ÜBERSICHTSAUFSATZ
Das chronisch
kranke Problemkind aus somatischer Sicht
Arbeitsverteilung zwischen betreuendem Kinderarzt und Kinderkrankenhaus
Walter M. Teller
Aus der Abteilung I
(Leiter: Professor Dr. med. Walter M. Teller) des Zentrums für Kinderheilkunde
der Universität Ulm/Donau
Zehn Prozent der Patienten ei- ner westdeutschen Kinder- arztpraxis sind chronisch krank. Eine Verteilung der Aufgaben auf den betreuen- den Kinderarzt sowie eine Spezialambulanz in einem Kinderkrankenhaus ermög- licht die fachgerechte Lang- zeitversorgung dieser Kinder.
Während der niedergelassene Arzt den Vorteil der unmittelba- ren Zugänglichkeit bietet, kann die Spezialambulanz umfang- reiche Labormethoden und Personalkoordination ver- schiedener Spezialisten als Team in den Dienst des chro- nisch kranken Kindes stellen.
Die kinderärztliche Versorgung in der Praxis richtet sich vornehmlich auf die Behandlung akuter Krank- heiten. Nur wenige akute Probleme bedürfen unausweichlich der statio- nären Versorgung.
In der Darstellung 1 sind einige der- artige Situationen zusammenge- stellt. Je nach ärztlichen Gegeben :
heiten und Kooperation seitens der Eltern ließe sich diese Liste beliebig variieren. Besonders leichte, wieder- holt auftretende Fälle von Pseudo- croup zum Beispiel können auch
in der Kinderarztpraxis durch- aus kompetent versorgt werden.
In zunehmendem Maß hat heutzuta- ge der Kinderarzt die Betreuung von Kindern zu übernehmen, die dank wirksamer therapeutischer Maßnah- men zwar am Leben bleiben, jedoch nie wieder vollständig gesund wer- den. Sie stellen als Patienten beson- dere Ansprüche an eine Langzeitver- sorgung.
Die Zahl der Patienten mit chroni- schen Erkrankungen in einer west-
deutschen Kinderarztpraxis kann auf etwa 10 Prozent geschätzt wer- den (Darstellung 2).
Sie verteilt sich überschlagsmäßig auf folgende Krankheitsbilder: An- fallsleiden, Harnwegsinfekte, Herz- fehler, Diabetes, chronische Polyar- thritis, Leukose, chronische paren- chymatöse Nierenerkrankung.
90 Prozent der Klientel eines Kinder- arztes wird wieder gesund oder muß prophylaktisch behandelt, beispiels- weise geimpft werden.
Stationäre Aufnahme bei:
Pseudokrupp mit hörbarem Ruhestridor
Krampfanfall Meningismus
unstillbares Erbrechen Exsikkose
Koma Zyanose
persistierende Tachykardie persistierende Tachypnoe akutes Abdomen
Hämatemesis
Melaena
0
Darstellung 1: Akute Problemsituationen bei Kindern, die zweckmäßiger stationär gelöst werden
pro 25 000 Einwohner — pro 4000 Kinder (Gesamtklientel) davon Patienten mit chronischen Erkrankungen:
Anfallsleiden 200 Kinder Harnwegsinfekte 150 Kinder Herzfehler 30 Kinder
Diabetes 4 Kinder
Chronische Polyarthritis 4 Kinder
Leukose 1 Kind
Chronische parenchymatöse
Nierenerkrankung 1 Kind
390 Kinder
10% der Gesamtklientel
Darstellung 2: Klientel chronisch kranker Patienten in einer westdeutschen Kinder- arztpraxis (geschätzt nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttem- berg 1980) aufgeschlüsselt nach Erkrankungen
Ausgabe B
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
79. Jahrgang Heft 49 vom 10. Dezember 1982 39Chronisch kranke Kinder
Häufigkeit:
Dauer:
Ambulante Kontrollen:
Behand- lungsteam:
Häufigkeit:
Dauer:
Ambulante Kontrollen:
Behand- lungsteam:
Häufigkeit:
Dauer:
Ambulante Kontrollen:
Behand- lungsteam:
1 :2o-1 :25 (~ 4-5 Prozent aller Menschen)
teilweise lebenslang
..,. in 3- bis 6monatigen Abständen ..,. Größe, Gewicht, neurologischer
Status
..,. Augenhintergrund
..,. Laboruntersuchungen: EEG, Echo, CT, Blutbild, Antikonvul- siva-Konzentration im Serum Pädiatrischer Neurologe, Ophthal-
mologe, Röntgenologe, Psycholo-
ge, Sozialarbeiter
Harnwegsinfektionen Nephritisches Syndrom Nephrotisches Syndrom Nierenhypoplasie jahrelang
1 :30 ($?) 1:6000 1:5000
..,. alle 4 Wochen bis 3 Monate ..,. Größe, Gewicht, körperlicher
Befund, Blutdruck ..,. Laboruntersuchungen:
BSG alk. Phos- Elektro- Blutbild phatase phorese Urinstatus Na, K, Cl Harnstoff Keimzahl PTH, Ca, P Kreatinin Cholesterin Clearance ..,. Röntgenuntersuchung alle 6 bis
12 Monate ..,. Diätberatung
Pädiater, Nephrologe, Urologe, Röntgenologe, Diätassistentin
1:120-1:160 teilweise lebenslang
..,. in 3-, 6-, 12monatigen Ab- ständen
..,. Größe, Gewicht, Blutdruck, kör- perlicher Befund, Lebergröße ..,. Laboruntersuchungen:
EKG, Echo, Blutbild, Digitalis-Konzentration im Serum
..,. Röntgenuntersuchung: Thorax ap und seitlich Pädiatrischer Kardiologe, Herzchirurg, evtl. Sozialarbeiter
Jahrder Behandlung Mittlere Fünf-
Einführung Über- Jahres-
Iebenszeit Heilung
Bis 1948 keine spezifi-
sehe 2-4 Monate 0%
1948-1953 Folsäureant- agonisten, Kortikostero- ide, Purinant-
aganisten 6-12 Monate 1%
1958-1962 dazu: Cyclo- phosphamid,
Vincristin 1- 2 Jahre 1- 5%
1965 intensive Korn- binations-
Chemotherapie 2 Jahre 5-15%
1968 Kombinations- chemothera- pie, plus Hirn- Schädel-Be-
strahlung 3 Jahre 30~0%0
Häufigkeit: 1 :25 000 (Neuerkrankungen pro Jahr)
Dauer: mindestens 5 Jahre lang Kontrol-
len(~ 60% Heilung)
Ambulante während der Dauertherapie: Kontrollen: ..,. alle 2 Wochen
..,. körperlicher Befund, Leber-/
Milzgröße, Lymphknoten ..,. Laboruntersuchungen: Blutbild,
Urinstatus,
EKG, Harnstoff, Transaminasen ..,. Röntgenuntersuchung (alle
6-12 Monate): Thorax
..,. Knochenmark- und Lumbal- punktion (alle 3 Monate) nach Therapieende:
..,. im 1. Jahr alle 2- 3 Monate ..,. im 2. Jahr alle 5- 6 Monate ..,. im 3. Jahr alle 6-12 Monate ..,. körperlicher Befund
..,. Knochenmark- und Lumbal- punktion
..,. Laboruntersuchungen: Blutbild, Urinstatus,
Harnsäure, Harnstoff, Transami- nasen
Behandlungs-Pädiater, Eitern, eventuell Jugend- team: psychiater
40 Heft 49 vom 10. Dezember 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe B
Häufigkeit:
Dauer:
Ambulante Kontrollen:
1:1000-1:10 000 Jahrzehnte
~ in 3- bis 6monatigen Abständen
~ Größe, Gewicht, Gelenkstatus
~ Spaltlampenuntersuchung
~ Laboruntersuchungen:
BSG, Blutbild, Eisenkonzentra- tion,
Salizylsäurekonzentration, anti- nukleäre Faktoren
~ Röntgenuntersuchungen:
Osteoporose, Knochenalter Behandlungs- Pädiater, Rheumatologe, Orthopä- team: de, Physiotherapeut, Ophthalmo-
loge
Häufigkeit:
Dauer:
Ambulante Kontrollen:
1 :6000- 1 :2400 (Gesamtbev.) lebenslang
~ in 3- bis 6monatigen Abständen
~ Größe, Gewicht
~ Laboruntersuchungen:
Fettstatus, HbA1c
~ Augenhintergrund
~ Diätberatung
~ Psychologische Beratung (Urin- und Blutzuckerbestimmungen sollten von den Eltern oder den Patienten zu Hause selbst durchgeführt werden)
Behandlungs- Pädiater, Diätassistentin, team: Psychologe, Ophthalmologe,
Sozialarbeiter, Eltern
Linke Seite- Darstellung 3 (links oben): Synopsis der Versor- gung von Kindern mit Anfallsleiden- Darstellung 4 (links Mitte):
Synopsis der Versorgung von Kindern mit Nierenkrankheiten- Darstellung 5 (links unten): Synopsis der Versorgung von Kin- dern mit Herzfehlern - Darstellung 6 (rechts oben): Einfluß verschiedener Therapieschemen auf die Überlebenszeit und 5- Jahres-Heilung bei akuter lymphoblastischer Leukämie im Kin- desalter- Darstellung 7 (rechts unten): Synopsis der Versor- gung von Kindern mit akuter lymphoblastischer Leukämie Rechte Seite- Darstellung 8 (links oben): Synopsis der Versor- gung von Kindern mit juveniler chronischer Arthritis (Syn- onyma: rheumatoide Arthritis, primär chronische Polyarthritis, Still's disease)- Darstellung 9 (links Mitte): Synopsis der Ver- sorgung von Kindern mit Diabetes mellitus Typ I, insulinpflich- tig - Darstellung 10 (rechts oben): "Verbundarbeit" in der Betreuung des jugendlichen Diabetikers (Hürter, 1977)- Dar- stellung 11 (rechts Mitte): Methodische Möglichkeiten der ärzt- lichen Langzeitversorgung chronisch kranker Kinder in der Arztpraxis und in der Spezialambulanz-Darstellung 12 (rechts unten): Vor- und Nachteile der Versorgung chronisch kranker Kinder durch niedergelassenen Arzt und Spezialambulanz
Chronisch kranke Kinder
Praktischer Arzt Spezialambulanz Zwischenanamnese - Zwischenanamnese
Gewicht Gewicht
Größe Größe
Körperlicher Befund- Körperlicher Befund
(Röntgen) Röntgen
Blutabnahme Blutabnahme:
(zum Versand) blutchemische Analyse urinchemische Analyse Zusammenarbeit mit Fachdisziplinen (Neurolo- gie, Ophthalmologie, Otorhinolaryngologie) Statistische Sammlung und wissenschaftliche Auswertung der Befunde
Niedergelassener Arzt Spezialambulanz Vorteile
Kurzer Anfahrtsweg schnelle Terminverein- barung
hohes Vertrauen immer gleicher Arzt
Spezialkenntnisse wissenschaftliche Wei- terarbeit
apparative Ausstattung Personalausstattung Bekanntschaft mit an- deren Eltern
Verbindung zu Fach- disziplinen
Nachteile
mangelnde Spezial- weiter Anfahrtsweg kenntnisse langfristige Terminver- in der Regel keine wis- einbarung
senschaftliehe Weiter- wechselnde ärztliche
arbeit Betreuung
keine apparative Aus- stattung
keine Personal- ausstattung Einzelfälle
4D
Ausgabe B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 49 vom 10. Dezember 1982 45
Überwachung Überwachung an zahlreiche La- nicht an Labor- bordaten gebunden
daten gebunden
Niederge- lassener Arzt Pyelonephritis, Asthma, geistige Retardierung, körperliche Behinderung, Hypothyreose, Struma, rheumatoide Arthritis
Anfallsleiden, angeborene Herzleiden, Leukosen, Tumoren, parenchymatöse Nierenkrank- heiten,
Diabetes mellitus, Hämophilie, Cerebralparese, Endokrino- pathien, angeborene Stoffwechsel- krankheiten (einschl. Malab- sorptionssyn- drome) Spezialambulanz Chronisch kranke Kinder
Leiter (mit Spezialausbildung und -kenntnissen) Vertreter
Schwester
Medizinisch-technische Assistentin
Fachpersonal: z. B.: Diätassistentin, Kranken- gymnastin
Laborgeräte: z. B.: EEG, EKG, Röntgen, Chromatographen, Gamma- zähler, Spirometer
[ Tagesbetten ]
0
Darstellung 13 (links): Chronische Krankheiten bei Kindern, die vorzugsweise vom niedergelassenen Arzt und/oder in einer Spezialambulanz zu versorgen sind
Darstellung 14 (oben): Übersicht über die personelle Besetzung und Ausstattung einer Spezialambulanz
Empfehlungen zur Versorgung von Kindern mit
chronischen Krankheiten
Ohne die Probleme der Versorgung chronisch kranker Kinder erschöp- fend darstellen zu können, sollen einige typische Gruppen von Krank- heitsbildern als Beispiele bespro- chen werden.
Die Anfallsleiden stellen wahr- scheinlich das größte Kontingent von Problemkindern in der kinder- ärztlichen Praxis. Darstellung 3 gibt einen Eindruck von der Komplexität und Vielschichtigkeit der Überwa- chung. Betont werden soll die Kon- trolle der Antikonvulsiva-Konzentra- tionen im Plasma. Auch auf die mul- tidisziplinäre Versorgung wird be- sonders hingewiesen.
Dabei ist zu beachten, daß die An- fallstypen wechseln können und ei- ne Unterscheidung in große und kleine Anfälle sowie in altersabhän- gige und nichtaltersabhängige Krampfleiden notwendig ist. Jeder Anfallspatient muß anfallsspezifisch, altersgerecht und individuell einge- stellt werden.
Auch die chronischen Nierenkrank- heiten einschließlich der Harnwegs- infekte sind eine Crux medicorum (Darstellung 4). Die mitunter schlechte Prognose kann nur durch engmaschige, kompetent und kon-
sequent durchgeführte Kontrollun- tersuchungen verbessert werden.
Die Gruppe mit den nächsthäufigen Fallzahlen stellt die der angebore- nen Herzfehler dar (Darstellung 5).
Trotz der teilweisen Möglichkeit ei- ner operativen Korrektur müssen diese Kinder noch jahrelang danach weiter fachärztlich überwacht werden.
Kinder mit Leukämiewaren noch vor 30 Jahren absolute Todeskandida- ten (Darstellung 6). Die derzeitige Massivbehandlung hat zu einer Hei- lungsquote von über 50 Prozent, aber auch zu erheblichen Nebenwir- kungen wie Infektabwehrschwä- che, Leberschädigung, Hirndruck, Krämpfe und anderes geführt.
Nur durch maximalen Einsatz des Arztes, seines Personals sowie der Eltern lassen sich die einschneiden- den therapeutischen Maßnahmen überhaupt durchführen (Darstel- lung 7).
Auch die juvenile chronische Arthri- tis führt unabdingbar zu einem trau- rigen Ende, wenn nicht rechtzeitig und fortlaufend eine optimale Lang- zeittherapie durchgeführt wird (Dar- stellung 8). Die physiotherapeuti- schen Maßnahmen zu Beginn der Erkrankung entscheiden darüber, ob ein Kind als junger Erwachsener verkrüppelt sein wird oder nicht.
Der jugendliche Diabetes mellitus tritt bei 1:1000 Kindern auf (Darstel- lung 9). Häufig gehen ihm virale In- fektionen voraus. In den letzten Jah- ren wurde die Versorgung der ju- gendlichen Diabetiker in der Bun- desrepublik Deutschland durch viel- fältige landesweite Schulungsarbeit der Eltern entscheidend verbessert.
Dazu war die multidisziplinäre Be- wältigung der vielschichtigen Pro- bleme im allgemeinen und bei den einzelnen Patienten im speziellen unabdingbar. Hürter („Diabetes bei Kindern und Jugendlichen", Sprin- ger 1977) hat ein Schema publiziert, das diese „Verbundarbeit" gra- phisch wiedergibt und auch als Mo- dell für die Betreuung von Patienten mit anderen chronischen Krankhei- ten dienen kann (Darstellung 10).
Die genannten Beispiele sollen genü- gen, um die Problematik der Betreu- ung chronisch kranker Kinderals Auf- gabe darzustellen, die vorzugsweise in Verbundarbeit mit vielen medizini- schen und paramedizinischen Fach- kräften gelöst werden muß.
Die Versorgung chronisch kranker Kinder in der ärztlichen Praxis und/
oder in der Spezialambulanz In diesem Kapitel werden die Mög- lichkeiten untersucht, um Problem- kinder mit chronischen Erkrankun-
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gen einer optimalen, dem neuesten Stand der Erkenntnis entsprechen- den Versorgung zuzuführen. Die Methoden der körperlichen Untersu- chung und anamnestischen Evalua- tion der Patienten decken sich in den beiden Arbeitsbereichen „prak- tischer Arzt" und „Spezialambu- lanz". In letzterer ist möglicherweise ein schnellerer und direkterer Zu- gang zu den auxiliären Fachdiszipli- nen möglich (Darstellung 11). Wich- tig ist in diesem Bereich auch die statistische und wissenschaftliche Auswertung der Befunde, was die Basis für Weiterentwicklungen und Verbesserungen darstellt (Beispiel:
Leukämie).
Die Vor- und Nachteile der Versor- gung von Problemkindern in der Praxis des niedergelassenen Arztes einerseits und in der Spezialambu- lanz andererseits sind in Darstellung 12 zusammengestellt.
Das Primat des niedergelassenen Arztes liegt unbestritten in dem di- rekten Zugang zu dem Patienten und seiner Familie.
Der Hausarzt wird in akuten Pro- blemsituationen immer der erste di- rekte Ansprechpartner sein. Seine Schwierigkeiten liegen in der kom- petenten Weiterbildung. Bei der heutigen Fülle des medizinischen Wissens kann sie sicherlich nur auf einigen Gebieten erreicht und lang- fristig aufrechterhalten werden. An die Primärversorgung des chronisch kranken Kindes durch den niederge- lassenen Arzt schließt sich sinnvol- lerweise die krankheitsspezifische Sekundärbetreuung in der Spezial- ambulanz an. Hier ist das Methoden- und Personalreservoir vorhanden, das die fortlaufende Weiterentwick- lung und individuelle Abstufung ei- nes Therapieprogrammes gewähr- leisten kann und muß.
In Darstellung 13 wird versucht, chronische Krankheiten bei Kindern in solche Probleme zu unterteilen, die auf lange Zeit beim niedergelas- senen Arzt und/oder in der Spezial- ambulanz versorgt werden sollten.
Diese Einteilung ist als Entwurf oder Denkanstoß zu verstehen und muß
Chronisch kranke Kinder
sicherlich an verschiedenen Orten — je nach vorgegebenen Strukturen der medizinischen Versorgung — va- riiert, ergänzt und verändert werden.
Der Betrieb einer Spezialambulanz erfordert vom Träger der Institution nicht unerhebliche Mittel zu rAusstat- tung mit Personal und Geräten. Aus derZusammenstellung in Darstellung 14 geht hervor, daß derartige Einrich- tungen nicht in allen Krankenhäu- sern, sondern—gutgeplant—im Lande verteilt nu ran größeren Kliniken ratio- nell betrieben werden können.
Der praktische Arzt ist und bleibt daher die erste und vorderste An- laufstation für die Betreuung chro- nisch kranker Kinder. Er sollte je- doch die Möglichkeit haben und auch nutzen, mit Teams von Fach- leuten in der Spezialambulanz eng- stens zusammenzuarbeiten.
Zusammenfassung
Das Kind mit einer chronischen Er- krankung bietet ein Problem, das an den betreuenden praktischen Arzt sowie die Fachklinik oder -ambulanz höchste Anforderungen diagnosti- scher, therapeutischer und sozial- medizinischer Art stellt. Mittels klar konzipierter, langfristig bestehender Organisationsmodelle läßt sich ih- nen gerecht werden. Ihnen allen liegt sowohl eine enge, überdiszipli- näre Zusammenarbeit als auch eine reibungslose Kooperation zwischen Praxis und Spezialambulanz zu- grunde. Im Vordergrund steht die optimale Versorgung des chroni- schen Patienten. Sie kann nur durch engagiertes, flexibles und kompro- mißbereites ärztliches Handeln er- reicht werden.
(Nach einem Referat, gehalten auf dem XXVI. Internationalen Fortbil- dungskongreß der Bundesärztekam- mer, Badgastein, 9.-21. März 1981)
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. W. Teller Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Ulm
Universitätskinderklinik Prittwitzstraße 43 D-7900 Ulm (Donau)
FÜR SIE GELESEN
Aszites-Diagnose im Zwielicht
In einer Studie wurden 21 Patien- ten mit fraglichem Aszites von drei unabhängigen Ärzten untersucht, die nach den klassischen Aszites- zeichen: ausladende Flanken, Flankendämpfung, Verlagerung der Dämpfung, Undulation und
„Pfützenzeichen" zu suchen hat- ten. Dabei war lediglich eine Aus- sage „positiv" oder „negativ"
möglich, der endgültige Nachweis von Aszites wurde sonographisch geführt.
Zusätzlich wurde von einem vier- ten Arzt eine Aszitespunktion bei all den Patienten durchgeführt, bei denen sonographisch Aszites nachweisbar war.
Bei 6 der 21 Patienten ließ sich sonographisch Aszites nachwei- sen. Flankendämpfung und Vertei- lung der Tympanie erwiesen sich als empfindliche Zeichen bei Aszi- tes und waren in 94 Prozent posi- tiv; diese wurden jedoch auch bei 71 Prozent der Patienten ohne As- zites gefunden. Die Spezifität der Undulation lag bei 82 Prozent, die Sensitivität jedoch bei nur 50 Pro- zent. Insgesamt stimmten die drei untersuchenden Ärzte nur in 56 Prozent ihrer Ergebnisse überein.
Läßt sich eine Flankendämpfung nicht nachweisen, liegt die Wahr- scheinlichkeit bei 90 Prozent, daß der Patient keinen Aszites hat.
Aufgrund ihrer Studie kommen die Autoren zu dem Schluß, daß bei allen Patienten mit fraglich positi- vem physikalischen Untersu- chungsbefund eine sonographi- sche Untersuchung durchgeführt werden sollte, bevor eine diagno- stische oder therapeutische Para- zentese vorgenommen wird. W
Cattau, E. L. Jr.; Benjamin, S. B.; Knuff, T. E.:
The accuracy of the physical examination in the diagnosis of suspected ascites, JAMA 247 (1982) 1164-1166, Gastroenterology Branch, Internal Medicine Service, National Naval Medical Center, and the Digestive Diseases Division, Department of Medicine, Uniformed Services University of the Health Sciences, Bethesda, Md., U.S.A.
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