• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Frühe Embryonalentwicklung – komplexer als vermutet" (05.09.2003)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Frühe Embryonalentwicklung – komplexer als vermutet" (05.09.2003)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

M E D I Z I N

A

A2296 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 365. September 2003

S

eit über 100 Jahren haben wir eine schlüssige Theorie der Vererbung.

Wie bei allen höheren Organismen ist die genetische Information beim Men- schen auf den beiden homologen Chro- mosomen doppelt vorhanden. Dieser di- ploide Zustand wird in den Keimzellen in eine Haploidie reduziert. Durch die Ver- schmelzung der jeweils haploiden Ei- und Samenzelle entsteht die wiederum diploide Zygote. Nach überkommener Vorstellung sind — mit Ausnahme der Geschlechtschromosomen — die Chro- mosomen väterlicher und mütterlicher Herkunft funktionell gleichwertig, das heißt die Gene auf den homologen Chro- mosomen werden in gleicher Weise ex- primiert. An dieser Annahme wird seit einiger Zeit gerüttelt.

Wie der Humangenetiker Thomas Haaf in dem folgenden Beitrag darstellt, weisen immer mehr Befunde darauf hin, dass die beiden elterlichen Genome tatsächlich nicht äquivalent sind. Viel- mehr sind das von Vater und Mutter in die Zygote gelangte Genom in bestimm- ten Abschnitten in unterschiedlicher Weise „geprägt“. Die Prägung (Imprin- ting) besteht in einer Methylierung be- stimmter Cytosinbasen im Erbmolekül DNA. Dadurch wird die Transkription, das heißt die Realisierung der geneti- schen Information, blockiert. Die im Prinzip reversiblen Methylierungsmu- ster von Genen haben entscheidende Be- deutung für die Regulierung der Genak- tivität in verschiedenen Geweben, wahr- scheinlich auch für die Krebsentstehung.

Die funktionelle Modifikation der Gen- aktivität durch Methylierung wird als Epigenetik bezeichnet.

Innerhalb eines Gewebes wird das Methylierungs- und damit das Aktivie- rungsmuster der Gene über die Mitosen, das heißt über die Zellgenerationen wei- tergegeben. Dadurch wird erreicht, dass sich zum Beispiel die Zellen von Leber, Niere, Herz und anderen in der Genakti-

vierung unterscheiden, das Muster inner- halb eines Organs aber immer gleich bleibt. Wie ist es aber in der frühen Em- bryonalentwicklung? In den ersten Tei- lungsstadien sind die Zellen des Embryo noch totipotent. Da die Ei- und Samen- zellen in geschlechtsspezifischer Weise geprägt sind, ist eine Reprogrammierung des embryonalen Genoms erforderlich.

Der Prozess der Modifikation der Gen- aktivität, insbesondere dessen Regulie-

rung, ist bisher bestenfalls ansatzweise verstanden. Allerdings wirft die Beob- achtung verschiedener Störungen ein Schlaglicht auf die epigenetische Regu- lierung der Genaktivität.

Uniparentale Disomie

Die unterschiedliche Wertigkeit der el- terlichen Genome wird besonders deut- lich, wenn ein Kind infolge von Vertei- lungsstörungen der Chromosomen beide Partner eines Chromosomenpaars von einem Elternteil erhalten hat. Man be- zeichnet dieses Phänomen als uniparen-

tale Disomie (UPD). Die Chromosomen eines Paares sind zytogenetisch oft nicht zu unterscheiden. Mit molekulargeneti- schen Markern lässt sich jedoch feststel- len, welches der beiden Chromosomen von welchem Elternteil kommt. Sowohl die maternale als auch die paternale UPD bestimmter Chromosomen ist mit spezifischen angeborenen Syndromen verbunden. Es ist bemerkenswert, dass uniparentale Disomien verschiedener Chromosomen zu einer Wachs- tumsretardierung führen (3).

Die in den betreffenden chro- mosomalen Regionen gelege- nen Gene beeinflussen vermut- lich das Wachstum, und die Steuerung ihrer Expression ist beeinträchtigt, wenn nicht bei- de elterlichen Genkopien vor- handen sind.

Reprogrammierung als komplexer Prozess

Die Erzeugung des Klonschafs Dolly, das durch den Transfer einer somatischen Zelle in ei- ne zuvor entkernte Eizelle entstanden ist, gelang einmal in 277 Versuchen.

Auch bei anderen Spezies blieb die Er- folgsrate außerordentlich gering. Die für eine geordnete Embryogenese er- forderliche Reprogrammierung ist of- fenbar ein höchst sensibler, experimen- tell nicht kontrollierbarer Prozess.

Es ist schon länger bekannt, dass Kinder, deren Konzeption durch In- vitro-Fertilisation (IVF) oder intrazyto- plasmatische Spermieninjektion (ICSI) zustande gekommen ist, ein unterdurch- schnittliches Geburtsgewicht haben.

Mehrere Beobachtungen aus jüngster Zeit lassen es möglich erscheinen, dass auch spezifische angeborene Syndro- me, die Folge von Imprintingstörungen sind, nach IVF/ICSI gehäuft auftreten

Frühe Embryonalentwicklung – komplexer als vermutet

Peter Propping Editorial

Institut für Humangenetik (Direktor: Prof. Dr. med. Peter Propping), Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

(2)

(1, 2, 5, 7). Ein Zusammenhang mit Re- programmierungsstörungen ist gut vor- stellbar, wie auch aus Tierexperimenten hervorgeht (8).

Wenigstens 1 Prozent aller jährlich in Deutschland Neugeborenen — im Jahre 2001 mindestens 7 062 — werden durch extrakorporale Befruchtung gezeugt (6).

25 Jahre nach der Geburt von Louise Brown, dem ersten durch IVF entstande- nen Kind, ist jetzt die wissenschaftliche Medizin gefordert (4). Es ist Thomas Haaf unbedingt zuzustimmen, dass für die Abschätzung eines epigenetischen Risikos bei Kindern, die durch IVF/ICSI entstanden sind, Langzeitstudien drin- gend erforderlich sind.

Manuskript eingereicht: 10. 6. 2003, angenommen:

11. 6. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 2296–2298 [Heft 36]

Literatur

1. Cox GF, Burger J, Lip V, Mau UA, Sperling K, Wu BL, Horsthemke B: Intracytoplasmatic sperm injection may increase the riks of imprinting defects. Am J Hum Genet 2002; 71: 162–164

2. DeBaun MR, Niemitz EL, Feinberg AP: Association of in vitro fertilization with Beckwith-Wiedemann syndrome and epigenetic alterations of LIT1 and H19.Am J Hum Ge- net 2003; 72: 156–160.

3. Eggermann T, Zerres K: Eggermann K, Moore G, Woll- mann HA: Uniparental disomy: clinical indications for testing in growth retardation. Eur J Pediatr 2002; 161:

305–312.

4. Kurinczuk JJ: From theory to reality – just what the data telling us about ICSI offspring health and future fertility and should we be concerned? Hum Reproduction 2003;

18: 925–931.

5. Maher ER, Brueton LA, Bowdin SC, Luharia A, Cooper W, Cole TR, Macdonald F, Sampson JR, Barratt CL, Hawkins MM: Beckwith-Wiedemann syndrome and assisted re- production technology (ART). J Med Genet 2003; 40:

62–64.

6. Nationaler Ethikrat: Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft. Stellungnahme, Berlin 2003.

7. Orstavik KH, Eiklid K, van der Hagen CB, Spetalen S, Kie- rulf K, Skjeldal O, Buiting K: Another case of imprinting defect in a girl with Angelman syndrome who was con- ceived by intracytoplasmatic semen injection. Am J Hum Genet 2003; 72: 218–219.

8.Young LE, Fernandes K, McEvoy TG, Butterwith SC, Gut- ierrez CG, Carolan C, Broadbent PJ, Robinson JJ,Wilmut I, Sinclair KD: Epigenetic change in IGF2R is associated with fetal overgrowth after sheep embryo culture. Nat Genet 2001; 27: 153–154.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Peter Propping Institut für Humangenetik

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Wilhelmstraße 31

53111 Bonn

M E D I Z I N

A

A2298 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 365. September 2003

In den meisten Kliniken wird eine Notfall-Sklerotherapie bei der Öso- phagusvarizenblutung als Therapie der ersten Wahl eingesetzt, auch wenn vasoaktive Medikamente zu einem Blutungsstillstand führen.

Die Autoren aus Palermo berichten über eine Metaanalyse von Publika- tionen, die in den Jahren von 1968 bis 2002 veröffentlicht wurden. In den analysierten Studien wurde die Skle- rotherapie mit Vasopressin, Terlipres- sin, Somatostatin oder Octreotid bei der Ösophagusvarizenblutung vergli- chen.

Bei der Auswertung zeigte sich, dass die Sklerotherapie einer medikamen- tösen Therapie mit Terlipressin, So- matostatin oder Octreotid bezüglich Blutstillung, Rezidivblutungsrate, er- forderlichen Bluttransfusionen, uner- wünschten Wirkungen und Mortalität nicht überlegen war.

Die Autoren unter der Leitung von Dr. D’Amico kommen zu dem Schluss,

dass bei der Ösophagusvarizenblu- tung durch vasoaktive Substanzen ei- ne Kontrolle der Blutung in 83 Pro- zent erzielt werden kann. Eine endo- skopische Behandlung sollte dann zum Einsatz kommen, wenn es nicht ge- lingt, eine pharmakologische Blutstil- lung zu erreichen.

Außerhalb der üblichen Dienstzei- ten, also während der Nacht oder am Wochenende sollte deshalb primär ein konservativer Therapieversuch mit Terlipressin, Somatostatin oder Oc- treotid unternommen werden, gefolgt von einer Sklerotherapie (oder einer Gummibandligatur) im blutungsfrei- en Intervall oder bei Therapieversa-

gern. w

D'Amico G, Pietrosi G, Tarantino I et al.: Emergency sclerotherapy versus vasoactive drugs for variceal bleed- ing in cirrhosis: a cochrane meta-analysis. Gastroente- rology 2003; 124: 1277–1291.

Dr. G. D'Amico, Department of Medicine, Ospedale V Cervello, Via Trabucco 180, 90146 Palermo. Italien.

E-Mail: gedamico@libero.it

Endoskopische oder medikamentöse Therapie der Ösophagusvarizenblutung?

Referiert

Viele Patienten nehmen nach einem üppigen Abendmahl mit Alkoholkon- sum prophylaktisch Magenmedika- mente ein.

Die Autoren berichten über eine randomisierte doppelblinde placebo- kontrollierte Studie, die den Einfluss der Einnahme von 30 mg Lansoprazol vor einem voluminösen Mahl mit Al- koholkonsum analysieren sollte. Stu- dienteilnehmer waren Haus- und Krankenhausärzte (n = 56) mit einem Durchschnittsalter von 38 Jahren. Et- wa 90 Minuten vor der provokativen Mahlzeit nahmen die Teilnehmer ent- weder ein Placebo oder 30 mg Lanso- prazol ein, der Alkoholkonsum wurde an Hand von verbrauchten roten (al- koholische Getränke) und blauen (al- koholfreie Getränke) Gutscheinen re- gistriert. Der durchschnittliche Alko- holverbrauch lag bei 15 Einheiten à 10

bis 25 mL Alkohol. Über signifikante Refluxsymptome klagten 40 Prozent der Probanden. Bei den Gesamtteil- nehmern bestand bezüglich Reflux- symptomen kein Unterschied zwi- schen den Probanden, die Lansoprazol und denen die Placebo eingnommen hatten.

Lediglich in der Gruppe der Pro- banden, die während des Versuches mehr als 15 Einheiten Alkohol zu sich genommen hatten, lag unter dem Pro- tonenpumpenblocker die Rate an Sodbrennen mit 33 Prozent signifikant niedriger als unter Placebo mit 73 Pro-

zent. w

O'Leary C, McCarthy J, E Quigley et al.:The prophylactic use of a proton pump inhibitor before food and alcohol.

Aliment Pharmacol Ther 2003; 17: 683–686.

Prof. Dr. E. Quigley, Department of Medicine, Clinical Science Building, Cork University Hospital, Wilton Cork, Irland,E-Mail: e.quigley@ucc.ie

Prophylaktische Einnahme von PPI meist ohne Effekt

Referiert

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Description: Call for Submissions: "The Civil Rights Movement and Historical Memory" We invite submissions of articles for an anthology on historical memory and the civil

„Die Behandlung mit pfl anz- lichen Arzneimitteln wird auch in den nächsten Jahrzehnten eine große Rolle spielen. Mög- licherweise wird sich der Schwerpunkt von der ärztlichen

Mehrere Untersuchungen deuten darauf hin, daß diese Männer eine größere Anfälligkeit für psychische Erkrankungen unspezifischer Art zeigen und — wie es auch der Fall bei

• Verhindert eine Korrektur der biochemischen Veränderungen bei der Mutter eine fetale Schädigung.. wurden in der bisher publizierten Li- teratur

Dennoch sind Analogbildungen ausschließlich nach Gesichtspunkten techni- scher Vergleichbarkeit, zum Beispiel weil dieselben Gerä- te eingesetzt werden, oder auf- grund

Idealerweise sollte deshalb die gleichwertige Lei- stung aus demselben Ab- schnitt der GOÄ entnommen werden, dem die analog zu be- wertende Leistung zuzurech- nen ist – so

(21) einen vom mütterlichen Alter unabhän- gigen väterlichen Alterseffekt auf- zeigten, konnte dieser in anderen Untersuchungen nicht oder, wenn vorhanden, ohne statistische

Signifikante Un- terschiede ergaben sich zwischen bei- den Präparaten nicht, die Rezidivrate lag unter Mesalazin bei 11,3 Prozent und unter Mutaflor bei 16,0 Prozent..