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Archiv "Mikroalbuminurie: Frühwarnsystem für den nierenkranken Diabetiker" (25.04.2003)

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as Auftreten einer Mikroalbumin- urie markiert einen Wendepunkt im Leben des diabetischen Patien- ten. Neben einer erhöhten kardiovas- kulären Mortalität zeigt die Mikroalbu- minurie auch ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer diabetischen Nephro- pathie an. Die diabetische Nephropathie ist heute in allen westlichen Ländern Hauptursache für die chronische Dia- lysepflichtigkeit geworden. Mikroalbu- minurie bedeutet eine geringfügige Er- höhung der Urin-Albumin-Ausschei- dungsrate auf Werte zwischen 20 µg/min bis 200 µg/min (Tabelle). Dieser niedere Messbereich wird von gängigen Pro- teinurietests nicht erfasst und bedarf spe- zieller Messmethoden. In der Vergan- genheit standen hierfür lediglich Ra- dioimmunoassay oder ELISA zur Verfü- gung. Neuerdings sind geeignete Test- streifen-Systeme kommerziell verfügbar.

Oberhalb einer Urin-Albuminaus- scheidung von 200 µg/min wird von ei- ner manifesten Proteinurie gesprochen.

Die Festlegung von Grenzwerten der Urin-Albuminausscheidung zur Defini- tion der Mikroalbuminurie ist praktisch nützlich, aber willkürlich. Schon im Be- reich hochnormaler Urin-Albuminaus- scheidungsraten (im 24-Stunden-Sam- melurin) nimmt das renale Risiko mit steigenden Werten kontinuierlich zu.

Dem Stadium der Mikroalbuminurie geht ein ungenügender nächtlicher Ab- fall des Blutdrucks voraus. Im Stadium der Mikroalbuminurie steigt dann der Blutdruck kontinuierlich an, zunächst im Bereich normotensiver Blutdruck- werte (bei Typ-1-Diabetikern).

Im weiteren Verlauf bildet sich ohne Behandlung bei Typ-1-Diabetikern eine manifeste Hypertonie aus, bei Typ-2- Diabetikern, die meistens zu Beginn des Diabetes bereits hypertensiv sind,

kann sich eine bestehende Hypertonie zusätzlich verschlechtern. Die Nieren- funktion – also die glomeruläre Filtrati- onsrate – ist im Stadium der Mikroalbu- minurie noch nicht erniedrigt. Sie stellt somit ein „therapeutisches Fenster“ dar, wo durch rechtzeitige Intervention in- nerhalb einer bestimmten Zeitspanne noch eine Rückbildung der pathologi- schen Albumin-Urinausscheidung und eine Verhinderung des Nierenfunktions- verlustes möglich ist.

Zur korrekten Handhabung des Mi- kroalbuminurie-Tests muss auf die ho- he spontane Variabilität der Albumin-

ausscheidung hingewiesen werden. Die Diagnose einer Mikroalbuminurie be- darf der Bestätigung durch mindestens zwei im Abstand von zwei bis vier Wo- chen gemessenen Bestätigungsuntersu- chungen. Erst dann darf die Diagnose Mikroalbuminurie gestellt werden. Stör- faktoren mit reversibler Erhöhung der Albuminurie sind:

>Blutzuckerentgleisung,

>körperliche Anstrengung,

>Harnwegsinfekte,

>unkontrollierte Blutdruckerhöhung,

>Herzinsuffizienz,

>akute fieberhafte Erkrankungen

>und operative Eingriffe.

Die Bestimmung der Albuminaus- scheidung erfolgt in der Praxis in der Regel im Morgenharn oder im Spon- tanharn, für wissenschaftliche Untersu- chungen im 24-Stunden-Harn.

Nicht jeder Diabetiker entwickelt ei- ne Nephropathie. Es bedarf neben einer schlechten Blutzucker- und Blutdruck- einstellung einer genetischen Prädis- position, damit eine Nierenerkrankung beim Diabetiker zum Ausbruch kommt.

Die Prävalenz liegt nach langjährigen

Krankheitsverläufen sowohl für Typ-1- als auch für Typ-2-Diabetiker bei etwa 40 Prozent. Der Nachweis einer Mikro- albuminurie ist das einzige derzeit zur Verfügung stehende Frühwarnsystem für eine Nephropathie. Die sich an- schließende klinisch manifeste diabeti- sche Nephropathie ist gekennzeichnet durch eine manifeste Proteinurie, ge- folgt von einer Erhöhung der Serum- Retentionswerte.

Im natürlichen Ablauf der Diabetes- erkrankung existiert eine gewisse Ge- P O L I T I K

A

A1100 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1725. April 2003

Mikroalbuminurie

Frühwarnsystem für den nierenkranken Diabetiker

Nicht nur neue Testsysteme und nephroprotektive Arzneimittel sprechen für eine regelmäßige Untersuchung des Urins.

Medizinreport

Der Diabetes schädigt die kleinsten Gefäße des Orga- nismus. Beim Glomerulus – im Bild das einer gesunden Niere – führt dies zu einer Verdickung der Basalmem- bran, einer Verbreiterung des Mesangiums und einer Sklerosierung. Die Ursache dafür scheint die Hyper- glykämie zu sein, da das Leiden bei gut eingestell- ten Diabetes-Patienten nicht oder sehr viel später vorkommt. Foto: Superbild

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setzmäßigkeit, sodass bei Typ-1-Diabe- tikern ab dem fünften bis zehnten Jahr der Erkrankung mit einer beginnenden Nierenbeteiligung zu rechnen ist und der Urin regelmäßig auf Mikroalbu- minurie getestet werden sollte. Da der Erkrankungsbeginn des Typ-2-Diabe- tes der Diagnose um Jahre vorausgehen kann, sollte ab dem Zeitpunkt der Dia- gnose regelmäßig auf Mikroalbumin- urie getestet werden. Die Verlaufskon- trolle sollte sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetikern vierteljährlich wiederholt werden.

Ist eine Mikroalbuminurie nachge- wiesen, sollte der Patient nach Meinung der Fachgremien unabhängig von der Blutdruckhöhe mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptorblockern be- handelt werden. Ob generell bereits nichtmikroalbuminurische Diabetiker ACE-Hemmer oder Angiotensin-Re- zeptorblocker erhalten sollten, ist ge- genwärtig nicht sicher zu beantworten.

Haffner und Kollegen konnten aber vor wenigen Jahren nachweisen, dass Dia- betiker ohne Myokardinfarktanamnese dasselbe kardiale Risiko aufweisen wie Nichtdiabetiker, die bereits einen Myo- kardinfarkt durchlitten haben.

Die HOPE-Studie (Heart Outcomes Prevention Evaluation) hatte gezeigt, dass auch ohne Vorliegen einer Hy- pertonie bei Diabetikern durch ACE- Hemmergabe die Zahl kardiovaskulä- rer Ereignisse gesenkt wird. Zur Pro- phylaxe von kardiovaskulären Kompli- kationen wäre daher selbst bei Normo- tonie eine Behandlung mit ACE-Hem- mern vertretbar. Nach den Daten der Mikro-HOPE- sowie EUCLID-Studie (Eurodiab Controlled Trial of Lisinopril in Insulin Dependent Patients) scheint das Auftreten einer Mikroalbuminurie unter ACE-Hemmer-Einnahme ver- mindert zu sein, aber diese Daten sind nicht biostatistisch gesichert.

Bei Vorliegen einer Mikroalbumin- urie konnte die Progredienz hin zur ma- nifesten diabetischen Nephropathie so- wohl durch die ACE-Hemmer Cap- topril (bei Typ-1-Diabetikern) und Enalapril (bei Typ-2-Diabetikern) als auch durch den Angiotensin-Rezeptor- blocker Irbesartan wirkungsvoll ab- gebremst werden. Die IRMA-Studie (Irbesartan Microalbuminuria Study) zeigte, dass Irbesartan dosisabhängig

und blutdruckunabhängig im Ver- gleich zu alternativen Antihypertensiva die Urin-Albuminausscheidung deut- lich senkt. Neben der Blockade des Re- nin-Angiotensin-Systems ist eine vor- zügliche Blutdruckeinstellung mit Ziel- werten < 125/75 mm Hg nötig. Ein er- höhter Blutdruck stellt den entschei- denden Promotor für das Voran- schreiten der Mikroalbuminurie in das Stadium der manifesten Nephropa- thie dar.

Kann der Blutdruck durch ACE- Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor- blocker alleine nicht gesenkt werden, sollte eine antihypertensive Kombinati-

onstherapie zum Einsatz kommen, bis der Zielblutdruckwert erreicht ist. Be- gleitend empfiehlt sich eine salzarme Diät, da die diabetische Niere exzessiv Kochsalz retiniert und Kochsalz direkt die vermehrte Bildung von Angioten- sin-Rezeptoren an der Niere induziert.

Die Wirkung von ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptorblockern wird so- mit durch hohe Kochsalzkonzentratio- nen teilweise wieder aufgehoben. Meist ist eine begleitende Diuretikatherapie zum Erreichen der Zielblutdruckwerte unerlässlich.

Ferner sollten schädigende Einflüs- se auf die Niere – wie Nikotinkon- sum oder eine zu hohe diätetische Eiweißzufuhr – unbedingt vermieden werden. Die ideale Ernährung besteht, wie bei nierengesunden Nichtdiabe- tikern, aus einer eiweißnormalen Kost mit 0,8 g/kg KG/Tag mit Bevorzugung pflanzlicher Eiweißquellen. Ergänzend steht selbstverständlich eine möglichst normoglykämische Blutzuckereinstel- lung sowie eine Gewichtsnormalisie- rung. Eine zusammenfassende Über- sicht zur Behandlung der diabeti- schen Nephropathie gibt der Textkasten wieder.

Zur Erfolgskontrolle ist der Urin re- gelmäßig auf Mikroalbuminurie zu te- sten, wie dies aus den Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft und der American Diabetes Associa- tion hervorgeht. Eine Aufnahme der re- gelmäßigen Mikroalbuminurietestung in das Disease-Management-Programm ist nicht nur medizinisch wünschens- wert, sondern dringend geboten, wenn das Ziel der ärztlichen Betreuung Prävention statt Schadensbegrenzung sein soll.

Dr. med. Ralf Dikow

Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. Eberhard Ritz Sektion Nephrologie

Medizinische Universitätsklinik Heidelberg Bergheimer Straße 58 a, 69115 Heidelberg P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1725. April 2003 AA1101

´ TabelleC´

Definitionen pathologischer Urin-Albuminausscheidung

Kategorie 24-h-Sammelurin Minuten-Sammlung Spontanharn-Sammlung

(mg/24h) ( µg/min) ( µg/mg Kreatinin)

Normal < 30 < 20 < 30

Mikroalbuminurie 20–299 20–199 30–299

Manifeste Proteinurie 300 200 300

Therapieempfehlungen für Patienten mit diabetischer Nephropathie

1. Optimale Blutdruckeinstellung (< 125/75 mm Hg bei Mikroalbuminurie, < 120/70 mm Hg bei Proteinurie > 1 g/Tag), vorzugweise unter Ver- wendung von Angiotensin-Rezeptorblockern oder ACE-Hemmern

2. Kochsalzarme Ernährung mit einer NaCl-Zufuhr von maximal 6 g/Tag

3. Eiweißnormale Ernährung (0,8 g/kg Körperge- wicht/Tag)

4. Reduktion eines eventuell vorhandenen Über- gewichtes (Cave Katabolismusneigung bei Niereninsuffizienz)

5. Trinkmengenzufuhr bei Niereninsuffizienz von circa drei Litern/Tag (Ausnahme: manifestes nephrotisches Syndrom oder sonstige Art der Volumeneinlagerung)

6. Einstellung des Zigarettenrauchens

7. Gabe eines Statins bei LDL-Cholesterin

> 100 mg/dl

8. Adäquate Behandlung einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz (Anämiekorrektur durch Erythropoetin, phosphatarme Diät und orale Gabe von Phosphatbindern, Prophylaxe mit aktivem Vitamin D, rechtzeitige Anlage einer Dialysefistel bei Unterschreiten einer Kreati- nin-Clearance von 25 ml/min, rechtzeitige Ein- leitung einer Nierenersatztherapie vor dem Auftreten klinischer Komplikationen) Textkasten

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