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Archiv "Medikamentöse Langzeitbehandlung des Ulcus pepticum" (09.01.1984)

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Aktuelle Medizin

3111111111111P

Zur Fortbildung

Medikamentöse

Langzeitbehandlung des Ulcus pepticum

Enno Hentschel

Aus der I. Medizinischen Abteilung

(Vorstand: Primarius Dr. med. Hubert Schindler) des Hanusch-Krankenhauses Wien

Neben der Akutbehandlung gewinnt die medikamentöse Rezidivprophylaxe beim pepti- schen Geschwür zunehmend an Bedeutung. Insbesondere die abendliche Einnahme ei- nes H 2-Blockers stellt eine Al- ternative zum chirurgischen Vorgehen dar, da weitgehen- de Nebenwirkungsfreiheit, ei- ne gute Compliance und ver- nünftige Kosten garantiert sind. Als Alternative zur Rezi- divprophylaxe mit H 2-Blok- kern gelten beim Zwölffinger- darmgeschwür Sucralfat und Pirenzepin. Beim Ulcus ventri- culi ist eine Rezidivprophylaxe nur mit H 2-Rezeptor-Antago- nisten wirksam. Die Frage ist, welche Folgen die langdau- ernde Reduktion der Säurese- kretion im Magen haben kann.

Ein Wachstum von Bakterien im Magen, verbunden mit ei- ner vermehrten Nitrosaminbil- dung, tritt nach jeder Art von Säurereduktion über ein pH von 4-5 auf. Nitrosamine ha- ben sich im Tierversuch als Karzinogene erwiesen. Ein Zu- sammenhang mit menschli- chen Tumoren ist zwar bisher nicht belegt, grundsätzlich aber nicht auszuschließen.

Bei 6- bis 8wöchiger Behandlung des akuten Geschwürs kann mit einer Heilung in 80 Prozent bis 90 Prozent der Fälle gerechnet wer- den. Nur mehr selten ist die Opera- tion wegen fehlender Heilungsten- denz indiziert.

Die Schwierigkeiten der Behand- lung haben sich vom akuten Ge- schwür zu den Rezidiven hin verla- gert. War bisher die Operation die einzig wirksame Rezidivprophyla- xe, so stehen jetzt auch konserva- tive Möglichkeiten zur Verfügung.

Diese Übersicht soll folgende Fra- gen behandeln:

Ist eine medikamentöse Rezidiv- prophylaxe der Ulkuskrankheit

In 13 doppelblind kontrollierten Studien (1, 2, 4, 10, 11, 12, 13, 15, 29, 30, 33, 34)*) rezidivierten unter 400-1000 mg Cimetidin pro Tag innerhalb eines Jahres 97 von 509 Patienten (19 Prozent), im Ver- gleich zu 352 von 515 Patienten (68,3 Prozent) unter Placebo. Der Unterschied ist statistisch hochsi- gnifikant.

In einer weiteren Studie mit Pa- tienten, die wegen der Schwere des Verlaufs bereits zur Operation vorgesehen waren, wurden unter 400 mg Cimetidin pro Tag wäh- rend eines Jahres 51,5 Prozent Re- zidive beobachtet. Die mit Placebo behandelte Kontrollgruppe mußte bereits nach einem halben Jahr

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Das akute Gastroduodenalulkus 3. > in der Praxis durchführbar stellt den behandelnden Arzt heu- (Compliance)? und

te nur mehr selten vor therapeuti- 4. > ökonomisch vertretbar?

sche Probleme. H 2-Rezeptor-Ant-

agonisten (Cimetidin [Tagamet®] 5. Es sollte versucht werden, dem und Ranitidin [Zantic®, heutigen Stand der Erfahrungen sowie Sucralfat (Ulcogant®), Pi- entsprechend, die Indikationen renzepin (Gastrozepin 13 ) und wei- abzugrenzen.

ter Antazida (z. B. Maalox 70®) mit hoher Neutralisationskapazität be-

schleunigen die Ulkusheilung und 1. Wirksamkeit den Rückgang der Schmerzen.

1.1.1. Cimetidin — Ulcus duodeni

1. > wirksam?

2. > sicher (frei von Nebenwir- kungen)?

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 112 vom 9. Januar 1984 (35) 25

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EDITORIAL

Ulkusrezidiv- prophylaxe — konservativ oder operativ?

Wolfgang Rösch

Seit der Einführung der H 2-Re- zeptor-Antagonisten in die The- rapie des peptischen Ge- schwürs, insbesondere aber seit Erfüllung des alten Wunschtraums der konservati- ven Therapie, Ulkusrezidive durch eine Dauermedikation wirksam zu verhindern, wird vor allem in Großbritannien dem Motto gehuldigt: "A tablet a day keeps the surgeon away".

Wie die Übersichtsarbeit von Hentschel jedoch zeigt, muß auch bei einer Langzeitbehand- lung, z. B. mit H 2-Blockern, mit einer jährlichen Rezidivrate von 20 Prozent bis 30 Prozent („break-through") gerechnet werden. Wie lange eine derarti- ge medikamentöse Ulkus- prophylaxe fortgeführt werden muß, ist derzeit noch ungewiß:

Langzeit-Verlaufsbeobachtun- gen an Ulkuspatienten in Groß- britannien machen es wahr- scheinlich, daß es bei der über- wiegenden Mehrzahl der Pa- tienten zu einem „Ausbrennen"

der Krankheit nach etwa 15 Jahren kommt. Individuelle Prognosen sind jedoch nicht möglich, wie der klinische All- tag mit Patienten, bei denen sich eine über 30 und mehr Jah- re erstreckende Ulkusana- mnese erheben läßt, zeigt.

Langzeitbehandlung des Ulcus pepticum

aufgelassen werden, da zu diesem Zeitpunkt bereits 71,5 Prozent der Patienten ein Rezidiv erlitten hat- ten (22).

1.1.2 Cimetidin - Ulcus ventriculi Es liegen 4 doppelblind kontrol- lierte einjährige Studien vor (14, 17, 18, 20). Unter 400-1000 mg Ci- metidin pro Tag rezidivierten 9 von 90 Patienten (10 Prozent), unter Placebo 54 von 93 Patienten (58 Prozent). Auch dieser Unterschied ist statistisch signifikant.

1.1.3. Kritische Wertung -Cimetidin Die Wirksamkeit von Cimetidin in der Rezidivprophylaxe des Ulcus duodeni et ventriculi ist gesichert und gut dokumentiert.

1.2.1. Ranitidin - Ulcus duodeni Von 279 Patienten aus 2 Studien rezidivierten in einem Jahr 70 (25 Prozent) (3, 8).

In einem direkten Vergleich zwi- schen 150 mg Ranitidin und 400 mg Cimetidin jeweils abends über ein Jahr eingenommen, fand sich in beiden Gruppen mit 25 Prozent eine identische Rezidivrate (16).

1.2.2. Ranitidin - Ulcus ventriculi In einer halbjährigen Doppelblind- studie war die Rezidivrate unter 150 mg Ranitidin 6,7 Prozent si- gnifikant niedriger als jene von 44 Prozent bei den Placebo-Patien- ten (6a). In einer offenen unkon- trollierten Studie wurden in einem Jahr 17 Prozent Rezidive unter Ra- nitidin gesehen (6a).

1.2.3. Kritische Wertung - Ranitidin Die Wirksamkeit der Rezidivpro- phylaxe mit Ranitidin entspricht der von Cimetidin, wenn dies auch bisher nur durch wenige Studien dokumentiert ist.

Auch die derzeit gängigen Ope- rationsverfahren, wie proxi mal selektive Vagotomie (psV) beim Ulcus duodeni und Billroth-l- Resektion beim Ulcus ventricu- li, sind nicht unproblematisch:

die kumulative Rezidivquote nach psV liegt bei 10 bis 15 Prozent, die resezierenden Ver- fahren sind mit der Spätkompli- kation des Magenstumpfkarzi- noms belastet. Prinzipiell muß festgehalten werden, daß ein Maximum an Heilungschance für die Ulkuskrankheit nur durch einen höheren operati- ven Aufwand (Morbidität und Letalität) erreicht werden kann.

Da medikamentöse Langzeit- therapie und Elektivoperation prinzipiell den gleichen Perso- nenkreis betreffen, bei dem we- gen rezidivierender Geschwü- re, abgelaufener Komplikatio- nen oder Komorbidität etwas getan werden muß, sollte die Entscheidung für das eine oder andere Verfahren in einem Ge- spräch zwischen Chirurgen und Internisten getroffen wer- den (3). Dabei muß nicht nur die Kostenfrage analysiert, son- dern auch auf mögliche Lang- zeitkomplikationen sowohl un- ter der medikamentösen als auch unter der operativen The- rapie eingegangen werden.

Der Leistungsvergleich zwi- schen konservativen und ope- rativen Verfahren kann sich bis- lang erst auf zwei kontrollierte Studien stützen, die zudem mit dem Fehler der kleinen Zahl be- lastet sind und dadurch auch zu durchaus unterschiedlichen

Ergebnissen gelangen. Ström und Mitarbeiter (4) behandelten 53 Ulcus-duodeni-Patienten 23 Monate lang mit 400 mg Cimeti- din nocte. Die Rezidivrate lag trotz der Dauermedikation bei 46,5 Prozent.

Von 39 proximal selektiv vago- tomierten Patienten entwickel- ten im Beobachtungszeitraum 18 Prozent ein Rezidivulkus, insgesamt 28,3 Prozent der Pa- tienten waren mit dem Ergebnis der Operation unzufrieden.

26 (36) Heft 1/2 vom 9. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

(3)

1.3.1. Pirenzepin — Ulcus duodeni auch, daß mit Rezidiven bezie-

hungsweise erneuten Ulkusbe- schwerden immer dann zu rechnen ist, wenn die Patien- tencompliance nachläßt.

Bei allen Überlegungen, ob konservativ oder operativ vor- gegangen werden soll, muß pri- mär berücksichtigt werden, daß es sich bei der Ulkuskrankheit um ein benignes, in Schüben verlaufendes Leiden handelt.

Im Einzelfall müssen Individual- faktoren und auch die Neigung des Patienten zu mehr aktivem oder abwartendem Vorgehen Eingang in die Entscheidung finden. Die Tendenz beim rezi- divierenden Magengeschwür geht heute eher in Richtung Operation; beim Ulcus duodeni scheint der Versuch einer medi- kamentösen Langzeitbehand- lung möglich, doch sollte der Patient auf die chirurgische Al- ternative aufmerksam gemacht werden. Ebenso sollte bei Rezi- diven unter einer Dauermedika- tion mit dem operativen Eingriff nicht gezögert werden.

Es könnte durchaus sein, daß der derzeitige Enthusiasmus über die Möglichkeiten der me- dikamentösen Ulkusrezidivpro- phylaxe schon bald einer Er- nüchterung weicht, wie uns dies unsere chirurgischen Kol- legen mit der Beurteilung der proximal selektiven Vagotomie schon vorexerziert haben.

Literatur beim Sonderdruck (zu beziehen über den Verfasser)

Professor

Dr. med. Wolfgang Rösch Medizinische Klinik am Krankenhaus Nordwest der Stiftung Hospital

zum Heiligen Geist Steinbacher Hohl 2-26 6000 Frankfurt 90

In 5 Studien (5, 7, 9, 25, 26a) rezidi- vierten unter einer Pirenzepin- Dauertherapie in einem Jahr 45 von 87 (52 Prozent) Patienten, im Vergleich zu 96 von 113 (85 Pro- zent) Placebo-Patienten. Bei zwei dieser Studien (5, 7) mit einer Pi- renzepindosis von 50 mg und 100 mg pro Tag war die Differenz zu- gunsten von Pirenzepin statistisch signifikant, während in den 3 an- deren Studien mit Dosen von 30 mg, 50 mg und 100 mg pro Tag vermutlich wegen der zu kleinen Fallzahlen keine überlegene Wir- kung gesichert werden konnte.

1.3.2. Pirenzepin Ulcus ventriculi Über eine Langzeittherapie des Ul- cus ventriculi mit Pirenzepin lie- gen keine Berichte vor.

1.3.3. Kritische Wertung

— Pirenzepin

Unter Pirenzepin treten weniger Rezidive des Ulcus duodeni auf als unter Placebo. Für einen stati- stisch signifikanten Unterschied ist bei einem Teil der Studien die Fallzahl zu klein. Verglichen mit den H 2-Rezeptor-Antagonisten scheint Pirenzepin in der Tendenz etwas schwächer wirksam zu sein.

Eine Wirksamkeit beim Ulcus ven- triculi ist nicht belegt.

1.4.1. Sucralfat Ulcus duodeni In 4 Studien rezidivierten unter ei- ner Sucralfatdosis von 1, 2, 2,5 und 3 Gramm im Zeitraum von 6 Monaten 26 von 121 (21 Prozent) Patienten. In den Kontrollgruppen erlitten 61 von 109 (56 Prozent) Patienten ein Rezidiv. In allen vier Studien war der Unterschied signi- fikant (6, 19, 21, 26). Zwei der vier Studien wurden auf ein Jahr aus- gedehnt. Nach 12 Monaten Sucral- fattherapie mit 2,5 g (26), bzw. 1 g oder 2 g (21) waren 44 Prozent bzw. 47 Prozent Rezidive aufgetre- ten, im Vergleich zu 82 Prozent Gear (1) kommt in einer ähnlich

angelegten Studie zu dem Schluß, daß bei einer Rezidiv- quote unter einer 1- bis 4jähri- gen H 2-Blocker-Therapie von 54 Prozent jedem Patienten frühzeitig die Vagotomie mit ei- ner Rückfallquote von nur 10 Prozent angeboten werden sollte.

Alle bislang gemachten Ausfüh- rungen beziehen sich mehr oder weniger ausschließlich auf das Zwölffingerdarmgeschwür.

Beim Ulcus ventriculi gilt nach wie vor, daß jedes Geschwür, das nicht innerhalb von 3 Mo- naten unter einer adäquaten medikamentösen Behandlung abgeheilt ist, reseziert werden sollte, da die endoskopisch bioptische Sicherung eines ex- ulzerierten Karzinoms durch- aus problematisch sein kann.

Bei mehr als zwei Rezidiven pro Jahr und bei vorausgegange-

nen Komplikationen ist eben- falls die Indikation zur Magen- teilresektion gegeben.

Eine Langzeittherapie als Alter- native zur proximal selektiven Vagotomie ist bei häufig rezidi- vierenden Ulcera duodeni, bei vorausgegangenen Komplika- tionen (Blutung oder Perfora- tion) und insbesondere bei schweren Grundkrankheiten wie Niereninsuffizienz, Zustand nach Nierentransplantation, Le- berzirrhose, chronischer pul- monaler Insuffizienz und Herz- klappenfehler zu diskutieren.

Daß das Prinzip der konservati- ven Langzeitbetreuung effektiv ist, zeigt eine Studie von Gray und Mitarbeitern (2). Während eines Beobachtungszeitraums von 5 Jahren konnte 60 Prozent von ursprünglich 50 Patienten, bei denen ein Elektiveingriff vorgesehen war (in einem Drit- tel der Fälle wegen Ulkuskom- plikationen) die Operation er- spart werden. Sie zeigt aber

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 1/2 vom 9. Januar 1984 (39) 27

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Langzeitbehandlung des Ulcus pepticum

und 90 Prozent in den Kontroll- gruppen. Auch diese Unterschiede waren signifikant.

1.4.2. Sucralfat — Ulcus ventriculi In den zwei bisher durchgeführten Untersuchungen konnte die Rate der Rezidive beim Ulcus ventriculi durch Sucralfat nicht signifikant gesenkt werden (6, 19).

1.4.3. Kritische Wertung — Sucralfat Beim Ulcus duodeni kann eine re- zidivprophylaktische Wirkung von Sucralfat als gesichert gelten. Bis- her wurden uneinheitliche Tages- dosen verwendet. Eine Dosis von 2 x 1 g pro Tag dürfte wirksam und praktikabel sein. Auch Sucralfat scheint, verglichen mit H 2-Rezep- tor-Antagonisten, in der Tendenz etwas schwächer wirksam zu sein.

Beim Ulcus ventriculi ist der Wirk- samkeitsnachweis bisher nicht ge- lungen.

Dem niedergelassenen Arzt müs- sen die in den angeführten Stu- dien registrierten Rezidivraten un- gewöhnlich hoch erscheinen. Es muß jedoch bedacht werden, daß es sich um Meßzahlen handelt, die unter den artifiziellen Bedingun- gen einer klinischen Prüfung ent- stehen. Die routinemäßigen endo- skopischen Kontrollen nach 6 und 12 Monaten decken rund 25 Pro- zent asymptomatische Rezidive auf. Berücksichtigt man weiter, daß rund ein Viertel der sympto- matischen Rezidive mit so leichten Beschwerden einhergehen, daß außerhalb einer klinischen Prü- fung gar keine Gastroskopie ge- macht würde, so reduziert sich die Zahl der Rezidive mit behand- lungsbedürftigen, relevanten klini- schen Symptomen auf etwa die Hälfte.

Das bedeutet in den Placebogrup- pen statt 80 Prozent bis 90 Prozent Rezidive nur mehr 40 Prozent bis 50 Prozent und bei den prophylak- tisch behandelten Patienten statt 20 Prozent bis 40 Prozent Rezidive

nur mehr 10 Prozent bis 20 Pro- zent pro Jahr. Diese Zahlen lassen sich mit den Erfahrungen der Pra- xis aber durchaus in Einklang bringen.

1.5. Zusammenfassung — Wirksamkeit

Eine rezidivprophylaktische Wir- kung von H 2-Rezeptor-Antagoni- sten, Pirenzepin und Sucralfat kann beim Ulcus duodeni als gesi- chert gelten. Beim Vergleich der prozentuellen Rezidivraten be- steht eine Tendenz zur größeren Wirksamkeit der H 2-Rezeptor-Ant- agonisten. Beim Ulcusventriculi ist eine Rezidivprophylaxe nur mit H2- Rezeptor-Antagonisten wirksam.

2. Sicherheit — Nebenwirkungen Sieht man von einem geringen Prozentsatz bedrohlicher Kompli- kationen ab, ist die Ulkuskrankheit ein gutartiges Leiden, dessen The- rapie keine wesentlichen Neben- wirkungen aufweisen darf.

2.1. H 2-Rezeptor-Antagonisten Eine antiandrogene Wirkung von Cimetidin kann bei Dosen über 1 g pro Tag mit einer Häufigkeit im Promillebereich auftreten. Bei ei- ner Dosis von 400 mg abends auch über längere Zeit wurde eine Stö- rung der Sexualfunktion nicht be- obachtet. Verwirrtheitszustände bei alten Patienten mit Leber- und Nierenfunktionsstörungen wurden vereinzelt bei therapeutischen, nicht aber bei prophylaktischen Dosen beobachtet. Beide Neben- wirkungen sind von Ranitidin in noch geringerem Ausmaß zu er- warten. Eine Hemmung des hepa- tischen Abbaues verschiedener Medikamente, wie Diazepam (zum Beispiel Valium®), Propranolol (zum Beispiel Inderal®), und von Cumarinderivaten (zum Beispiel Marcumar®) muß bei Cimetidin, nicht aber bei Ranitidin berück- sichtigt werden. Alle bisher ange- führten Nebenwirkungen sind

sehr selten und reversibel, so daß sie kein Argument gegen eine Langzeitprophylaxe darstellen.

Wichtiger ist die Frage, welche Folgen die langdauernde Reduk- tion der Säuresekretion im Magen selbst nach sich zieht. Ein Wachs- tum von Bakterien im Magen, ver- bunden mit einer vermehrten Ni- trosaminbildung, tritt nach jeder Art von Säurereduktion über ein pH von 4-5 auf. Nitrosamine ha- ben sich im Tierversuch als Karzi- nogene erwiesen. Ein Zusammen- hang mit menschlichen Tumoren ist bisher nicht belegt, aber auch nicht auszuschließen. Eine bakte- rielle Besiedlung des Magens, so- wie erhöhte Spiegel von Nitriten und N-Nitroso-Verbindungen wur- den unter Cimetidintherapie nach- gewiesen (24, 27, 28) und sind auch für Ranitidin anzunehmen.

Es erscheint daher berechtigt, ei- ne vorsichtige Haltung einzuneh- men und die dauernde hochgradi- ge Reduktion der Säureproduk- tion vorläufig als Gefahrenquelle zu betrachten.

2.2. Pirenzepin

Anticholinerge Nebenwirkungen treten bei einer Dosis von 100 mg pro Tag in knapp 10 Prozent auf.

Diese Nebenwirkungen sind zwar harmlos, aber unangenehm und die Patientenakzeptanz wird da- durch beeinträchtigt. Ob durch Säuresekretionshemmung mit Pi- renzepin ebenfalls die Probleme der Nitrosaminbildung entstehen, ist noch nicht ausreichend unter- sucht.

2.3. Sucralfat

Sucralfat wird nicht resorbiert, sy- stemische Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Auch das intraga- strische Milieu wird nicht verän- dert. 1 Prozent bis 2 Prozent der Patienten geben Obstipation an.

Von seiten der Nebenwirkungen besteht kein Einwand gegen eine Langzeittherapie mit Sucralfat.

28 (40) Heft 1/2 vom 9. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

(5)

2.4. Zusammenfassung- Sicherheit Subjektiv spürbare Nebenwirkun- gen spielen nur bei Pirenezepin eine Rolle. Bedenken gegen die Veränderung des intragastrischen Milieus durch sekretionshemmen- de Pharmaka sind berechtigt, sie treffen aber in noch stärkerem Ma- ße für die alternativen, operativen Behandlungsformen zu, die eine dauernde und irreversible Vermin- derung der Magenazidität mit al- len oben erwähnten potentiellen Folgen bewirken. Sucralfat hat das günstigste Nebenwirkungs- profiL

3. Praktische Durchführbarkeit Eine wirksame Langzeitprophyla- xe der Ulkuskrankheit muß leicht durchführbar sein. Die Einnahme von 1 Tablette

a

400 mg Cimetidin oder 1 Tablette

a

150 mg Ranitidin vor dem Schlafengehen wird bei regelmäßiger Lebensweise selten vergessen. Bei der Einnahme von je 50 mg Pirenzepin zum Früh- stück und zum Abendessen kann durch die Bindung an die Mahlzeit ebenfalls mit einer guten Com- pliance gerechnet werden. Die Auflage, Sucralfat nicht kürzer als eine Stunde vor oder nach der Mahlzeit einzunehmen, stellt hö- here Anforderungen an die Com- pliance des Patienten. Die Einnah- me von je 1 g Sucralfat unmittel- bar nach dem Aufstehen und vor dem Schlafengehen wird bei den meisten Berufstätigen am Morgen schwer einzuhalten sein. Auch die Einnahme der ersten Dosis eine Stunde vor dem Mittagessen be- deutet in der Praxis einen Nachteil gegenüber einer an fixe Unterbre- chungen des Tagesablaufs gebun- denen Medikamenteneinnahme.

3.1. Zusammenfassung - Durchführbarkeit

Mit der besten Compliance ist bei der einmaligen Einnahme eines H2-Rezeptor-Antagonisten vor dem Schlafengehen zu rechnen.

Die an die Mahlzeit gebundene

Einnahme von Pirenzepin ist leich- ter einzuhalten als die zwischen den Mahlzeiten erfolgende Ein- nahme von Sucralfat.

4. Kosten

Bei einer gut begründeten Indika- tion, wie z. B. häufigen Ulkusrezi- diven und hohem Operationsrisiko tritt die Frage nach den Behand- lungskosten in den Hintergrund.

Wenn allerdings die Langzeitthe- rapie als Alternative zu den bishe- rigen Strategien der Ulkusthera- pie, nämlich zur alleinigen wieder- holten Schubbehandlung oder zur Operation zur Debatte steht, müs- sen auch die Kosten berücksich- tigt werden.

Laut Apothekenverkaufspreis der Roten Liste betragen die Tages- therapiekasten einer Langzeitthe- rapie mit 400 mg Cimetidin DM 2,43, mit 150 mg Ranitidin DM 3,40, mit 2 x 50 mg Pirenzepin DM 1 ,30 und mit 2 x 1 g Sucralfat DM 1 ,83. Die Jahrestherapiekosten lie- gen mit somit zwischen 474,50 DM beim billigsten und 1241 DM beim teuersten Präparat. Nimmt man die Kosten für Operation, Hospita- lisation und Rekonvaleszenz bei einer Vagotomie ohne postopera- tive Komplikationen mit rund 9000 DM an (31), so isteine mehrjährige medikamentöse Langzeittherapie möglich, bevor die Operationsko- sten erreicht werden.

Zieht man zum Kostenvergleich die alleinige Therapie des akuten Schubes ohne Rezidivprophylaxe heran, so ist bei zwei schmerzhaf- ten Rezidiven pro Jahr mit minde- stens zwei bis vier Wochen Kran- kenstand zu rechnen, vorausge- setzt der Patient kehrt sofort nach Abklingen der Schmerzen zum Ar- beitsplatz zurück.

Die volkswirtschaftlichen Kosten von einer Woche Krankenstand werden mit DM 633,- angegeben

(32), so daß die Langzeittherapie

im Vergleich dazu die Gesamtko- sten der Ulkuskrankheit eher senkt.

4.1. Zusammenfassung - Kosten Eine streng indizierte medikamen- töse Langzeitrezidivprophylaxe dürfte die Kosten der Ulkuskrank- heit eher senken. Volkswirtschaft- liche Unkosten sind durch eine medizinisch nicht indizierte Dau- ermedikation zu befürchten. Die Kosten stellen jedenfalls kein gewichtiges Argument pro oder kontra Langzeittherapie dar und sollten die Indikationsstellung nicht beeinflussen.

5. Indikationen

5.1. Normales Operationsrisiko Bei Patienten, die ein- bis zweimal pro Jahr oder seltener Ulkusattak- ken haben, hat die Langzeitthera- pie keinen Platz, da das Medika- ment über viele Monate gegeben würde, in denen auch ohne Thera- pie keine Beschwerden bestün- den. Bei diesen Verlaufsformen, die den Hauptteil der Ulkuspatien- ten ausmachen, ist die prompte Therapie des akuten Schubes das rationellere Vorgehen.

Treten zwei oder mehr Rezidive pro Jahr mit kurzem Intervall auf, so stellt die Langzeittherapie eine Alternative zur Operation dar. Wel- che Therapieform für den indivi- duellen Patienten die bessere ist, läßt sich nicht vorhersagen, da der Spontanverlauf beim einzelnen Patienten nicht bekannt ist. Die folgenden Argumente sollen zur Entscheidungstindung beitragen.

..,.. Für eine medikamentöse Langzeittherapie spricht:

[> Über die untersuchten Zeiträu-

me von ein bis zwei Jahren sind bisher keine nennenswerten Ne- benwirkungen aufgetreten.

[> Zumindest bei einzelnen Pa-

tienten kann während der Lang-

zeitprophylaxe versucht werden,

ulzerogene Noxen, wie Nikotin- abusus, Nacht- und Schichtarbeit,

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 1/2 vom 9. Januar 1984 (43) 29

(6)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Langzeitbehandlung des Ulcus pepticum

berufliche und familiäre Bela- stungssituationen u. a. m. abzu- bauen.

> Selbst beim Entschluß zur Ope- ration kann der Zeitpunkt flexibel gewählt werden.

> Nach Absetzen der Langzeitthe- rapie kann der Spontanverlauf ab- gewartet werden. Bei Abnahme der Rezidivneigung hat man dem Patienten die Operation erspart, bei neuerlichen Rezidiven kann ei- ne weitere Periode der Dauerthe- rapie oder die Operation ange- schlossen werden.

> Die Operation ist mit einer Leta- lität von 0,5 Prozent bei der Vago- tomie und 1 Prozent bis 2 Prozent bei einer Resektion, weiter mit

• Hospitalisierung und Rekonva- leszenz sowie mit

• eventuellen postoperativen Fol- gezuständen, wie Dumping, Durchfällen u. a. m. behaftet.

> Für eine Operation spricht:

• Rezidive werden sicherer ver- hütet als durch die medikamentö- se Langzeitprophylaxe. 15 Prozent Rezidive nach einer Vagotomie in 5 Jahren stehen 20 Prozent bis 40 Prozent Relidive während der Langzeittherapie in einem Jahr ge- genüber.

• 80 Prozent der Patienten sind auf Dauer ganz oder weitgehend beschwerdefrei.

> Die Nebenwirkungen einer mehrjährigen medikamentösen Dauertherapie sind noch nicht ausreichend erforscht.

> Eine konservative Therapie des Ulcus duodeni „um jeden Preis"

endet möglicherweise öfter in ei- ner Bulbusstenose, die eine Re- sektion statt der adäquateren Va- gotomie erzwingt.

> Beim Ulcus ventriculi kann ein bestehendes oder sich entwik-

kelndes Karzinom bei medikamen- töser Langzeittherapie übersehen werden, besonders wenn die er- forderliche endoskopisch-biopti- sche Diagnostik mit Kontrollen nicht lege artis durchgeführt wird.

> Die insbesondere beim Ulcus ventriculi eher kurzfristig notwen- digen endoskopischen Kontrollen entfallen.

Eine Dauermedikation mit stän- diger Bindung an ärztliche Kon- trollen ist generell kein wün- schenswerter Zustand.

Medikamentöse Langzeitprophy- laxe und Operation schließen ein- ander nicht von vornherein aus.

Eine befristete Langzeittherapie über ein Jahr, auch mit Wiederho- lungen, schadet dem Patienten mit großer Wahrscheinlichkeit nicht. Ob sich dabei langfristig Operationen erübrigen, müssen erst künftige Untersuchungen nachweisen.

5.2. Erhöhtes Operationsrisiko Auch bei erhöhtem Operationsrisi- ko — Zweitkrankheit, Multimorbidi- tät, hohes Alter — ist eine Langzeit- prophylaxe nur indiziert, wenn auf Grund einer bekannten Ulkusana- mnese durch weitere Rezidive ei- ne Gefährdung des Patienten zu erwarten ist.

> Wenn frühere Rezidive mit Komplikationen einhergegangen sind

> Wenn durch die Zweitkrankheit selbst (Leberzirrhose, Niereninsuf- fizienz) oder durch

> therapeutische Maßnahmen (Antirheumatika, Steroide, Anti- koagulantien) mit einer erhöhten Ulkusdiathese oder komplizierten Rezidiven zu rechnen ist.

Entscheidend für eine Langzeit- prophylaxe muß die positive UI- kusanamnese des Patienten sein.

Es besteht keine Veranlassung, je- den Rheuma-, Leber- oder Nieren-

patienten routinemäßig einer UI- kusprophylaxe zu unterziehen.

6. Erforderliche Kontrollen Eine Langzeittherapie darf erst nach gesicherter Abheilung des Ulkus erfolgen. Wird die Prophy- laxe beim Ulcus duodeni über ein Jahr ausgedehnt, scheint es rat- sam, jährliche endoskopische Kontrollen durchzuführen, um bis- her nicht bekannte Folgen einer langdauernden Säuresuppression zu erfassen. Die Möglichkeit, daß bei einem Ulcus ventriculi, trotz mehrfacher Biopsien bei der Dia- gnose und den Abheilungskon- trollen, ein Magenkarzinom nicht erfaßt wird, muß zu einer beson- ders strengen Indikationsstellung und zu halbjährlichen endosko- pisch-bioptischen Kontrollen füh- ren. Sind diese aus organisa- torischen Gründen oder wegen mangelnder Patientencompliance nicht gewährleistet, sollte von ei- ner Langzeittherapie abgesehen werden.

Literatur

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83 (1983) 61-68— DiMario, F.; Albano, 0., et al.:

Ranitidine in long-term duodenal ulcer treat- ment. Digestion 24 (1982) 260-263— Eichinger, P. M.; Giger, M.. et al.: Behandlung und Rezi- divprophylaxe des Ulcus duodeni mit Pirenze- pin und Cimetidin, Schweiz. med. Wschr. 112 (1982) 25-30 — Machel, R. J.; Ciclitira, P. J., et al.: Maintenance cimetidine in the prevention of gastric ulcer relapse, Lancet 1 (1979) 663 — Massarrat, S.; Heuser, E. et al.: Langzeitpro- phylaxe des Ulcus duodeni mit Cimetidin, DMW 107 (1982) 1085-1088 — Milton-Thomp- son, G. J.; Ahmet, Z., et al.: lntragastric acidity, bacteria, nitrite and N-nitrosocompounds be- fore, during and after cimetidine treatment, Lancet 1 (1982) 1091-1095 — Sonnenberg, A.;

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Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Enno Hentschel I. Medizinische Abteilung des Hanusch-Krankenhauses Heinrich-Collin-Straße 30 A-1140 Wien

30 (44) Heft 1/2 vom 9. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

Referenzen

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Die Letalität nach Resektionen wegen kompli- zierter Ulcera betrug 5,2 Prozent gegenüber 0 Prozent nach trunku- lärer Vagotomie. Die Rezidivrate allerdings lag mit 5,5 Prozent

Wenn ein Kind durch Schmerz- äußerung eine negative oder gar keine Reaktion hervorruft, wird es bei gleich starken Schmerzen kaum klagen, da es nichts Gutes

„daß bei einer Langzeitbehand- lung mit Cimetidin, nicht aber mit Ranitidin, die Hemmung des he- patischen Abbaus verschiedener Medikamente wie Diazepam (zum Beispiel

Empfehlenswert ist die Resektion auch beim Ulcus ventriculi, beson- ders beim Typ I nach Johnson, der 60 Prozent aller Fälle ausmacht.. Denn die Resektion