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Evaluation eines telemedizinischen Betreuungsprogramms für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz

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Academic year: 2022

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(1)

Aus der Abteilung Epidemiologie, Sozialmedizin und

Gesundheitssystemforschung des Zentrums Öffentliche Gesundheitspflege der Medizinischen Hochschule Hannover

E

VALUATION EINES TELEMEDIZINISCHEN

B

ETREUUNGSPROGRAMMS FÜR

P

ATIENTEN MIT CHRONISCHER

H

ERZINSUFFIZIENZ

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Christoph Dönitz aus München

Hannover 2009

(2)

Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 13.07.2010 Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann Betreuer: Prof. Dr. oec. Volker Amelung Referent: Prof. Dr. Matthias Schönermark Korreferent: Prof. Dr. med. Christian Krauth

Tag der mündlichen Prüfung: 13.07.2010

Promotionsausschussmitglieder:

Prof. Dr. Matthias Schönermark Prof. Dr. Brigitte Lohff

Prof. Dr. Karin Lange

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(5)

INHALTSVERZEICHNIS

Seite

1 EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG... 7

2 GRUNDLAGEN ... 8

2.1 Managed Care ... 8

2.2 Disease Management ... 9

2.2.1 Historie und Definition... 9

2.2.2 Präventionsaspekt ... 10

2.2.3 Situation in Deutschland ... 11

2.2.4 Gekoppelte und freie Programme ... 12

2.2.5 Erfolg der Programme... 13

2.3 Anwendungsgebiet Herzinsuffizienz... 14

2.3.1 Chronische Erkrankungen ... 14

2.3.2 Epidemiologie ... 14

2.3.3 Klinisches Bild... 16

2.3.4 Therapie der Herzinsuffizienz ... 16

2.3.5 Prognose... 17

2.3.6 Kosten... 18

2.3.7 Krankenhausaufenthalte ... 19

2.3.8 Disease-Management-Ansatz... 20

3 DATENMATERIAL UND METHODIK ... 22

3.1 Gesundheitsprogramm „Herzensgut“ ... 22

3.1.1 Auftraggeber und Dienstleister... 22

3.1.2 Zielsetzung... 23

3.2 Programminhalte ... 24

3.2.1 Patientengewinnung ... 25

3.2.2 Programmablauf ... 25

3.2.3 Schulungsmaterial ... 26

3.2.4 Telemetrie ... 27

3.2.5 Bedürfnisse älterer Patienten... 28

3.2.6 Riksikofaktoren einer stationären Aufnahme... 28

3.2.7 Verhaltensmodifikation... 29

3.2.8 Gesundheitsberichte und Prozesssteuerung ... 31

3.3 Studiendesign ... 31

3.3.1 Rahmenbedingungen... 31

3.3.2 Ausschlussdiagnosen ... 34

3.3.3 Selektionseffekt und Intention-to-treat-Analyse... 35

3.3.4 Sensivitätsanalyse zur Randomisierung ... 37

(6)

3.4 Zielparameter Mortalität...38

3.5 Zielparameter Krankenhausaufenthalte und Leistungsausgaben ...39

3.5.1 Perspektiven...39

3.5.2 Kostenarten ...41

3.5.3 Ökonomische Evaluation...41

3.5.4 Kostenzurechnung...44

3.5.5 Verwaltungs-, Personal- und Programmkosten ...46

3.6 Sonstige Vergleichsparameter...46

3.6.1 Herzinsuffizienzstadien...46

3.6.2 Einkommen ...47

3.7 Datenquellen...47

3.8 Statistische Methoden ...48

4 ERGEBNISSE...50

4.1 Vergleichbarkeit der Ausgangsgruppen ...50

4.1.1 Teilnehmer, Ablehner und Ausscheider...50

4.1.2 Beobachtungsdauer und Evaluationszeitraum ...51

4.1.3 Basisdaten...52

4.1.4 Krankenhausaufenthalte und Leistungsausgaben...56

4.1.5 Sensivitätsanalyse...60

4.1.6 Analyse des Selektionseffekts...63

4.1.7 Zusammenfassung ...64

4.2 Mortalität ...65

4.2.1 Überlebenszeitanalyse nach Kaplan-Meier-Verfahren ...66

4.2.2 Verteilung der Überlebenszeiten (Überlebensquantile) ...69

4.2.3 Mediane Überlebenszeit der Verstorbenen ...71

4.2.4 Mittleres Überleben ...73

4.2.5 Zusammenfassung ...74

4.3 Kosten im Evaluationszeitraum – Absolute Perspektive ...75

4.3.1 Auswirkungen der Kostenzurechnung ...75

4.3.2 Krankenhausaufenthalte und Leistungsausgaben...76

4.3.3 Verlauf der Kosten...78

4.3.4 Geschlecht ...78

4.3.5 Überlebende und Verstorbene ...78

4.3.6 Sensivitätsanalyse...79

4.3.7 Analyse des Selektionseffekts...80

4.3.8 Zusammenfassung ...81

4.4 Kosten im Evaluationszeitraum – Relative Perspektive...82

4.4.1 Krankenhausaufenthalte und Leistungsausgaben...82

4.4.2 Verlauf der Gesamtkosten...86

(7)

4.4.3 Geschlecht ... 86

4.4.4 Verstorbene und Überlebende ... 87

4.4.5 Sensitivitätsanalysen ... 88

4.4.6 Analyse des Selektionseffekts ... 89

4.4.7 Zusammenfassung ... 91

5 DISKUSSION ... 93

5.1 Diskussion der Methoden ... 93

5.1.1 Stärken und Limitierungen ... 93

5.1.2 Ein- und Ausschlußkriterien ... 98

5.1.3 Identifikationsmethode, Risikoadjustierung und Trend... 99

5.1.4 Finanzparameter / Berechnungsmethode... 100

5.1.5 Statistische Analyse... 101

5.2 Diskussion der Ergebnisse ... 102

5.2.1 Ausschlusskriterien, Randomisierung, Vergleichbarkeit ... 102

5.2.2 Mortalität ... 106

5.2.3 Gesamtleistungsausgaben... 108

5.2.4 Programmwirkung in zeitlicher Dimension ... 111

5.2.5 Wirkung der Mortalität auf Leistungsausgaben ... 112

5.2.6 Krankenhausaufenthalte ... 114

5.2.7 Selektionseffekte... 115

5.2.8 Quantifizierung des Programmerfolgs... 117

6 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ... 121

7 LITERATURVERZEICHNIS ... 124

8 ABKÜRZUNGEN... 132

9 TABELLEN- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... 133

9.1 Tabellenverzeichnis... 133

9.2 Abbildungsverzeichnis... 134

10 ANHANG ... 135

10.1 Gesprächsprotokolle und Patientengewinnung... 135

10.2 Zusätzliche Ergebnistabellen, Boxplots und Kaplan-Meier-Kurven... 137

10.3 Berechnungsmodell Programmerfolg... 147

10.4 Bisherige Untersuchungsergebnisse durch Kielblock et al... 148

(8)

10.5 Multiple Testproblematik ...149 11 DANKSAGUNG ...150 12 LEBENSLAUF ...151 13 ERKLÄRUNG NACH §2, ABSATZ 2, NUMMERN 5 UND 6 DER

PROMOTIONSORDNUNG DER MHH...153

(9)

1 EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG

Chronische Erkrankungen wie Diabetes oder Herzerkrankungen treten aufgrund geänderter Lebensbedingungen immer häufiger auf. Zudem steigt die Lebenserwartung und damit die Dauer, die ein chronisch Kranker mit seiner Erkrankung lebt, durch den medizinischen Fortschritt stetig an. Auch wenn diese Entwicklung grundsätzlich begrüßenswert ist, führt die höhere Prävalenz zu höheren Kosten für das Gesundheitswesen.

Einen vielversprechenden Behandlungsansatz von chronisch Kranken innerhalb der integrierten Versorgung stellen standardisierte Betreuungsprogramme, sogenannte Disease-Management-Programme (DMP), dar. Eines der ersten deutschen DMP wurde von der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsdienstleiter ArztPartner almeda AG (APa) erarbeitet. Das Programm mit dem Namen „Herzensgut“ wurde für die Indikation Herzinsuffizienz entwickelt. Eine erste, vorläufige Evaluation durch Kielblock et al. untersuchte, ob sich durch das Programm „Herzensgut“ Kosteneinsparungen, eine Senkung der Krankenhaustage und der Mortalität erzielen lassen [1]. Die vorliegende Untersuchung will diese Ergebnisse überprüfen, validieren und ergänzen. Durch einen methodisch stringenten Ansatz und eine erweiterte Datenbasis soll die wissenschaftliche Güte der Ergebnisse gewährleistet werden.

Neben der Randomisierung und dem Einsatz einer Kontrollgruppe, die auch schon in Kielblock et al. verwendet wurden, sollen hier auch Selektionseffekte berücksichtigt werden. Dies geschieht durch eine Intention-to-treat-Analyse, bei der nicht nur die tatsächlichen Teilnehmer, sondern die gesamte Gruppe der potentiellen Teilnehmer zur Evaluation herangezogen wird.

Die zu überprüfende Hypothese lautet: Die zusätzliche telemedizinische Betreuung verbessert die übliche Behandlung und ist geeignet, die Rehospitalisierungsrate von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz zu verringern, Krankheitskosten und Mortalität zu senken.

(10)

2 GRUNDLAGEN

Integrierte Versorgung ist die übliche Übersetzung von Managed Care. Im Rahmen von Managed Care bieten Disease-Management-Programme standardisierte Betreuung von chronisch Kranken. Das Programm „Herzensgut“ enthält die zentralen Eigenschaften eines Disease-Management-Programms und zeigt, wie diese neue Form des Gesundheitsmanagements ausgestaltet werden kann.

2.1 Managed Care

Nach der Definition von Amelung versteht man unter Managed Care: 1. den Einsatz von Managementinstrumenten im Gesundheitswesen; 2. die zumindest partielle Integration der Funktionen Leistungserstellung und Finanzierung; sowie 3. die Auswahl geeigneter Leistungserbringer (selektives Kontrahieren) [2]. Das erklärte Ziel dieses Ansatzes besteht zum einen in der Verbesserung der Versorgungsqualität durch die Auswahl geeigneter Leistungserbringer und dem Einsatz von Managementinstrumenten.

Zum anderen soll die Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung durch die Integration von Finanzierungs- und Leistungsfunktion sowie wiederum durch den Einsatz von Managementinstrumenten sichergestellt werden. Der Leitgedanke von Managed Care nach Amelung ist, dass Kosten und Qualität nicht zwangsläufig gegenläufige Ziele sind, sondern durch die Einflußnahme des Leistungsfinanzierers auf den Leistungserbringer und den Versicherten kompatibel gemacht werden können.

Der Managed-Care-Ansatz spiegelt sich in einer Vielzahl von Organisationsformen und Instrumenten wider. Dazu zählen beispielsweise integrierte Versorgungsformen oder sogenannte Preferred-Provider-Organisationen. In den verschiedenen Ausprägungen können dabei die drei grundlegenden Aspekte des Managed Care unterschiedlich betont werden. Die verwendeten Instrumente betreffen die Prämien- oder Leistungsgestaltung, das Vergütungssystem und/oder die Qualitäts- und Kostensteuerung [2].

(11)

2.2 Disease Management 2.2.1 Historie und Definition

Der Begriff Disease Management entstand als Managed-Care-Komponente in den 80er Jahren in den USA. Es bezeichnete den Versuch, durch strukturierte Versorgungsprogramme das ganze Spektrum an Behandlungsleistungen über den gesamten Zeitraum einer Massenerkrankung zu koordinieren. Dabei sollten die Gesundheitsausgaben von invasiven Spätmaßnahmen weg und auf bewährte Frühinterventionen verlagert werden. Kernidee war es, den Krankheitspfad zu optimieren, nicht die Erkrankung zu heilen. So sollten scheinbar gegensätzliche Ziele erreicht werden: die Verbesserung der Versorgungsqualität und die Erzielung von Kosteneinsparungen [3].

Disease Management ist laut Disease Management Association of America (DMAA) ein System koordinierter Interventionen und Kommunikationsmaßnahmen für Patienten mit chronischen Krankheiten, bei denen die Mitwirkung des Patienten einen ausschlaggebenden Effekt auf den Gesundheitszustand hat [4].

Disease Management besteht aus:

Unterstützung der Arzt/Patienten Beziehung und des Behandlungsplans;

Evidenz-basierte Leitlinien und Strategien zur Befähigung des Patienten, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes und Komplikationen zu verhindern

kontinuierlicher Evaluation der klinischen und ökonomischen Ergebnisse mit dem Ziel, den Gesamtgesundheitszustand und die Lebensqualität zu verbessern.

Disease-Management-Programme beinhalten mindestens folgende sechs Elemente:

einen Prozeß zur Auswahl einer geeigneten Patientenpopulation

die Verwendung von Evidenz-basierten Behandlungsleitlinien

die Zusammenarbeit zwischen ärztlichen und nicht-ärztlichen Dienstleistern

(12)

die Schulung und Förderung von Patientenselbstmanagement (z.B.

Primärprävention, Verhaltensmodifikation und Compliance-Überwachung)

einen Prozeß zur Erhebungs- und Ergebnisevaluierung der erzielten Behandlungsergebnisse

einen Prozeß zu regelmäßiger Berichterstattung und zu internen Feedback- Schleifen (z.B. Kommunikation mit Patient, Arzt, Krankenversicherung etc.)

Programme mit weniger Komponenten werden als Disease Management Unterstützungsprogramme bezeichnet. Gemäß dieser Definition der DMAA ist

„Herzensgut“ ein vollwertiges DMP. Im Folgenden werden auch die Begriffe Gesundheitsprogramm, Betreuungsprogramm, Chronikerprogramm und strukturiertes Versorgungsprogramm gleichwertig für DMP verwendet.

2.2.2 Präventionsaspekt

Eine wichtige Rolle spielt bei DMP die Prävention, die drei Aspekte aufweisen kann:

Primäre Prävention besteht aus der Ausschaltung von Risikofaktoren durch Gesundheitsaufklärung, -erziehung und -beratung sowie Impfungen. Ein Beispiel für Primärprävention innerhalb eines DMP ist die Raucherentwöhnung. Sekundäre Prävention beinhaltet Vorsorgeuntersuchungen zur frühestmöglichen Diagnose und Therapie von Erkrankungen. Ein Beispiel für sekundäre Prävention innerhalb eines DMP ist die Früherkennung von Warnsignalen, die auf eine Verschlechterung der Herzleistung hinweisen. Die Verhinderung des Fortschreitens der Erkrankung und der Ausgleich von Krankheitsfolgen wird als tertiäre Prävention eingeordnet [5]. DMP verfolgen durch die Durchsetzung von Leitlinien-getreuer Behandlung und die Unterstützung des Patienten insbesondere auch diese Zielsetzung.

(13)

2.2.3 Situation in Deutschland

Fast 20 % der Bundesbürger sind heute chronisch krank. Die häufigsten Erkrankungen sind Diabetes mellitus, koronare Herzkrankheit, Asthma bronchiale oder chronisch obstruktive Lungenerkrankungen. Chronische Krankheiten erfordern eine gut abgestimmte kontinuierliche Behandlung und Betreuung. Doch gerade im Bereich chronischer Erkrankungen gibt es erhebliche Qualitätsmängel in der medizinischen Versorgung. Auf diese optimierungsbedürftige Situation hat der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hingewiesen [6]. Um diesem Mangel entgegenzuwirken, wurden seit 2002 in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) spezielle, strukturierte Chronikerprogramme oder DMP entwickelt. Die Programme werden im Risikostrukturausgleich der Krankenkassen finanziell gefördert [7].

Ziel eines DMP ist laut Bundesversicherungsamt (BVA), zum einen die durch die Krankheit bedingten Beeinträchtigungen und Folgeerkrankungen zu reduzieren, zum anderen die Behandlung der Erkrankung an sich zu verbessern. Um diese Ziele zu erreichen, bedient man sich eines Organisationsansatzes, bei dem die Behandlungs- und Betreuungsprozesse von Patienten über den gesamten Verlauf einer chronischen Krankheit und über die Grenzen der einzelnen Leistungserbringer hinweg koordiniert werden. Auf der Grundlage medizinischer Evidenz sollen die Programme optimiert werden [8].

DMP nach §137f Sozialgesetzbuch (SGB) V sind dabei eine von vielen neuen Vertragsformen, welche die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ergänzen. Dazu zählen auch die integrierte Versorgung (§§140a ff. SGB V), Strukturverträge (§73a SGB V), hausarztzentrierte Versorgung (§73b SGB V) und besondere ambulante Versorgung (§73c SGB V). Neue Tarifformen sind Wahltarife (§53 SGB V) und ein Bonus-System für gesundheitsbewußtes Verhalten (§65a SGB V) [9].

(14)

2.2.4 Gekoppelte und freie Programme

Man kann zwischen Risikostrukturausgleich-gebundenen DMP (RSA-DMP) und freien DMP unterscheiden: Die DMP nach Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) wurden mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10. Dezember 2001 eingeführt. Dabei wirkt sich die Anzahl der am DMP teilnehmenden Patienten auf die Berechnung des RSAV der gesetzlichen Kassen aus. Für eingeschriebene Versicherte werden Profile gebildet, auf deren Basis ein gesonderter Ausgleich unter Berücksichtigung von durchschnittlichen Leistungsausgaben dieser Versichertengruppe stattfindet. Die Interventionen, für die DMP nach RSAV durchgeführt werden können, werden vom Gesetzgeber festgelegt. Im Einzelnen sind dies: Brustkrebs, Diabetes mellitus Typ I, Diabetes mellitus Typ II, koronare Herzkrankheit (KHK), chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen (COPD) und Asthma bronchiale.

RSA-DMP konzentrieren sich hauptsächlich auf den betreuenden Arzt und stellen eine qualitativ hochwertige Dokumentation und regelmäßige Arztbesuche sicher. Dabei greifen RSA-DMP auf standardisierte, allgemeine Prozesse zurück. Nach den in 2.2.1 aufgeführten DMAA Kriterien sind sie keine vollwertigen DMP, sondern werden als Disease-Management-Unterstützungsprogramme klassifiziert. Sie enthalten nicht alle für die Klassifikation als DMP notwendigen Komponenten.

Die Vorraussetzungen für Behandlungsprogramme für chronisch Kranke durch die gesetzlichen Kassen sind im SGB V in § 137f festgelegt (§ 137f SGB V ). Weitere Voraussetzungen, Rahmenbedingungen, Faktoren zur Entwicklung, Implementierung und Evaluation dieser DMP sind im Gutachten im Auftrag des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK) und des AEV - Arbeiter-Ersatzkassen- Verbandes e.V. beschrieben [10] .

Auf der anderen Seite stehen freie DMP, die nicht an den RSA-gekoppelt sind und ohne BVA-Aufsicht entwickelt werden. Sie werden vor allem von privaten Krankenkassen durchgeführt.

(15)

Freie DMP haben im Gegensatz zu den RSA-DMP oft einen größeren Leistungsumfang.

Denn bei einem freien DMP obliegt die strukturelle und inhaltliche Gestaltung des Programms den Vertragspartnern, d.h. in der Regel der Krankenversicherung auf der einen und einem medizinischen Dienstleister auf der anderen Seite. Zum Beispiel können regelmäßige Beratungsgespräche zur Schulung oder Datenerhebung vereinbart werden. Auch Infobroschüren und statistische Auswertungen des Gesundheitszustandes und Programmerfolgs können Bestandteil der freien DMP sein.

Außerdem ist eine Unterstützung des Programms durch telemetrische Geräte, wie zum Beispiel Blutdruckmessgeräte oder Gewichtswaagen möglich. Die Betreuungsintensität kann dabei vom Gesundheitszustand abhängig gemacht werden.

Freie DMP können zum Beispiel auch den Patienten intensiver mit einbeziehen, stärken seine Handlungsmöglichkeiten und erwirken positive Verhaltensmodifikationen [11]. Die Indikationen für freie DMP sind im Prinzip frei wählbar, decken aber in der Regel auch die Indikationen der RSA-DMP ab. Bei dem in dieser Studie analysierten Gesundheitsprogramm „Herzensgut“ handelt es sich um ein freies DMP.

2.2.5 Erfolg der Programme

Der Erfolg von DMP zeigt ein zweigeteiltes Bild: Einerseits sieht der Gesundheitsmarkt zumindest in den USA den Mehrwert von DMP offensichtlich als ausreichend erwiesen an. Indiz dafür ist, dass das Marktsegment der DMP in den letzten Jahren durchschnittlich mit 20-30 % p.a. wächst [12]. Nach einer anderen Studie wuchs der Anteil von Versicherungen, die DMP anbieten, von 41 % in 2002 auf 58 % in 2003 [13].

Hintergrund dieser Akzeptanz könnte sein, dass Marktteilnehmer auch auf anderen Gebieten Strategien und Methoden anwenden, selbst wenn deren Validitätsnachweis nicht durch Evidenz-basierte Standardmethodologie erbracht worden ist. Andererseits herrscht auch in den USA immer noch Skepsis auf Seiten von Experten und politischen Entscheidungsträgern. Gewisse Zweifel bezüglich der Effektivität von DMP gibt es auch

(16)

in Deutschland [10]. Ein robuster und unwiderlegbarer Effektivitätsbeweis in ausreichender wissenschaftlicher Güte ist bisher noch nicht erbracht worden [12].

2.3 Anwendungsgebiet Herzinsuffizienz

2.3.1 Chronische Erkrankungen

Die Bedeutung chronischer Erkrankungen wie Herzinsuffizienz und Diabetes mellitus wächst. Ihr Anteil in Deutschland lag im Jahr 2000 bei 46 % aller Erkrankungen und wird bis 2020 auf 60 % ansteigen. Bei den über 65-Jährigen lag der Anteil chronisch Kranker schon im Jahr 2000 bei 70 % [14].

Chronische Erkrankungen verkürzen die Lebenserwartung. Mit 70 % haben sie in den USA den größten Anteil an allen Todesursachen (1,7 Millionen Fälle pro Jahr) [15].

Durch ihre weite Verbreitung stellen bestimmte chronische Erkrankungen einen bedeutenden Kostenfaktor da. 90 Millionen chronisch Kranke in den USA verursachen dort 75 % der gesamten Gesundheitsausgaben. 70 Millionen Amerikaner leiden an einer chronischen Herzerkrankung, deren Behandlungskosten sich 2006 auf 403 Mrd. USD beliefen [15]. In Deutschland geht man von 10 Millionen chronisch Kranken aus, die etwa 2/3 der gesamten Krankenhausausgaben verursachen [2].

2.3.2 Epidemiologie

Die Schätzungen zur Häufigkeit der Herzinsuffizienz weichen mangels einer einheitlichen Definition der Herzinsuffizienz stark voneinander ab. So gibt es sechs verschiedene Symptom-basierte Scoring-Systeme, um eine Herzinsuffizienz zu diagnostizieren [16].

Schätzungen der Neuerkrankungen liegen zwischen 1-2 % in der westlichen Welt. Die Inzidenz wird bei 5-10 pro 1000 Personenjahre angegeben [17]. Eine Aktualisierung aus

(17)

dem Jahr 2007 der American Heart Association (AHA) schätzt die Zahl der Menschen mit Herzinsuffizienz in den USA auf 5,2 Millionen [18].

Die European Society of Cardiology geht davon aus, dass von einer Population von 900 Millionen Menschen wenigstens 10 Millionen aktuell unter einer Herzinsuffizienz leiden [19]. Epidemiologische Studien kommen sogar zu dem Ergebnis, dass einer von sechs Menschen eine Herzinsuffizienz entwickeln wird [19, 20]. Durch eine abweichende Entlassungsdiagnose der Krankenhäuser wird dabei die Anzahl von Herzinsuffizienzereignissen möglicherweise noch in erheblichem Maße unterschätzt [21]. Trotz unterschiedlicher Ergebnisse der Schätzungen ist die Herzinsuffizienz eine der häufigsten internistischen Erkrankungen in der westlichen Welt [22], [23], [24] [25].

Daten zur Inzidenz kommen auch aus den Populations-basierten Herzinsuffizienz- Studien aus Hillington und Rotterdam. In beiden Studien steigt die Inzidenz mit dem Alter an [26], [27]. Die Trendeinschätzungen variieren: Die Herzinsuffizienzprävalenz ist ansteigend [28]. Dies resultiert sowohl aus einer höheren Inzidenz als auch aus längerem Überleben [29]. Es werden aber auch sinkende oder konstante Inzidenzen bei gesteigertem Überleben angegeben [30], [31] [32].

Die chronische Herzinsuffizienz ist eine Erkrankung des älteren Menschen, denn mit höherem Alter steigt die Prävalenz und Inzidenz deutlich an: während zwischen 45 und 55 Jahren nur etwa 1 % der Bevölkerung an einer Herzinsuffizienz leiden, liegt der Wert bei den 65 bis 75-jähringen bereits bei ca. 5 %, und steigt bei über 80-Jährigen auf ca.

10-15 % an [33], [34] [35], [36] [27] [37].

Auch eine geschlechtsspezifische Häufung wird beschrieben: Männer sind häufiger betroffen. Pro 1000 Männern treten pro Jahr 15,2 neue Fälle in der Altersgruppe zwischen 65 und 74 Jahren auf, 31,7 in der Altersgruppe zwischen 75 und 84 Jahren und 65,2 ab dem 85. Lebensjahr. Bei den Frauen sind diese Raten mit 8,2, 19,8 und 45,6 respektive niedriger [38]. Diesen Trend zeigte auch eine niederländische Studie zur Herzinsuffizienz. In Rotterdam war die Inzidenz dabei unter Männern ebenfalls größer als bei Frauen (15 und 12 pro 1000 Personenjahre).

(18)

2.3.3 Klinisches Bild

Es bestehen zwei Verlaufsformen der Herzinsuffizienz. Während sich die akute Herzinsuffizienz über Stunden bis Tage ausbildet, entwickelt sich die chronische Herzinsuffizienz über Monate bis Jahre. Soweit nicht näher bezeichnet wird im Folgenden mit „Herzinsuffizienz“ immer die chronische Form bezeichnet.

Die chronische Herzinsuffizienz ist ein progressives klinisches Syndrom, das durch verschiedene kardiale Erkrankungen ausgelöst wird. In knapp 50 % der Fälle ist eine arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) die primäre Ursache. Ein weiterer wichtiger Risikofaktor ist die koronare Herzkrankheit. Die Hauptsymptome einer Herzinsuffizienz sind Luftnot und eine dadurch resultierende Leistungsschwäche. Die zugrundeliegende Pathophysiologie ist eine reduzierte Pumpkraft des Herzens, die zu einer verminderten Blut- und damit Sauerstoffversorgung des Organismus führt. Kardiale und hormonelle Kompensationsmechanismen können zu Beginn der Herzinsuffizienz entgegenwirken, führen aber dann zu ihrer fortschreitenden Verschlechterung [38, 39].

Die klinische Stadieneinteilung der Herzinsuffizienz erfolgt nach subjektiven Beschwerden gemäß der New York Heart Association (NYHA), wie in Tabelle 1 dargestellt [40].

NYHA-

Stadium Subjektive Beschwerden bei Herzinsuffizienz I Beschwerdefreiheit, normale körperliche Belastbarkeit II Beschwerden bei stärkerer körperlicher Belastung III Beschwerden schon bei leichter körperlicher Belastung IV Beschwerden in Ruhe

Tabelle 1 – Stadieneinteilung der Herzinsuffizienz nach New York Heart Association

2.3.4 Therapie der Herzinsuffizienz

Es kann zwischen kausalen und symptomatischen Therapieansätzen unterschieden werden. Bei der kausalen Therapie stehen die Therapie von arterieller bzw. pulmonaler

(19)

Hypertonie, Revaskularisation bei koronarer Herzkrankheit, Reduktion der Risikofaktoren und Therapie von Entzündungen und Herzrhythmusstörungen im Vordergrund. Eine symptomatische, kompensatorische Therapie stützt sich insbesondere auf Allgemeinmaßnahmen wie zum Beispiel kaliumreiche, kochsalzarme Diät, regelmäßige körperliche Bewegung und Begrenzung der Flüssigkeitszufuhr [39].

Die medikamentöse Standardtherapie besteht zur Zeit aus den vier Wirkstoffgruppen ACE- Hemmer (alternativ AT1-Antagonisten), Diuretika, beta-Blocker und gegebenenfalls Digitalis-Präparate [41].

2.3.5 Prognose

Während klinische Studien eine Verbesserung der Prognose bei Herzinsuffizienz nachweisen, legen epidemiologische Studien nahe, dass es in den letzen 40 Jahren keine Verbesserung gegeben hat [42]. Wichtiger Grund dafür ist möglicherweise die mangelhafte Umsetzung von klinisch-effektiven Therapien [43]. Die Prognose ist dabei überraschenderweise nicht von der Leistung des Herzen, gemessen als Auswurfleistung des linken Ventrikels (Ejektionsfraktion), abhängig [44].

Die schlechte Prognose wurde durch die Veröffentlichung von Stewart et al. provokant ausgedrückt: „Maligner als Krebs?“. Im Ergebnis ist die Lebenserwartung bei Herzinsuffizienz genauso schlecht wie die Lebenserwartung bei vielen häufigen Krebsarten [45].

Die Mortalität ist in den ersten Wochen nach der Erstdiagnose „Herzinsuffizienz“

besonders hoch und fällt danach ab. Während bereits 10-20 % der Patienten in den ersten 30 Tagen sterben, liegt das 1-Jahres-Überleben dann bei 70 % [17]. Allerdings überleben nur 35 % der Patienten die folgenden fünf Jahre nach Erstdiagnose [27]. Der größte Anteil – Schätzungen reichen von 50 bis 90 % – der Herzinsuffizienz-Patienten sterben an kardio-vaskulären Ursachen [17]. Im ATLAS Projekt starben von 1381 Patienten 589 (43 %) am plötzlichen Herztod, 443 (32 %) an fortschreitender Herzinsuffzienz, und 349 (25 %) an einer anderen Ursache [46].

(20)

2.3.6 Kosten

Die chronische Herzinsuffizienz belastet das Gesundheitssystem erheblich [47], [48], [49]. Die Krankenhausbehandlungen stellen erwartungsgemäß den größte Teil der durch chronische Herzinsuffizienz entstehenden Kosten dar [49], [50], [47]. Etwa zwei Drittel der Herzinsuffizienzkosten sind auf Krankenhausaufenthalte zurückzuführen. Ein Drittel sind ambulante Kosten [51]. Damit entspräche die Kostenverteilung zwischen ambulant und stationär in etwa der Verteilungen aller Krankheiten wie folgende OECD- Zahlen für Deutschland zeigen:

Die Ausgaben für kurative und rehabilitative Zwecke beliefen sich im Jahr 2005 auf 123 Mrd. Euro oder 54 % der Gesamtausgaben im Gesundheitswesen. Davon wurden 52,8

% (OECD-Durchschnitt 48 %) für die stationäre Behandlung, 28,5 % (OECD- Durchschnitt 38 %) für die ambulante Behandlung aufgewendet. Zusätzlich fallen noch Kosten für Zahnarztbehandlung, Tagesbehandlungen und Hausbehandlungen an [52].

In Deutschland geht man davon aus, dass aktuell ca. 1 - 3 % des gesamten Gesundheitsbudgets für die Herzinsuffizienz ausgegeben wird. Laut amtlicher Statistik des Bundesministeriums für Gesundheit betrugen die Krankheitskosten der Herzinsuffizienz im Jahr 2006 in Deutschland 2,9 Mrd. Euro. Davon entfielen 1,2 Mrd.

Euro auf Männer und 1,7 Mrd. Euro auf Frauen, die dank ihrer höheren Lebenserwartung die Mehrheit bei den älteren Patienten bilden [53].

Eine Analyse der Daten der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) ergab, dass sich 52 % der Ausgaben für herzinsuffiziente Versicherte auf stationäre Wiederaufnahmen bezogen. Jeder zweite Patient mit chronischer Herzinsuffizienz wurde innerhalb eines Jahres erneut im Krankenhaus behandelt [1]. Die jährlichen Kosten lagen bei durchschnittlich 10.600 € [54].

In den USA steigen die Kosten der Herzinsuffizienz stetig an. Sie lagen 2006 bei 29,6 Mrd. USD 2007 bei 33,2 Mrd. USD, 2008 bei geschätzten 34,8 Mrd. USD [55], [18], [38].

(21)

Wexler et al. beziffern die Herzinsuffizienz-bedingten Krankenhausfallkosten innerhalb von sechs Monaten nach Erstdiagnose auf 2.388 USD, die Krankenhauskosten über alle Interventionen auf 7.101 USD. Ein durchschnittlicher Krankenhausaufenthalt aufgrund von Herzinsuffizienz kostete 7.174 USD, ein durchschnittlicher Aufenthalt ohne weitere Spezifizierung 8.589 USD [56]. In einer prospektiven, Populations-basierten Studie über einen fünf Jahreszeitraum von Liao et al. zeigte sich kein Unterschied in den Kosten von Patienten mit erhaltener zu denjenigen mit reduzierter Ejektionsfraktion [57].

Aufgrund der Altersabhängigkeit der Herzinsuffizienz ist bei der zu erwartenden demografischen Entwicklung mit einer weiteren Steigerung der Kosten für die Behandlung der Herzinsuffizienz zu rechnen [31], [18], [58].

2.3.7 Krankenhausaufenthalte

Altersbereinigte Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz stiegen in den 1980ern und frühen 1990ern erheblich an, so dass eine Herzinsuffizienzepidemie erwartet wurde [59] [60]. Studien aus Schottland, den Niederlanden und Schweden sehen Hinweise, dass die Krankenhauseinweisungen möglicherweise ihren Höhepunkt in den 1990ern erreicht haben, sich jedoch weiterhin auf hohem Niveau befinden [61]

[48] [62], [63].

Der Anstieg ist maßgeblich auf die hohe Anzahl von wiederholten Krankenhausaufenthalten zurückzuführen. Nach Krankenhausaufnahme mit Herzinsuffizienz besteht ein 25-prozentiges Risiko, dass der Patient innerhalb der folgenden 12 Wochen entweder rehospitalisiert wird oder stirbt [64]. In einer in Olmsted County, Minnesota, durchgeführten populationsbasierten Kohorten-Studie wurden alle neu aufgetretenen Fälle von Herzinsuffizienz nach „Framingham Kriterien“ mehr als 5 Jahre lang untersucht. Über einen Zeitraum von fünf Jahren waren lediglich 10 % der Patienten nie im Krankenhaus, 41 % mindestens einmal und fast 50 % mehrfach im Krankenhaus behandelt worden. Nach fünf Jahren lebten jedoch nur noch 35 % der Patienten [65]. In einer anderen US-Studie wurde etwa ein Drittel der Patienten

(22)

innerhalb von sechs Monaten erneut im Krankenhaus aufgenommen [47]. Nach einer Auswertung der KKH wurde fast jeder zweite Patient innerhalb eines Jahres erneut aufgenommen [1].

Das Risiko einer erneuten Krankenhauseinweisung steigt durch potentiell vermeidbare Faktoren, wie zum Beispiel Nicht-Compliance bei der Medikamenteneinnahme, Diätfehler, unzureichende soziale Unterstützung oder zu späte Inanspruchnahme medizinischer Hilfe [66].

2.3.8 Disease-Management-Ansatz

Aufgrund von inadequater Organisation der Krankenversorgung ist für Herzinsuffizienzpatienten oft die effektive medikamentöse Behandlung nicht durchgehend sichergestellt. Zum Beispiel werden Patienten in zu geringer Dosis therapiert [64], [67]. Aufgrund der potentiellen Unterversorgung, der hohen Prävalenz und der erheblichen Kosten im stationären Bereich sind seit Mitte der 90er Jahre weltweit Studien und Programme entwickelt worden, die mit Methoden des Disease Management eine optimierte Behandlung der Herzinsuffizienz durchsetzen wollen.

Vorreiter war dabei die Studie von Rich et al. [68]. Die Mehrzahl der Programme zeigen vielversprechende Ergebnisse [69] [70], [71], [72]. Auch der Einsatz von Programmen mit telemedizinischer Unterstützung für herzinsuffiziente Patienten ist in den letzten Jahren mehrfach untersucht worden [73], [74] [75] [76] [77] [78].

Inzwischen gibt es randomisierte Studien auf diesem Gebiet. In einer Meta-Analyse von 14 randomisierten Studien von Telefoninterventionen bei Herzinsuffizienz durch Clark et al. zeigte sich eine 21-prozentige Reduktion der Herzinsuffizienz-bedingten Krankenhausaufenthalte, aber keine signifikante Reduktion unspezifizierter Krankenhausaufenthalte. Die Mortalität sank um 20 % [79]. Problematisch sind bei vielen von Clark et al. untersuchten Studien allerdings die oft relativ kleinen Studiengruppen und die kurze Studiendauer. Die externe und interne Validität der

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Studien kann dadurch beeinflusst werden. So hatte nur eine einzige Studie mehr als 500 Teilnehmer, nur zwei Studien dauerten länger als 12 Monate [80], [73].

Insbesondere der Effekt von DMP auf Mortalität ist noch nicht ausreichend belegt. Nur eine einzige der von Clark et al. untersuchten Studien zu strukturierter Telefonintervention zeigte eine Reduktion in Mortalität [73]. Im Gegensatz zu diesem Ergebnis konnte in der bisher größten Studie zu Herzinsuffizienz Disease Management keine signifikante Senkung der Mortalität festgestellt werden [80].

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3 DATENMATERIAL UND METHODIK

3.1 Gesundheitsprogramm „Herzensgut“

3.1.1 Auftraggeber und Dienstleister

Das Gesundheitsprogramm „Herzensgut“ wurde von der Arztpartner almeda AG (APa) in Zusammenarbeit und im Auftrag durch die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) entwickelt. APa gehört mit mehr als 10-jähriger Erfahrung bei der Durchführung von telemedizinischen Dienstleistungen und jährlich über 500.000 Patientenkontakten zu den führenden Betreibern von DMP auf dem deutschen Gesundheitsmarkt. APa zählt sowohl private, gesetzliche und Ersatzkassen zu ihren Kunden [81]. Die Gesundheitsprogramme von APa wurden wiederholt beschrieben [82], [83], [11].

Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) wurde 1890 gegründet und betreut etwa zwei Millionen Versicherte. Mit 4.500 angestellten Mitarbeitern und mehr als 3.800 ehrenamtlich Tätigen ist sie durch 113 KKH-Servicezentren in allen 16 Bundesländern präsent. Der Umsatz betrug vier Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2007 und machte die Kaufmännische zur viertgrößten Krankenkasse in Deutschland [84].

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3.1.2 Zielsetzung

Ziel des Programms „Herzensgut“ ist es, von einer episodenhaften, auf kurzfristige Erfolge ausgerichteten Behandlung zu einer integrierten, langfristig orientierten, evidenzbasierten Versorgung zu gelangen [85]. Es sollte die einseitige Ausrichtung auf die Akutversorgung bei gleichzeitiger Vernachlässigung von Prävention und Rehabilitation ausgleichen. Neben der Integration der Leistungserbringer sah

„Herzensgut“ zu diesem Zweck auch eine verstärkte Einbeziehung des Patienten in den Versorgungsprozess vor. Es war eine schwierige und kostenintensive Herausforderung, Patienten zur Befolgung ihres Behandlungsplans zu motivieren [86]. Durch gezielte Information und eine stärkere Beteiligung des Patienten sollte eine Verbesserung der klinischen Ergebnisse erreicht werden. Grundlage für die Patienteneinbindung bildete ein Krankheitsmodell, das der Verhaltensmodifikation und Prävention eine zentrale Stellung einräumte (siehe Abbildung 1). Disease-Management-Dienstleistungen waren demnach über den gesamten Verlauf der Erkrankung sinnvoll. Allerdings waren die Möglichkeiten für Kosteneinsparungen nach diesem Modell zu Beginn der Krankheit besser als später. Die notwendige Betreuungsintensität nahm dagegen im Verlauf der Erkrankung zu.

Abbildung 1 – Krankheitsmodell

Nach ArztParner almeda AG [85]

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„Herzensgut“ stellte mit seiner Zielsetzung keine Konkurrenz zum klassischen episodenorientierten Arzt-Patienten-Kontakt dar. Es ergänzte die Arzt-Patienten- Beziehung vielmehr durch einen systemorientierten Ansatz. Die strukturierte Dienstleistung des Gesundheitsprogramms zeichnete sich in Anlehnung an die DMAA Kriterien (siehe Abschnitt 2.2.1) durch folgende Schlüsselkomponenten aus:

1. Strukturierung und Standardisierung 2. Algorithmisierung

3. Vernetzung / Integration / Vermittlung von Leistungserbringern 4. Verwendung Evidenz-basierter Leitlinien

5. Nachhaltigkeit der Betreuung / Ausrichtung auch auf langfristige Ziele 6. Datengetriebene Steuerung von Patientenkollektiven

Dabei ging der ganzheitliche und systematische Ansatz des Gesundheitsprogramms

„Herzensgut“ über den Anspruch eines an den Risikostrukturausgleich-gebundenen DMP hinaus (siehe Abschnitt „2.2.4 Gekoppelte und freie Programme“). Als freies DMP beinhaltete „Herzensgut“ eine deutlich intensivere Betreuung. Die telemedizinische Komponente war ein wichtiger Zusatznutzen.

Durch die Integration der Leistungserbringer und die Einbeziehung des Patienten sollte das Programm „Herzensgut“ die Lebensqualität steigern, die akute stationäre Wiederaufnahme wegen einer Verschlechterung der Herzleistung verhindern, Krankenhausaufenthalte verkürzen und Mortalität und Leistungsausgaben senken.

3.2 Programminhalte

Für die Evaluierung ist es zunächst notwendig auf Einzelheiten der Programminhalte einzugehen. Das Programm hatte folgende Struktur bzw. Komponenten.

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3.2.1 Patientengewinnung

Die KKH identifizierte geeignete Patienten (siehe 3.3 Studiendesign) und nahm in einem ersten Schreiben mit ihnen Kontakt auf. Die Daten dieser Patienten wurden an APa übermittelt. APa setzte sich dann telefonisch mit den Versicherten in Verbindung. Es wurden maximal fünf Anrufversuche durchgeführt. Ziel des Anrufes war es, die Information über das Programm zu vermitteln, den Patienten für das Programm zu gewinnen, die KKH als innovative, Versicherten-freundliche Versicherung darzustellen und das Gespräch positiv abzuschließen. Der Prozess ist in Abbildung A im Anhang dargestellt (siehe „10.1 Gesprächsprotokolle und Patientengewinnung“).

3.2.2 Programmablauf

Im Mittelpunkt des Programms „Herzensgut“ stand die regelmäßige Erfassung und Analyse von wichtigen Messdaten wie Gewicht und Blutdruck sowie die regelmäßige telefonische Betreuung durch geschultes medizinisches Fachpersonal. Die Betreuer kamen überwiegend aus dem Pflegebereich und waren speziell für Kommunikation und Coaching geschult. Im Hintergrund standen bei Spezialproblemen Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen bereit.

Nach einem telefonischen Begrüßungsgespräch von 30-90 Minuten Dauer erhielten die Teilnehmer ein sogenanntes Startpaket mit ausführlichen Programmunterlagen, einer Körpergewichtswaage und bei Bedarf auch einem Blutdruckmessgerät per Post zugeschickt. In den ersten drei Monaten fanden geplante Betreuungsgespräche und die Zusendung von Schulungsmaterial alle 14 Tage statt, danach geschah dies monatlich.

Zusätzlich wurden Interventionsanrufe bei auffälligen Messwerten durchgeführt. Ein Beispiel für ein derartiges Software-gestütztes, strukturiertes Gespräch ist im Anhang aufgeführt (siehe „10.1 Gesprächsprotokolle und Patientengewinnung“). Für medizinische Fragen oder bei Problemen mit der Telemetrie stand qualifiziertes Personal für Rücksprachen zur Verfügung.

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In den ersten Gesprächen wurde zunächst auf das oft sehr umfangreiche Informationsbedürfnis eingegangen. Im weiteren Verlauf der Betreuung traten die strukturierten Gesprächsanteile und damit die Management-Aspekte des Programms wie Förderung der Therapietreue (Compliance), das Nachhalten von Untersuchungen und Zielvereinbarungen in den Vordergrund. Die feste Zuordnung von Patienten- Betreuer führte zu einer stabilen empathischen Beziehung.

Eine speziell entwickelten Software lieferte das Gerüst der Gesprächsführung in Form von interaktiven Fragebäumen. Daher waren die Betreuungsgespräche einerseits hochgradig standardisiert, andererseits ließen sie aber gleichzeitig Raum, individualisiert und problemorientiert auf den Patienten einzugehen.

3.2.3 Schulungsmaterial

Die telefonische Betreuung wurde durch schriftliche Schulungsunterlagen ergänzt. Dazu standen mehr als 20 verschiedene Schulungseinheiten zur Verfügung. Allgemeine Themen für alle Teilnehmer waren z.B. "Grundlagen der Herzinsuffizienz" oder

"Medikamente bei Herzinsuffizienz". Daneben gab es Spezialthemen, die situativ, problemorientiert oder im Zusammenhang mit Zielvereinbarungen versendet wurden:

zum Beispiel "Herzinsuffizienz und Reisen", "Fettstoffwechselstörung" oder

"Herzinsuffizienz und Bewegung". Die Schulungseinheiten waren modular aufgebaut und boten handlungsrelevante Lösungen, welche die Teilnehmer unmittelbar in die Praxis umsetzen konnten. In den folgenden telefonischen Kontakten wurden diese Inhalte dann jeweils nachbesprochen. Die Schriftart, Schriftgröße und Darstellung waren an die Zielgruppe älterer Menschen angepasst.

Inhaltlich orientierten sich das Schulungsmaterial und die Betreuungsgespräche an Evidenz-basierten Leitlinien. In vorhergehenden Studien wurde nachgewiesen, dass eine Leitlinien-gerechte Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz das Hospitalisierungsrisiko um 40 % reduziert [87]. Folgende Leitlinien wurden in der Entwicklung, Strukturierung und Durchführung des Programms verwendet:

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1. Therapieempfehlungen der Arzneikommision der deutschen Ärzteschaft [88]

2. Leitlinie der Therapie der chronischen Herzinsuffizienz [89]

3. Scottish Intercollegiate Guidelines network [90]

3.2.4 Telemetrie

Das telemetrische Monitoring des Körpergewichts bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz war eine wichtige Programmkomponente. Es ermöglichte die frühzeitige Erkennung von Problemsituationen und initiierte gegebenenfalls eine Intervention bei Verschlechterung der Herz-Kreislauf-Situation. Die Teilnehmer an

„Herzensgut“ erhielten dazu eine telemetrische Körperwaage, die über ein Modem via Festnetztelefon oder SMS und Mobiltelefon täglich einen Gewichtswert des Teilnehmers in die medizinische Datenbank des Servicecenters übertrug. Die eingehenden Werte wurden von der Software durch Auswertungsalgorithmen auf kritische Gewichtsveränderungen überprüft. Eine mögliche Ursache dieser Veränderungen waren zunehmende Wassereinlagerungen, welche ein möglicher Hinweis auf eine sich anbahnende Dekompensation sein konnten. Dazu wurde ein gleitender Durchschnitt aus den letzten 10 Gewichtswerten des Patienten berechnet. Bei einer Gewichtszunahme von mehr als 1,5 kg im Vergleich zum Durchschnitt wurde ein Alarm generiert („zentraler Alarm“). Der Betreuer trat dann in Kontakt mit dem Patienten, fragte eine Liste von Symptomen ab und versuchte die Ursache näher einzugrenzen.

Gegebenenfalls gab er dem Patienten situationsgerechte Hinweise, zum Beispiel zu Reduzierung der Flüssigkeitszufuhr, konsequenter Medikamenteneinnahme oder einem Hausarztbesuch. Krankenhauseinweisungen wurden ausschließlich durch den Hausarzt veranlasst. Neben dem „zentralen Alarm“ gab es auch einen Alarm, wenn die Werte nicht regelmäßig eingingen oder wenn es zu einer langsamen, stetigen Gewichtszunahme kam. Diese Alarme waren „Alarme zweiter Klasse“.

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Die telemetrische Gewichtsüberwachung wurde allen Teilnehmern angeboten und erläutert. Die Nutzung war freiwillig und nicht Voraussetzung für die Teilnahme am Programm. Von den 251 Systemen im Einsatz wurden 157 der Körpergewichtswaagen und 72 der Blutdruckmessgeräte telemetrisch genutzt. Wurden die Messinstrumente nicht telemetrisch genutzt, so übermittelte der Programmteilnehmer seine Messwerte per Telefon

3.2.5 Bedürfnisse älterer Patienten

Da die Herzinsuffizienz vor allem eine Alterserkrankung ist, wurde das Programm

„Herzensgut“ speziell auf die Lebensumstände von älteren Patienten abgestimmt. Der Ansatz ging dabei von folgenden Annahmen aus: Ältere Menschen leben häufig allein, haben wenig sozialen Kontakt, neigen zu Depressionen, leiden unter Bewegungsmangel und sind schlecht über gesunde Ernährung informiert. Diese Mängel sollten durch den regelmäßigen sozialen Kontakt der Telefonbetreuung und durch leicht lesbare und verständliche Informationen abgemildert werden. Die Patienten sollten außerdem selbständig Warnsignale einer Verschlechterung der Herzleistung erkennen.

Als Warnsymptome galten Atemnot und Kurzatmigkeit, Angina pectoris, Schwindel, Wassereinlagerungen in den Beinen und häufiges nächtliches Wasserlassen [54].

3.2.6 Riksikofaktoren einer stationären Aufnahme

Ein wichtiges Ziel des Programms „Herzensgut“ war es, eine erneute stationäre Aufnahme aufgrund einer Verschlechterung der Herzleistung (Dekompensation) zu verhindern. Risikofaktoren für eine Dekompensationen sind in Abbildung 2 aufgeführt (Mehrfachnennung waren möglich). Davon wurden Folgende als vermeidbar eingestuft:

mangelnde Compliance (47 %), Bluthochdruck (27 %), zu wenig Diuretika trotz Symptomatik (23 %) [54].

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Abbildung 2 – Risikofaktoren für Dekompensation

Nach KKH [54]

3.2.7 Verhaltensmodifikation

Die bisher größte randomisiert-kontrollierte Studie für ein Herzinsuffizienz DMP, die DIAL-Studie, konnte zeigen, dass Patienten, die über die medizinische Behandlung besser Bescheid wussten und Richtlinien bezüglich Diät, täglichem Wiegen und medikamentöser Therapie beachteten, den größten Nutzen aus der Intervention des Gesundheitsprogramms zogen [91]. Das Programm „Herzensgut“ zielte deshalb auf Verhaltensmodifikation in diesem Sinn ab. Positive Verhaltensmodifikationen können dabei zum Beispiel nicht nur zu einer Reduktion der notwendigen Medikamentendosis führen, sondern diese sogar gänzlich überflüssig machen [11]. Durch die Telefonanrufe des persönlichen Patientenbetreuers sollten die Teilnehmer zu positiven Verhaltensänderungen hingeführt werden und so ihren Gesundheitszustand verbessern [92]. Auch die Lebensqualität sollte gesteigert werden. Das individuelle Motivationsniveau wurde dabei durch das sogenannte transtheoretische Modell (TTM) ermittelt. Das TTM erklärt zielgerichtetes Verhalten in zeitlicher Dimension über kognitive und Leistungs-bezogene Komponenten. Das TTM geht davon aus, dass Verhaltensänderungen hin zu gesundem Verhalten oder weg von schädlichem Verhalten einem Stufenprozess folgen.

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Abbildung 3 – Verhaltensmodifikation nach TTM

Nach Prochaska [93]

Die folgenden Stufen werden durchlaufen [94]: Auf der Stufe der „Präkontemplation“ hat die betreffende Person keine Veranlassung, ihr Verhalten in den nächsten sechs Monaten zu ändern. Die Personen werden als resistent oder unmotiviert beschrieben, meiden Informationen, Diskussionen oder auch nur Gedanken, die sich mit dem Gesundheitsziel befassen [93]. Auf der zweiten Stufe „Kontemplation“ erscheinen die Personen gegenüber Veränderungen als ambivalent oder zögerlich [95]. Die Individuen sind sich dabei der Verbesserung durch die Verhaltensänderung bewusst, bleiben allerdings auch hochaufmerksam gegenüber dem Aufwand. Auf dieser Stufe sprechen die Personen offen über ihr Ziel, sich innerhalb der nächsten sechs Monate verändern zu wollen. In der Phase der „Präparation“ befinden sich die Personen in der Vorbereitung der Veränderung und wollen diese innerhalb des nächsten Monats durchführen [96]. Diese dritte Phase ist eher ein Übergang als eine stabile Phase, denn die Personen wollen gerne innerhalb des nächsten Monats zur „Aktionsphase“

überwechseln. In der vierten Stufe, der Aktionsphase, macht die Person dann offensichtliche und für die Umwelt wahrnehmbare Änderungen des Lebensstils, praktiziert diesen neuen Lebensstil aber noch weniger als sechs Monate. Die Phase der

„Aufrechterhaltung“ ist von dem Versuch gekennzeichnet, einen Rückfall zu verhindern

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und die Verbesserungen, die in der „Aktionsphase“ erarbeitet wurden, zu sichern [94].

Die fünf Stufen sind in Abbildung 3 dargestellt.

Die Patientenbetreuung von Herzensgut ermittelte das TTM Ausgangsstadium der Programmteilnehmer mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens und motivierte die Patienten von niedrigeren Niveaus zu höheren Niveaus aufzusteigen. Das individuelle Motivationsniveau wurde dabei in regelmäßigen Abständen neu ermittelt und die telefonischen Motivationsgespräche entsprechend angepasst. So konnten Patienten auch vom niedrigsten Niveau Präkontemplation zur höchsten Stufe Aufrechterhaltung aufsteigen.

3.2.8 Gesundheitsberichte und Prozesssteuerung

Die Teilnehmer und ihre behandelnden Ärzte erhielten Rückmeldungen mittels quartalsweiser, standardisierter Gesundheitsberichte. Dazu gehörte eine Übersicht der Medikation, die telemetrisch übermittelten oder im Gespräch erfragten Verlaufsparameter sowie der Erreichungsgrad vereinbarter persönlicher Ziele zur Verhaltensmodifikation, wie zum Beispiel Gewichtsreduktion oder vermehrte Bewegung.

Die beschriebenen Betreuungselemente mit Erinnerungsfunktionen (Reminding), Gesundheitsberichten (Reporting) und gesteuerten Interventionen basierten auf einer automatisierten Programmsteuerung sowie dem Aufbau einer Datenstruktur (medizinisches data warehouse). Dadurch wurde eine Auswertbarkeit im Sinne eines medizinischen Controllings der Gesundheitsprogramme möglich.

3.3 Studiendesign 3.3.1 Rahmenbedingungen

Das Gesundheitsprogramm „Herzensgut“ war als prospektive, kontrollierte, randomisierte, offene Längsschnittstudie angelegt. Die Auswahl der Teilnehmer fand durch die KKH statt. Die Versicherung wählte sukzessive alle Versicherten im Zeitraum vom 09.02.2004 bis 04.03.2005 aus, die sich anhand der relevanten ICD-10 Entlassungsdiagnose Herzinsuffizienz (siehe Tabelle 2) für die Teilnahme qualifizierten.

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Die Diagnose musste in den letzten sechs Wochen gestellt worden sein. Durch Ansprache in dieser „sensiblen“ Phase nach der Erfahrung der stationären Behandlung erwartete man sich zum einen eine erhöhte Motivation und Teilnahmebereitschaft, zum anderen erhoffte man sich aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit eines weiteren Krankenhausaufenthalts ein erhebliches Potential für präventive Massnahmen [54].

Teilnehmer wurden ab dem 30. Lebensjahr aufgenommen. Die Studie war auf 2 Jahre angelegt.

ICD-Schlüssel Diagnose

I50 Herzinsuffizienz I50.0 Kongestive Herzinsuffizienz I50.1 Linksherzinsuffizienz

I50.9 Herzinsuffizienz, nicht näher bezeichnet

Tabelle 2 – Einschlußdiagnosen

Unter Berücksichtigung der Ein- und Ausschlusskriterien (siehe „3.3.2 Ausschlußdiagnosen“) kamen 999 Patienten für das Programm „Herzensgut“ in Betracht. Geplant war die Aufnahme von 250 Patienten in das Betreuungsprogramm sowie 250 Patienten für eine Kontrollgruppe. Die Versicherten wurden anhand ihres Geburtsdatums – wie in Abbildung 4 gezeigt – den Studiengruppen zugeteilt (1. - 20.

eines Monats = Kandidat für Betreuungsgruppe, 21. - 31. eines Monats = Kontrollgruppe). Durch die zufällige Zuteilung sollte (analog zu randomisierten klinischen Studien) die Vergleichbarkeit der Studienarme hinsichtlich bekannter und unbekannter Störvariablen (Confounder) gewährleistet werden. Allerdings erfolgte dieses Verfahren nur bis zum 27.6.2004 (siehe 3.3.4 Sensivitätsanalyse Randomisierung). Ab dem 28.06.2004 wurden alle in Frage kommenden Patienten unabhängig vom Geburtsdatum angeschrieben. Die Kandidaten für die Betreuungsgruppe wurden schriftlich und telefonisch eingeladen, an der Studie teilzunehmen. Diese Gruppe wird im Folgenden mit „Angeschriebene“ bezeichnet.

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Abbildung 4 – Selektionsmuster

Insgesamt mussten 747 Personen angeschrieben und/oder angerufen bis ungefähr eine Teilnehmerzahl ähnlich der Teilnehmerzahl der Kontrollgruppe erreicht war. Dadurch konnten wie geplant 251 Personen für eine Teilnahme am Programm "Herzensgut"

gewonnen werden (33,6 %). Alle beobachteten Personen erhielten weiterhin die Standardversorgung durch ihren Hausarzt (usual care). Nur die Teilnehmer am Betreuungsprogramm erhielten zusätzlich die Interventionsmaßnahme. Alle potentiellen Teilnehmer wurden ausführlich über die Studie unterrichtet und über die Inhalte des Interventionsprogramms aufgeklärt. Alle letztendlich teilnehmenden Personen (Interventionsarm) mussten vor Einschluss ihre schriftliche Einverständniserklärung abgeben.

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3.3.2 Ausschlussdiagnosen

Ausschlussdiagnosen bildeten Merkmale, die eine Teilnahme am Programm unmöglich machten, z.B. schwere Demenz, Taubheit, Schlaganfall, Tumor. Weiterhin mussten die Probanden in der Lage sein, in deutscher Sprache kommunizieren und lesen zu können.

Tabelle 3 zeigt die vollständige Liste der Ausschlussdiagnosen.

ICD-10 Krankheit

B20-B24 HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]

F00-F09 Organische, einschl. symptomatischer psychischer Störungen – Demenz F00-F99 Psychische und Verhaltensstörungen

F10-F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen F20-F29 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen

F30-F31 Affektive Störungen mit Ausnahme von Depressionen F34 Anhaltende affektive Störungen

F60-F69 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen F70-F79 Intelligenzminderung

F80-F89 Entwicklungsstörungen

F99 Nicht näher bezeichnete psychische Störungen H54 Blindheit

H90 Hörverlust durch Schallleitungs- oder Schallempfindungsstörung H91 Sonstiger Hörverlust

N18 Niereninsuffizienz R47.0 Dysphasie und Aphasie

T40 Vergiftung durch Betäubungsmittel und Psychodysleptika [Halluzinogene]

T42 Vergiftung durch Antiepileptika, Sedativa, Hypnotika und Antiparkinsonmittel T43 Vergiftung durch psychotrope Substanzen, anderenorts nicht klassifiziert T51 Toxische Wirkung von Alkohol

Tabelle 3 – Ausschlussdiagnosen

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3.3.3 Selektionseffekt und Intention-to-treat-Analyse

Um den Programmeffekt ermitteln zu können, müssen alternative Ursachen ausgeschlossen werden. Mögliche Fehlerquellen sind Selektionseffekte, eine Verwässerung des Programmeffekts und systematische Fehler bei der Patientenzuteilung, auf die nachfolgend eingegangen wird. Die Aspekte werden an dieser Stelle und nicht in der Diskussion besprochen, um die Notwendigkeit der verschiedenen Untersuchungsmethoden und Blickwinkel im Zuge der Datenanalyse zu erläutern.

Aus der Freiwilligkeit der Teilnahme an einem Gesundheitsprogramm wie „Herzensgut“

ergab sich die Möglichkeit von Selektionseffekten. Dabei ist es prima facie nicht möglich zu bestimmen, in welche Richtung diese Selektionseffekte gehen. Einerseits ist es denkbar, dass nur besonders motivierte und unabhängig von der Intervention des Gesundheitsprogramms intrinsisch gesündere Patienten sich durch eine Positivselektion für das Gesundheitsprogramm entscheiden. Die Interventionsgruppe hätte dann auch ohne Programmeffekt einen Vorteil gegenüber der Kontrollgruppe, welcher sich allerdings allein aus der Selektion der gesünderen Teilnehmer ergeben würde.

Andererseits könnte der Effekt auch in die andere Richtung gehen, nämlich dann, wenn sich im Rahmen einer Negativselektion die besonders schwer erkrankten Patienten vermehrt in das Gesundheitsprogramm einschreiben würden. Man könnte diese Version des Selektionseffekts auch die Theorie des „letzten Strohhalms“ nennen, an den sich die kränkeren Patienten quasi klammern würden.

Unterschiede in Zielparametern zwischen Interventionsgruppe und Kontrollgruppe können dann nicht eindeutig auf einen Programmeffekt zurückgeführt werden, wenn Selektionseffekte nicht ausgeschlossen werden können. Selbst die Vergleichbarkeit der vorhandenen Basisdaten kann Selektionseffekte nicht von vorn herein ausschliessen, da wesentliche Confoundervariablen wie z.B. das Rauchverhalten nicht erhoben wurden.

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Aus diesem Grund wird die Anfälligkeit der Ergebnisse bezüglich eines Selektionseffekts in einer Intention-to-treat-Analyse getestet. Unter einer Intention-to-treat-Analyse versteht man, dass die Daten aller Patienten, die man vorher beabsichtigte (intention) zu behandeln (to treat), nachher auch ausgewertet werden. Dadurch spielt die Teilnahmeentscheidung für die Analyse keine Rolle mehr.

Für die Intention-to-treat-Analyse werden Interventionsgruppe und Ablehner zur Gruppe der Angeschriebenen zusammengeführt. Die Angeschriebenen werden dann mit der Kontrollgruppe verglichen. Somit werden Selektionseffekte in jeglicher Form ausgeschlossen, denn die Kontrollgruppe und die Angeschriebenen unterscheiden sich aufgrund der Randomisierung allein durch die Tatsache, dass ein Teil der Angeschriebenen, nämlich die Interventionsgruppe, das Gesundheitsprogramm durchlaufen hat. Alle beobachteten Unterschiede sind unter diesen Annahmen auf das Gesundheitsprogramm zurückzuführen.

Der Nachteil der gewählten Methode ist, dass der beobachtete Programmeffekt durch die Betrachtung der Gesamtgruppe Angeschriebene abgeschwächt wird. Dieser

„Verwässerungseffekt“ ist möglicherweise groß, da sich nur 33,6 % der Angeschriebenen in der Interventionsgruppe befinden und überhaupt vom Gesundheitsprogramm profitieren. Dem Nachteil der Verwässerung kann durch ein spezielles Berechnungsmodell (siehe Diskussion, Abschnitt „5.2.8 Quantifizierung des Programmerfolgs“) entgegengewirkt werden.

Um den Selektionseffekt genauer zu untersuchen, werden die Ablehner mit der Interventionsgruppe und der Kontrollgruppe verglichen. Für den Vergleich zwischen Ablehnern und Interventionsgruppe ist der Basiszeitraum entscheidend. Solange das Gesundheitsprogramm noch nicht gestartet war, kann ein möglicher Selektionseffekt noch ohne Vermischung mit dem Programmeffekt auftreten. Die Fragestellung ist, ob sich die Ablehner von den Teilnehmern am Gesundheitsprogramm (=

Interventionsgruppe) schon im Basiszeitraum, d.h. im Jahr vor Start des Programms unterscheiden. Im Evaluationszeitraum vermischen sich dann Selektionseffekt und Programmeffekt.

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Die Ablehner unterscheiden sich potentiell nicht nur von der Interventionsgruppe sondern möglicherweise auch von der Kontrollgruppe. Im Gegensatz zu den Ablehnern befinden sich in der Kontrollgruppe allerdings auch Patienten, die am Gesundheitsprogramm teilgenommen hätten, wenn sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten. Eine detailierte Interpretation der Ergebnisse erfolgt in der Diskussion, Abschnitt

„5.2.7 Selektionseffekte“.

3.3.4 Sensivitätsanalyse zur Randomisierung

Neben Selektionseffekt und Verwässerungseffekt ergab sich aus dem Abbruch der Randomisierung eine weitere mögliche Fehlerquelle. Eine Sensivitätsanalyse soll die Abhängigkeit der Ergebnisse bezüglich der abgebrochenen Randomisierung überprüfen (siehe Diskussion „5.2.1 Ausschlusskriterien, Randomisierung, Vergleichbarkeit“). Da ab dem Stichtag am 28.06.2004 alle eingeschlossenen Patienten unabhängig vom Geburtsdatum angeschrieben wurden, wäre prinzipiell ein systematischer Fehler möglich, z.B. wenn durch saisonale Faktoren im Winter besonders kranke Patienten entlassen worden wären. Deshalb werden in dieser Sensivitätsanalyse alle Personen aus der Gruppe der Angeschriebenen ausgeschlossen, die nach dem Stichtag hinzugekommen waren. Die so gebildete deutlich kleinere Gruppe der sogenannten

„bereinigten Angeschriebenen“ wird mit der Kontrollgruppe verglichen. In Tabelle 4 sind die verschiedenen Analysen mit den entsprechenden Vergleichsgruppen und der jeweiligen Problematik zur Übersicht aufgeführt.

Untersuchungen Vergleichsgruppen Problematik

Standard Interventionsgruppe vs Kontrollgruppe positiver / negativer Selektionseffekt Intention-to-treat Angeschriebene vs Kontrollgruppe Verwässerung des Programmeffekts Sensivitätsanalyse bereinigte Angeschriebene vs Kontrolle Verwässerung des Programmeffekts Selektionseffekt Ablehner vs Intervention / Kontrolle

Spezielles Modell potentielle Intervention vs Intervention Keine Standardmethodologie Tabelle 4 – Durchgeführte Untersuchungen

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Die Zusatzuntersuchungen werden in der Betrachtung von Krankenhausaufenthalten und Leistungsausgaben in separaten Gliederungspunkten besprochen. In der Analyse der Mortalität werden die Zusatzuntersuchungen innerhalb der verschiedenen Mortalitätsanalysen behandelt.

3.4 Zielparameter Mortalität

Der Zielparameter Mortalität wird anhand von Überlebenswahrscheinlichkeitskurven untersucht, welche über die Kaplan-Meier-Methode bestimmt wurden. Ferner werden aus den resultierenden Kaplan-Meier-Kurven Quantile der Überlebenszeitverteilung bestimmt (u.a. 25./75. Perzentil, Median).

Für die Überlebenszeitanalyse nach der Kaplan-Meier-Methode müssen keine zusätzlichen Annahmen bezüglich Prävalenz der Risikofaktoren, Charakteristika der Population oder Prognose getroffen werden, da sich die Beobachtungsdauer und Zensierungsmuster für die untersuchten Gruppen gleichen.

Der Unterschied im Überleben wird durch einen Vergleich der Quantile quantifiziert. In der Regel wird das 50 %-Quantil (medianes Überleben) angegeben. Falls das 50 %- Quantil nicht erreicht wurde, weil weniger als die Hälfte der Patienten verstorben waren, werden andere Überlebensquantile angegeben. So wird zum Beispiel auch das 75 %- und 80 %-Überlebenszeitquantil herangezogen.

Die Betrachtung des mittleren Überlebens erweist sich generell als problematisch, da die in der Regel schiefe Überlebenszeitverteilung zu einer Verzerrung der Mittelwertschätzung führt. Das mittlere Überleben wird trotzdem angegeben, da aus mittlerem Überleben und Kosten pro Tag die Kosten des Kostenträgers für die jeweilige Subgruppe berechnet werden können.

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3.5 Zielparameter Krankenhausaufenthalte und Leistungsausgaben 3.5.1 Perspektiven

Um eine präzise Evaluation des Gesundheitsprogramms „Herzensgut“

durchzuführen, müssen zunächst die Perspektive der Untersuchung genau spezifiziert werden. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage, um wessen Kosten und Nutzen es sich in der Evaluation handelt. Prinzipiell mögliche Betrachtungsweisen differenzieren zwischen Nachfragern (z.B. Patient), Leistungserbringern (z.B. Arzt), Kostenträgern (z.B. Krankenkassen) und der Gesellschaft. Die Wahl der geeigneten eindeutigen Perspektive hängt von der Fragestellung der gesundheitsökonomischen Evaluation ab. Gegebenenfalls können auch verschiedene Perspektiven im Vergleich berücksichtigt werden.

Die Krankenkassen sind die wesentlichen Kostenträger bei Herzinsuffizienz und neben den Leistungserbringern die zentralen Entscheidungsträger im deutschen Gesundheitssystem. Die Ergebnisse des Zielparameters „Kosten“ werden daher aus der Perspektive des Kostenträgers betrachtet. Dabei wird zwischen einer absoluten Perspektive und einer relativen Perspektive unterschieden:

In der absoluten Perspektive werden die Zielparameter Leistungsausgaben, bzw.

Krankenhausaufenthalte und Krankenhaustage separat betrachtet ohne Berücksichtigung der Mortalität.

In der relativen Perspektive wird der Effekt der Mortalität auf die Kosten berücksichtigt.

Die Kosten werden pro gelebten Programmtag berechnet, d.h. die Summe der Kosten für Medikamente oder Krankenhausaufenthalte wird durch die Anzahl an gelebten Programmtagen geteilt. Diese Berechnungsmethode wird analog auch für Krankenhausaufenthalte und Krankenhaustage angewendet. Um diese Ergebnisse in fassbaren Zahlen zu verdeutlichen, werden die Parameter „Aufenthalte pro Lebendtag“

und „Krankenhaustage pro Lebendtag“ auf 730 Tage, also die Länge des Evaluationszeitraums, hochgerechnet (siehe Ergebnisse „4.4 Kosten im Evaluationszeitraum – Relative Perspektive“).

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Das Prinzip der relativen Perspektive ist in Abbildung 5 beispielhaft für zwei Teilnehmer veranschaulicht. Während die absoluten Kosten für beide Personen gleich hoch waren, ergeben sich bei Teilnehmer 2 aufgrund der längeren Lebenszeit niedrigere Kosten pro Lebendtag.

Abbildung 5 – Kosten pro Lebendtag

Die relative Perspektive bezieht ihre Berechtigung zum einen aus der besseren Vergleichsmöglichkeit mit der Voruntersuchung des Gesundheitsprogramms

„Herzensgut“ durch Kielblock et. al.. Zum anderen kann so der Programmeffekt in einem einzigen Parameter zusammengefasst und angegeben werden. Die Ergebnisse der relativen Perspektive werden in Euro/Lebendtag gemessen. Sofern nicht anders angegeben, werden in den Abschnitten zur relativen Perspektive alle Parameter in dieser Einheit angegeben.

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3.5.2 Kostenarten

Der Zielparameter „Kosten“ betrachtet nur direkte Kosten. Sie entstehen unmittelbar bei der Herstellung oder dem Einsatz der Gesundheitstechnologie und können in direkte medizinische und direkte nicht-medizinische Kosten unterteilt werden. Direkte medizinische Kosten fallen unmittelbar bei der Patientenversorgung an wie zum Beispiel ärztliches Personal, Arzneimittel, medizinische Geräte und Verwaltungskosten des Leistungserbringers. Nicht-medizinische direkte Kosten resultieren aus Leistungen, die die gesundheitliche Versorgung unterstützen. Dazu zählen unter anderem Zeit- und Transportkosten der Patienten sowie die Unterstützung durch ihre Angehörigen [2].

In der Analyse des Programms „Herzensgut“ wird nur ein Teil der gesamten direkten medizinischen Gesamtkosten berücksichtigt. Die untersuchten Kosten beinhalteten Leistungsausgaben der Versicherung für stationäre Krankenhausaufenthalte und Kosten für Medikamente. Der Begriff „Gesamtkosten“ wird im Sinn der gesamten Leistungsausgaben der Krankenkasse verwendet. Zudem kann der interne Verwaltungsaufwand der Krankenkasse geschätzt werden. Andere direkte medizinische Kosten, insbesondere die Kosten der ambulanten hausärztlichen Betreuung, werden nicht berücksichtigt. Die Unterschiede in diesen Kosten sind allerdings aufgrund der speziellen Vergütungsregeln für Hausärzte vermutlich vergleichsweise gering.

Zusätzliche, nicht berücksichtigte Kosten entstanden auch durch die Aufwendungen für Krankentagegeld. Arbeitsunfähigkeitskosten wurden aufgrund des generell hohen Durchschnittsalters der Studienteilnehmer und des dadurch geringen Volumens vernachlässigt.

3.5.3 Ökonomische Evaluation

Die Effekte einer Gesundheitstechnologie können auf unterschiedliche Art und Weise ökonomisch gemessen werden. In Abbildung 6 sind drei ökonomische Evaluationsverfahren mit ihren jeweiligen Zielparametern dargestellt: Kosten-

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Effektivitäts-Analyse, Kosten-Nutzwert-Analyse und Kosten-Nutzen-Analyse. In vorliegender Arbeit werden die Kosten-Nutzen-Analyse und die Kosten-Effektivitäts- Analyse verwendet.

Die Kosten-Nutzen-Analyse gibt den Programmnutzen in monetären Einheiten an.

Die in dieser Analyse berücksichtigten Kosten sind zum einen die Kosten für das Gesundheitsprogramm „Herzensgut“, zum anderen die indirekten Kosten durch Verwaltungs- und Administrationsaufwand der Versicherung. Der Nutzen ergibt sich aus der Einsparung der Leistungsausgaben.

Abbildung 6 – Ökonomische Evaluationsverfahren

Nach Amelung [2]

Die Kosten-Effektivitäts-Analyse bietet die Möglichkeit, die Nutzenparameter zu berücksichtigen, ohne dass der Nutzen in monetären Einheiten erfasst werden muss.

Der Nutzen wird in „natürlichen“ medizinischen oder epidemiologischen Ergebnis- Parametern gemessen. Als Parameter werden in der Analyse von „Herzensgut“

Mortalität, Krankenhausaufenthalte und Krankenhaustage verwendet.

Abbildung 7 zeigt die möglichen Ergebniskombinationen. Der Nullpunkt stellt den Zustand ohne Einsatz des Gesundheitsprogramms dar. Im Quadranten I ist das Gesundheitsprogramm medizinisch dem der Behandlung der Kontrollgruppe überlegen, die Kosten liegen hier allerdings über denen der Kontrollgruppe. Die

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Entscheidung für oder wider das Gesundheitsprogramm hängt dann davon ab, welches Kosten-Wirksamkeits-Verhältnis akzeptiert wird.

In den Quadranten II und IV ist die Entscheidung eindeutig. In Quadrant II ist das Gesundheitsprogramm medizinisch schlechter und teurer. Es muss abgelehnt werden. In Quadrant IV ist das Programm sowohl günstiger als auch medizinisch überlegen und sollte deshalb angenommen werden.

Im Quadranten III ist das Programm medizinisch unterlegen, aber dafür günstiger. Die Entscheidung muss durch einen Vergleich der Kosten-Effektivitäts-Verhältnisse anderer Gesundheitstechnologien erfolgen. Möglicherweise könnten die durch den Einsatz eingesparten Mittel in einem anderen Bereich des Gesundheitswesens besser eingesetzt werden.

Abbildung 7 – Nutzen-Wirtschaftlichkeits-Matrix einer Innovation

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3.5.4 Kostenzurechnung

Durch die individuell unterschiedlichen Programmstarts ergibt sich die Notwendigkeit, die Auswertungszeiträume für jeden Patienten einzeln zu berechnen. Dies war besonders für die Krankenhausaufenthalte wichtig, um eine Doppelberechnung oder eine Nichtberücksichtigung der überlappenden Krankenhausaufenthalte zu vermeiden.

Zur Veranschaulichung sind in Abbildung 8 sechs mögliche Krankenhausaufenthalte eines Patienten in den zwei abgegrenzten Zeiträumen Basiszeitraum und Evaluationszeitraum aufgeführt. Für den Evaluationszeitraum sind in diesem Beispiel Aufenthalt 3, Aufenthalt 4 und Aufenthalt 5 relevant, für den Basiszeitraum sind Aufenthalt 1, Aufenthalt 2 und Aufenthalt 3 relevant usw. . Nur Aufenthalte 2 und 4 liegen ohne Überlappung in einem einzigen Berechnungszeitraum. Alle anderen überlappen in den Zeiträumen. Aufenthalt 3 ist für beide Zeiträume relevant. Um eine genaue Berechnung der Kosten zu ermöglichen, werden die Krankenhauskosten unter der Annahme einer gleichmäßigen Kostenverteilung tagesgenau berechnet. Die Kosten werden also je nach Anteil der Krankenhaustage dem jeweiligen Zeitraum im Verhältnis der Krankenhaustage zugeordnet.

Abbildung 8 – Krankenhausaufenthalte eines Patienten

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