A-1778
M E D I Z I N
(42) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 26, 2. Juli 1999 das Verständnis des Gehirns angese-
hen. Durch Strukturgleichungsmodel- le wird aus fMRT-Daten die effekti- ve Konnektivität modelliert (11). Mit
„diffusion tensor imaging“ lassen sich durch unterschiedliche Anisotropie die Verbindungsbahnen zwischen Hirnregionen bildlich darstellen (75).
Die Anwendung der Magnetstimula- tion im PET oder fMRT zeigt den Ef- fekt auf entfernte Gebiete durch die fokale Modulierung der Exzitation durch repetitive Reize (34, 61).
Die Vielfalt der Aktivierungsstu- dien generiert eine schnell wachsende Zahl von Gebieten und Untergebie- ten, die bei komplexen Aufgaben ak- tiv werden. So schnell, daß gegenwär- tig schneller Daten produziert wer- den, als daß wir diese gründlich inter- pretieren könnten, wollen wir die Entstehung einer neuen „Hirnphre- nologie“ vermeiden. Weiße Flecken auf den funktionellen Karten des menschlichen Gehirns beginnen sich zu füllen. Neue Definitionen, Abgren- zungen und Verbindungen anatomi- scher Regionen des Gehirns werden nötig, insbesondere wenn die rasch wachsenden Erkenntnisse aus der modernen Histoanatomie (79, 80) und der Genetik zerebraler Reprä- sentation mit hinzukommen. Die Anatomie des menschlichen Gehirns bekommt eine neue Bedeutung und es ist nicht zuviel gesagt, daß große Teile neu geschrieben werden müs- sen. Diese Ansätze einer inhaltlichen Verbindung der Wissenschaftler ver- schiedenster Ausrichtung und Vorbil- dung kann uns unserem Ziel nur näher bringen, das Gehirn des Men- schen besser zu verstehen.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1999; 96: A-1772–1778 [Heft 26]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Cornelius Weiller Klinik für Neurologie
Friedrich Schiller Universität Jena Philosophenweg 3–5
07740 Jena
DIE ÜBERSICHT/FÜR SIE REFERIERT
Das Konzept der (Chemo-) Prä- vention des Mammakarzinoms ist eine wünschenswerte Option zur Interventi- on vor Entstehung der primären Läsi- on. Unterschiedliche Substanzklassen wurden als potentielle chemo-präventi- ve Agenzien in der vorklinischen und klinischen Testung durch mehrere in- ternationale Arbeitsgruppen geprüft:
(A) National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project (Fisher et al.: Tamo- xifen [TAM] versus Plazebo [PLA]), (B) European Cancer Organisation (ECOG; TAM plus Fenretinide; noch keine Auswertung verfügbar), (C) In- ternational Breast Cancer Intervention Study (IBIS, Powels T et al.: TAM ver- sus PLA) und (D) Italian Randomised Trial Among Hysterectomised Women (Veronesi U et al.: TAM versus PLA nach Hysterektomie).
In den Studien wurden bis zu 15 000 Patientinnen mit unterschiedli- chem Erkrankungsrisikoprofil für die Entstehung eines Mammakarzinoms aufgenommen. Die Ergebnisse der drei derzeit publizierten Chemo-Präventi- onsstudien mit Testung PLA versus TAM sind sehr unterschiedlich. Wäh- rend die Fisher-Studie eine 45prozenti- ge Reduktion der Mammakarzinom- Inzidenz bei präventiver TAM-Einnah- me zeigt (n MC gesamt = 368; n PLA = 244, n TAM = 124; p = 0,00001) konnte dieser Effekt in den beiden anderen pu- blizierten Studien (Powles et al.: p = 0,8;
Veronesi et al.: p = 0,6358) nicht nach- gewiesen werden. Statistische Varia- blen in den Studien (beispielsweise Al- tersunterschiede der Studiengruppen, Compliance, Dauer der Nachbeobach- tung, zusätzliche Hormonersatzthera- pie) und die zugrunde liegenden Ein- schlußkriterien beziehungsweise die Risikoevaluation, können für die Dis- krepanz in den Resultaten verantwort- lich sein. Die Entwicklung von Strategi- en zur Chemoprävention sind eine große Herausforderung. Die in der BCPT-P1-Studie und in der IBIS-Stu- die angegangene Fragestellung – indi- rekt gestützt durch die 1998 erhobenen Daten des Early Breast Cancer Tria- lists’ Collaborative Group (EBCTCG) für das kontralaterale Mammakarzi- nom und den Raloxifen-(RLX-)Prä- ventionsstudien zur Osteoporose und kardiovaskulären Erkrankungen –
deuten auf einen theoretisch richtigen Ansatz. Die Daten des BCPT-P1 zeigen eine signifikante Reduktion der ER- positiven Mammakarzinome und der Frakturen. Gleichzeitig ist aber die An- zahl der Endometriumkarzinome und der vaskulären Ereignisse in der TAM- Gruppe erhöht. Die Powles- und die Veronesi-Studie zeigen bei gleichem Nebenwirkungsprofil keinen verhüten- den Effekt für das Mammakarzinom.
Die Chemoprävention mit TAM sollte kritisch gesehen werden, obwohl sich die FDA nach einigem Zögern im Ok- tober 1998 zu einer Zulassung von TAM für die Chemoprävention ent- schlossen hat. Der Mangel an Informa- tionen über den Langzeiteffekt der Chemoprävention, insbesondere auf das Gesamtüberleben der TAM ein- nehmenden Frauen, sind ein entschei- dendes Argument gegen einen Einsatz von TAM als Chemopräventivum außerhalb von Studien. Beurteilt wer- den muß sowohl das Risiko für das Mammakarzinom als auch für Erkran- kungen des kardiovaskulären, des Knochen- und des zerebrovaskulären Systems. In diese sorgfältige Abwä- gung des Nutzen-Nebenwirkungsspek- trums muß zusätzlich die individuelle Lebenssituation der ratsuchenden Frau miteinbezogen werden. Das NCI hat Anfang 1999 eine Vergleichsstudie (Study of Tamoxifen and Raloxifen;
STAR) zwischen TAM (20 mg) und RLX (60 mg) initiiert. Zirka 22 000 postmenopausale Frauen mit erhöh- tem Mammakarzinomrisiko sollen auf Nutzen und Risiko der präventiven täg- lichen Einnahme für einen Zeitraum von fünf Jahren in einem Beobach- tungszeitraum von sieben Jahren ge- testet werden. Diese Resultate (Ende 2004 beziehungsweise 2006) und die Nachbeobachtungszeit der derzeit vorliegenden drei Studien sollten ab- gewartet werden, bis eine allgemeine Empfehlung zur „Routine“-Chemo- prävention ausgesprochen werden
kann. bcm
Beckmann MW, Untch M, Rabe T, Schulz KD, Bender HG: (Chemo-) Prävention des Mammakarzinoms.
Gynäkologe 1999; 32: 150–157.
Priv.-Doz. Dr. med. M. W. Beckmann, Frauenklinik, Heinrich-Heine-Univer- sität, Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf.