Kalziumantagonisten ge- hören seit Jahren zu den meistverordneten Medika- menten. Unter den 2 000 ver- ordnungshäufigsten Medika- menten befanden sich 1994 in der Bundesrepublik Deutsch- land 48 Kalziumantagonisten mit einer Verordnungshäufig- keit von 1 268 Mio. definier- ten Tagesdosen. Dabei ent- fallen reichlich 50 Prozent al- ler Verordnungen auf Nifedi- pin, das nach wie vor der mit Abstand meistverordnete Kalziumantagonist ist.
Zur Verunsicherung über den Stellenwert von Nifedi- pin führten im letzten Jahr bei Ärzten und Patienten trotz klarer Stellungnahmen der Hochdruckliga und nam- hafter internationaler Gremi- en zwei Mitteilungen ameri- kanischer Kardiologen, die bei mit kurz wirksamen Dihy- dropyridinen in der Postin- farktphase behandelten Pati- enten eine Übermortalität feststellten (Psaty et al., 1995;
Furberg et al., 1995). Die vor- gelegten Befunde basieren auf unzureichend aussage- kräftigen retrospektiven Da- tenanalysen und einer Meta- analyse mit einem zudem in der Bundesrepublik unge-
wöhnlichen Verordnungsver- halten. So ist seit längerem bekannt, daß Kalziumant- agonisten vom Nifedipin-Typ nicht zur Behandlung des akuten Myokardinfarkts ein- gesetzt werden und auch bei akuter koronarer Herzkrank- heit (instabiler Angina pecto- ris) nicht oder nur unter kli- nisch kontrollierten Bedin-
gungen eingesetzt werden sollten. Es ist möglich, daß sich bei diesen Patienten, be- sonders bei Anwendung schnell anflutender und kurz wirksamer Formen in hoher Dosierung, die negativ ino- tropen Effekte und uner- wünschte gegenregulatori- sche Sympathikusaktivierun- gen nachteilig auf den Krank- heitsverlauf auswirken kön- nen.
Deshalb wird seit länge- rem auf die bevorzugte An- wendung von Nifedipin in langsamer anflutenden Dar- reichungsformen (Dragees, Filmtabletten, Nifedipin- Einmalgaben) in möglichst niedriger Dosierung (< 60 mg/die) hingewiesen. Sie führen im Unterschied zu Nifedipin in Kapselform oder als Tropfen zu einer langsameren Anflutung, ver- bunden mit einem verzöger- ten Erreichen und niedrige- ren Werten maximaler Plas- maspiegel und damit zu ins- gesamt geringeren Plasma- spiegelschwankungen im Be- handlungsverlauf. Das läßt weniger bis fehlende Gegen- regulationen und damit ein geringeres Nebenwirkungs- potential erwarten.
Das Ausmaß der kardia- len Sympathikusaktivierung wird deutlich vom pharmako-
kinetischen Verhalten beein- flußt. Es ist bei Dihydropyri- dinen mit kurzer Halbwerts- zeit und schneller Anflutung stärker ausgeprägt als bei Präparaten mit langsamer Anflutung und längerer Halb- wertszeit. So sind Studiener- gebnisse mit schnell anfluten- den und kurz wirksamen For- men nicht auf Präparate mit langsamer Anflutung und längerer Halbwertszeit (zum Beispiel Corinfar® retard oder Corinfar® uno, Arznei- mittelwerk Dresden) über- tragbar. Prof. Dr. J. Schmidt
A-2340 (78) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 37, 13. September 1996
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
Kalziumantagonisten
Wie Nifedipin sicher verordnet wird
Kurz informiert
Schering erwirbt Leiras- Gruppe – Schering hat von dem finnischen Unterneh- men Huhtamäki OY (Hel- sinki) für 466 Millionen DM die Leiras-Gruppe er- worben. Das Pharmaunter- nehmen mit Hauptsitz in Turku erforscht, produziert und vertreibt hauptsächlich Produkte der Onkologie, Gynäkologie und Augen- heilkunde. Schering, das die ophthalmologischen Arznei- mittel nicht übernimmt, will mit dem Erwerb von Leiras seine Produktpalette auf dem Gebiet der Fertilitäts- kontrolle und Hormonthera- pie erweitern. Leiras erzielte 1995 einen Umsatz von rund 280 Millionen DM und be- schäftigte über 1 300 Mitar- beiter. Die Geschäftstätig- keit liegt zur Zeit schwer- punktmäßig in den skandina- vischen Ländern.
Schiwa verkauft – Braun Melsungen übernimmt von der Fresenius AG, Bad Hom- burg, sämtliche Geschäftsan- teile der Schiwa GmbH, Glandorf. Für den Erwerb er- folgte bereits die Freigabe durch das Bundeskartellamt;
die Zustimmung des Braun- Aufsichtsrates steht noch aus.
Die Schiwa GmbH, ein be- deutender Anbieter auf dem Gebiet der Dialyse, wird in die Sparte Medizintechnik der B.-Braun-Gruppe einge- gliedert und behält ihren Fir- mensitz in Glandorf. Kl Die Bedeutung der
Gentechnik in der Pharmaindustrie wird in den kom- menden Jahren enorm zunehmen.
Diese Auffassung vertritt zumin- dest der Verband forschender Arz- neimittelhersteller (VfA). Experten schätzen, daß der Weltmarktanteil gentechnisch her- gestellter Arznei- mittel bis zum Jahr 2000 von derzeit sechs auf 16 Pro- zent steigen wird.