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Der Begriff Disease Management entstand als Managed-Care-Komponente in den 80er Jahren in den USA. Es bezeichnete den Versuch, durch strukturierte Versorgungsprogramme das ganze Spektrum an Behandlungsleistungen über den gesamten Zeitraum einer Massenerkrankung zu koordinieren. Dabei sollten die Gesundheitsausgaben von invasiven Spätmaßnahmen weg und auf bewährte Frühinterventionen verlagert werden. Kernidee war es, den Krankheitspfad zu optimieren, nicht die Erkrankung zu heilen. So sollten scheinbar gegensätzliche Ziele erreicht werden: die Verbesserung der Versorgungsqualität und die Erzielung von Kosteneinsparungen [3].

Disease Management ist laut Disease Management Association of America (DMAA) ein System koordinierter Interventionen und Kommunikationsmaßnahmen für Patienten mit chronischen Krankheiten, bei denen die Mitwirkung des Patienten einen ausschlaggebenden Effekt auf den Gesundheitszustand hat [4].

Disease Management besteht aus:

Unterstützung der Arzt/Patienten Beziehung und des Behandlungsplans;

Evidenz-basierte Leitlinien und Strategien zur Befähigung des Patienten, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes und Komplikationen zu verhindern

kontinuierlicher Evaluation der klinischen und ökonomischen Ergebnisse mit dem Ziel, den Gesamtgesundheitszustand und die Lebensqualität zu verbessern.

Disease-Management-Programme beinhalten mindestens folgende sechs Elemente:

einen Prozeß zur Auswahl einer geeigneten Patientenpopulation

die Verwendung von Evidenz-basierten Behandlungsleitlinien

die Zusammenarbeit zwischen ärztlichen und nicht-ärztlichen Dienstleistern

die Schulung und Förderung von Patientenselbstmanagement (z.B.

Primärprävention, Verhaltensmodifikation und Compliance-Überwachung)

einen Prozeß zur Erhebungs- und Ergebnisevaluierung der erzielten Behandlungsergebnisse

einen Prozeß zu regelmäßiger Berichterstattung und zu internen Feedback-Schleifen (z.B. Kommunikation mit Patient, Arzt, Krankenversicherung etc.)

Programme mit weniger Komponenten werden als Disease Management Unterstützungsprogramme bezeichnet. Gemäß dieser Definition der DMAA ist

„Herzensgut“ ein vollwertiges DMP. Im Folgenden werden auch die Begriffe Gesundheitsprogramm, Betreuungsprogramm, Chronikerprogramm und strukturiertes Versorgungsprogramm gleichwertig für DMP verwendet.

2.2.2 Präventionsaspekt

Eine wichtige Rolle spielt bei DMP die Prävention, die drei Aspekte aufweisen kann:

Primäre Prävention besteht aus der Ausschaltung von Risikofaktoren durch Gesundheitsaufklärung, -erziehung und -beratung sowie Impfungen. Ein Beispiel für Primärprävention innerhalb eines DMP ist die Raucherentwöhnung. Sekundäre Prävention beinhaltet Vorsorgeuntersuchungen zur frühestmöglichen Diagnose und Therapie von Erkrankungen. Ein Beispiel für sekundäre Prävention innerhalb eines DMP ist die Früherkennung von Warnsignalen, die auf eine Verschlechterung der Herzleistung hinweisen. Die Verhinderung des Fortschreitens der Erkrankung und der Ausgleich von Krankheitsfolgen wird als tertiäre Prävention eingeordnet [5]. DMP verfolgen durch die Durchsetzung von Leitlinien-getreuer Behandlung und die Unterstützung des Patienten insbesondere auch diese Zielsetzung.

2.2.3 Situation in Deutschland

Fast 20 % der Bundesbürger sind heute chronisch krank. Die häufigsten Erkrankungen sind Diabetes mellitus, koronare Herzkrankheit, Asthma bronchiale oder chronisch obstruktive Lungenerkrankungen. Chronische Krankheiten erfordern eine gut abgestimmte kontinuierliche Behandlung und Betreuung. Doch gerade im Bereich chronischer Erkrankungen gibt es erhebliche Qualitätsmängel in der medizinischen Versorgung. Auf diese optimierungsbedürftige Situation hat der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hingewiesen [6]. Um diesem Mangel entgegenzuwirken, wurden seit 2002 in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) spezielle, strukturierte Chronikerprogramme oder DMP entwickelt. Die Programme werden im Risikostrukturausgleich der Krankenkassen finanziell gefördert [7].

Ziel eines DMP ist laut Bundesversicherungsamt (BVA), zum einen die durch die Krankheit bedingten Beeinträchtigungen und Folgeerkrankungen zu reduzieren, zum anderen die Behandlung der Erkrankung an sich zu verbessern. Um diese Ziele zu erreichen, bedient man sich eines Organisationsansatzes, bei dem die Behandlungs- und Betreuungsprozesse von Patienten über den gesamten Verlauf einer chronischen Krankheit und über die Grenzen der einzelnen Leistungserbringer hinweg koordiniert werden. Auf der Grundlage medizinischer Evidenz sollen die Programme optimiert werden [8].

DMP nach §137f Sozialgesetzbuch (SGB) V sind dabei eine von vielen neuen Vertragsformen, welche die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ergänzen. Dazu zählen auch die integrierte Versorgung (§§140a ff. SGB V), Strukturverträge (§73a SGB V), hausarztzentrierte Versorgung (§73b SGB V) und besondere ambulante Versorgung (§73c SGB V). Neue Tarifformen sind Wahltarife (§53 SGB V) und ein Bonus-System für gesundheitsbewußtes Verhalten (§65a SGB V) [9].

2.2.4 Gekoppelte und freie Programme

Man kann zwischen Risikostrukturausgleich-gebundenen DMP (RSA-DMP) und freien DMP unterscheiden: Die DMP nach Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) wurden mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10. Dezember 2001 eingeführt. Dabei wirkt sich die Anzahl der am DMP teilnehmenden Patienten auf die Berechnung des RSAV der gesetzlichen Kassen aus. Für eingeschriebene Versicherte werden Profile gebildet, auf deren Basis ein gesonderter Ausgleich unter Berücksichtigung von durchschnittlichen Leistungsausgaben dieser Versichertengruppe stattfindet. Die Interventionen, für die DMP nach RSAV durchgeführt werden können, werden vom Gesetzgeber festgelegt. Im Einzelnen sind dies: Brustkrebs, Diabetes mellitus Typ I, Diabetes mellitus Typ II, koronare Herzkrankheit (KHK), chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen (COPD) und Asthma bronchiale.

RSA-DMP konzentrieren sich hauptsächlich auf den betreuenden Arzt und stellen eine qualitativ hochwertige Dokumentation und regelmäßige Arztbesuche sicher. Dabei greifen RSA-DMP auf standardisierte, allgemeine Prozesse zurück. Nach den in 2.2.1 aufgeführten DMAA Kriterien sind sie keine vollwertigen DMP, sondern werden als Disease-Management-Unterstützungsprogramme klassifiziert. Sie enthalten nicht alle für die Klassifikation als DMP notwendigen Komponenten.

Die Vorraussetzungen für Behandlungsprogramme für chronisch Kranke durch die gesetzlichen Kassen sind im SGB V in § 137f festgelegt (§ 137f SGB V ). Weitere Voraussetzungen, Rahmenbedingungen, Faktoren zur Entwicklung, Implementierung und Evaluation dieser DMP sind im Gutachten im Auftrag des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK) und des AEV - Arbeiter-Ersatzkassen-Verbandes e.V. beschrieben [10] .

Auf der anderen Seite stehen freie DMP, die nicht an den RSA-gekoppelt sind und ohne BVA-Aufsicht entwickelt werden. Sie werden vor allem von privaten Krankenkassen durchgeführt.

Freie DMP haben im Gegensatz zu den RSA-DMP oft einen größeren Leistungsumfang.

Denn bei einem freien DMP obliegt die strukturelle und inhaltliche Gestaltung des Programms den Vertragspartnern, d.h. in der Regel der Krankenversicherung auf der einen und einem medizinischen Dienstleister auf der anderen Seite. Zum Beispiel können regelmäßige Beratungsgespräche zur Schulung oder Datenerhebung vereinbart werden. Auch Infobroschüren und statistische Auswertungen des Gesundheitszustandes und Programmerfolgs können Bestandteil der freien DMP sein.

Außerdem ist eine Unterstützung des Programms durch telemetrische Geräte, wie zum Beispiel Blutdruckmessgeräte oder Gewichtswaagen möglich. Die Betreuungsintensität kann dabei vom Gesundheitszustand abhängig gemacht werden.

Freie DMP können zum Beispiel auch den Patienten intensiver mit einbeziehen, stärken seine Handlungsmöglichkeiten und erwirken positive Verhaltensmodifikationen [11]. Die Indikationen für freie DMP sind im Prinzip frei wählbar, decken aber in der Regel auch die Indikationen der RSA-DMP ab. Bei dem in dieser Studie analysierten Gesundheitsprogramm „Herzensgut“ handelt es sich um ein freies DMP.

2.2.5 Erfolg der Programme

Der Erfolg von DMP zeigt ein zweigeteiltes Bild: Einerseits sieht der Gesundheitsmarkt zumindest in den USA den Mehrwert von DMP offensichtlich als ausreichend erwiesen an. Indiz dafür ist, dass das Marktsegment der DMP in den letzten Jahren durchschnittlich mit 20-30 % p.a. wächst [12]. Nach einer anderen Studie wuchs der Anteil von Versicherungen, die DMP anbieten, von 41 % in 2002 auf 58 % in 2003 [13].

Hintergrund dieser Akzeptanz könnte sein, dass Marktteilnehmer auch auf anderen Gebieten Strategien und Methoden anwenden, selbst wenn deren Validitätsnachweis nicht durch Evidenz-basierte Standardmethodologie erbracht worden ist. Andererseits herrscht auch in den USA immer noch Skepsis auf Seiten von Experten und politischen Entscheidungsträgern. Gewisse Zweifel bezüglich der Effektivität von DMP gibt es auch

in Deutschland [10]. Ein robuster und unwiderlegbarer Effektivitätsbeweis in ausreichender wissenschaftlicher Güte ist bisher noch nicht erbracht worden [12].