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Archiv "Darmkrebsfrüherkennung: Noch ein Stiefkind in der öffentlichen Wahrnehmung" (15.03.2002)

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M E D I Z I N

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A706 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 11½½½½15. März 2002

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armkrebsfrüherkennung und kei- ner geht hin ...“ So etwa konnte man bis vor kurzem das Umfeld der Dickdarmkrebsfrüherkennung cha- rakterisieren. Seit Einführung dieser Vorsorgemaßnahmen in die gesetzliche Krankenversicherung stagniert die In- anspruchnahme auf niedrigem Niveau.

Frauen nehmen sie häufig durch ihre Gynäkologen zu 35 Prozent, Männer zu circa 18 Prozent wahr. Dabei sind die Zahlen dramatisch: Über 50 000 Men- schen erkranken jährlich neu an Darmkrebs, circa 30 000 sterben daran.

Der Tod infolge von Darmkrebs ist die zweithäufigste Todesursache aller Krebserkrankungen für Männer und Frauen überhaupt. Die Fakten für eine erfolgreiche Vorsorge und Früherken- nung liegen vor. Zahlreiche Langzeit- studien belegen inzwischen, dass die re- gelmäßige Stuhlbluttestung mit den dar- aus folgenden Konsequenzen zu einer deutlichen Senkung der Mortalität, ja sogar der Inzidenz des Darmkrebses führt (3). Die amerikanische nationale Polypenstudiengruppe konnte zum er- sten Mal überzeugend deutlich machen, dass auch die konsequente Entfernung aller Darmkrebsvorstufen zu einer dra- matischen Senkung der Darmkrebsinzi- denz führt (6). Diese Daten sind inzwi- schen durch weitere Untersuchungen untermauert (5).

Woran liegt es, dass diese beein- druckenden Zahlen und Fakten bisher kaum wahrgenommen werden? Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen ist der Darm immer noch ein Tabuthe- ma, über das man nicht gerne spricht, schon gar nicht über eine Erkrankung.

Die Diagnose Krebs bedeutet nach wie vor ein Stigma, von dem sich der Be- troffene gezeichnet fühlt. Gerade in Deutschland sind die Ergebnisse des Okkultblutscreenings so kontrovers diskutiert worden, dass sich auch ärztli- che Kollegen immer wieder auf die Sei-

te der Gegner dieses einfachen, preis- werten und erstaunlich sensiblen Scree- ning-Tests geschlagen haben. Daher gab es auch keinen überzeugenden Grund, Menschen zu veranlassen, Vor- sorgemaßnahmen zu treffen, wenn keinerlei Beschwerden vorhanden sind.

Erste Zeichen einer Trendwende

Inzwischen ist eine Trendwende er- kennbar. Den Anfang hat ein Modell- projekt in Bayern gemacht. Es wurde zusammen mit der Deutschen Krebshil- fe, der Deutschen Krebsgesellschaft, den bayerischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen durch- geführt und durch die Industrie unter- stützt. Ziel des Modellprojektes war, die Öffentlichkeitsarbeit zu verstärken und die Menschen über ihre Chancen zu informieren (1). Das Ergebnis hat ganz eindeutig gezeigt, dass bei einer sachlichen Information unter Einbezie- hung von Berichten persönlich Betrof- fener die Inanspruchnahme der Früher- kennung deutlich zunimmt.

Durch die Verbreitung und Akzep- tanz des Internets sind die Menschen durch vielfältige Informationen gesund- heits- und vorsorgebewusster geworden.

Zahlreiche Organisationen und Stiftun- gen sind inzwischen gegründet worden, wie zum Beispiel die Stiftung Lebens- blicke (www.lebensblicke.de) bezie- hungsweise die Felix-Burda-Stiftung (www.carcinos.de). Sie haben sich zur Aufgabe gemacht, die Erfolge des bayerischen Modellprojektes bundes- weit zu verbreiten und Politik und Ko- stenträger davon zu überzeugen, dass nur so das Ziel erreichbar ist, innerhalb der

nächsten zehn Jahre die Zahl der Darm- krebstoten zu halbieren. Alle Aktionen werden unterstützt durch Erfahrungen aus Amerika. Dort ist die Beschäftigung mit der Darmkrebsfrüherkennung bis ins Weiße Haus vorgedrungen und hat die damalige Präsidentengattin Hillary Clin- ton veranlasst, sich persönlich dieser Sa- che anzunehmen. Amerikanische Ko- stenträger bieten inzwischen Screening- Koloskopien an. Auch für diese Untersu- chungen haben Kohortenstudien belegt, dass sie effizient sind (2).

Die Deutsche Gesellschaft für Ver- dauungs- und Stoffwechselkrankheiten hat auf dem Boden der bisherigen Lite- ratur evidenzbasierte Leitlinien erstellt, die das Okkultblutscreening mit dem höchsten Evidenzgrad an die erste Stel- le setzt, gefolgt von der Screening-Ko- loskopie. Was macht die Screening-Ko- loskopie so attraktiv? Der Okkultblut- test ist zwar ein einfacher, relativ sensi- tiver und preiswerter Test; ihm haftet jedoch durchaus eine erhebliche Rate falschnegativer Befunde an. Diese re- sultiert aus der Tatsache, dass kolorek- tale Läsionen nur intermittierend blu- ten und dieser Test von vielen nicht konsequent jährlich eingesetzt wird.

Das kolorektale Karzinom entwickelt sich zu über 90 Prozent aus adenomatö- sen Vorstufen, die endoskopisch sicht- bar und damit nicht nur der Diagnose, sondern durch Abtragung in einem Ar- beitsgang auch der Therapie zugänglich gemacht werden können (4).

Die Münchener Erklärung

Im vergangenen Jahr wurde die Mün- chener Erklärung von Repräsentanten der deutschen Gastroenterologie und Journalisten formuliert und von den Präsidenten der Deutschen Gesell- schaften für Innere Medizin, Verdau- ungs- und Stoffwechselkrankheiten,

Medizinische Klinik C (Direktor: Prof. Dr. med. Jürgen F.

Riemann), Klinikum der Stadt Ludwigshafen gGmbH, Ludwigshafen/Rhein

Darmkrebsfrüherkennung

Noch ein Stiefkind in der öffentlichen Wahrnehmung Jürgen F. Riemann, Meinhard Classen

Editorial

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der Krebsgesellschaft, der Krebsliga, der Gastro Liga, der Gesellschaft für Gastroenterologie in Bayern, von der Felix-Burda-Stiftung und der Stiftung Lebensblicke unterzeichnet. Sie enthält die einschlägigen Forderungen an die Gesundheitspolitiker und Krankenkas- sen in diesem Land für ein sinnvolles Screening-Programm einschließlich der Koloskopie auch außerhalb des Bud- gets. Die Münchener Erklärung wurde seither von circa 1 000 Ärzten in Deutschland unterzeichnet. Das bayeri- sche Modellprojekt hat gezeigt, dass nicht nur die Patienten sondern auch die ärztlichen Kollegen motiviert werden müssen. Schließlich müssen sie diese Leistungen erbringen. Der März die- ses Jahres wird Darmkrebsmonat in Deutschland, den USA und anderen Ländern sein.

Papst unterstützt Allianz gegen digestiven Krebs

Am 23. März 2002 findet im Vatikan die Eröffnung der weltweiten Kampagne gegen den Krebs des Verdauungstrakts statt. Der Papst – früher selbst an einem Kolonkarzinom erkrankt – empfängt die Teilnehmer eines Symposiums und

unterstützt deren weltweite Medien- kampagne. Initiatoren dieser Kampa- gne sind die Weltorganisationen für Ga- stroenterologie und digestive Endosko- pie im Verein mit der Europäischen Fö- deration für Gastroenterologie und 100 nationale Gesellschaften für Gastroen- terologie.

Paradigmenwechsel erforderlich

Beim Kolonkarzinom muss dringend ein Paradigmenwandel erfolgen von der Nachsorge hin zur Vorsorge. Die Chan- cen, diese häufig qualvolle Erkrankung für den Patienten und seine Angehöri- gen auszumerzen, sind so groß, dass es der Einsicht aller und der Anstrengung vieler bedarf, das Ziel zu erreichen. Der Sachverständigenrat für die konzertier- te Aktion im Gesundheitswesen hat die Prävention als ein wichtiges Gesund- heitsziel für die nächsten Jahre prokla- miert; dazu gehören sicher auch die Vor- sorge- und Früherkennungsmaßnah- men für das kolorektale Karzinom.

Manuskript eingereicht und angenommen: 31. 1. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 706–708 [Heft 11]

Literatur

1. Altenhofen L, Brenner G, Flatten G, Hofstetter F, Kutz R, Oliveira J: Modellprojekt Früherkennung des kolo- rektalen Karzinoms. Deutscher Ärzte-Verlag 1999.

2. Lieberman DA, Weiss DG, Bond JH et al.: Use of colo- noscopy to screen asymptomatic addults for colorec- tal cancer. N Engl J Med 2000; 343: 162–168.

3. Mandel JS, Church TR, Bond JH et al.: The effect of fe- cal occult-blood screening on the incidence of colo- rectal cancer. N Engl J Med 2000; 343: 1603–1607.

4. Schmiegel W, Adler G, Frühmorgen P et al.: Leitlinien der DGVS. Kolorektales Karzinom: Prävention und Früherkennung in der asymptomatischen Bevölke- rung – Vorsorge bei Risikopatienten – Endoskopische Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Polypen und Karzinomen. Z Gastroenterol 2000; 38: 49–753.

5. Vijan S, Hwang EW, Hofer TP et al.: Which Colon Can- cer Screening Test? A Comparison of Costs, Effec- tiveness, and Compliance. Am J Med 2001; 111:

593–601.

6. Winawer SJ, Zauber AG, Ho M N et al.: Prevention of colorectal cancer by colonoscopic polypectomy. The National Polyp Study Workgroup. N Engl J Med 1993 329: 1977–1981.

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med. Jürgen F. Riemann Medizinische Klinik C

Klinikum der Stadt Ludwigshafen gGmbH Bremserstraße 79, 67063 Ludwigshafen E-Mail: riemannj@klilu.de

Prof. Dr. med. Drs. med. h. c.

Meinhard Classen, FRCP II.Medizinische Klinik und Poliklinik Klinikum rechts der Isar Technische Universität München Ismaninger Straße 22, 81675 München E-Mail: meinhard.classen@lrz.tum.de M E D I Z I N

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A708 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 11½½½½15. März 2002

Sowohl eine präoperative Radiothera- pie als auch eine vollständige Exzision des Mesorektums verbessern die Pro- gnose beim Rektumkarzinom.

Die Autoren analysierten in einer Multicenterstudie an 1 861 Patienten, ob eine Kombination beider Verfahren die Prognose günstiger gestaltet als eine der beiden Varianten. Bei 924 Patienten wurde eine präoperative Strahlenthera- pie mit 5 Gy an fünf Tagen zusätzlich zur mesorektalen Exzision durchgeführt, bei 937 Patienten wurde auf die Strah-

lentherapie verzichtet. Die Überle- bensrate nach zwei Jahren lag mit 82,0 beziehungsweise 81,8 Prozent in einem identischen Bereich. Bei den 1 748 Pati- enten, die makroskopisch eine vollstän- dige lokale Resektion erhielten, lag die Rezidivrate nach zwei Jahren bei 5,3 Prozent. Allerdings war diese signifi- kant unterschiedlich zwischen beiden Gruppen, sie lag bei 2,4 Prozent bei Ra- diotherapie plus Operation und bei 8,2 Prozent bei der ausschließlich operier- ten Gruppe (p < 0,001).

Die Autoren kommen zu dem Schluss, das eine kurzfristige präopera- tive Strahlentherapie das Risiko eines Lokalrezidivs bei Patienten mit einem Rektumkarzinom signifikant zu redu- zieren vermag, wenn eine standardisier- te mesorektale Exzision durchgeführt

werden soll. w

Kapitelijn E, van de Velde CJH and the Dutch Colorectal Cancer Group: Preoperative radiotherapy combined with total mesorectal excision for resectable rectal cancer.

N Engl J Med 2001; 345: 638–646.

Dr. C. J. H. van de Velde, Department of Surgery K6-R, Leiden University Medical Center, P.O. Box 9600, NL- 2300 RC Leiden.

Präoperative Radiotherapie bei mesorektaler Exzision des Rektumkarzinoms sinnvoll?

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