Bücherbesprechungen
Gerhard Doerfer: Lautgesetz und Zufall — Betrachtungen zum Omnicom¬
paratismus. Innsbruck: Institut für Vergleicliende Spracliwissenschaft
der Universität Innsbruck 1973. (Innsbrucker Beiträge zur Spraeh¬
wissenschaft. 10.) 130 S. 8»
Nur selten begegnet man Fachbüchern, die sich leicht und amüsant wie
Unterhaltungsliteratur lesen lassen und die dabei trotzdem wissenschaftlichen
Tiefgang aufweisen. Zu diesen bemerkenswerten Raritäten gehört die vor¬
liegende methodische und wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung des
bekannten Göttinger Turkologen und Altaisten, die sich mit den grundsätz¬
lichen Fehlern in den bekarmtesten und am ehesten ernstzunehmenden
„omnicomperatistischen"' Versuchen beschäftigt. Es handelt sich dabei in
der Hauptsache um die Arbeiten von Trombetti, Mölusr, Brunner und
Illiö-Svityö^, wobei vor allem die beiden letzteren besonders ausführlich behandelt werden'.
' Der Terminus „omnicomparatistisch" ist insofern nicht ganz zutreffend,
als sich nur wenige der angeführten Arbeiten, wie z.B. die Trombettis,
bemühen, alle Sprachen der Erde zu vergleichen bzw. deren Verwandtschaft zu beweisen, trifft andererseits aber sehr wohl auf die zugrundeliegende Auf¬
fassung von „Sprachvergleich" zu.
^ Andere, weniger ernstzunehmende Arbeiten werden am Rande behandelt,
wohingegen die Aufsätze von Oswaxt (Robert L. O. : The Detection of Remote
Linguistic Relationships. In : Computer Studies in the Humanities and Verbal
Behavior 3,3 (1970), S. 117—129) und Zakar (v.a. AndrAs Z. : Sumerian-
Ural-Altaic Affinities. In: Current Anthropology 12 (1971), S. 215—225), die für das behandelte Thema von einigem Interesse wären, nicht berücksichtigt
wurden. Vor allem die Studie von Oswalt, die sich mit dem lobenswerten
Versuch beschäftigt, ein Computerprogramm zur Abschätzung der Anzahl
lexikalischer Übereinstimmungen zwischen unverwandten Sprachen, die man
auf Grund des reinen Zufalls erwarten darf, zu entwickeln, gehört hierher.
Kernstück dieser Überlegungen ist dabei die Frage, wann man von Über¬
einstimmung in der äußeren Form sprechen kann : Es werden dabei Reiben
phonetischer Verwandtschaft erstellt, innerhalb derer sich die Phoneme nur
durch die Präsenz oder Absenz bestimmter distinktiver Merkmale unter¬
scheiden. So können dem Phonem d die Phoneme t, d, n und 1 an die Seite
gestellt werden, dem Vokal o die vokalischen Phoneme a, o, u und ü usw.
Diese Reihen unterscheiden sich in letzter Konsequenz kaum von den bei
Doerfer angeprangerten Pseudophonemen und Konsonantenstammreihen,
wie sie sich bei Trombetti, Möller usw. linden. (D. selbst beschäftigt sich
IF 76 (1971), S. 1—14, bes. 5—7 mit dem Problem der Erstellung objektiver Kriterien zur Sprachklassifizierung und stellt dabei fest, daß die Intensität der Differenzen —- mit der allein sich Oswalt beschäftigt — nur eine Schwierig¬
keit unter mehreren, die sich diesem Vorhaben entgegenstellen, darstellt.) So
ergibt sich beim Vergleich des finnischen mit dem englischen Grundwort-
Bücherbesprechungen 363
Nach einer kurzen Einführung (S. 7—9) in die Problematilc dea Omnicom¬
paratismus und dessen methodische Überwindung durch die vergleichende
Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts und insbesondere durch die pro¬
grammatischen Formulierungen der Junggrammatiker stellt Doerfer fest,
daß der Omnicomparatismus nicht durch den Nachweis philologischer Unzu¬
länglichkeiten, sondern nur auf ,, grundsätzliche Weise" widerlegt werden kann.
Fälle von Glottogonic, dem Omnicomparatismus auf engste verwandt
und in vielen Fällen für ihn Voraussetzung, sind auch irmerhalb der seriösen
vergleichenden (indogermanischen) Sprachwissenschaft gar nicht so selten
anzutreffen. Im Kap. 2 (S. 10—23) führt Doerfer einige Beispiele für Glotto-
gonie innerhalb der Indogermanistik an, wobei neben prominenten Namen
wie Hirt, Specht und Schmitt-Brandt auch die gesamte Laryngaltheorie
zu Wort kommt. Der Standpunkt, den D. in dieser Frage einnimmt, ist im
Grunde zwar richtig, scheint aber in Einzelheiten übertrieben scharf formu- schatz, wobei Oswalt (S. 125f.) 37% Übereinstimmungen bei 100 Vergleichs¬
paaren ermittelt (was naoh Swadeshs glottochronologisoher Methode
übrigens einen Trennungszeitraum von nur etwas mehr als zwei Jahrtausen¬
den bedeuten würde!) daß das finnische Phonem k (s. Oswalt S. 126) in drei
Fällen dem englischen k, aber auch dreimal englischem h entspricht und os
sogar Übereinstimmungen h:h gibt. Dieser Tatsache ist Oswalt sich zwar
bewußt, verzichtet aber großzügig auf die Klärung dieses Problems, indem
er (S. 14) behauptet, "the comparative method of finding conditioning factors for different sets can hardly be followed because of the great number of sound
shifts that may have taken place, and the few true cognates are obscured by
the large number of chance resemblances." Wenn man dieser Meinung ist
und sie in die Praxis umsetzt, ist es gut möglich, daß man, wie Zakar in dem
oben erwähnten Aufsatz behauptet, 57 Entsprechungen in den 100-Wort-
listen des Sumerischen und des Ungarischen findet. Und wenn man sich die
besten dieser Gleichungen — sum. bar/bur, ung. bar(ka) 'Rinde' ; sum dal,
ung. säl 'fliegen'; sum. kwa/ku, ung. hai < kala 'Fisch' (vgl. Miguel Civil
in: CA 12 (1971), S. 216) — ansieht, so hält man auch das (ungesehen, denn
die von Zakar zitierten Veröffentlichungen sind in Ungarn und auf Unga¬
risch erschienen und praktisch unzugänglich, vgl. auch W. H. Jacobsen in :
CA 12 (1971), S. 217) für möglich. Hier wäre auch anzuführen der Rezensions¬
aufsatz von V. Pisani: Parentela fra le grandi famiglie linguistiche. In:
Paideia 26 (1971), S. 317—326, der die Arbeiten von A.-M. Vesson: On
linguistic affinity. The Indo-Uralic Problem. Malmö: Förlags AB Eest Post
(Estonian Post Publishing Company Ltd.) 1970; und S. Levin: The Indo-
European and Semitic Languages. Albany: State University of New York
Press 1971 (zu diesem Werk s. Dörfer S. 43—44 mit berechtigtem Negativ¬
urteil) behandelt.
3 Dies ist nur zum Teil (vor allem durch deren jüngeres Erscheinungs¬
datum) gerechtfertigt; nicht aber, was die wissenschaftliche Leistung an¬
langt: S. 112f. bemerkt Doerfer selbst, und ganz zu Recht, daß Illiö-
Svttyö (1971) in einer weit günstigeren Lage sieh befand als Fick (1868), da
er am Ende einer langen Entwicklung, in der viel Material zu den einzelnen
Sprachfamilien gesammelt worden ist, stand und er z. B. das Wörterbuch von
Pokorny (1959ff.) verwenden konnte. Für Möller (1911) aber trifft das
nicht in diesem Maße zu, und rein vom Arbeitsaufwand her stellt sein Werk
doch die beachtenswertere Leistung dar.
364 Bücherbesprechungen
hert* und gelegenthch auch unrichtig: So hat D. sicher recht, wenn er S. 14
meint, daß es eine großartige Sache sei, daß das Hethitische den Beweis für ein idg. *h erbracht habe, daß das aber kein Beweis für idg. Laryngale sei.
Auch ist es sicherlich richtig, daß man (S. 12) die extremen Standpunkte
Kbonassebs einerseits und der Laryngalisten andererseits vermeiden soll.
Weiter ist auch kaum anzuzweifeln, daß h ein sehr schwacher Laut ist, vmd
daß (S. 15) der Übergang h > Null der universalste Übergang überhaupt ist^.
Wo er sich aber mit Einzelheiten der Laryngaltheorie beschäftigt, ergeben
sich manche Widersprüchlich keiten. So wird die bei Cowgill als stärkstes Argument für die Richtigkeit der Laryngaltheorie bezeichnete Entwicklung
der (doppelten) Schwundstufe von *peleiio zu ai. pürna-^ mit Güntebt als
„sprachempirisch imtermauerto Stufenfolge" von pelenö > palenö > palanö
> pUanö > pSlnö > pilnö > . . . pürna angesehen. Wieso diese Erklärung der ,,laryngalistischen" vorzuziehen sein soll, ist nun schwerlich einzusehen, besonders wenn man an die erwähnte ,, empirische Untermauerung" denkt:
Wenn man annimmt, daß pelenö beim ersten Schritt der Stufenfolge ,,um je
eine Stufe" zu palenö gekürzt worden ist, so ist es notwendig, peleno als
phonetische Realität anzusehen. Das aber wird durch keinerlei Empirie
gestützt, da *pele- ja die nur theoretische Form einer schweren Basis mit
Vollstufe in beiden Silben darstellt, unter der sich tatsächhch belegte Ab¬
lautsformen wie *peh- und *ple- vereinigen lassen'.
* Die scharfe und bisweilen überspitzte Art der Formulierung ist überhaupt
ein auffallendes Merkmal des gesamten Werkes, was einerseits zwar die
sachliche Diskussion auf humorvolle Art auflockert — vgl. S. 23: ,,Was ist
die Laryngaltheorie? Die Hypostase eines Doppelpunktes." S. 29: „Ich
erkläre mich bereit, wonn man mir genügend Zeit, Papier, Bleistifte und
Bleistiftanspitzer gibt (und mich von Reformen verschont), je Woche ein
glottogonisohes System auszustoßen, das alle Rätsel der Indogermanistik löst (falls man daran glaubt)" — andererseits aber in nicht eben eindrucks¬
voller Art und Weise für die Riehtigkeit der Behauptungen sprieht, vgl.
S. 119: ,,Mathematisieren kann jeder Trottel. Der allzu starke Gebrauch der
Mathematik in der Lingusistik ist eine Vergewaltigung der Linguistik und
eine Prostitution der Mathematik."
* S. 15—18 schweift D. etwas ab, um die Liste von Beispielen des Schwan¬
kens bei den Lauten ä-/Nu11, die sich sohon bei Keonassbb findet, durch
weitere interessante Belege, v. a. aus dem Bereich des Mongolischen und der
Türksprachen zu erweitern.
' Wobei wegen des konsonantischen Charakters des Laryngals in zugrunde¬
liegendem *plH- (= *pl9-) von einer Zwischenstufe *pl-no- anzugehen sei,
während vokalischos a in *ph-no- ja ai. *prina- ergeben hätte.
' Daß die von D. vorgelegte Stufenfolge sprachempirisoh realistisch wäre, mag wohl sein, aber es genügt nun leider nioht, wie D. behauptet, sich rekon¬
struierte Vorformen vorzusprechen, um zu merken, welche sich leichter zu
einer bestimmten Form entwickeln konnte. Dies mag wohl in vielen Fällen
angehen, doch kann es sicherli( h nioht zur sprachwissenschaftlichen Maxime erhoben worden, da es genug Beispiele dafür gibt, daß die Sprachentwicklimg
nicht immer den bequemsten ^Veg geht. D. selbst (S. 13) wendet sich ja,
allerdings und zugegebenermaßen in etwas anderm Zusammenhang gegen
jene „Fälle . . ., wo die Kompliziertheit der Reahtät duroh ein simplifizieren¬
des, harmonisierendes und gefälliges Denkschema ersetzt wird."
Bücherbesprechungen 365
Noch schwerer verständlich ist Abschnitt 244. (S. 20—23), in dem es um
die Laryngaltheorie als ,, Hypostase eines Doppelpunktes" geht. Kernpunkt dieser recht polemisch gefülirten Überlegungen ist dabei zunächst die Gleich¬
setzung der Symbole H = a mit dem Doppelpunkt .-, der im internationalen
phonetischen Alphabet die Länge des vorhergehenden Vokals bezeichnet
(in der Indogermanistik allerdings kaum üblich ist). Wenn man nun rein
formal von e — e: eine Einheit, also e, abzieht, bleibt (so D.) der Doppel¬
punkt ; übrig — ,,das Längezeichen hat sich als Laut hypostasiert" (S. 22)'.
Die Behauptung, daß derartige Hypostasenbildungen sich schon bei
DE SaUSSUeb fänden, ist in dieser Form unrichtig: D. schreibt auf S. 21, daß
DE Saussueb als Hauptursaehe der sprachlichen Veränderung die Zeit be¬
zeichnet habe und bezieht sich auf dessen „Cours de Linguistique Generale"
(in der deutsohen Ausgabe von 1931), S. 235—238, wo es allerdings (S. 236)
heißt: ,,... Die Differenzierung ist von der Zeit abhängig" und (S. 239)
„. . . der Mangel an Beständigkeit der Sprache hängt lediglich von der Zeit ab." Diose Sätze stammen aus dem Kapitel über die Ursachen der geographi¬
schen Unterschiede (innerhalb eines Sprachgebietes) und sind aus dem Kon¬
text, vor allem aus dem der deutsohen Ubersetzung zugrundeliegenden Text
der französichen Ausgabe zu verstehen. Dort heißt es nämlich (sinngemäß),
daß diese Verschiedenheiten nioht durch die räumliche Entfernung hervor¬
gerufen worden sind, sondern daß die Differenzierungen von der Zeit (die
seit der räumlichen Trennung vergangen ist) abhängig sei. Und weiter : „La
diversity geographique doit etre traduite en diversity temporelle" (dieser letzte Satz fehlt in der deutsohen Übersetzung). Duroh die verschiedenen
Vorlesungsnachschriften (s. Englbe' S. 431) der Hörer de Saussuees wird
besonders deutlioh, daß es de S. hier um den Unterschied zwisohen ,, difference geographique" und ,, difference temporelle" und weniger um die Ursache
der Spraohveränderimg schlechthin geht. (Jedenfalls findet sich bei de S.
nirgends so explizit, wie dies D. behauptet, die imsiimige Feststellung, die Zeit sei die Ursaohe der Sprach Veränderung.)
Der Abschluß der Attacken gegen dio Laryngaltheorie stellt zugleich deren
Höhepunlit (S. 23f.): Die Verwandtschaftsbezeichnungen *mäter, *p3t6r
werden in die Wurzeln mä, pä und das Suffix -ter^" zerlegt, wobei man diese Wurzeln ,,auf laryngalisch" auoh als „maH, paH bzw. max, pax" wieder¬
geben kann. ,,Da mm —• wie jeder Vater weiß — Babys zu reduplizieren
pflegen, müßten die indogermanischen Babys also ihre Eltern als maxmax
bzw. paxpax bezeichnet haben, was nichts weiter als meH^meH^ bzw. peH^-
peH^ ist, da ja der idg. Grund vokal allein e ist". Soweit, so gut. Daß D. aber nun (S. 24) die gesamte Laryngaltheorie als „Pohpch-Theorie" lächerlich
' Das ist nach D. genausowenig sinnvoll, wie wenn man sagt: ,, Familie X
minus Kind = Eltern", da „ein Langvokal minus Vokal nicht etwas, sondern nichts, jedenfalls nichts Sinnvolles (ist)".
' Englee, R. : Ferdinand de Saussure. Cours de linguistique gSrUrale.
Edition critique.. Tome I. Wiesbaden 1968.
Dabei ersoheint es zumindest erwähnenswert, daß sich für die Deutung
sowohl der Wurzeln als auoh des Suffixes verschiedene Möglichkeiten an¬
bieten. Daß sich D. für die Lösung „Lallwurzel + Komparativsuffix -ter-o-"
entscheidet, ist legitim, als Begründung dafin- aber tungusische ParaUelen
heranzuziehen (Anm. 37, S. 127f.), ersoheint in einem Werk gegen den
Omnicomparatismus doch etwas seltsam.
366 Bücherbesprechungen
machen und überhaupt abtun will, ist nur auf dem Wege der ungerecht¬
fertigten Gleichsetzung von 'a' bzw. 'effa' niit 'a;' möglich''.
Im nächsten Abschnitt (3., S. 25—36) führt D. einige glottogonische Über¬
legungen vor und stellt sie gleichzeitig anderen, gegensätzhchen aber ebenso nur glottogonischen Theorien gegenüber, um darzulegen, welchen „Wert"
solche, auf bloße Spekulation gegründete Gedankengebäude haben. Fazit
dieser Überlegungen gewissermaßen stellt die oben Anm. 4 schon einmal
angeführte Erklärung von S. 29 dar, ,,je Woche ein glottogonisohes System
auszustoßen, das alle Rätsel der Indogermanistik löst". Die anschließende kap-kara-Scherztheorie (S. 35f.) ,,löst" tatsächlich gleich mehrere äußerst umstrittene Probleme der Indogermanistik.
Nach einigen Zahlwortvergleichen zwischen unverwandten Sprachen im
kurzen Abschnitt 4 (S. 37—39) kommt D. zum eigentlichen Thema des
Buches, zu den bekanntesten und am ehesten ernstzunehmenden omnicom-
paratistischen Versuchen. D. unterscheidet dabei zwei verschiedene Typen
solch weiter Sprachvergleiche, nämlich den einen, der mit möglichst wenig
Lautgesetzen operiert und dabei möglichst viele Sprachen miteinbezieht
(„Typ Trombetti") und den anderen vom „Typ Möller", der möglichst viele Lautgesetze aufstellt.
Im Kap. 5 beschäftigt sich D. kurz'* mit den Sprachvergleichen vom
„Typ Trombetti" und kommt zum Schluß, daß es deren Hauptfehler ist,
nicht mit Bealphonemen wie die historische Sprachwissenschaft oder zu¬
mindest Idealphonemen wie die rekonstruierende Sprachwissenschaft,
sondern bloß mit Pseudophonemen zu operieren, unter denen sich, im Rah¬
men von Vokal- und Konsonantenstammreihen, verschiedene Laute ver¬
einigen lassen'^.
Die andere omnicomparatistische Methode vom „Typ Möller", die sich
eines Maximums von Lautgesetzen bedient, ist nur scheinbar besser fundiert :
Wo die eine Methode mehrere Laute unter einem Pseudophonem zusammen¬
faßt, das mit einem Pseudophonem der anderen Sprache korrespondiert,
wird bei dieser Methode der einzelne Laut jeweils mehreren Lauten der zu
vergleichenden Sprache gegenübergestellt. Um mit D. zu sprechen: Wo die
eine Methode mit ,, Pseudophonemen" (z.B. /P/) operiert, setzt die andere Methode einfach ,,Pseudoallophone" (z.B. /p'/, /p/, /B/, /b/) bzw. ,, freie
" Man muß kein Anhänger oder Verfechter der Laryngaltheorie sein, um
die Unangemessenheit dieser Gleichsetzung zu erkennen : D.behauptet, das
'e' in 'eHj' sei irrelevant und körme, da die a-Farbe von 'eHj' ja nur das 'H^' bewirke, weggelassen werden. Dabei übersieht er aber, daß es hier nicht allein
um Vokalqualität, sondern auch um Vokalquantität geht {eH^ = ö, aber
H^e = a), wogegen D. eine bzw. zwei Seiten vorher (S. 22 f.) selbst zu Felde zieht („Ein Langvokal minus Vokal ist nicht etwas, sondern nichts, jedenfalls nichts SirmvoUes", vgl. oben Anm. 8).
'" Ausführlich dazu G. Doerfeb : Türkische und mongolische Elemente im
Neupersischen. Wiesbaden 1963—1973, S. 64—77.
" Die sieh, in eine solche Stammreihe eingegliedert, vom Nachbarlaut in
der Regel nur durch ein distinktives Merkmal unterscheiden (hierzu vgl.
Oswalt 1970, s. Anm. 2 oben). Die Unangemessenheit einer solchen Ver¬
fahrensweise wird besonders deutlich, werm man sich vor Augen hält, daß
Sprachsysteme denkbar sind, deren gesamtes Phoneminventar in zwei solche
Stammreihen einzuordnen ist, so daß sich nur zwei Pseudophoneme, ein
vokalisches und ein konsonantisches, ergeben.
Biicherbesprecliungen 367
Pseudo Varianten". Da dieser Saeliverhalt bei Möller sehr verschleiert ist, beschäftigt sich D. in Kap. 7, S. 48—57 ausführlich damit und deckt schritt¬
weise dessen System der Pseudoallophone, das letztlich auf Vermehrung der
angeblichen Laute der Ursprache hinausläuft'*, auf.
Ganz in der Nachfolge Möllers präsentiert sich Brunnbr'*, jedenfalls
was seine Methoden imd seine Intentionen betrifft. Da sein System etwas
schlichter ist, wirkt es sogar solider als das MÖLLERsche, allerdings nur auf den ersten Blick. Auf S. 7 behauptet er, es sei wahrscheinlichkeitstheoretisch
unmöghch, daß Indogermanisch und Semitisch nicht verwandt seien, da er
imstande sei, 1030 von ihm als sicher empfundene lexikalische Entsprechun¬
gen zwischen den beiden Sprachfamilien beizubringen. Da wegen der Struktur
der beiden Sprachen jedoch nur 784 Wurzeln für das Semitische und ca. 2000
für das Indogermanische möglich seien, dürfe man — wenn die beiden Sprach¬
familien unverwandt seinen — nach der Wahrscheinlichkeitstheorie nicht
mehr als 2000:784 ~3 gleichlautende Wörter erwarten. Wie Brunner
zu diesen Schlußfolgerungen kommt, erläutert D. im Kapitel 8 (S. 58—68),
wobei er aufdeckt, daß Brunner mit mehreren, insgesamt 5 Tricks operiert,
so daß sich als Resultat — in gewohnter DoERPERscher Schärfe formuliert
—■ folgende Konzeption der semitischen Wurzel ergibt (D. S. 64):
1. Der erste sem. Radikal ist gleichgültig (für die Bedeutung der Wurzel);
denn or ist oin Präfix.
2. Der zweite sem. Radikal ist auch gleichgültig: denn er ist ein Infix.
3. Der dritte sem. Radikal ist ebenfalls gleichgültig: denn er ist ein Sufiix.
Das heißt: Es ist überhaupt alles egal."
Das ist zwar etwas pointiert formuhert, aber doch nicht ganz unberechtigt,
wie D. S. 66f. zeigt, wo er Brunner mit seinen eigenen Waffen schlägt und
eine eindrucksvolle Lektion in ,, angewandter Omnicomparatistik" erteilt:
Er wählt die Seiten 165—172 aus Brunnbr und vergleicht die dort gegebenen
semitisch-indogermanischen Gleichungen mit dem Malaischen, wobei er für
die lautlichen Entsprechungen dieselben Prinzipien anwendet, wie dies
Brunner beim Erstellen der sem.-idg. Gleichungen getan hatte. Tatsächlich gelingt es D., für jedes Brunner- Wort einen malaischen Vergleieh zu finden und somit erweist sich Brunners Methode als eine echt omnicomparatisti¬
sche : Es ist mit ihrere Hilfe möglich, alle Sprachen der Erde als miteinander verwandt zu erweisen.
Nachdem D. in Abschn. 9, S. 69—76, theoretische Erörterungen über den
„statischen Zufall", der die nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit sich
1* So besitzt die idg.-sem. Ursprache 63 Konsonanten, wenn man die
„Wechsel" hinzuzählt gar 69, während das Indogermanische jedoch nur über
21 und das Ursemitische auch nur über 29 Konsonanten verfügt.
'5 L. Brunneb: Die gemeinsamen Wurzeln des semitischen und indogerma¬
nischen Wortschatzes. Bern und München 1969. Vgl. dazu die Rezensionen
von Neu in: IF 76 (1971), S. 218—228, Neumann in: KZ 84 (1970), S. 301
und E. C. Polom6 in: Sprache 18 (1972), S. 60—61. Daß sich Brunner in
der Nachfolge Möllers befindet, stimmt nur, was die zeitliche Aufeinander¬
folge anlangt. Was die wissenschaftliche Leistung betrifft, stellt Brunners
Arbeit einen Rückschritt dar, besonders wenn man bedenkt, daß seit dem
Erscheinen von Möllers Wörterbuch 6 Jahrzehnte vergangen waren, in
denen die Forschung innerhalb der beiden Sprachfamilien, was die wissen¬
schaftlichen Hilfsmittel und Nachschlagwerke anlangt, sehr vorangetrieben worden ist.
24 ZDMG 125/2
368 Bücherbesprechungen
ergebenden Übereinstimmimgon zwischen unverwandten Sprachen bedingt
und den „dynamischen ZufaU", der bedingt, daß ursprüngheh unähnhoho
Wörter durch lauthohe und semantische Konvergenz einander gleich werden,
anstellt, beschäftigt er sich im Abschn. 10, dem unfangreiohsten des ganzen
Buches (S. 77—116) mit Illiö-Svityc bzw. dessen Vorsuch'', das Semitoha¬
mitische, Karthwehsche, Indogermanisehe, Uralische (= Firmo-Ugrisch und
Samojedisch), Dravidische und das Altaische (hier = Tüu-kisch, Mongolisch,
Tungusisch und Koreanisch) als miteinander verwandt zu erweisen und auf
eine gemeinsame Ursprache, das ,,Nostratische" (so mit Pbdbbsbn) zurück¬
zuführen.
Daß D. sich nun so ausführlich mit iLLic-Svrrvö beschäftigt, hegt nicht
daran, daß dessen Werk so viel bedeutender als das der erwähnten Vorgänger wäre, sondern bloß daran, daß er auch die altaischen Sprachen, das Spezial¬
gebiet D's, miteinbezogen hatte, deren Behandlung D. daher ausführhoh
besprieht. In der Methode jedooh unterscheidet sich Illiö-Svityö kaum von
den vorher besprochenen Arbeiten, das wird besonders dureh die von D.
durchgeführte exemplarische Untersuehung der angeführten 32 mit b an¬
lautenden Wörter deutlich. Bei mit liberalster Großzügigkeit durchgeführter
Musterung dieser Gleichungen bleiben 8 Belege aus dem ungehe\iren Wort¬
schatz von 6 (eigenthch mehr) Spraohfamilien bestehen, und dies auch nur
nach den von Illiö-Svityö aufgestellten ,, Lautgesetzen", ,,ein wahrhaft
dürftiges Ergebnis" (D. S. 10), das wohl kaum ausreichen kann, die Ver¬
wandtschaft dieser Spraohfamilien zu beweisen. Ähnlich verhält es sich mit
der Arbeit von Doloopol'skij", aufdie D. abschließend (S. 113—116) nocb
zu sprechen kommt und in der vom Wahrscheinliohkeitsstandpunkt die Ver¬
wandtschaft von Indogermanisch, Semitisch, Urahsch, Altaisch, Karthwe¬
hsch, Tsohuktscho-Kamtschadalisch und Sumerisch bewiesen werden soll.
Diese Arbeit steht auf noch schwächeren Füßen, da in ihr überhaupt keine
Lautgesetze aufgestellt werden, sondern bloß mit 10 Konsonantenstamm¬
reihen (/P/, /T/, ßl, IKI, IUI, /N/, /R/, /W/, IYI und /NULL/) operiert wird
und zur Exemplifikation der Verwandtschaft wiUkürlich 15 Wörter heraus¬
gegriffen werden. Da sich bei diesen Wörtern relativ viele Ähnliohkeiten in
den verglichenen Spraohfamilien fanden, sei die Wahrscheinlichkeit, daß dies auf Zufall beruhe, praktisch gleich Null. D. erweist S. 115f. kurz und bündig
den Unsinn dieser Behauptungen: Es lassen sich nämlioh leicht 15 Wörter
vom Typ gr. <to96<; = Iat. sapiens ; gr. xaXEtv = engl, call finden, die a) sehr
ähnlioh sind und b) nachgewiesenermaßen nioht verwandt sind.
So erweisen sich schließlich all diese omnioomparatistischen Versuohe als unwissenschaftlich und sind schon deswegen von vorne herein zum Scheitern verurteilt, weil sie mit Rekonstruktionen operieren müssen, die in allzu tiefe
Zeitfernen zurückreichen, so daß auch die letzte Bindung an die Realität
verloren geht (D. S. 119).
Dobbfbb hat in diesem interessanten Buch, in dom Sprachwissenschaftler
der verschiedensten Provenienz für sie Interessantes finden werden, den
lobenswerten und sicherlich auch gelungenen Versuch untemommen, die
V. M. Illiö-Svttyö : Opyt sravnenija nostratiieskich jazykov ( semitocha- mitskij, kartvel'skij, indo-evropejskij, ural'skij, dravidijskij, altajskij).
Vvedenie. Sravnitel'nyj slovar (b-K). Moskva 1971.
" A. B. Doloopol'skij: Oipoteza drevnejSego rodstva jazykovych semej
severnoj Evrazii s verojatnostnoj toiki zrenija. In: Voprosy jazykoznanija 13:2:2 (1964).
Bücherbesprechungen 369 Aussichtslosigkeit jeglicher Bemühungen, einzelne oder mehrere der erwähn¬
ten Spraohfamilien als miteinanander verwandt zu erweisen oder sie gar auf
eine gemeinsame Ursprache zurückzuführen, aufzudecken''. ,, Eingefleischte Omnicomparatisten" jedooh (so D. selbst S. 121) wird man auoh damit nioht überzeugen können, denn (D. S. 122) — ,, menschlich ungemein sympathisoh und vorständlich ist sie schon, diese Sammlung vieler Wörter, diese Freude an der bunten Vielfalt — und an dem steten Gleichklang in all der Vielfalt,
diese Lust am romantischen Schweifen — um immer wieder das Vertraute
zu entdecken."
Johann Tischler, Gießen
Dietmar Kibnast : Philipp II. von Makedonien und das Reich der Achaime¬
niden. München: Fink 1973. 58 S. brosch. (Abhandlungen der Marburger
Gelehrten Gesellschaft. Jahrgang 1971, Nr. 6.)
Der Althistoriker K. (jetzt in Düsseldorf) will zeigen, daß Phüipp bei
seiner organisatorischen Neugestaltung ,, offenbar auch sohon Teile der Hof-
tmd Keichsorganisation der Achaimeniden übernommen und den makedo¬
nischen Verhältnissen adaptiert" hat (245/9). Nach einer Einleitung behandelt
er die einschlägigen Quellen und Zusammenhänge: Reichsauf bau und aus¬
wärtige Politik (Abschn. II) und Hoforganisation und Harem (III), wobei
mit „Harem" (glücklich gewählt?) die politischen Heiraten und die zeit¬
weise Polygamie des Königs gemeint sind. K. maoht es „zumindest sehr
wahrscheinlich, daß Philipp sieh . . . ganz bewußt das Perserreich zum Vor¬
bild genommen hat" (269/33) und daß Alexander dem Weg des Vaters konse¬
quent gefolgt ist (Zusammenfassung, IV); es folgen Anhänge über die He-
tairoi und Hypaspisten sowie Naohträge. Durch die vergleichende Unter¬
suchimg hat das an Prägnanz gewonnen, was heute aussagemöglich ist.
Hans Georg Gundel, Gießen
J. H. HosPERS [Hrsg.]: A basic Bibliography for the study of the Semitic
languages. Vol. 1. Leiden: BriU 1973 XXV, 401 S. 8».
Die vorliegende Bibliogi'aphie zu den semitischen Spraohen ist aus bibho¬
graphischen Vorlesungen an der Universität Groningen entstanden und durch
Beiträge einiger nioht zum Lehrkörper dieser Universität gehörender Autoren
ergänzt worden. Sie soll Semitisten als bibliographischer Leitfaden dienen
und ist deshalb bewußt als Auswahlbibliographie konzipiert worden. Die
einzelnen Abschnitte sind recht verschieden gestaltet, je nachdem, welche
" Zumindest gilt das für den heutigen Stand der Sprachwissenschaft. Es
wäre allerdings denkbar, wenn auoh ganz und gar unwahrscheinlich, daß man
durch neue Entdeckungen nooh früherer Schriftzeugnisse des Indogermani¬
schen und Semitischen, als sie uns heute zur Verfügung stehen, in die Lage
versetzt worden könnte, die Ausgangsbasis fin die Rekonstruktion des Ur-
Indogermanischen bzw. Ur-Semitisohen so weit zurück in die Vergangenheit zu verschieben, daß dies neues Licht auf das genetische Verhältnis der beiden Spraohfamilien, sei es im positiven oder negativen Sinne, werfen könnte.
24«
370 Bücherbesprechungen
bibhographischen Hilfsmittel bereits vorliegen; so schließt der Beitrag
,, Ethiopian languages" an W. Leslau: An annotated Bibliography of the
Semitic languages of Ethiopia. The Hague 1965 an und verzeichnet nur die seit¬
dem erschienene Literatru" und der Abschnitt über Qunarän baut auf W. S.
LaSob: Bibliography of the Dead Sea Scrolls 1948 — 1957. Pasadena 1958 auf,
während er die bei Chb. Bubchabd : Bibliographie zu den Handschriften vom
Toten Meer. 2. Berlin 1965 bis 1962 verzeichneten Titel noch einmal in Aus¬
wahl wiederholt, wohl um sie aus der alphabetischen in eine sachhche
Ordnung zu bringen.
Die einzelnen Abschnitte sind: A. Languages of the Ancient Near East
und their historical relationship: I. W. H. Ph. Römeb: Akkadian; II. ders.:
Sumerian; III. Philo H. J. Houwink Ten Cate: Anatolian Languages;
IV. ders.: Hurrian; V. L. de Meyer: Urartian; VI. ders.: Elamitic; VII.
ders.: Ancient Persian; VTII. J. P. Lettinga: Ugaritic; IX. K. R. Veenhof:
Phoenician-Punic; X. Lettinga: Amama-Canaanite ; XI. Hebrew: 1.
HosPERS: Bibhcal and epigraphical Hebrew; 2. ders.: Samaritan Hebrew;
3. B. Jongbling: Qumran, Murabba'at, Masada etc.; 4. T. de Bruin:
Mishnaic and Talmudic Hebrew; 5. M. Bobrtien: Hebrew of the Middle
Ages; 6. ders.: New and Modern Hebrew; XII. H. J. W. Drijvers: Syriac
and Aramaic; XIII. A. .1. Drewes : Epigraphic South Arabian; XIV.
HosPERS: Ethiopian Languages. B. HosperS: Comparative Semitics.
Wie man sieht, behandelt dieser erste Band neben der vergleichenden
Semitistik nur die Sprachen des Alten Orients. Hier geht er weit über die
Semitistik hinaus und bietet mehr ein Hilfsmittel für einen Altorientalisten als für einen Semitisten. Man fragt sich aber, wo die modernen semitischen Sprachen bleiben. Das Arabische ist für den zweiten Band vorgesehen.Das
Ivrit ist (sehr kurz) mit beim Alten Orient abgehandelt. Ebenso ist es den
mordemen abessinischen Semitensprachen ergangen. Aber was ist mit den
neusüdarabischen Sprachen und den modemen aramäischen Sprachen?
Gerade auf dem Gebiet der letzteren ist neuerdings erfreulich viel gearbeitet worden.
Soweit ich sohe, sind die Titel exakt angegeben. Wirklich Wichtiges
scheint nicht zu fehlen.
Ewald Wagneb, Gießen
/ :
James A. Sandebs [Ed.] : Essays in Honor of Nelson Glueck. Near Eastern
Archaeology in the Twentieth Century. Garden City, N.Y. : Doubleday &
Company, Inc. 1970. XXIV, 406 S., 45 Plates. 8". $ 12.50.
In der reichhaltigen Festschrift, die Nelson Glueck kurz vor seinem
Tode (12. 2. 1971) noch entgegennehmen konnte, sind 21 Artikel von Schülem
und Freunden vereinigt, von denen inzwischen ebenfalls einige verstorben
sind (W. F. Albright, Roland de Vaux, P. W. Lapp). Neben archäolo¬
gischen Themen (z.B. G. E. Wright: The Phenomenon of American Archaeo¬
logy; W. F. Albright: The Phenomenon of Israeli Archaeology; R. de
Vaux: On Right and Wrong Uaes of Archaeology; G. M. A. Hantmann/J. C.
Waldbaum: New Excavations at Sardis and some Problems of Westem
Anatolian Archaeology; J. Neusner/J. Z. Smith: Archaeology and Babylonian
Jewry [auch zu jüdischen Zaubersohalen] ; P. J. Parr: The Sequence of
Pottery from Petra; usw.) sind historische (z.B. A.Malamat: Northem Canaan
and the Mari Texta) und epigraphisohe Fragen diskutiert. Letztere in Bei-
Bücherbesprechungen 371
trägen von J. Naveh: The Scripts in Palestine and Transjordan in the Iron
Age ; N. Avigad : AntTnonite and Moabite Seals [Veröffenthchung von 5 am¬
monit. und 3 moabit. Siegeln] und F. M. Cross, Jr. : The Cave Inscriptions
from Khirbet Beit Lei [neue Diskussion der von J. Naveh 1963 in IEJ 13
publizierten 3 hebr. Inschriften]. Ein bisher nur in hebr. Sprache zugänglicher Aufsatz liegt hier nun bequem in Englisch vor : Y. Yadin : Symbols of Deities
at Zinjirli and Hazor. — Wie in Festschriften üblich ist auch diesem Band
eine Bibliographie des Jubilars beigegeben. Zu ihr kann inzwischen zugefügt werden : Teil el-Kheleifeh Inscriptions. In : Near Kastern Studies in Honor of
W. F. Albright. Ed. by H. Goedicke. Baltimore/London 1971, S. 225—241.
Rainer Degen, Marburg/Lahn
Gabriella Szabö: Ein hethitisches Entsühnungsritual für das Königspaar -~ _y
Tuthalija und Nikalmati. Heidelberg: Winter 1971. 143 pp. con 1 Falt-
tab. 8» (Texte der Hethiter. 1.) J
Questo volume inaugura una nuova serie dedicata alio studio di testi
ittiti, che, con le parole dell'editore. Annelies Kammenhubeb, deve per-
mettere di rendere facilmente accessibile „das bei den Hethitern des 2. Jt.
v.Chr. überlieferte Kultur- und Sprachgut". Indici completi devono „die mühsame wissenschaftliche Sammeltätigkeit erleichtern". E assai felicemente
in questo primo volume e affrontato lo studio di un rituale, KBo XV 10,
redatto in lingua medio-ittita, proprio ora che la discussione sulla datazione dei testi in base a criteri linguistici si va sempre pifi allargando, e piü pressante si fa I'esigenza di raggiungere sicure indicazioni.
Si tratta dunque di un rituale dedicate al dio Sole del sangue e al dio
della Tempesta, e per una precisa situazione storica, vale a dire per scon- giurare le magie ordite da una certa Ziplantawi contro Tuthalija III (vero¬
similmente suo fratello), e la regina Nikalmati.
Alla trascrizione e alla sicura traduzione del testo, segue un commento filologico, quindi un esame dei dati linguistici, e infine un' interpretazione complossiva del rituale. In quest'ultima sezione, sulla base delle procedure magiche, il rituale viene attribuito al gruppo luvio-ittita, per quanto la lingua non presenti influssi luvi. E infatti tutt'altro che rari sono i punti di contatto con rituali classificati come ,, magie anatolienne" da E. Laroche: Catalogue des textes hittites (CTH). Paris 1971, pp. 70—82, e i cui autori assai spesso figurano ossere originari della regione di Arzawa (cf. il rituale di Malh, edito da L. Jakob-Rost, come 2" volume di questa medesima serie). Per la fimzione, nell'ambito dei rituali, di oro, argento e pietro preziose, che qui (II 41—47), dopo essere stati pesati, vengono lasciati alle divinitä sui luogo dell'azione, V. in particolare KBo XI 14 II 6 sgg. (l'autrice proviene dalla cittä di Hurma), e KUB IX 25 + XXVII 67 II 59 sgg., III 61 sgg., IV 38 sgg. (oontro'demoni dal nome luvio): "Here I have given thee silber, gold, and lapis. Go! Say a good word for me before the gods!" (cosi A. Goetze in: B. Pbitchard:
Ancient Near Eastern Texts^. Princeton 1955, p. 348).
Riguardo alia traduzione e da notare: I 5, ZId.DA ZlZ „Speltmehl"
(contrasta con zID.DA SE ,,Gerstenmehr') ; I 9, da-a-i, da ddi- ,,porre", come mostrano i passi paralleli con lahuwai- ,,versare", e Suhha- ,,gettare";
per III 62, 3 pi-e-da-an la-ah-hu-ur-nu-zi da-iS, cf. II 17, la-ah-hu-ur-nu-zi ta-ga-a-an da-a-i, dove tagän ha funzione di locative (con altro grado vooalico
372 Bücherbesprechungen
dol nominative; per altri sostantivi v. A. Kammenhubeb: Handbuch der
Orientalistik. I, II, 2: Altkleinasiatische Sprachen. Leiden/Köln 1969, p. 302).
Per '^^^ga-VkR-ta-anjnfa-, III 49—68, le due grafle k/ga-pi-ir-ta-, citate dall'A. a p. 70 sg., non lasciano dubbi sulla vocalizzazione di PÄR in pir^
per quanto questo valore non sia segnalato in W. von Soden —■ W. Röllig :
Das Akkadische Syllabar^. Roma 1967, p. 10. Del resto gik E. Laboche in:
RA 46 (1952), pp. 161—163, ha notato per alcuni segni CVC, quali PIg|
HAL, Sir, ZAR, una polifonia non attestata in Mesopotamia (essi possono
corrispondere rispottivamente a paS, liil, sar, zir), la quale sembra dunque fissarsi su un'alternanza a/i, e che dipenderä dalla pronuncia assai breve della vocale interna. Alle citazioni raccolte a p. 70 sg., l'A. ha aggiunto a penna
neU'esemplare inviatomi in omaggio, KBo X 37 HI 54, ove tre g. vengono
sacrificati al DUTU, al e al ^KAL. Si ricordi poi KBo VII 10 V 4, a cui
rimanda E. L-\boche : CTH, p. 161, a proposito di KBo VII 74 10, e si aggiun-
ga ora KUB XLIII 55 III 21 e IV 4, ga-pi-ir-ta-an(-na), su eui riohiama
l'attenzione K. K. Riemschneideb nella Inhaltsübersicht dell'edizione, a
p. VI, traducendo senz'altro ,,Mau8". II ^"^^g. e naturalmente un roditore
come indica il determinative, e B. Landsbebgek: Die Fauna des alten Meso¬
potamien. Leipzig 1934, p. 107 sg., cita due tipi di roditori eonsiderati com- mestibili: 1' arrdbu, il ghiro, e Vusummu (si aggiunga il harriru), e ehe erano anche oggetto d'offerta. Ma presso gli Ittiti lo stesso topo comune, PlSS.TUR
(„Hausmaus") poteva venir offerto agh dei: KUB XXVII 67( + ) III 52.
un topo puro, parkui-. Nei resoconti delle indagini ornitomantiche, P]S§
ricorre tre volte: KUB XVI 50 4; XVIII 26 Vo 7; XVIII 39 Vo 2, e come
giä notava A. Goetze in: ZA 40 (1931), p. 70, pare qui corrispondere piuttosto
ad un uceello (non al pipistrello, SU.DIN^uSen |)_ pgj. parallele si veda
l'accadico perürütu (= PlSS.TUR), che compare anche col determinativo
MUSEN, V. W. VON Soden: AHW, p. 856, s.v. Sempre nei testi di orni-
tomanzia compare una volta anche ga-pi-ir-ta-na( - )an[{-), KUB XVI 47 22,
e poiche a PßS.TUR corrisponde l'ittita *maShuil-, non e da escludere ehe
g. sia la lettura di PlSS.
Ma, come si e detto, l'importanza di KBo XV 10 sta innanzitutto nell'
essere uno dei pochi testi, largamente completi, che per criteri interni e da attribuire eon sicurezza al corpus medio-ittita, mediante il quale e possibile seguire lo sviluppo di certe norme ortografiche dell' antico-ittita, fin verso l'epoca in cui esse, insieme a particolari forme grammaticali, vengono quasi
sistematicamente sostituite (aU'incirca il regno di Mursiii II), dunque
importante stabilü-e se KBo XV 10 costituisca una cojjia tarda, od un
esemplare che risalga piü o meno al tempo in oui l'originale fu composto.
Occorre per altro premettere che anche eopie tarde mantongono, se non le rese
ortografiche degli originali antichi, almeno alcune forme grammatioali, e
qualche elemento lessicale. Ciö che si puö verifioaro attraverso KUB XXIX
1—3, giä parzialmente utilizzati a questo scopo da A. ICammenhuber in:
KZ 83 (1969), p. 283 sg., e Ph. Houwink ten Cate: The Becords of the
Early Hittite Empire. Istanbul 1970, p. 53 sgg. Qui dunque la copia A (= 1;
epoca di Tuthalija IV), rispetto a C (= 3; in ductus antico), usa un maggior
numero di ideogrammi {^^^DAG-iz per rypjoi^YKj^^y^ig,^ EGIR-pa per äppa;
e inoltre U-UL, e non natta; tuttavia in A I 2 si puö leggere ta-]a-ru-az, ma in I 35 GlS-rw), ed evita poi la scriptio plena (A I 28 ne-pi-sa-ai, per C 11 ne-e-pl-). Inoltre si notino le seguenti varianti grafiche: C 5 M-e-se-ir: A I 24
hi-e-se-ir; C 5 nu-mu-uz LUGAL-un-na: A I 24 nu-mu-za LUGAL-Mn;
C 6 at-ta-ma-an: A I 26 ad-da-as-ma-an; C 28 h6-e-a-u-e-es(-ma-as) : A I 27
Bücherbesprechungen 373
he-e-ja-u-e-eS. D'altro lato A conserva qualche forma grammaticale antica:
II 36 -ie (pron. pers., invece di -Si, attestato in altri passi ; costante poi l'uso di -at invece di- -e); I 26 (ad-da-aä)-ma-an; I 51 ai-una; I 50 e II 12 parna (I 19 ]S-na); I 22 e II 9 uittann-a (gen. pl.); e infine I 44—46 takku (ma in TTT 13, 21 etc. män) (per due forme verbali in -wani v. A. Kammenhubeb I.e.).
Diversamonte invece KBo XVII 74 -f ABoT 9, dupl. di KBo XVII 11( -f)
(in tipico ductus antico), il quale conserva molte grafie dell'originale, e che
pertanto E. Neu in: Studien zu den Bogazköy-Texten (StBoT) 12 (1970),
p. 7, non considera una copia tarda, ma data approssimativamente al XIV
sec.
Ben a ragione l'A. fa notare (p. 108) come siano inconsistenti le argomen-
tazioni di Ph. Houwink ten Gate op. cit., p. 56, che considera KBo XV 10
una copia tarda; a questo proposito poi H. Otten in: StBoT 20 (1972), p. X,
ha rocontemente sostenuto che le forme dei segni di questo testo corrispon- dono a quelle di altri documenti in medio-ittita. Bisogna perö ammettere che le belle tavole paleografiche composte con tanta acribia da Christel
Werner in: StBoT 20 (1972), passim, se mettono bene in evidenza le
caratteristiche dei segni secondo il ductus antico, per quanto riguarda le
differenze tra i segni del ductus medio e quello recente, sono destinate soprat¬
tutto a solleticare la curiositü di saperne di piü, attraverso una documenta- zione piü completa. Xon resistendo alla tentazione di compiere un immediate controllo sulle copie, che certo, per quanto fedeli, non possono permettere
un'adeguata verifica, pare risultare tuttavia che forme di segni ,,medio-
ittite", quali sono attribuite a AK, KÜ, Ü, SAR, e che sembrerebbero le piü significative, siano attestato anche per i testi degli ultimi sovrani ittiti, per lo piü autografati da A. Goetze (o la cui fedeltä, agli originali e facUmente
provabilo mettendo a confronto oopie e fotografie dell'atto d'accusa per
Madduwatta). Ciö vale in particolare non solo per Muwatalli (trattato con
Alak§andu), ma anche per alcuni documenti di Hattusili III, e dello stesso
Suppilulijama II.
Del vario materiale linguistioo raccolte dall'A. siano posti in evidenza questi dati. La scriptio plena non e frequente, notare ma-a-ah-ha-an, me-e- mi-ir, me-e-mi-is-ta, me-e-mi-iS-ki-it, me-e-mi-iS-ki-iz-zi (ma ad os. sempre Se-ir; aU'elenco a p. 76 aggiungi tu-u-ru-up-pa-). L'imper. 3* pers. sg. di eS- ö e-eS-tu (per gli altri verbi invece -du); qa-a-Sa e attestato 12 volte, piü volte ni-e-an-za, ni-e-an-ta-an, iS-si-iS-ta. Si fa largo uso degli ideogrammi: EME, SÄ, etc., ma notare in particulare EGIR-^3a/-ora (mai äppa/äppan); inoltre Ü-UL, 0 mai natta.
L'aco. pl. o. del pronome -o-, e -uS (5 volte), e -aS (1 volta) (ma il neutro e -at). La 3* sg. del pron. pors. al dat. e -Si. Notare la forma verbale li-la(-a)- ri-iS-ki-uxi-ni. Piran ö oostruito col dat., -aSta compare 2 volte (rispottiva¬
mente senza verbo, e col. verbo in lacuna); le congiunzioni Su e ta non sono attestate.
Dunque inconsistenti sono gli elementi grammaticali distintivi, piü validi (presi nel loro oomplesso) quelli ortografici, ma anche questi non nella misura in cui sono attestati in una copia non tarda di un testo antico-ittita, quale e appunto KBo XVII 74( +), sopra citato. I dati raccolti da A. Kammenhuber op. cit., p. 285 sg., per i testi datati ad Arnuwanda, il successore di Tuthalija
III (aggiungi qualche scriptio plena come ne-e-pi-is, ne-e-pi-Sa-aS in KBo
VIII 35; inoltre notare ibd. I 7 EGI]R-pa, ma altrove sempre äppa, e alcune forme verbali in -wani), offrono un quadro assai simile. E tenuto presente la
374 Bücherbesprechungen
scarsitä di questi elementi distintivi per il medio-ittita, che poi talvolta af- fiorano sporadicamente anche piü tardi, non si puö che condividere I'esigenza di chi reclama la coesistenza di piü criteri di datazione per attribuire un testo
a questa o a quell' epoca. Altrimenti, ad es., se accanto a KUB VI 45 (la
preghiera di Muwatalli), fossero conservati solo pochi frammenti del dupl.
VI 46, che evita di scrivere ideogrammi e presenta una diversa disposizione del testo, potrebbe capitare di considerare quest'ultimo un manoscritto piii antico.
All'A. vadano i oomplimenti per questo utüe lavoro.
Alfonso Archi, Roma
Bbzalel Pobten : Archives from Elepliantine. The Life of an Ancient Jewish Military Colony. Berkeley and Los Angeles: Univ. of California Pr. 1908.
XXI, 421 S. 16 Plates. 8».
B. Pobtens Buch, das durch ein Versehen meinerseits stark verspätet
angezeigt wird, hat sich in den vergangenen Jahren bereits bewährt. In ein¬
schlägigen Arbeiten wird es ständig zitiert, so daß sein Inlialt und seine Vor¬
züge allgemein bekannt sein dürften. Ich kann mich deshalb hier kurz fassen : In drei Teilen (I. Pohtical and Economic Life, S. 1—102; II. Religious Life,
S. 103—186 und III. Familiy and Communal Life, S. 187—301), einigen
Appendiees (u.a. "Restored Texts" mit Diskussionen der Texte A. Cowley :
Aramaie Papyri of the fifth century B.C. Repr. Osnabrück 1967, Nr. 7, 21,
22 und 44), einer wertvollen Bibliographie (S. 345—370) und guten Indiees
gibt der Verf. einen guten', zusammenfassenden Überblick über unsere gegen¬
wärtige Kenntnis aller mit Elephantine zusammenhängenden Fragen^. Die
wenigen, inzwischen publizierten weiteren Texte haben keine wesentlichen
Änderungen nötig gemacht. Erst nach Vorliegen der seit Jahrzehnton er¬
warteten Publikation aller Elephantine-Ostraka wird eine neue Gesamtsohau
nötig werden. Dabei sind dann auoh die Ergebnisse der inzwischen wieder¬
aufgenommenen deutschen Grabungen auf der Insel zu berücksichtigen.
Das Buch ist eine Fundgrube auch für Iranisten und Ägyptologen, da
sich Pobten der Beratung durch W. B. Henning' und Geobge Hughes
erfreuen durfte. Letzterer hat auoh die demotisehen Stücke des Papyrus Berl.
13488 = A. Cowley: Aramaie Papyri 22 übersetzt (S. 164*2).
Die Tafeln enthalten u.a. Photographien der Papyri A. Cowley: Aramaie
Papyri Nr. 21, 44 und 22. (Zu Papyrus 22, der bereits erwähnten großen
Liste, wird von mir oin kleines Zusatz-Fragment in: Neue Ephemeris für
Semitische Epigraphik 2 (1974) veröffentlicht.)
Raineb Degen, Marburg/Lahn 1 Die Umschrift h"el {«'em (S. 46 und 56'°') mit [e] ist allerdmgs falsch.
' Vgl. die ausführlichen Inhaltsangaben und Besprechungen von: A.
Sempbb in: WZKM 63/64 (1972), S. 291—299; J. Teixidob in: JAOS 90
(1970), S. 543—544; R. Bowman in: Or NS 39 (1970), S. 454—459; B. Cou-
EOYEB in: BO 27 (1970), S. 249—252 und in: RB 77 (1970), S. 463—465;
M. H. Pope in: JBL 99 (1970), S. 92—94; G. Nahon in: REJ 130 (1971),
S. 103—105 und J. J. Stamm in: AfO 23 (1970), S. 114^115.
' Das wäre in der Bibliographie im W. B. Henning Memorial Volume.
Ed. by Maby Boyce and Ilya Gebshevitch. London 1970, S. XXXIV zu
ergänzen.
Bücherbesprechungen 375
M. Hengel: Judentum und Hellenismus. 2., durehges. u. erg. Aufl. Tübmgen
1973. XI, 693 S. (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testa¬
ment. Bd. 10.)
Die nun bereits in zweiter Auflage erschienene Habilitationsschrift des
Verfassers geht den wirtschaftlichen, politischen, kultmellen und rehgiösen
Einflüssen des Hellenismus auf das palästinensische Judentum der vor¬
christlichen Zeit nach. Die Fülle des vorgestellten Materials und die gelungene
Systematisierung der verschiedensten literarischen Denkmäler machen diese
vorzügliche Arbeit für Theologen, Judaisten und Kulturhistoriker zu einer
wertvollen 'Summa' der wissenschaftlichen Arbeit am Problemkreis Juden¬
tum-Hellenismus. Die in der zweiten Auflage ergänzte Literaturübersicht verzeichnet die bis zum Jalu-e 1973 erschienene Literatur, soweit sie nicht in hebräischer Sprache geschrieben ist.
Felix Böhl, Freiburg i.B.
Helgo Lindnbb: Die Oeschichtsauffassung des Flavius Josephus im. Bellum
Judaicum. Oleichzeitig ein Beitrag zur Quellenfrage. Leiden: Brill 1972.
XI, 166 S. 8°. (Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des
Urchristentums. Bd. 12.) geb. Gld. 48,—.
Die Arbeit — eine aus der Schule von O. Michel hervorgegangene
Tübinger theologische Dissertation —• greift bewußt auf die von B. Nibsb
und J. VON Destinon inaugurierte, später von A. Schlatteb, W. Weber
und B. Laqueub besonders gepflegte ,, analytische und historisch-kritische"
Methode zurück; sie möchte ,, nicht bloß von ihren Ergebnissen her, sondem
auch von ihrem Bemühen um die Methodik Beachtung finden" (Vllf.).
Der Aufbau der Arbeit läßt bereits das Anliegen des Verf. erkemien. In
der Einleitung (I) behandelt er seine Fragestellung und in einem Teilabschnitt
(B) ,, Forsebungsgesehichte und Methode der Untersuchung". Der II. Ab¬
schnitt gilt der ,, Geschichtsauffassung des Josephus nach den droßen Reden
des Bellum" (S. 21—48); der erste Teilabschnitt bringt die „Analyse der
Reden", wobei es sich um die Rede des Herodessohnes Agrippa (b. 2,345—•
401), die des Josephus selbst (b. 5, 362—419) und die des Sikarierführers
Eleazar (b. 7, 323—336. 341—388) handelt; daraus ergeben sich die Teüab-
schnitte B, „Die Funktion der Reden innerhalb des Bellum" und C, ,,Die
josephische Anschauung vom 'Übergang' der Tyche". Das III. Kapitel ist
dem „Selbstbericht des Josephus in B 2—4" gewidmet, der in die Abschnitte ,,Bis zur Übergabe an die Römer" und ,,Die Weissagung an Vespasian" ge¬
gliedert ist. Daraus ergibt sich Kapitel IV: ,,.Josephus und der Aufstieg
Vespasians", wobei in einem Exkurs auch der Tyche-Begriff bei Jos. unter¬
sucht wird. Umfangreicher ist V: ,,Zur quellenkritischen Analyse von B 4,
659—6, 322"; nach einem Referat über die Ergebnisse Wilh. Webers
folgt eine neue Einzelanalyse bis zur Einnahme des Tempelberges und
schließlich (C) die Herausstellung des Motivs ,, Geschichtsschreibung und
Klage" (zu b. 5, 19f.). Kap. VI enthält eine ,, Zusammenfassung", der Literaturverzeichnis und Stellenregister folgen.
Es ist unbestreitbar, daß die Reden für die Erkermtnis der Geschichts¬
auffassung des Jos. besonders wichtig sind. Verf. arbeitet dabei als wesentlich heraus: 1. die ,, Gerichtsaussage" d.h. die Bedeutung der militärischen Ereig¬
nisse des Jahres 70 als „Richterspruch Gottes über das gesamte jüdische
376 Bücherbesprechungen
Volk" (S. 142), 2. die Eimeihung in den größeren Zusammenhang des
Kampfes gegen die Römer (bei Jos. steht die Entwicklung seit Pompeius
63 v.Chr. „unter einem Strafurteil Gottes"), 3. die Verbindung dieser beiden
Gedankenreihen mit hellenistischen Anschauungen, vorweg der von der
Tyche, wobei Jos. tralatizisches Gut, das wahrsoheinlich auf Polybios zm-ück- führt, aufgegriffen hat. Dabei betont Verf., daß boi Jos. ,,dios hellenistische
Schicksalsmotiv ... in der Unterordnung unter das Handeln des Gottes der
Bibel" steht (144). Diose Gosohichtsauffassung wird auoh im ganzen Bellum deutlioh, wobei neben offensichtlichen politisch-propagandistischen Gesichts¬
punkten auch die Absicht des .Jos. bestimmend ist, „theologisch-heilsge¬
schichtliche Belehrung" zu geben (145 — heilsgeschichtliche Deutungsweise).
An die Wurzeln dieses Gesohichtsdenkens führt Verf. mit der Bemerkung,
„daß Josephus sieh bei seinem Weg zum heidnischen Feldherrn von einer
eigenartigen priesterhchen Vollmacht getragen wußte" (146). — Die quellen¬
kritisohen Untersuchungen zu den Berichten über don Aufstieg Vespasians
und die Belagerung .Jerusalems führen Vorf. zur Bestätigung der Analyse
von W. Weber, d.h. zur Annahme einer römischen Quelle in Gestalt eines
unbekaimten, in giechisober Sprache schreibenden Kriegsberiohterstatters.
Der hellenistische Strang wird mit der Tyche-Tradition geschickt und me¬
thodisch recht überzeugend klargelegt. Mit Nachdruck ist sodann die ,, lehr¬
hafte Eigenart" (149) des Jos. beleuchtet.
Es ist ein Verdienst der Arbeit, daß sie den erneuten Versuch maoht, die
verschiedenen Stoffgebiete und Traditionsstränge, die für Jos. durch Kriegs¬
geschehen, römische Herrschaft, tralatizisches Gut der Historiographie,
eigene Auffassung und Strömungen im Judentum vorhanden waren, erneut
zu untersuchen, ohne einer bestimmten Auffassung den Vorzug zu geben. Da
zugleich theologische Kriterien geltend gemacht sind, dürfte ein Fortschritt
gegenüber früheren quellenkritischen imd analytischen Behandlungen vor¬
liegen.
Hans Georg Gundel, Gießen
_^ Shlomo Pines: An Arabic Version of the Testimonium Flavianum and its
^ vC Implications. Jerusalem : The Israel Academy of Sciences and Humanities
/ , 1971. 87, 4 S. 8° (Publications of the Israel Academy of Sciences and
Humanities. Section of Humanities.)
J Das sog. Testimonium Flavianum — dor Absohnitt bei Josephus, Antiqui-
tales Judaicae XVIII, 63—64, der über Jesus berichtet, — ist, sofern er tat¬
sächlich von .Josephus stammt, der älteste nicht-christliche literarische Bericht über Jesus. Seine Echtheit in der überlieferten Form ist mit unter¬
schiedlicher Heftigkeit bestritten worden : so wurde der Text teils als christ¬
liche literarische Fälschung betrachtet, teils als echt verteidigt, aber auf untersohiodliohe Weise ediert und emendiert. Bisher sind im wesentlichen
die Textüberlieferungen bei christliehen griechischen und lateinischen
Schriftstellern zur Textemondation herangezogen worden, so vor allem
Euseb, aber auch Hieronymus, Hegesipp und Origenes. Desgleichen ist die
S5rrische Überlieferung des Testimonium Flavianum von Bedeutung, die in
der syrischen Übersetzung der Historia Ecclesiastica des Euseb und in der
Chronik des jakobitischen Patriarchen Michael des Syrers aus dem 13. Jahr¬
hundert vorliegt.
^ PiNBS macht nun auf oine weitere, bisher unbeachtet gebliebene Version
' aufmerksam: einen Abschnitt aus dem Kitäh al-'Unwän, einem im 10. Jahr-
Bücherbesprechungen 377
hundert verfaßten Geschiohtswerk des Agapius, Bischof von Hierapohs
(Mabbüg, Manbig). Unter Berufung auf das genannte Werk des Agapius
bringt oin koptisoher Historiograph des 13. Jahrhunderts, Öürgis al-Makin Ibn al-'Amüd, ebenfalls einon arabischen Text des Testimonium Flavianum.
PiNBS zieht — ebenso wie Cheikho als Editor dos Kitäb al-'Unwän des
Agapius — al-Makin zur Konjektur und Ergänzung von Agapius' Text
heran.
Die so gewonnene arabische Version des Testimonium Flavianum ver¬
gleicht Pines sorgfältig und vorsichtig mit dom überlieferten griechischen
Text bei Josephus. Aus der zutage tretenden Divergenz der beiden Texto
schließt er, daß dem arabischen Text des Testimonium bei Agapius wahr¬
scheinlich die syrische Übersetzung eines grieohisehen Originals zugrmide liegt, das uns bisher weder in der griechischen noch in der syrischen Fassung bekannt ist. Er hält es für möglich, daß es im Syrischen drei verschiedene
Rezensionen des Testimonium gegeben hat: 1. in der syrischen Version von
Eusebs Theophania, 2. in der syrischen Übersetzung von Eusebs Historia
Ecdesiastioa, die an den griechischen Vulgärtext dos Testimonium ange¬
glichen ist, und 3. in der syrischen Vorlage des Agapius.
Könnte aber dio Version des Testimonium bei Agapius nioht oine spätere
Neusehöpfung sein? Dagegen spricht, daß eine solche Neufassimg mit
skeptischen Bemerkungen über Jesus (,,Man hielt ihn für den Messias". ,,Sie berichteten, daß er ihnen erschienen sei".) in einer genuin christlichen Tra¬
dition äußerst unwahrscheinlich ist. Pines hält es für möglioh, wenn auch in
Form einer Hypothese, daß eine uns bisher unbekannte Rezension der
Historia Ecclesiastica des Euseb eine Version des Testimonium enthalten hat, die nicht oder weniger stark christlich redigiert war als die allgemein tradierte,
und daß diese Fassung dem Agapius und neben anderen Werken auoh dem
Michael Syrus vorgelegen hat. In dieser Fassung des Testimonium sind alle
diejenigen Textstellen nicht enthalten, die bisher Zweifel an der Verfasser¬
schaft des Josephus aufkommen ließen und die Vermutung einer christlichen Fälschung bestärkten. Pines hält zwei Entwicklungen für möglich : entweder ist der Text bei Agapius von christlicher ,, Zensur" verschont geblieben, oder
eine etwa vorgenommene christliohe Redaktion war weniger durchgreifend
als boi der gewöhnlichen Euseb-Version.
Einige Einzelheiten seien noch angemerkt. Vor allem bei der arabischen Umschrift haben sich einige Druckfehler eingeschlichen: S. [8, 9] richtig:
harb, fmrüb; S. [10] Anm. 18: fädil; Anm. 19: shu'üb; Anm. 23: talmadhaiahü;
Anm. 28 in Entsprechung zu dem arabischen Konsonantentext S. [14]:
al-a'äglb. Zu den zitierten syrischen TextsteUen ist zu bemerken: S. [9] muß
es heißen: be-mä dhe-'al duhbärä dhe-yüdhäye. S. [24, 25]: Der verbale Aus¬
dmck säm be-reSeh bzw. der nominale mesäm be-reseh hat nach Thesaurus
Syriacus. Ed. R. Payne Smith. Oxford 1879—1901, Sp. 2558 und C. Brockel¬
mann: Lexicon Syriacum. 2. Ausg. Halle 1928, S. 470, 471 die Bedeutung
,, strafen" bzw. „Strafe" und ist so bei frühen syrischen Autoren gut belegt.
S. [28]: yaumän, yaumänä kann nicht ,,our day" heißen, sondern es bedeutet ,, hodie", ,, heute" (vgl. Thesaurus Syriacus, Sp. 1577 und Brockelmann:
Lexicon Syria.cum, S. 300).
In einem Anhang fügt Pines einige Bemerkungen zu Galens Bericht über
die Christen an, der auch in der Chronik des Agapius überliefert ist. Galens Ausführungen über dio Christen sollen naoh den Angaben der meisten orienta¬
lischen (muslimischen und christlichen) Tradenton in Galens Zusammen¬
fassung von Piatons „Staat" enthalten sein. Nur Bar Hebraeus berichtet.
378 Bücherbesprechungen
daß der Text aus Galens Zusammenfassung von Piatons Phaedo stammt.
Diese Angaben sind bisher von den Forschern, vor allem von R. Walzer,
gering bewertet worden, da Bar Hebraeus kein unabhängiger Zeuge sei,
sondern sich auf Ibn al-Qifti berufe und die Erwähnung des Phaedo wohl auf
die mangelnde Sorgfalt des Bar Hebraeus zurückzuführen sei. — Pines
macht darauf aufmerksam, daß bereits nach Agapius' Gesehichtswerk (ab¬
gesohlossen um 950) das Zitat Galens aus seinem Kommentar zu Phaedo
stammt. Bar Hebraeus' Text stimmte naoh Pines stärker mit dem von
Agapius überein als mit dom von Ibn al-Qifti. Agapius ist aber der früheste uns bekannte Schriftsteller, der über die Herkunft von Galens Text berichtet ; es ist möglich, daß er sich dabei auf ein älteres, ihm vorliegendes Geschichts¬
werk stützt.
Eruca Dbqen, Marburg/Lahn
Die Mischna. Text, Übers, nnd ausführliche Erklärung mit eingehenden ge¬
schichtlichen und sprachlichen Einl. und textkrit. Anhängen. Begr. von
Georg Beer und Oscar Holtzmann. Unter Mitarb. zahlreicher Gelehrter
des In- und Auslandes in Gem. mit Rudolf Meyer hrsg. von Karl
Heinrich Rengstorf und Leonhard Rost. 1. Seder : Zeraim. 6. Traktat:
Terumot (Priesterheben). Bearb. von Eberhard Gütino. Borlin: Töpel¬
mann 1969. X, 234 S. 8». Br. DM 68.—.
Wie jeder bisherige, so stellt auch dieser neue Band des Beeb-Holtzmann-
schon Mischna-Werkes einon Fortsohritt in der Mischna-Forschung dar. Dem
Aufbau nach am ehesten vergleichbar mit unserem Mischna-Werk ist das
David HoFFMANN'sche, das ebenfalls Übersetzung ins Deutsohe und (wenn
auch knappen) deutschen Kommentar enthält, jedoch keinen kritischen
Apparat. Ebensowenig bieten naturgemäß die klassischen mittelalterlichen
hebräischen Kommentare einon solchen, während umgekehrt das Mischna-
(und Talmud-)Werk des Jerusalemer Institute for the Complete Israeli
Talmud sich fast ausschließlich der Text-Edition widmet. Die vielseitige
Anlage unseres Mischna-Werkes verlangt von den Bearbeitern der einzelnen
Traktate entspreehend vielseitige Kenntnisse: in der Herstellung des kriti¬
schen Apparates, der Übersetzung und der Erläuterungen. Unser Bearbeiter
hat sich seiner Aufgabe gewissenhaft unterzogen. Die Hauptstärke des
Kommentars hegt in der erschöpfenden Benützung der Sekimdärliteratur
zur Aufhellung der hteratischen und religionsgeschichtlichen Hintergründe
unseres Traktates, das sich mit don landwirtschaftlichen Abgaben an die
Priester befaßt. Dieser Aufhellung dient auch die Einleitung, die in folgende 7 Abschnitte unterteilt ist: I. Name und Stellung des Traktats in der Mischna.
II. Die alttestamentliche Priesterhebe. III. Die Priesterhobe in der Septu¬
aginta sowie in den Apokryphen 'und Pseudoepigraphen des Alten Testa¬
mentes. V. Die Priesterhebe der Mischna. VI. Der Aufbau des Mischna-
traktats Terumot. VII. Vergleich des Mischnatraktats Terumot mit dem
gleichnamigen Traktat der Tosefta.
Die wenigen Stellen, an denen der Rezensent eine Berichtigung für nötig
hält, seien hier angeführt:
Der zu Beginn des Vorworts zitierte Spruch lautet nioht : tam iveschalem etc., sondern: tam wenischlam etc. (Reim zum folgenden 'olam).
S. 39, Anm. 25: In der Wendung sche'eno lo schome'a welo medabber („wer
weder hören noch sprechen kann") ist die doppelte Negation sche'eno lo
Bücherbesprechungen 379 nicht „nachlässiger Stil", sondern ein authentischer Hebraismus. So finden
sich im 3-bändigen hebräischen Spruchwörterbuch mikhlol ha-ma'amarim
wetia-pitgammim von M. Seweb. 3. Aufl. Jerusalem 1969, s.v. 'eno und 'eni
(Bd. 1, S. 129—132) nicht weniger als 6 Beispiele für die doppelte Negation 'eno lo . . . welo bzw. 'eni lo . . . welo. (S. 131, Sp. 1, Z. 15; ibid. Sp. 2, Zeilen 6 v.u., 8 v.u., 13 v.u.; S. 132, Sp. 1, Z. 1; ibid. Sp. 2, Z. 1).
S. 41, Anm. 36: 'onath nedarim (,, Alter, von dem ab die Gelübde Gültigkeit
haben") ist entgegen der Vermutung des Verf.'s nicht identisch mit der
religiösen Volljährigkeit (13. Geburtstag bei Knaben, 12. Geburtstag bei
Mädchen), beginnt vielmehr, entsprechend der Meinung der hebräischen
Erklärer, ein Jahr früher. Dies geht klar hervor aus Nidda V, 6. Der Satz
„Jedoch sind die Heranwachsenden nach diesem Termin (sc. der Volljährig¬
keit) oin Jahr lang einer Prüfung ihres Gelübdes zu unterziehen" ist zu
streichen, da Nidda V, 6 ausdrücidich festgestellt wird, daß während eines
Jahres vor der Volljährigkeit die G«lübde bedingt (d.h. naoh vorheriger
Prüfung) gelten, nach der Volljährigkeit auf jeden Fall Gültigkeit haben.
S. 153, Anm. 95: Die Bezeichnung gojim (Heiden) ist keineswegs als
Schimpfwort zu werten.
Leo Pbijs, München
Jacob Mann : The Jews in Egypt and in Palestine under the Fatimid Caliphs.
A Contribution to their Political and Communal History Based chiefly on
Genizah Material hitherto Unpublished. And: A Second Supplement to
"The Jews in Egypt, etc.". Preface and Reader's Guide by Shelomo
D. Goitein. Now York: Ktav 1970. XXXVH, 280, 484 S. 8».
Im Abstand von nur einem Jahr erschienen von Jacob Manns The Jews
in Egypt and in Palestine zwei Nachdrucke: 1969, von der Oxford University
Press veranstaltet, eine unveränderte, zweibändige Ausgabe und 1970 in der
Library of Jewish Classics der hier anzuzeigende, in dem beide Bände zu
einem zusammengefaßt sind. Jacob Manns Buch, über dessen reiehen Inhalt
wohl nichts gesagt zu werden braucht, gehört zu den ,, Klassikern", so daß sein Naohdi'uok innerhalb dieser Reihe mit Recht erfolgte. Die einbändige
Ausgabe hat folgende Vorzüge: Sie enthält außer den Corrigenda (S. 428—
430) auf den Seiten 431—482 J. Manns A Second Supplement, das zuerst in
Hebrew Union College Annual 3 (1926), S. 257—310 erschien, und (S. 483f.)
die Additional Note dazu. Vor allem aber ist ihr ein sehr nützliches, viele
Korrekturen und weiterführende Hinweise enthaltendes Preface and Reader's
Guide (S. XIII — XXXVII) von Shelomo D. Goitein vorangestellt. (Eine
Berichtigung nennt S. D. Goitein in seiner Note to the New Edition of Jacob Mann'a "The Jews in Egypt, etc.". In: JQR 72 (1972), S. 225: Statt nsnrfl
in Band 2, S. 341, das er S. XXXV, Z. 3 v.u. für korrekt erklärt hatte, ist
SiniDS "in a hurry" zu losen.)
Mit einer ganzen Reihe anderer wichtiger Quellenwerke und Hilfsmittel
der Hebraistik und Judaistik, die die Ktav Pubhshing House, Inc. in den
letzten Jahren in preiswerten Nachdruckon wieder zugänglich gemacht hat,
gehört auch Jacob Manns The Jews in Egypt and in Palestine zu den erfreu¬
lichen und begrüßenswerten Nachdrucken.
Raineb Degen, Marburg/Lahn
380 Bücherbesprechungen
Werneb Feilchenfeld, Dolf Michaelis, Ludwig Pinner: Haavara-
Transfer nach Palästina und Einwanderung Deutscher Juden 1933—1939.
Mit einer Einleitung von Siegfried Moses. Tübingen: Mohr 1972. 113 g.
/ m. 5 Taf. u. mehr. Tab. 8" ( Schriftenreihe Wissenschaftlicher Abhand¬
lungen des Leo Baeck Instituts. 26.) DM 19,—.
Die Judenpolitik der Machthaber des Dritten Reiches vollzog sich in ver¬
schiedenen Etappen. Noch bis Ende 1938 war die Förderung der Auswande¬
rung deutscher Juden (insbesondere nach Palästina) erklärtes Ziel deutscher
Politik. Diesen Grundsatz betont etwa ein Rundschreiben des Auswärtigen
Amtes vom 22. Juni 1937 an verschiedene deutsche Generalkonsulate im Aus¬
land: ,, Bisher war es das primäre Ziel der deutschen Judenpolitik, die Aus¬
wanderung der Juden nach Möglichkeit zu fördern. Um dieses Ziel zu or¬
reichen, werden sogar devisenpolitische Opfer gebracht" (Zitat boi Michae¬
lis, S. 31); in oinom Schreiben der Auslandsorganisation der NSDAP an das
Auswärtige Amt vom 1. Februar 1938 heißt os sogar, daß ,,dor Führer in
einer kürzlich getroffenen Entscheidung auf erneuten Vorschlag dos Reiobs- leitors Rosenberg hin nochmals dahingehend entschieden hat, daß die Juden¬
auswanderung aus Deutschland mit allen Mitteln gefördert werden soll, wobei sich diese in erster Linie naoh Palästina zu richten habe" (Zitat bei Michaelis, S. 32). Eine Ändorimg dieser Politik zeichnete sich im Oktober 1938 mit der
gewaltsamen Massenaustreibung polnischer Juden ab; es folgte Ende 1938
und 1939 ständig wachsender Terror, um die Auswanderung der durch die
Verordnungen vom November 1938 zur Ausschaltung der Juden aus dem
deutschen Wirtschaftsleben mittellos gemachton Juden zu beschleunigen
und in den Kriegsjahren schließlich die Vernichtung in den Todeslagern Ost¬
europas.
Der bisher wenig dokumentierten Auswanderungspolitik in der Zeit von
1933 bis 1939 sind die zu einem Band vereinigten Abhandlungen von D.
Michaelis (Die wirtschaftliche und politische Entwicklmig der Auswanderungs¬
und Transferfrage im nationalsozialistischen Deutschland, S. 15—33), W.
Feilchbnfeld (Die Durchführung des Haavara-Transfers, S. 37—85) und
L. Pinner (Die Bedeutung der Einwanderung aus Deutschland für das jüdische
Palästina, S. 89—112) gewidmet. Kern dieser Politik war — naoh verschie¬
denen Vorstadien —■ ein Transferabkommen, das mit Wirkimg vom 28.
August 1933 zwisohen dem Reichswirtschaftsministoriiim und bestimmten
jüdischen Stellen (u.a. der Jewish Agency for Palestine, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und der Anglo-Palestine Bank) abgesciilossen
wurde. Ziel dieses Abkommens war es, die jüdische Auswanderimg und den
damit verbundenen Transfer jüdischen Vermögens nach Palästina trotz der
seit 1931 bestehenden Devisenzwangswirtschaft und des Verbotes der
Kapitalausfuhr aus Deutschland zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurde bei
der Reiohshauptbank zugunsten einer palästinensischen jüdischen Treuhand¬
gesellschaft, der "Trust and Transfer Office Haavara Ltd.", ein sog. „Sonder¬
konto I" eingerichtet, auf das auswanderungswillige deutsohe Juden be¬
stimmte Beträge einzahlen konnten. Aus diesem Konto bezahlte die jüdische
Treuhandgesellschaft dann deutsche Warenlieferungen nach Palästina und
erstattete den Auswanderern den ,, Gegenwert ihrer Einzahlungen naoh
Maßgabe der aus dem Absatz der deutschen Waren in Palästina zur Verfügung
stehenden Beträge . . . naoh der Reihenfolge und dem Verhältnis der Ein¬
zahlungen auf dem Sonderkonto I ... in Palästina-Pfunden ..." (so der
Wortlaut der Vorordnung; Michaelis, S. 27). Zur Beratung der deutschen
Bücherbesprechungen 381
Juden Ul Fragen des Kapitaltransfers nach Palästina wurde in Berhn die
„Palästina-Treuhandstelle zur Beratung deutscher Juden G.m.b.H." (Pal¬
treu) gegründet. Auf ein weiteres Konto („Sonderkonto II") konnten
„deutsche Staatsangehörige jüdischen Volkstums, die zur Zeit noch nicht
auswandern, sich aber gleichwohl schon jetzt eine Heimstätte in Palästina (!) schaffen wollen" (Michaelis, ebd.), Beträge bis zu 50000,— RM (ebenfalls zugunsten der "Trust and Transfer Office Haavara Ltd.") einzahlen. Nutz¬
nießer dieses Haavara-Transfers waren direkt oder indirekt ca. 50000 deut¬
sche Juden, die auf diese Weise die von der Mandatsregierung für die unbe¬
grenzte Einwanderung geforderte Mindestsumme von 1000,— LP (= 1000
Pfund Sterling) aufbringen bzw. größere Teile ihres Vermögens (einschließlich Schulgeldern und Renten) nach Palästina transferieren konnten. Die deutsche
Regierung erreichte auf diese Weise eine Förderung der Auswanderung
deutscher Juden nach Palästina unter gleichzeitiger Schonung der Devisen¬
bestände und eine Steigerung des deutschen Exports nach Palästina. Trotz
Schwierigkeiten und Bedenken auf beiden Seiten — obwohl das Abkom¬
men dem allgemeinen jüdischen Boykott deutseher Waren zuwiderlief, wurde
es vom XIX. Zionistenkongreß im Sommer 1935 in Luzern legalisiert und
die Arbeit der Haavara unter die Kontrollo der Exekutive der Jewish Ageney gestellt ; von deutschen Gegnern wurde u. a. geltend gemacht, daß duroh den
Export naoh Palästina ja kein Deviseneinkommen erzielt wurde, da der
Gegenwort der exportierton Waren in Palästina blieb — war das Abkommen
bis zum Kriegsausbruch und darüberhinaus (Fbilchenfeld,S. 70ff.) in Kraft.
Den Verfassern, die die Geschichte des Haavara-Transfers alle aus eigener
unmittelbarer Anschauung schreiben konnten (W. Feilchenfeld war soit
1935 General Manager der Haavara, L. Pinner aktives Board-Mitglied der
Gesellschaft, D. Michaelis war als Bank- und Wirtschaftsfachmann mit
zahlreichen Auswanderungsfällon befaßt und S. Moses, der Verfasser der
Einleitung, war Vorsitzender der Zionistischen Vereinigung für Deutschland), ist für ihre kenntnisreiche und nüchterne Studie sehr zu danken.
Pbter Schäfer, Köln
'finbäqom: Anqai}a Amin (La Porte de la Foi). Apologie ethiopienne du
Christianisme contre VIslam ä partir du Coran. Introd., texte critique, trad,
par E. J. VAN DoNZEL. Leiden: Brill 1969. xviü, 303 pp. Gld. 86.—.
The Anqasa Amin is a vitriolic polemic against Islam written by 'Enbäqom,
an Ethiopian Christian monk who had converted from Islam in 1540. Its
arguments are directed to Gran, the Muslim leader of the invaders of Ethio¬
pia, and the main thrust of the polemic is that the Qur'än itself proves the correctness of monophysite Christianity and the arrant error of Islam.
This is quite a feat, 'finbäqom must go fantastic lengths to substantiate
his thesis, and most Western Orientalists, who themselves havo a long
tradition of examining Islam with an interested condescension (for a Muslim, Bell's' reference to Sürat al-'ädiyät as a "jingle" must certainly jangle on
the nerves) would be surprised at the lengths to which he must go.
Some of his major arguments may be summarized as follows:
' W. M. Watt: Bell's Introduction to the Qur'än. Edinburgh 1970, p. 78,
line 9.