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Archiv "Qualitätssicherung: Multidisziplinäre Tumorboards – trotz Problemen unverzichtbar" (30.05.2014)

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QUALITÄTSSICHERUNG

Multidisziplinäre Tumorboards – trotz Problemen unverzichtbar

D

ie Behandlungsoptionen für Patienten mit onkologischen Erkrankungen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die Weiterentwicklung von Operations- verfahren, die Optimierung radio- onkologischer Präzisionsverfahren, die Einführung unterschiedlicher lo- kal ablativer Verfahren und die Ent- wicklung neuer systemisch aktiver Substanzen, vor allem monoklonaler Antikörper und anderer biologisch zielgerichteter Substanzen, führten zu einer breiten Diversifizierung der onkologischen Therapie. So eröffnet sich heute die Möglichkeit, die me- dikamentöse Behandlung unter Be- rücksichtigung von Mutationsprofi- len und Signalwegmodulationen der Tumorzellen auf den individuellen Patienten zuzuschneiden.

Aufgrund dieser Neuerungen, die aus einem besseren Verständnis der Tumorbiologie resultieren, aber auch der Komplexität onkolo- gischer Erkrankungen insgesamt, kann eine Fachdisziplin allein nicht mehr festlegen, welche The- rapieoption in einem konkreten Behandlungsfall vorrangig ist und in welcher Sequenz weitere Moda- litäten angewendet werden sollten.

Daher werden multidisziplinäre Tumorboards (MDT) mit dem Ziel der Empfehlung der individuell vielversprechendsten Therapie so- wohl im Nationalen Krebsplan der Bundesregierung (1) als auch in spezifischen Leitlinien der Fach- gesellschaften als zeitgemäßer Standard in der onkologischen Versorgung eingefordert.

Die aktuelle S3-Leitlinie für das kolorektale Karzinom stellt beispiel- haft ganz klar heraus, dass alle Pa- tienten grundsätzlich prätherapeu- tisch in einem MDT vorgestellt wer- den sollen. Nur Patienten, die ledig- lich ein lokal begrenztes Kolonkar- zinom aufweisen, können aufgrund der hier derzeitig unstrittigen pri- mär-chirurgischen Behandlungs- empfehlung erst nach erfolgter Pri- märtherapie diskutiert werden. Dies ist bei Karzinomen des Rektums aufgrund der Option der präoperati- ven Radio- oder Radiochemothera- pie anders zu sehen; hier sollte eine Diskussion unbedingt bereits vor Einleitung jedweder therapeutischen Maßnahme erfolgen (2).

Die prätherapeutische gemeinsa- me Diskussion der vorliegenden

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinder-

chirurgie der Georg- August-Universität Göttingen: Priv.-Doz.

Dr. med. Homayounfar, Prof. Dr. med. Ghadimi Krebszentrum am Universitätsklinikum Leipzig: Prof. Dr. med.

Lordick

Qualitätsstandards sind zwingend erforderlich für eine gute onkologische Versorgung.

Der hohe Aufwand muss mit einer adäquaten Vergütung abgebildet werden.

Notwendig ist eine verbindliche Rückmeldung über die tatsächlich erfolgte Therapie.

Kia Homayounfar, Florian Lordick, Michael Ghadimi

Fotos: picture alliance, mauritius images [m]

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Befunde innerhalb eines MDT hat nachweislich Konsequenzen. Die gemeinsamen Entscheidungen ei- nes MDT unterscheiden sich tat- sächlich in bis zu 50 Prozent der Fälle von der Therapieplanung durch einzelne Fachärzte (3). Eine multidisziplinär getroffene Ent- scheidung ist effektiver und die kol- legiale Diskussion akkurater als die Summe der Einzelentscheidungen.

Die Ableitung des sich aus der in- terdisziplinären Diskussion erge- benden bevorzugten Therapiekon- zepts erhöht die Ergebnisqualität.

Für das Ovarialkarzinom wurde ge- zeigt, dass alleine die Vorstellung in einem Zentrum mit interdisziplinä- rer Expertise einen ähnlich starken günstigen Effekt aufweist wie die radikale Chirurgie mit minimalen Tumorresten per se (4). Die Be- handlungsempfehlung für den Pa- tienten wird losgelöst von der initial behandelnden Fachdisziplin (5) und die Orientierung an klinischen Leit- linien verbessert (6).

Fokussierung auf den individuellen Patienten

Eine wesentliche Erwartung an MDT ist zudem, dass durch sie der Anteil der Patienten, die in klini- schen Studien behandelt und denen somit innovative Therapieoptionen angeboten werden, steigt (7). Ob dies tatsächlich der Fall ist, wurde bisher allerdings nicht systematisch untersucht. Innovative Therapien frühzeitig und im Rahmen klinischer Studien von Krebs betroffenen Men- schen zugänglich zu machen, ist eine weitere berechtigte Forderung des Nationalen Krebsplans. Die Erfah- rung zeigt, dass an Zentren, die eine intensive und transparente Diskussi- onskultur in MDT pflegen, die Be- reitschaft zur Initiierung und Rekru- tierung klinischer Studien auch be- sonders hoch ist.

In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersu- chungen zu MDT publiziert. Mittler- weile sind die notwendigen Anfor- derungen bezüglich einer sinnvollen Teamstruktur und -leitung, der not- wendigen Infrastruktur und Logis- tik, aber auch bezüglich des Ent- scheidungsprozesses selbst definiert (8). Wichtig sind auch nach unserer

Erfahrung die Leitung des Tumor - boards durch einen besonders aner- kannten und integrativ agierenden Experten sowie eine strukturierte Vorstellung der Patienten durch den behandelnden Arzt. Eindeutig nach- gewiesen wurde, dass die Qualität der vorhandenen Informationen und die Qualität der Teamarbeit einen signifikanten Einfluss auf das Errei- chen einer sinnvollen gemeinsamen Therapieentscheidung haben (9). Ei- ne Analyse von 638 urologischen MDT-Fällen hat gezeigt, dass in bis zu 30 Prozent der Fälle kein aussa- gekräftiges Bildmaterial und/oder histopathologischer Befund zur Dis- kussion vorgelegen haben (10).

Um allen Teammitgliedern die Möglichkeit zu geben, sich auf die einzelnen Fälle vorzubereiten, ist ei- ne rechtzeitige Anmeldung, mindes- tens am Vortag des MDT notwendig.

Zur Unterstützung des Entschei- dungsprozesses im MDT wurden auch Werkzeuge, wie beispielsweise die MDT-QuIC-Checkliste, entwi- ckelt und validiert (Tabelle). Sie hel- fen, die kollegiale Diskussion zu strukturieren und stärken die Fokus- sierung auf den individuellen Patien- ten (11). Die Entscheidung des MDT

muss dann auch für alle transparent dokumentiert werden. In vielen der genannten Aspekte sind die Anforde- rungen an ein MDT unabhängig vom zu diskutierenden Tumortyp. Hin- sichtlich der erforderlichen Vorberei- tung der Teammitglieder, der Daten- grundlage, der Administration wäh- rend der Konferenzen sowie des ei- gentlichen Entscheidungsfindungs- prozesses bestehen aber durchaus Unterschiede zwischen den Entitäten (12).

Probleme bei der praktischen Umsetzung

Im Zusammenhang mit MDT müs- sen aber auch die Probleme erörtert werden. In vielen Fällen wird keine gemeinsam getragene Therapieent- scheidung gefunden, oder die for- mulierte Entscheidung wird später nicht umgesetzt. Zudem wird das Pflegepersonal, welches eine zu- sätzliche Sicht auf den Patienten einbringen kann, ebenso wenig in den Entscheidungsprozess einge- bunden wie der Patient (3) oder zu- mindest seine individuelle Behand- lungspräferenz, die per se nicht al- len Experten bekannt sein kann;

diese müsste dringend von seinem behandelnden Arzt strukturiert er- fasst und im MDT vorgetragen wer- den. Die oftmals eingeschränkte oder fehlende Einschätzbarkeit der therapeutischen Möglichkeiten der anderen Fachdisziplinen ist ein wei- teres Problem, dem man sich in MDT ergebnisoffen und vertrau- ensvoll stellen muss (13, 14).

In der praktischen Umsetzung werden weitere Probleme offenbar, deren Lösung sich bisher nicht ein- deutig abzeichnet. Dies betrifft ins- besondere die Aspekte Experten- wissen, ökonomische Bewertung von MDT und Compliance mit den getroffenen Entscheidungen.

Vor allem an universitären Krebszentren sowie an einigen Krankenhäusern der Maximalver- sorgung wird eine sehr hohe Zahl an unterschiedlichen krankheits- oder organsystemspezifischen MDT angeboten. So finden beispielsweise am Universitären Krebszentrum Leipzig elf und an der Universitäts- medizin Göttingen zwölf unter- schiedliche MDT teilweise mehr- TABELLE

Checkliste zur Qualitätsverbesserung Vor der Falldiskussion:

Sind die relevanten Kernmitglieder des Tumorboards anwesend?

Ist jemand anwesend, der den Patienten kennt?

Ist der/die derzeitig behandelnde Arzt/Ärztin des Patienten anwesend?

Information

Fallbericht

Komorbiditäten

Radiologische Befunde

Pathologische Befunde

Psychosoziale Beurteilung

Patientensicht

Klinische Studien

Andere

Ergebnis

Was sind die Empfehlungen des Tumorboards?

Gibt es Bedenken?

Muss dieser Patient noch einmal diskutiert werden?

Diskussion

Chirurg

Internist

Onkologe

Radiologe

Pathologe

Pflege

Palliativteam

Medizinische Assistenzberufe

(3)

fach wöchentlich statt; zusätzlich beteiligen sich beide Zentren fach- lich an mehreren externen MDT pe- ripherer Krankenhäuser oder Or- ganzentren. In einer 30-minütigen MDT-Sitzung können sinnvoll et- wa sechs Patientenfälle diskutiert und entschieden werden (15). Oft- mals gibt es aber deutlich mehr zu besprechende Neuvorstellungen in einem Fachgebiet pro Woche, so dass die MDT entweder zulasten der Konzentration und Qualität sehr lange dauern oder mehrfach in der Woche organisiert werden müssen.

Experten nicht immer und überall verfügbar

Dieser enorme Aufwand ist nicht nur wegen der eingangs dargestell- ten Therapievielfalt notwendig, sondern auch, weil durch zuneh- mend potente Therapiekonzepte immer mehr Tumorpatienten nach potenziell kurativer Therapie des Primärtumors ein erstes, zweites oder gar drittes Rezidiv ihrer Er-

krankung erleben, das jeweils wie- der zur Optimierung der Therapie der Diskussion im MDT bedarf. Die Diskussion der optimalen Primär- therapie im MDT ist dabei aufgrund der Therapienaivität des Patienten und der oft noch vorhandenen Leit- linienklarheit überwiegend mit ei- nem geringen Aufwand verbunden.

Demgegenüber erfordert die Thera- pieplanung im Rezidiv aufgrund der größeren Zahl an bereits appli- zierten onkologischen Therapien und der immer schwächeren Leitli- nienevidenz deutlich mehr Zeit und letztlich auch mehr Erfahrung und Expertise.

Für Deutschland liegen keine Schätzungen vor, aber für Großbri- tannien wird angenommen, dass insgesamt mehr als 1 500 MDT ak- tiv tätig sind (16). Bei dieser Grö- ßenordnung ist es weder für Groß- britannien noch für Deutschland wahrscheinlich, dass alle MDT mit

ausgewiesenen Experten besetzt sein können. Die Verfügbarkeit von Expertenwissen ist somit die ent- scheidende Limitation bei allen MDT und damit auch einer flächen- deckend hochwertigen onkologi- schen Versorgung.

Ein Bild der realen Praxis zeich- nen aktuell Daten des multi-insti - tutionellen Regensburger Krebs - registers. Von 236 Patienten mit Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms wurden lediglich 19,1 Prozent einer operativen Therapie zugeführt, obwohl der Anteil der Patienten, die nicht mehr als zwei Lebermetastasen hatten, bei 31 Pro- zent lag und man insofern von einer deutlich größeren Zahl an Patienten mit potenziell resektablen Leber- metastasen ausgehen sollte (17).

Wie viele dieser Patienten zu wel- chem Zeitpunkt in MDT diskutiert wurden, und wie viel Expertise in diesen MDT vorlag, ist unklar. Für Patienten mit kolorektalen Leber- metastasen ist aber klar gezeigt, dass die Beteiligung eines erfahre-

nen hepatobiliären Chirurgen am MDT zu einer deutlich höheren Re- sektionsrate und damit zu mehr ku- rativ intendierten Behandlungen führt (14, 18).

Als ein möglicher Lösungsansatz werden oftmals virtuelle MDT ange- führt. Die Nutzung von elektroni- schen Kommunikationsmitteln und telemedizinischen Plattformen im Sinne eines solchen virtuellen MDT kann zwar räumliche Distanzen überbrücken (16, 19, 20), stellt je- doch keine Lösung für das Problem der limitierten Verfügbarkeit von Ex- pertenwissen dar, weil sie nicht zur Generierung zusätzlicher Experten führt. Möglicherweise lassen sich durch Telekommunikation Experten an Zentren leichter in Entscheidun- gen in der Peripherie einbinden. Je- doch ist, wie oben dargestellt, schon jetzt die zeitliche Belastung der Ex- perten durch die vorhandenen MDT an den Zentren sehr hoch.

Es ist darüber hinaus nicht defi- niert, über welche Fähigkeiten ein Arzt verfügen muss, um als Experte an einem MDT entscheidungsbil- dend mitzuwirken. Bisher existie- ren seitens der Fachgesellschaften oder Landesärztekammern keine diesbezüglichen Anforderungspro- file oder Zertifikate. Zugrunde ge- legt wird vielerorts das Vorhanden- sein eines entsprechenden Facharzt- status. Dabei ist, beispielsweise be- zogen auf den internistischen On- kologen, schon lange nicht mehr davon auszugehen, dass ein in der allgemeinen Hämatologie und On- kologie ausgebildeter Facharzt per se über die vollständige Kompetenz differenzierter Entscheidungen in allen Teilbereichen der medizini- schen Onkologie verfügt. Ver- gleichbare Überlegungen müssen auch für die anderen beteiligten Fachrichtungen angestellt werden.

Um dem Anspruch einer flächen- deckend hochwertigen onkologi- schen Versorgung gerecht zu wer- den, müssten dazu Regelungen und deren regelmäßige Aktualisierung eingeführt werden. Es ist offenkun- dig, dass eine sachgerechte Bera- tung im MDT nur durch Ärzte er- folgen kann, die eine besonders ho- he persönliche Erfahrung in einem bestimmten Gebiet (zum Beispiel hepatobiliäre Chirurgie oder gynä- kologische Onkologie oder Onko- logie des zentralen Nervensystems) mitbringen, die aber auch eine regel- mäßige Fortbildung in ihrem Spezial- gebiet absolvieren und einen ständi- gen Blick auf Publikationen in ih- rem Spezialgebiet und die aktuelle wissenschaftliche Evidenz haben.

Zunehmende Zahl von Zweitmeinungsverfahren Einen großen Anteil an der wachsen- den Gesamtzahl der in MDT disku- tierten Fälle nehmen Zweitmei- nungsverfahren ein, die im Koaliti- onsvertrag der aktuellen Bundesre- gierung auch als verbindliches Pa- tientenrecht definiert sind (21).

Während vor zehn Jahren an einem großen Münchner Referenzzentrum die Anzahl von Zweitmeinungspa- tienten im MDT noch auf weniger als fünf Prozent ermittelt wurde (22), sehen wir in den heutigen

Ein Zweitmeinungsverfahren in einem erfahrenen, von Experten

besetzten multidisziplinären Tumorboard führt häufig zu

wesentlichen und relevanten Behandlungsmodifikationen.

(4)

MDT einen größeren Anteil an Zweitvorstellungen. Dieser zuneh- mende Bedarf stellt alle an MDT be- teiligten Fachdisziplinen, insbeson- dere aber sogenannte Dienstleis- tungsdisziplinen wie die Radiologie, vor große Herausforderungen, weil eine sinnvolle Bearbeitung der MDT-Fälle nur nach vorheriger in- tensiver Durchsicht der vorhande- nen, oftmals extern erstellten Befun- de/Bilder möglich ist. Dabei ent- spricht die Bildgebung nicht immer den Standards und Qualitätsanforde- rungen, die notwendig sind. Die Art der technischen Übermittlung ist oft unzureichend, das Bildmaterial zu- weilen unvollständig.

Insgesamt resultiert aus all diesen Unzulänglichkeiten ein ungleich hö- herer Zeitaufwand, als es bei „in house“ angefertigten Bildern und Befunden der Fall wäre. Dies führt zu einer hohen Personalbindung mit den sich daraus ergebenden Konse- quenzen für die Patientenversor- gung. Da eine Refinanzierung der für die MDT erbrachten Personal- leistungen nicht grundsätzlich gere- gelt ist und gerade sogenannte Dienstleistungsabteilungen die Kos- ten nicht über eventuelle spätere DRG-Entgelte abbilden können, ent- steht hier neben dem schlichten Pro- blem der Machbarkeit auch ein bis- her nicht gelöster wirtschaftlicher Aspekt. Dieser Kostenaspekt betrifft letztlich das gesamte Zentrum, da Zweitmeinungen nicht zu wirt- schaftlichen Zwecken, insbesondere nicht zu Konkurrenz und Patienten- rekrutierung, ausgenutzt werden sol- len (23). Selbst wenn keine zusätzli- chen Untersuchungen als notwendig erachtet werden, ist der personelle Aufwand für die kompetente Erstel- lung einer Zweitmeinung im MDT inklusive Bild- und Befundprüfung, Diskussion im MDT, Dokumentati- on sowie Kommunikation an den Zuweiser/Patienten nicht annähernd über die derzeit vorhandenen Ab- rechnungsoptionen abzubilden.

Der Aufwand erhöht sich noch einmal deutlich, wenn sich die Zweitmeinung nicht lediglich auf ei- ne Bewertung der vorliegenden Be- funde beschränkt, sondern sinnvol- lerweise auch eine vorherige Unter- suchung des Patienten und die Eru-

ierung ihrer/seiner Präferenzen und Vorstellungen zu der anstehenden Behandlung erfolgt. Gerade diese Informationen über die Sicht des Pa- tienten auf seine Behandlung und die vorhandenen Therapieoptionen ist aber eine wesentliche Vorausset- zung für eine sinnvolle Entschei- dungsfindung innerhalb des MDT (24). Die Daten aus München legen eindrücklich nahe, dass eine Zweit- meinung in einem erfahrenen, durch ausgewiesene Experten besetzten MDT häufig zu wesentlichen und re- levanten Behandlungsmodifikatio- nen führt (22).

Verbindliche Rückmeldung erforderlich

Ein bedeutsamer Aspekt im Zusam- menhang mit MDT ist schließlich die Compliance mit den MDT-Empfeh- lungen, welche von mehreren Fakto- ren beeinflusst wird. Wenn im MDT tatsächlich eine überdurchschnittli- che Expertise vorhanden ist, zur Ent- scheidungsfindung alle relevanten Befunde und eine Einschätzung der Patientenpräferenzen vorliegen und sich Patient sowie Zuweiser über die gute Qualität des MDT im Klaren sind, sollte dies auch zu einer hohen Akzeptanz der Empfehlung des MDT führen, insbesondere wenn diese Empfehlung eine Abwägung mögli- cher unterschiedlicher Therapieop- tionen erkennen lässt. Die logische Folge wären insgesamt eine niedrige Rate an Rückfragen, wiederholten Diskussionen derselben Fälle und Zweitmeinungen und somit eine Ent- lastung des Systems. Umgekehrt würde eine rasant zunehmende Zahl an MDT-Anfragen zwangsläufig mit einem Qualitätsverlust einhergehen gehen müssen. Für die Qualität der einzelnen MDT-Empfehlungen ist es also von entscheidender Bedeutung, dass Input und Output des MDT kla- ren Qualitätsanforderungen unter- worfen werden. Hierfür ist die be- reits erwähnte MDT-QuIC-Checklis- te ein mögliches Hilfsmittel (11). Die Compliance mit den MDT-Empfeh- lungen ist außerdem stark von den Vertretern der Fachdisziplinen und deren Bereitschaft zur konsensuellen Diskussion und Adhärenz abhängig.

Ob die MDT-Empfehlungen um- gesetzt werden oder aus welchen

Gründen sie gegebenenfalls nicht umgesetzt werden, muss Patienten, MDT-Mitglieder, Kostenträger und Politik gleichermaßen interessieren.

Zusammen mit konkreten Quali- tätsanforderungen an MDT und Re- gelungen zur Qualifizierung und re- gelmäßigen Fortbildung der ent- scheidungsbestimmenden Mitglie- der, ist daher auch ein Rückmel- dungsmodus zu finden, welcher die MDT-Empfehlung mit der tatsäch- lich erfolgten Therapie in Bezie- hung setzt und Abweichungen er- klärt. Ein kontinuierlicher Verbes- serungsprozess der MDT ist ande- renfalls nicht umfänglich möglich.

Zusammenfassend ist zur Erfül- lung der Forderung nach einer flä- chendeckend gleichermaßen hoch- wertigen onkologischen Versorgung die Einführung eines Qualitätsstan- dards für MDT und deren entschei- dungsbestimmende Mitglieder un- abdingbar. Die personell und organi- satorisch aufwendige Beratungsleis- tung muss künftig, insbesondere wenn es sich um eine Zweitmeinung handelt, mit einer adäquaten Vergü- tung abgebildet werden. Für die Qualitätssicherung und auch Weiter- entwicklung der MDT ist eine ver- bindliche und strukturierte Rück- meldung über die tatsächlich durch- geführte Therapie inklusive der Be- nennung eventueller Gründe für eine Abweichung vom MDT-Votum zu fordern. Zukunftsfähig sind regiona- le/überregionale onkologische Netz- werke, in denen einerseits die Zen- trumsexpertise für komplexe Spezi- aleingriffe (zum Beispiel Ösophag - ektomie, kurative multimodale Therapie) besteht und andererseits gerade für die Langzeitbehandlung chronisch krebskranker Menschen die wohnortnahe Versorgung erhal- ten werden kann.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2014; 111(22): A 998−1001

Anschrift für die Verfasser PD Dr. med. Kia Homayounfar Universitätsmedizin Göttingen Georg-August-Universität

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie Robert-Koch-Straße 40

37075 Göttingen

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit2214 oder über QR-Code

(5)

LITERATUR

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21. Deutschlands Zukunft gestalten. Koaliti- onsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD.

18. Legislaturperiode. Union Betriebs- GmbH Rheinbach 2013

22. Schuhmacher C, Lordick F, Bumm R, Tepe J, Siewert JR: „Good advice is precious.“

The second opinion from the point of view of an interdisciplinary cancer therapy cen- ter. Dtsch Med Wochenschr 2007; 132:

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LITERATURVERZEICHNIS HEFT 22/2014, ZU:

QUALITÄTSSICHERUNG

Multidisziplinäre Tumorboards – trotz Problemen unverzichtbar

Qualitätsstandards sind zwingend erforderlich für eine gute onkologische Versorgung.

Der hohe Aufwand muss mit einer adäquaten Vergütung abgebildet werden.

Notwendig ist eine verbindliche Rückmeldung über die tatsächlich erfolgte Therapie.

Kia Homayounfar, Florian Lordick, Michael Ghadimi

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