A742 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 11⏐⏐16. März 2007
G E L D A N L A G E
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s soll in Bayreuth einen Mann geben, dessen Aktienempfeh- lungen fast 100 Prozent Gewinn ma- chen. Vermutlich kann der Wunder- kerl auch über den Tegernsee gehen.Ich habe noch nie gehört, dass je je- mand derart erfolgreich gewesen sei.
Gottlob gibt es das Internet, und sie- he da, der Börsenheld breitet auf der Homepage www.hager-investment rating.com seine Weisheiten aus.
Timo Hager, seines Zeichens Ak- tienanalyst und Herausgeber, ver- kündet, das Erfolgsgeheimnis eines Warren Buffet oder Seth Klarmann, beide anerkannte und über Jahre sehr erfolgreiche Investoren, sei „die richtige Identifizierung des Wertes einer Aktie“. Wohl wahr.
Aufgepasst. Jetzt kommt der küh- ne Schwung, Hager kann das auch.
Es soll sogar eine „juristisch beglau- bigte Performance“ geben. Seit dem Jahr 2000 seien über 31 Prozent Durchschnittsrendite, wohl pro Jahr, erzielt worden. Alle Achtung, aber
nur dann, wenn’s denn stimmt. Im- merhin äußern sich auf der Internet- seite hochzufriedene Kunden, jedoch nur in gekürzter Form und schon gar nicht im Original. Da schreibt ein ge- wisser Wilhelm Berenth aus Neuss:
„Ich vertraue ihren Empfehlungen.
Die gute Entwicklungen sind der Grund. Ich muss mir keine Gedanken mehr machen, außer sich in Geduld zu üben. Ich frage mich, wie ihre Bewertungsmethode funktioniert. Je- denfalls glaube ich, dass Warren Buffet es auch nicht besser kann.“
(Schreibfehler wurden übernom- men.) Lobhudelei vom Feinsten.
Wenn es wirklich spannend wird, bleibt der Ofen allerdings aus. Die Bereiche „Portfolio“, „Aktiendaten- bank“ und „Rating Letter“ bleiben dem gemeinen Leser verschlossen.
Wer sich jetzt registrieren will, stößt nunmehr auf des Pudels Kern: Hager will einen Börsenbrief verkaufen.
Für 180 Euro pro Jahr inklusive Mehrwertsteuer wird man glückli- cher Empfänger von wunderbaren Aktienempfehlungen. Ich persön- lich glaube jetzt gar nichts mehr. Ha- ger ist sich offenbar auch nicht mehr so sicher, in seinen AGB schließt er immerhin Totalverluste nicht aus,
und haften will er schon für gar nichts. Also schnell das Thema ab- haken, mir scheint, viel heiße Luft und wenig Substanz.
Damit ist freilich direkt auch die Frage verbunden, ob Börsenbriefe einen Sinn machen oder nicht. Ich werde erstaunlich oft nach Empfeh- lungen aus solchen Blättern gefragt.
Es gibt genügend Leute, die den Ef- fektenspiegel lesen, manche Bank- berater sogar heimlich unter dem Tisch, andere finden die Fuchsbriefe Klasse, um nur zwei der bekanntes- ten Publikationen zu nennen.
Sagen wir einmal so: Die „seriö- sen“ Schreiber von Börsenpostillen pflegen über diese Plattform ihr ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis, Schwatzbasen halt, wer es Größen- wahn nennen mag, liegt vermutlich auch nicht schief. Die linken Vögel dieser Spezies haben dagegen Arges im Sinn. Im Heft hochgejubelte Wer- te wurden längst vorgekauft, und der Anleger wird dann abrasiert. Ich bin aber der Meinung, dass kein Börsen- briefschreiber einen Börsenbrief schreiben würde, wenn er wirklich wüsste, wie die Börse läuft. Er säße vielmehr in aller Stille auf seinem Geldhaufen und rührte sich nicht.I BÖRSEBIUS