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igentlich sollte das ein Be- richt über Reisen im Nor- den Israels werden, doch die politischen Entwicklun- gen in den letzten Tagen und Wochen haben die gute Absicht konterkariert. An sich lohnt sich die Reise nach Haifa (mit der Tempelanlage der Bahai und der restaurier- ten „German colony“) und den Norden, der dem nor- malen Touristen meist unbe- kannt bleibt.Der Berg Karmel ist in Wirklichkeit ein lang gestreck- ter Höhenzug oberhalb der Hafenstadt Haifa (www.tour- haifa.co.il). Auf den Höhen sieht es fast aus wie in einem Wildwestfilm, und tatsächlich kann man dort im Westernsat- tel durch eine strauchbewach- sene Steppe reiten, im Hinter- grund die Hochhäuser von Haifa. Ein ungewöhnliches Erlebnis, etwas für Touristen, doch die bleiben aus.
Das Künstlerdorf Ein Hod (www.actcom.co.il) ist gleich- falls etwas Einmaliges, wenn auch alles andere als western- like. In einem früheren arabi- schen Dorf hat sich eine Künstlerkolonie aufgetan, in der Galerie hängen Gemälde unterschiedlicher Stilrichtun- gen, erstaunlich preiswert, trotz hoher Qualität.
Lyrik im weißen Anzug In früheren Zeiten war Ein Hod ein beliebtes Ziel für den Tagesausflug. Heute lässt sich kein Reisender blicken – bis auf einen deutschen Dichter in weißem Anzug, der uns seine Lyrik vorliest.
Die alte Kreuzfahrerstadt Akko wird von den Israelis hervorragend restauriert. Al- lein die Gewölbe der Festung sind eine Reise wert. Die vie- len kleinen Läden im Basar deuten darauf hin, dass Akko eigentlich ein beliebtes Touri- stenziel ist, doch niemand ist zu finden.
Die Beispiele ließen sich verlängern: Herrliche, leere Strände zwischen Haifa und Tel Aviv, in Strandnähe blu- mengeschmückte Gäste-Kibbuzim, wie der von Nahsholim (www.
nahsholim.co.il), in denen lediglich Einheimische ih- ren Urlaub ver- bringen.
Im Sommer dieses Jahres hat- te das Israelische Verkehrsbüro ei- ne Hand voll Journalisten ein- geladen, um ih- nen zu demon- strieren, wie friedlich es im Norden des Landes zugehe.
In der Tat war der Norden lange Zeit frei von terroristi- schen Anschlägen. Das hat sich inzwischen geändert, auch hier gibt es nun den ein oder anderen „blutigen Zwi- schenfall“.
Das Risiko, als Tourist in einen solchen verwickelt zu werden, ist zwar äußerst ge- ring, doch „Statistik tröstet nicht“, bemerkt ein Touris- musexperte in Haifa. Dort verläuft das Leben von außen gesehen nach wie vor eher ge- lassen. Doch immer wenn wir, die kleine Besuchergruppe aus Deutschland, mit Israelis ins Gespräch kommen, sind
wir nach wenigen Sätzen beim selben Thema: die poli- tische Lage, die vermeintlich negative Berichterstattung über Israel in Deutschland, die Hoffnung auf Frieden, die allgemeine Ratlosigkeit.
Welch ein Unterschied ge- genüber einer Israelreise vor wenigen Jahren, als der Frie- densprozess zu einem guten Ende zu führen schien, als die Grenzen zu Jordanien geöff- net wurden und Peres und Arafat den Friedensnobel- preis bekamen – damals Auf- bruchstimmung, Ideen und Zuversicht. Heute nichts da- von.
Unterschiedliche Kulturen Israel ist in der Tat zurzeit kein Reiseland für den Tou- risten, der besichtigen, am Strand liegen oder gut essen will. Das kann man natürlich, und zwar umständehalber oh- ne Warteschlangen, doch wird man mancherlei Sicherheits- vorkehrungen, etwa Ein- gangskontrollen vor Restau-
rants oder Einkaufszentren, in Kauf nehmen müssen. Für den normalen Touristen ist das ei- nerseits beruhigend, anderer- seits beängstigend. Den ein oder anderen Individualtouri- sten wird es gleichwohl in die- ses zerrissene Land locken. Er lernt eine Bevölkerung ken- nen, die seit zwei Generatio- nen mit Kriegsfurcht umzuge- hen gelernt hat, die trotz allem einen normalen Alltag zu le- ben versucht und die Ängste des Besuchers nicht so ganz nachvollziehen kann. Israels Bevölkerung ist jung und ge- prägt von unterschiedlichen Kulturen und den Einwande- rungswellen der letzten Jahr- zehnte. Reste des alten Pio- niergeistes sind noch zu spüren und schlagen sich in unprätentiösem Verhalten und selbstbewußtem Auftre- ten nieder.
Der Vollständigkeit halber muss hier angemerkt werden, dass unsere kleine Besucher- gruppe keinen Kontakt hatte zu Palästinensern, und sie hat sich auch nicht in palästinen- sischen Autonomiegebieten bewegen können. Denn bei allem Abenteurergeist, die sind zurzeit nichts für Touri- sten. Der Weg nach Bethle- hem im Lande Juda, von dem wir im Weihnachtsevangeli- um lesen, ist durch Panzer versperrt. Norbert Jachertz
Informationen: Staatliches Israelisches Verkehrsbüro, Bettinastraße 62, 60325 Frankfurt/Main,Telefon: 69/7 56 19 20, www.infotour.co.il, www.goisrael.de V A R I A
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 51–52½½½½24. Dezember 2001 AA3463
Israel
Eigentlich eine Reise wert
Nicht nur als „Heiliges Land“ ist Israel ein ideales Reiseziel, doch zurzeit traut sich kaum jemand hin.
Reise
Überraschende Entdeckung in Ein Hod: ein Dada- Museum. Kinder können sich hier entfalten.
Foto: Janco Dada-Museum