nicht Wiedergeburt entgegen¬
streben.
Praina-Üpanisad in, 3:
15 In diesem Kapitel fragt Kauäalya Aivaläyana den Pippaläda
nach der Entstehung des Prä^a und nach dem Wege, wie er in den
Körper kommt. ,Der Prä^a, erwidert dieser, kommt aus dem Atman' ;
die weitere Antwort ist textkritisch unsicher. Sie lautet: yaüiai^ä
puru^e chäyattaaminn etad ätatam manokrtenäyäfy asmin darlre;
so die Schwierigkeit liegt in mano hrtena. SaAkara als echter
indischer Interpret nimmt an der Tradition keinen Anstoß und
erklärt das Wort wie manahkjrtena , also infolge der durch seinen
Willen getanen Werke. Rangarämänuja's Kommentar erklärt Tnano
'krtenäyatnena, krtadabdo yatnärthako yatnam antarena usw.
S5 Böhtlingk (SKSAW., 14. Nov. 1890, S. 59) liest manäh \ tena
und übersetzt: ,an diesem haftet das Denkorgan wie der Schatten
am Menschen. Auf diesem (Wege) gelangt (der Hauch) in den
Körper', fügt aber hinzu: ,Bei meiner Änderung bleibt unerklär¬
lich, wie die Silbe kr hineingeraten ist'. Deussen: ,ohne Zutun
30 des (bewußten) Willens kommt er in diesen Leib hinein'. Wir
haben es mit einem sehr alten Fehler zu tun. Für krtena ist zu
lesen dütena. ,Der Geist ist des Prä^a Bote'; Kaus.-Up. 2, 1, 1:
präno brahmeti ha smäha kau^ltakih \ tasya ha vä etasya prä-
nasya brähmano mano dätam. Demnach zu übersetzen: ,Wie der
35 Schatten am Menschen, haftet an diesem Präna der Verstand. Durch
ihn (als seinen) Boten gelangt er in diesen Körper'.
583
Zur Aussprache der Velarlabialen kp und gb.
Von M. Heepe.
Durch die Beschäftigung mit dem Jaunde, einer Bantusprache
Südkameruns, sah ich mich dazu veranlaßt, den für so viele Sudan¬
sprachen charakteristischen und auch im Jaunde vorhandenen Velar¬
labialen genauere Beachtung zu schenken. Die genaue Wiedergabe
dieser Laute kp und gh ist von jeher sehr erschwert gewesen durch 6
die fiir den Europäer ungewohnte enge Verbindung der znr richtigen
Bildung der Laute notwendigen Velar- und Labialartikulation, über
deren Art und gegenseitiges Verhältnis man sich auch bislang noch
nicht genügend Rechenschaft gegeben hat. P. Nekes bezeichnet in
seinem Lehrbuch der Jaunde-Sprache, S. 12, kp nicht unrichtig als lo
ein .volares p* und gb als ein ,velares i". Er faßt die Laute
aber nicht anders auf als der Erforscher der Sudansprachen, Wester¬
mann, dessen ausführliche Beschreibung dieser Laute in seiner
Grammatik der Ewe-Sprache er S. 12 wörtlich anführt. Wir
werden darauf unten noch weiter einzugehen haben. i6
Nach unserer Beobachtung wird man aber nicht zu einer
richtigen Bildung der Laute kommen können, wenn man der dort
gegebenen Anleitung folgt.
Diese Darstellung ist übrigens nicht die einzige, die wir von
Westermann haben. Es findet sich schon eine ganz ähnliche 20
Formulierung in dem zwei Jahre früher erschienenen Wörterbuch
der Ewe-Sprache Bd. I, S. 18*, mit dem allerdings bemerkens¬
werten Unterschied, daß hier von einem , Velarverschluß', und nicht wie in der späteren Fassung von einer „Velarverengung* gesprochen
wird. Vielleicht ist diese spätere Form als Ergebnis der phone- 2s
tischen Konferenz anzusehen, von der Carl Meinhof in seinem Buch
,Die moderne Sprachforschung in Afrika' S. 56 f. spricht, und an
der auch Eduard Sievers und Hermann Gutzmann teilgenommen
haben. Jedenfalls ist für die Westermann'sche Auffassung typisch,
daß immer von einem p und b ,mit velarem Ansatz' gesprochen so
wird. Und ganz in die gleiche Richtung weisen die Äußerungen,
die wir von Meinhof aus dem Jahre 1910 haben. Er sagt*) unter
1) Ergebnisse der afrikanischen Sprachforschung, Archiv fiir Anthropologie, Neue Folge, Bd. IX, S. 184.