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ie Untersuchung zur Prä- vention des Prostatakar- zinoms mit Finasterid (PCPT) hat mit der 25-prozen- tigen Risikoreduktion für Pro- statakarzinome ein eindeuti- ges Ergebnis gezeigt. Die zah- lenmäßig kleine, aber hoch si- gnifikante Zunahme aggressi- ver Karzinome (Gleason Score> 7) über den Behandlungs- zeitraum von mehr als fünf Jahren hat jedoch mehr Fra- gen aufgeworfen, als Antwor- ten parat sind.
Bei den praktischen Kon- sequenzen stützte sich Prof.
Bernd Schmitz-Dräger (Fürth) auf die Empfehlungen der uro- logischen Fachgesellschaft:
Bei symptomatischer benigner Prostatahyperplasie (BPH) be- steht kein Grund, die Emp- fehlungen zur Finasteridthe- rapie zu ändern oder diese sogar abzubrechen. „Die Er- gebnisse der PCPT-Studie rechtfertigen keine generelle Empfehlung zur Prävention ei- nes Prostatakarzinoms (PCA), eine positive Entscheidung ist individuell zu überdenken.“
Die Sorge, die die Resulta- te dieser vom amerikanischen Staat finanzierten Studie des National Cancer Institute (Prostate Cancer Prevention Trial, PCPT) nicht nur Urolo- gen hierzulande bereitet, sind die aggressiven Tumoren, die in der Finasteridgruppe etwas
häufiger waren: 280 gegen- über 237 Fällen in der Place- bogruppe. Relativ gesehen wä- ren das 37 beziehungsweise 22,2 Prozent der Patienten, die im Studienzeitraum ein PCA (803 unter Finasterid, 1 147 unter Placebo, entspre- chend 18,4 beziehungsweise 24,4 Prozent) entwickelten.
Diese erschreckend hohe Zahl relativiert sich, wenn die absoluten Werte betrachtet werden: Bezogen auf die Teil- nehmer – knapp 19 000 Män- ner, ausgewertet sind die Da- ten von rund 9 000 – liegen die Werte bei 6,4 beziehungs- weise 5,1 Prozent.
Wirkstoffe aus dem Pflanzenreich
Wie ist diese Zunahme der aggressiven PCA-Formen zu erklären angesichts der Tatsa- che, dass Männer mit einem Gendefekt der 5-Alpha-Re- duktase-II – das Enzym, das von Finasterid gehemmt wird – als Erwachsene keine BPH und kein PCA entwickeln,
noch nicht einmal detektier- bare Spiegel des prostata- spezifischen Antigens aufwei- sen? Dazu hat Schmitz-Drä- ger drei Hypothesen genannt:
> Stimulation des Karzi- nomwachstums?
> „Overgrading“ der Biop- sien?
> Optimierte Detektion?
Gegen eine wachstumsför- dernde Wirkung von Finaste- rid sprechen die langjährigen Untersuchungen zur Thera- pie der BPH: Sämtliche Studi- en haben keine Hinweise auf ein vermehrtes Wachstum von PCAs ergeben, speziell auch nicht für aggressive Formen.
Zusätzlich wäre unter dieser Voraussetzung eine eindeuti- ge Zunahme mit der Dauer der Untersuchung zu erwar- ten, was nicht der Fall war.
Ein „Overgrading“ der Hi- stologie erscheint dem Refe- renten nicht unwahrschein- lich wegen der Tatsache, dass PCA-Biopsien unter Hor- montherapie nur schwer hin- sichtlich des Gleason Scores zu beurteilen sind. Möglicher-
weise imponiert die Histolo- gie unter Finasterid auch nur maligner, als sie in Wirklich- keit ist.
Gut vorstellen kann sich Schmitz-Dräger aber auch ei- nen ganz simplen Grund, der auf der Geometrie basiert: Da Finasterid die Prostata er- heblich verkleinert, wird bei der Sextantenbiopsie automa- tisch ein „größeres“ Volumen von Proben entnommen – ag- gressive Tumoren, die größer sind, damit also „nur“ eher er- fasst. Das würde den präventi- ven Effekt sogar erhöhen.
Bis die Wissenschaft zu ei- ner überzeugenden Lösung dieses Rätsels kommt, können Ärzte bei der Prävention nur auf die bewährten allgemei- nen Ratschläge zur gesunden Lebensweise zurückgreifen.
Schmitz-Dräger setzt außer- dem auf spezifische Wirkstof- fe aus dem Pflanzenreich: viel Gemüse und Obst als wichtige Lieferanten von Flavone und Isoflavone, dazu Leinsamen, Körner und Hülsenfrüchte als Lignan-Lieferanten. Als ly- kopinreiche Kost bieten sich Tomaten und Tomatenpro- dukte an. Dr. Renate Leinmüller
Symposium „Aktuelles zur Therapie mit 5␣-Reduktasehemmern – von der BPS- Therapie zur Chemoprävention des Prostatakarzinoms“ der Firma MSD in Hamburg
V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 713. Februar 2004 AA443
Prostatakarzinom
Chemoprävention wirft neue Fragen auf
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