1.1 Holomorphe Funktionen
Der K¨ orper C der komplexen Zahlen sei (rein algebraisch) als bekannt vorausge- setzt.
Ist z = x + i y ∈ C , so nennt man x den Realteil und y den Imagin¨ arteil von z.
Die Zahl z := x − i y heißt die zu z konjugiert komplexe Zahl, |z| := √ zz = p x
2+ y
2der Betrag von z.
z
z y = Im z
x = Re z
Statt der Darstellung in kartesischen Koordinaten benutzt man (f¨ ur komplexe Zah- len z 6= 0) gerne auch die Darstellung in Polarkoordinaten. Ist z ∈ C , z 6= 0 und r := |z|, so ist
z
r = x
p x
2+ y
2+ i y
p x
2+ y
2, mit x p x
2+ y
2 2+ y
p x
2+ y
2 2= 1.
Deshalb gibt es genau ein t ∈ [0, 2π), so dass x
p x
2+ y
2= cos t und y
p x
2+ y
2= sin t ist. Daraus folgt die eindeutige Darstellung
z = r(cos t + i sin t), mit r > 0 und 0 ≤ t < 2π.
Die (bis auf Addition eines ganzzahligen Vielfachen von 2π) eindeutig bestimmte Zahl t ∈ R nennt man das Argument von z (in Zeichen: t = arg(z)).
z y = r sin t
x = r cos t r
t
Man schreibt nun
e
it:= cos t + i sin t.
Behauptung: e
is· e
it= e
i(s+t). Beweis:
e
is· e
it= (cos s + i sin s) · (cos t + i sin t)
= (cos s cos t − sin s sin t) + i (cos s sin t + sin s cos t)
= cos(s + t) + i sin(s + t) = e
i(s+t). Folgerung: (e
it)
n= e
itn.
Beweis: Ein einfacher Induktionsbeweis.
Ist z ∈ C und z
n= 1, so ist auch |z|
n= |z
n| = 1, also |z| = 1. Damit ist z = e
itund cos(nt) = 1, sin(nt) = 0. Das bedeutet, dass nt = 2kπ f¨ ur ein k ∈ Z ist, also t = 2πk/n. Die komplexen Zahlen
ζ
k,n:= cos 2πk n
+ i sin 2πk n
, k = 0, 1, . . . , n − 1,
sind paarweise verschieden, danach wiederholen sich die Werte. Es handelt sich offensichtlich um die einzigen L¨ osungen der Gleichung z
n= 1.
Definition
Die n L¨ osungen der Gleichung z
n= 1 nennt man die n-ten Einheitswurzeln.
Die n-ten Einheitswurzeln liegen auf den Ecken eines regelm¨ aßigen n-Ecks.
ζ
0= 1 ζ = ζ
1,6ζ
2= ζ
2,61.1. Satz
Ist w 6= 0, so besitzt die Gleichung z
n= w in C genau n L¨ osungen.
Beweis: Sei w = re
it, mit r = |w| und einem geeigneten t ∈ [0, 2π). Ist ζ eine
n-te Einheitswurzel 6= 1, so setzen wir
w
j:= √
nr · e
it/n· ζ
j, j = 0, 1, . . . , n − 1.
Ist ζ = ζ
k,nmit 0 < k < n und ggT(k, n) = 1, so durchlaufen die Zahlen ζ
j= cos 2πjk
n
+ i sin 2πjk n
die n verschiedenen Einheitswurzeln.
1Also erhalten wir n verschiedene komplexe Zahlen w
jmit w
jn= w.
Ist andererseits z irgendeine L¨ osung der Gleichung z
n= w, so ist z
n= w
0n, also (zw
0−1)
n= 1. Das bedeutet, dass es eine n–te Einheitswurzel ζ gibt, so dass z = w
0·ζ ist.
Die Metrik und die Topologie auf C sind die gleichen wie auf dem R
2. Ist r > 0 und z
0∈ C , so ist
D
r(z
0) := {z ∈ C : |z − z
0| < r}
die (offene) Kreisscheibe mit Radius r um z
0. Offene und abgeschlossene Mengen werden wie im R
2definiert:
Ein Punkt z
0heißt innerer Punkt einer Menge M ⊂ C , falls es ein ε > 0 gibt, so dass D
ε(z
0) noch ganz in M enthalten ist. Man nennt M dann auch eine Umgebung von z
0. Eine Menge heißt offen, falls sie nur aus inneren Punkten besteht, und sie heißt abgeschlossen, wenn ihr Komplement in C offen ist.
Ein Punkt z
0heißt Randpunkt von M , falls jede Umgebung von z
0Punkte von M und von C \ M enth¨ alt. Mit ∂M bezeichnet man den Rand von M , also die Menge der Randpunkte von M .
Die Konvergenz einer komplexen Zahlenfolge (z
n) gegen eine Zahl z wird wie
¨ ublich definiert:
n→∞
lim z
n= z
0: ⇐⇒ ∀ ε > 0 ∃ n
0, s.d. ∀ n ≥ n
0gilt: |z
n− z| < ε.
Ist I ⊂ R ein Intervall, so nennt man eine Abbildung α : I → C einen Weg in C . Ein solcher Weg ist stetig in t
0∈ I, wenn f¨ ur jede Punktfolge (t
ν) in I, die gegen t
0konvergiert, auch die Folge der komplexen Zahlen α(t
ν) gegen α(t
0) konvergiert.
Ein Gebiet in C ist eine offene Teilmenge G ⊂ C , innerhalb der sich je zwei Punkte durch einen stetigen Weg miteinander verbinden lassen. Man kann zeigen, dass das dann sogar mit Hilfe eines Streckenzuges bewerkstelligt werden kann. Ist G ⊂ C ein Gebiet und U ⊂ G eine nicht-leere Teilmenge, die zugleich offen und (relativ) abgeschlossen
2ist, so ist U = G.
Sei M ⊂ C eine Teilmenge und z
0∈ C ein Punkt.
1. z
0heißt H¨ aufungspunkt von M , falls jede Umgebung U = U (z
0) einen Punkt z ∈ M mit z 6= z
0enth¨ alt.
1Das ist elementare Zahlentheorie: Ist ggT(k, n) = 1, so gibt es ganze Zahlena, bmitak+bn= 1, alsoζa =ζ1,n.
2U inG
”relativ abgeschlossen“ bedeutet:G\U offen
2. z
0heißt isolierter Punkt von M, falls es eine Umgebung U = U (z
0) mit U ∩ M = {z
0} gibt.
Ein isolierter Punkt einer Menge ist also immer ein Element dieser Menge. F¨ ur einen H¨ aufungspunkt braucht das nicht zu gelten.
Ein Punkt z
0∈ C ist genau dann H¨ aufungspunkt einer Menge M ⊂ C , wenn es eine Folge von Punkten z
n∈ M gibt, so dass gilt:
1. z
n6= z
0f¨ ur alle n ∈ N . 2. lim
n→∞
z
n= z
0.
Definition
Eine Teilmenge M ⊂ C heißt diskret, wenn sie abgeschlossen ist und nur aus isolierten Punkten besteht.
Die Menge der Zahlen 1/n, n ∈ N , besteht zwar aus lauter isolierten Punkten, sie ist aber nicht diskret, weil sie nicht abgeschlossen ist. Nimmt man den H¨ aufungspunkt 0 hinzu, so wird die Menge abgeschlossen, ist aber wieder nicht diskret, weil der Nullpunkt nicht isoliert ist.
Ist M
◦die Menge der inneren Punkte von M und M die Menge aller Punkte, die H¨ aufungspunkt oder isolierter Punkt von M sind, so ist ∂M = M \ M
◦. Man nennt M
◦den offenen Kern und M die abgeschlossene H¨ ulle von M .
1.2. Satz
Folgende Aussagen ¨ uber eine Menge K ⊂ C sind ¨ aquivalent:
1. K ist abgeschlossen und beschr¨ ankt.
2. Jede offene ¨ Uberdeckung von K enth¨ alt eine endliche Teil¨ uberdeckung.
3. Jede unendliche Teilmenge von K besitzt einen H¨ aufungspunkt in K.
Zum Beweis : Die ¨ Aquivalenz von (1) und (2) wurde im R
2schon bewiesen (Satz von Heine-Borel). Mengen, die diese zwei Eigenschaften erf¨ ullen, nennt man nat¨ urlich kompakt. Ist K kompakt und M ⊂ K eine unendliche Teilmenge, so kann man annehmen, dass M die Menge der Glieder einer Folge (z
n) ist. Besitzt diese keinen H¨ aufungspunkt, so kann man eine ¨ Uberdeckung von K konstruieren (Umgebungen der z
nund das Komplement der z
nin C ), zu der es keine endliche Teil¨ uberdeckung gibt.
Ist umgekehrt das Kriterium erf¨ ullt, so muss K beschr¨ ankt sein, denn sonst k¨ onnte
man ja in K eine unbeschr¨ ankte Folge finden, die keinen H¨ aufungspunkt besitzt.
Und K ist auch abgeschlossen: Eine in C konvergente Folge z
n∈ K muss nach dem Kriterium einen H¨ aufungspunkt in K besitzen, und dieser muss zugleich der Grenzwert sein. Dabei wird zwar benutzt, dass die Menge der z
nunendlich ist, aber wenn das nicht der Fall w¨ are, dann w¨ are die Existenz des Grenzwertes in K sowieso trivial.
Verwandt mit dem vorigen Ergebnis ist der Satz von Bolzano-Weierstraß: Jede beschr¨ ankte Punktfolge besitzt wenigstens einen H¨ aufungspunkt. Beim Beweis kann man annehmen, dass die Menge A der Folgeglieder unendlich ist, sonst ist das Ergebnis trivial. Aber dann ist A eine unendliche Teilmenge der kompakten Menge A, und das Ergebnis folgt aus dem vorigen Satz.
1.3. Satz (¨ uber die Schachtelung kompakter Mengen)
Sei K
1⊃ K
2⊃ . . . eine Folge von kompakten nicht-leeren Teilmengen von C . Dann ist auch K :=
∞
\
n=1
K
nkompakt und nicht leer.
Beweis: K ist offensichtlich abgeschlossen und beschr¨ ankt, also kompakt. Wir w¨ ahlen nun aus jedem K
neinen Punkt z
n. Da alle diese Punkte in der kompakten Menge K
1liegen, ist die Folge (z
n) beschr¨ ankt und besitzt nach Bolzano-Weierstraß einen H¨ aufungspunkt z
0. Der muss ebenfalls in K
1liegen. Wir behaupten, dass z
0sogar in K liegt. W¨ are das n¨ amlich nicht der Fall, so g¨ abe es ein n
0mit z
0∈ C \K
n0. Aber dann g¨ abe es auch eine Umgebung U = U (z
0) ⊂ C \ K
n0. F¨ ur n ≥ n
0k¨ onnte dann z
nnicht mehr in U liegen, im Widerspruch dazu, dass z
0H¨ aufungspunkt der Folge ist. Also ist K 6= ∅ .
Zur Erinnerung:
Eine Reihe P
∞n=1
z
nkonvergiert, wenn die Folge ihrer Partialsummen S
N:=
P
Nn=1
z
nkonvergiert. Die Reihe heißt absolut konvergent, falls die Reihe P
∞ n=0|z
n| konvergiert.
Es ist S
N− S
N0= P
Nn=N0+1
z
n. Wie im Reellen gilt auch hier das Cauchykrite- rium:
D ie Reihe komplexer Zahlen P
∞n=0
z
nkonvergiert genau dann, wenn es zu jedem ε > 0 ein N
0∈ N gibt, so dass
P
Nn=N0+1
z
n< ε f¨ ur alle N > N
0gilt.
Mit Hilfe des Cauchykriteriums zeigt man:
1. Eine absolut konvergente Reihe konvergiert auch im gew¨ ohnlichen Sinne.
2. Ist P
∞n=0
a
neine konvergente Reihe nicht-negativer reeller Zahlen und (z
n) eine Folge komplexer Zahlen mit |z
n| ≤ a
n, so konvergiert die Reihe P
∞n=0
z
nabsolut (Majorantenkriterium)
1.4. Beispiel
Sei z ∈ C , |z| < 1. Dann konvergiert die geometrische Reihe
∞
X
ν=0
z
ν= 1 1 − z . Der Beweis wird wie im Reellen gef¨ uhrt.
Wie kann man sich eine Funktion f : G → C anschaulich vorstellen? Wir untersu- chen das im Falle der Funktion f (z) = z
2.
1. Im Reellen versuchen wir, eine Funktion durch ihren Graphen darzustellen.
Das geht hier schlecht, denn der Graph einer komplexen Funktion ist eine reell 2-dimensionale Fl¨ ache im R
4.
2. Beschr¨ ankt man sich auf die reellwertige Funktion z = x + i y 7→ |f (z)| =
|z|
2= x
2+ y
2, so kann man deren Graph darstellen, verliert aber zu viele Informationen.
3. Eine weitere (und vielleicht auch die beste) M¨ oglichkeit besteht darin, mit zwei Ebenen zu arbeiten. Ist w = z
2, so ist
|w| = |z|
2und arg(w) = 2 · arg(z).
z 7→ w = z
2z-Ebene w-Ebene
Soweit funktioniert das ganz gut. Jetzt suchen wir nach der Umkehrab- bildung. Wenn wir f auf die rechte Halbebene beschr¨ anken (wo −π/2 ≤ arg(z) ≤ π/2 ist), dann erhalten wir als Wertemenge die ganze w-Ebene.
Auf dem Rand gibt es allerdings ein Problem. Es ist f ( i t) = f (− i t) = −t
2.
Damit f injektiv bleibt, d¨ urfen wir in der z-Ebene nur die Menge aller z mit
Re(z) > 0 (also −π/2 < arg(z) < π/2) betrachten. Als Bildmenge erhalten
wir dann die l¨ angs der negativen reellen Achse aufgeschlitzte w-Ebene (also
alle Punkte w mit −π < arg(w) < π).
Sei g
1: C \ R
−→ {z ∈ C : Re(z) > 0} definiert durch g
1r(cos ϕ + i sin ϕ)
:= √
r cos(ϕ/2) + i sin(ϕ/2) ,
wobei – wie oben – das Argument ϕ zwischen −π und π l¨ auft. Dann ist g
1eine Umkehrung von f |
{z∈C: Re(z)>0}.
Definieren wir g
2: C \ R
−→ {z ∈ C : Re(z) < 0} durch g
2(w) := −g
1(w),
so ist g
2eine Umkehrung von f|
{z∈C: Re(z)<0}. Um also eine globale Umkehrfunktion g(w) = √
w von f (z) = z
2zu defi- nieren, brauchen wir als Definitionsbereich zwei Exemplare der geschlitzten Ebene. Dabei ist folgendes zu beachten: N¨ ahert man sich in der w-Ebene von oben dem Schlitz bei w = −r, so n¨ ahert sich der Wert g
1(w) der Zahl z = i √
r. Bei Ann¨ aherung von unten ergibt sich als Grenzwert die Zahl z = − i √
r. Dagegen ist es bei g
2gerade umgekehrt. Um nun √
z stetig zu definieren, muss man die Oberkante der ersten Ebene mit der Unterkante der zweiten Ebene zusammenkleben, und die Unterkante der ersten Ebene mit der Oberkante der zweiten Ebene. Es entsteht eine Fl¨ ache R, die in zwei Bl¨ attern ¨ uber C
∗liegt. Der Nullpunkt fehlt dabei.
Die Fl¨ ache R nennt man die Riemannsche Fl¨ ache von √ w.
Prominente Beispiele f¨ ur komplexwertige Funktionen auf C sind die komplexen Polynome
p(z) := a
nz
n+ a
n−1z
n−1+ · · · + a
1z + a
0,
aber auch die (auf ihrem Konvergenzkreis definierten) komplexen Potenzreihen P (z) :=
∞
X
ν=0
c
ν(z − a)
ν. Daf¨ ur m¨ ussen wir etwas weiter ausholen.
Sei M ⊂ C und (f
ν) eine Folge von stetigen komplexwertigen Funktionen auf M.
1. P
ν
f
νkonvergiert punktweise gegen eine Funktion f : M → C , falls f¨ ur jedes z ∈ M die Reihe P
∞ν=0
f
ν(z) gegen f(z) konvergiert.
2. P
ν
f
νkonvergiert normal auf M, falls die Reihe P
∞ν=0
sup
M|f
ν| konver- giert.
3. P
ν
f
νkonvergiert auf M gleichm¨ aßig gegen f , falls gilt:
∀ ε > 0 ∃ ν
0, so dass f¨ ur alle ν ≥ ν
0gilt: sup
M
ν0
X
ν=0
f
ν(z) − f (z)
< ε.
Aus der normalen Konvergenz folgt die gleichm¨ aßige Konvergenz, und aus beidem die punktweise Konvergenz.
Beweis: Dass aus der normalen und aus der gleichm¨ aßigen Konvergenz jeweils die punktweise Konvergenz folgt, ist einfach. Hier soll nur die weniger bekannte Aussage gezeigt werden, dass aus der normalen die gleichm¨ aßige Konvergenz folgt.
Man benutze die Partialsummen F
N:= P
Nν=0
f
ν. Die Reihe sei normal konvergent, und ein ε > 0 sei vorgegeben. Nach dem Cauchykriterium gibt es ein N
0, so dass f¨ ur N > N
0und alle z ∈ M gilt:
|F
N(z) − F
N0(z)| = |
N
X
ν=N0+1
f
ν(z)| ≤
N
X
ν=N0+1
|f
ν(z)| ≤
N
X
ν=N0+1
sup|f
ν| < ε 3 .
Ist z ∈ M beliebig, so gibt es ein m = m(z) > N
0, so dass |F
m(z) − f (z)| < ε/3 ist. Ist N > N
0, so folgt f¨ ur dieses z :
|F
N(z) − f(z)| ≤ |(F
N(z) − F
N0(z)) + (F
N0(z) − F
m(z)) + (F
m(z) − f(z))|
≤ |F
N(z) − F
N0(z)| + |F
m(z) − F
N0(z
0)| + |F
m(z) − f(z)|
≤ ε 3 + ε
3 + ε 3 = ε.
Das gilt unabh¨ angig von z, also konvergiert (F
N) gleichm¨ aßig auf M gegen f . Oft benutzt man das
1.5. Weierstraß–Kriterium
Es sei M ⊂ C , und es seien stetige Funktionen f
ν: M → C gegeben. Weiter gebe es eine konvergente Reihe P
∞ν=0
a
νnicht-negativer reeller Zahlen und ein ν
0∈ N , so dass gilt:
|f
ν(z)| ≤ a
νf¨ ur ν ≥ ν
0und alle z ∈ M.
Dann konvergiert P
∞ν=0
f
νauf M normal (und damit gleichm¨ aßig) gegen eine stetige Funktion auf M .
Der Beweis besteht aus einer trivialen Anwendung des Majorantenkriteriums f¨ ur reelle Reihen, denn nach Voraussetzung ist sup
M|f
ν| ≤ a
νf¨ ur ν ≥ ν
0.
Typische Funktionenreihen sind die oben erw¨ ahnten Potenzreihen P (z) := P
∞ν=0
c
ν(z−
a)
ν. Die Glieder der Reihe sind die Polynome p
ν(z) = c
ν(z − a)
ν, also Funktionen p
ν: C → C . Allerdings wird die Reihe in der Regel nicht auf C konvergieren.
Der folgende Satz ist der Ausgangspunkt f¨ ur alle Untersuchungen ¨ uber Potenzrei-
hen.
1.6. ¨ Uber das Konvergenzverhalten von Potenzreihen
Die Potenzreihe P (z) = P
∞n=0
c
n(z − a)
nkonvergiere f¨ ur ein z
0∈ C , z
06= a.
Ist dann 0 < r < |z
0− a|, so konvergiert P (z) und auch die Reihe P
0(z) :=
∞
X
n=1
n · c
n(z − a)
n−1auf der Kreisscheibe D
r(a) absolut und gleichm¨ aßig.
s
z
0s
r a
x = Re(z) y = Im(z)
Beweis: 1) Da P
∞n=0
c
n(z
0− a)
nnach Voraussetzung konvergiert, gibt es eine Konstante M > 0, so dass |c
n(z
0− a)
n| ≤ M f¨ ur alle n ist. Ist 0 < r < |z
0− a|, so ist q := r/|z
0− a| < 1. F¨ ur alle z mit |z − a| ≤ r gilt dann:
z − a z
0− a
≤ r
|z
0− a| = q, also |c
n(z − a)
n| = |c
n(z
0− a)
n| ·
z − a z
0− a
n
≤ M · q
n. Die geometrische Reihe P
∞n=0
M q
nkonvergiert. Mit dem Majorantenkriterium folgt, dass P
∞n=0
c
n(z − a)
nf¨ ur jedes z ∈ D
r(a) absolut konvergiert, und mit dem Weierstraß–Kriterium folgt sogar, dass die Reihe auf D
r(a) gleichm¨ aßig konvergiert.
2) Sei M f := M/r. Nach (1) ist
|n · c
n(z − a)
n−1| =
n · c
nz − a z
0− a
n−1· (z
0− a)
n−1= n ·
c
n(z
0− a)
n· 1
z
0− a · z − a z
0− a
n−1≤ n · M · 1
r · q
n−1= n · M f · q
n−1, und die Quotienten
(n + 1) · M f · q
nn · M f · q
n−1= n + 1
n · q
konvergieren gegen q < 1.
Aus dem Quotientenkriterium folgt jetzt, dass P
∞n=0
n· M f ·q
n−1konvergiert, und wie oben kann man daraus schließen, dass P
∞n=0
n · c
n(z − a)
n−1auf D
r(a) gleichm¨ aßig konvergiert.
Die Zahl
R := sup{r ≥ 0 : ∃ z
0∈ C mit r = |z
0− a|, so dass P (z
0) konvergiert}
heißt Konvergenzradius der Potenzreihe. Die F¨ alle R = 0 und R = +∞ sind dabei auch zugelassen. Der Kreis um a mit Radius R heißt der Konvergenzkreis der Reihe. Es gilt:
1. F¨ ur 0 < r < R konvergiert P (z) auf D
r(a) normal (und damit insbesondere absolut und gleichm¨ aßig).
2. Ist |z
0− a| > R, so divergiert P (z
0).
3. Die Grenzfunktion P (z) ist im Innern des Konvergenzkreises D
R(a) = {z ∈ C : |z − a| < R} stetig.
F¨ ur den Konvergenzradius einer Potenzreihe gibt es verschiedene Berechnungsme- thoden:
1.7. Lemma von Abel
Sei R > 0 der Konvergenzradius der Potenzreihe f(z) =
∞
X
n=0
c
n(z − a)
n. Dann ist
R = sup{r ≥ 0 : (|c
n|r
n)
n∈Nbeschr¨ ankt }.
Beweis: Sei r
0der Wert auf der rechten Seite der Gleichung.
Wenn eine Reihe nicht-negativer reeller Zahlen konvergiert, dann bilden ihre Glieder eine Nullfolge, sind also insbesondere beschr¨ ankt. Ist also r < R und |z − a| = r, so ist P
∞n=0
|c
n|r
n< ∞ und damit (|c
n|r
n) beschr¨ ankt, d.h., r ≤ r
0. Das bedeutet, dass R ≤ r
0ist.
Da R > 0 vorausgesetzt wurde, muss auch r
0> 0 sein. Ist nun 0 < r < r
0, so kann man noch ein r
0mit r < r
0< r
0finden, so dass (|c
n|(r
0)
n) beschr¨ ankt ist, etwa durch eine Konstante M . Wir setzen q := r
r
0und erhalten:
1. 0 < q < 1.
2. |c
n|r
n= |c
n|(r
0q)
n≤ M · q
n.
Mit dem Majorantenkriterium folgt die Konvergenz der Reihe
∞
X
n=0
|c
n|r
n, also r ≤ R.
Weil das f¨ ur alle r < r
0gilt, ist auch r
0≤ R.
1.8. Folgerung
Die komplexe Potenzreihe
∞
X
n=0
c
n(z − a)
nund die reelle Potenzreihe
∞
X
n=0
|c
n|x
nhaben den gleichen Konvergenzradius.
Ist (a
n) eine Folge reeller Zahlen, so versteht man unter dem Limes Superior lim a
ndas Supremum ¨ uber die Menge aller H¨ aufungspunkte der Folge (a
n). Ist (a
n) konvergent gegen a, so ist a der einzige H¨ aufungspunkt der Folge und lim a
n= a.
Besitzt (a
n) mehrere, aber nur endlich viele H¨ aufungspunkte, so ist lim a
nder Gr¨ oßte dieser H¨ aufungspunkte.
1.9. Formel von Cauchy-Hadamard
Sei f (z) =
∞
X
n=0
c
n(z − a)
neine Potenzreihe und γ := lim p
n|c
n|, also das Supre- mum ¨ uber die Menge aller H¨ aufungspunkte der Folge p
n|c
n|.
Dann gilt f¨ ur den Konvergenzradius R der Potenzreihe:
1. Wenn γ eine endliche Zahl > 0 ist, dann ist R = 1/γ.
2. Wenn γ = ∞ ist, dann ist R = 0.
3. Wenn γ = 0 ist, dann ist R = ∞.
Beweis: (wie im Reellen)
Sei z ∈ C , z 6= a. Setzt man α := lim p
n|c
n(z − a)
n|, so erh¨ alt man die Gleichung α = |z − a| γ.
1) Sei 0 < γ < +∞.
Ist |z − a| < 1/γ, so ist α < 1 und es gibt ein q mit α < q < 1 und ein n
0, so dass p
n|c
n(z − a)
n| < q und damit |c
n(z − a)
n| < q
nf¨ ur n ≥ n
0ist. Dann folgt aus dem Majorantenkriterium, dass die Potenzreihe in z (absolut) konvergiert.
Ist andererseits |z − a| > 1/γ, so ist α > 1. Das bedeutet, dass unendlich viele Terme |c
n(z − a)
n| ebenfalls > 1 sind. Dann divergiert die Potenzreihe.
Also muss R := 1/γ sein.
2) Sei γ = 0 und z beliebig. Dann ist auch α = 0, und die Folge p
n|c
n(z − a)
n| konvergiert gegen Null. Ist 0 < q < 1, so gibt es ein n
0, so dass p
n|c
n(z − a)
n| < q
und deshalb |c
n(z − a)
n| < q
nf¨ ur n ≥ n
0gilt. Die Reihe konvergiert.
3) Sei γ = +∞ und z 6= 0. Dann sind die Glieder der Potenzreihe unbeschr¨ ankt und die Reihe divergiert.
Der wichtigste Begriff in der Analysis ist die
” Differenzierbarkeit“. Sieht man ein- mal von der anschaulichen Bedeutung der Ableitung ab, so liefert der Differential- Kalk¨ ul vor allem einen handlichen algebraischen Apparat zur Untersuchung von Funktionen. Um z.B. die Ableitung von f(x) = x
nzu berechnen, braucht man keine Grenzwertuntersuchungen. Als Euler seinerzeit recht sorglos begann, mit komple- xen Zahlen, Funktionen und Reihen zu rechnen, benutzte er die ¨ ublichen Regeln:
(z
n)
0= n · z
n−1, (e
z)
0= e
zusw.
F¨ ur eine saubere Definition der Ableitung brauchen wir den Grenzwertbegriff f¨ ur Funktionen.
Definition
Sei G ⊂ C ein Gebiet und z
0∈ C \ G ein H¨ aufungspunkt von G. Eine Funktion f : G → C hat in z
0den Grenzwert c, falls gilt:
∀ ε > 0 ∃ δ > 0, so dass gilt: |z − z
0| < δ = ⇒ |f (z) − c| < ε.
Man schreibt dann: lim
z→z0
f (z) = c.
Ist f auch noch in z
0definiert und lim
z→z0
f (z) = f (z
0), so heißt f in z
0stetig.
f ist genau dann in z
0stetig, wenn f¨ ur alle Folgen z
n∈ G \ {z
0} mit lim
n→∞
z
n= z
0gilt: lim
n→∞
f (z
n) = f(z
0).
Definition
Sei G ⊂ C ein Gebiet, f : G → C eine Funktion und z
0∈ G ein Punkt. f heißt in z
0komplex differenzierbar, falls der Grenzwert
f
0(z
0) := lim
z→z0
f(z) − f(z
0) z − z
0existiert. Die komplexe Zahl f
0(z
0) nennt man dann die Ableitung von f in z
0. f heißt auf G komplex differenzierbar, falls f in jedem Punkt von G komplex differenzierbar ist.
Ist f in z
0komplex differenzierbar, so kann man eine Funktion ∆ : G → C definieren durch
∆(z) =
f(z)−f(z0)z−z0
falls z 6= z
0,
f
0(z
0) falls z = z
0.
Offensichtlich ist ∆ in z
0stetig, und es gilt f¨ ur alle z ∈ G : f (z) = f (z
0) + (z − z
0) · ∆(z).
Ist umgekehrt eine solche Darstellung mit einer in z
0stetigen Funktion gegeben, so folgt, dass f in z
0komplex differenzierbar ist. Dieses Kriterium f¨ ur die Differen- zierbarkeit ist sehr n¨ utzlich, weil es auf Quotientenbildung verzichtet.
1.10. Satz
f, g : G → C seien beide in z
0∈ G komplex differenzierbar, c eine komplexe Zahl.
1. f + g , c f und f · g sind ebenfalls in z
0komplex differenzierbar, und es gilt:
(f + g)
0(z
0) = f
0(z
0) + g
0(z
0) (c f )
0(z
0) = c f
0(z
0)
und (f · g)
0(z
0) = f
0(z
0)g(z
0) + f(z
0)g
0(z
0).
2. Ist g(z
0) 6= 0, so ist auch noch g(z) 6= 0 nahe z
0, f /g in z
0komplex differenzierbar und
f g
0(z
0) = f
0(z
0) · g(z
0) − f (z
0) · g
0(z
0) g(z
0)
2.
3. Ist h in w
0:= f(z
0) komplex differenzierbar, so ist h ◦ f in z
0komplex differenzierbar, und es gilt:
(h ◦ f)
0(z
0) = h
0(w
0) · f
0(z
0).
Die Beweise werden genauso wie im Reellen gef¨ uhrt. Exemplarisch soll hier nur der Beweis f¨ ur die Kettenregel angedeutet werden:
Ist h(w) = h(w
0) + ∆
∗∗(w) · (w − w
0) und f (z) = f(z
0) + ∆
∗(z) · (z − z
0), mit einer in z
0stetigen Funktion ∆
∗und einer in w
0stetigen Funktion ∆
∗∗, so folgt:
(h ◦ f )(z) = h(w
0) + ∆
∗∗(f (z)) · (f (z) − w
0)
= (h ◦ f )(z
0) + ∆
∗∗(f (z)) · ∆
∗(z) · (z − z
0).
Nun kann man ∆(z) := ∆
∗∗(f(z)) · ∆
∗(z) setzen. Diese Funktion ist in z
0stetig und nimmt dort den Wert h
0(w
0) · f
0(z
0) an.
1.11. Satz
Sei f : G → C komplex differenzierbar und f
0(z) ≡ 0. Dann ist f konstant.
Beweis: Sei z
0∈ G und U = U(z
0) ⊂ G eine konvexe offene Umgebung. Ist z ∈ U , so definieren wir g : [0, 1] → C durch g(t) := f(z
0+ t(z − z
0)).
Sei t
0∈ [0, 1] beliebig gew¨ ahlt und w
0:= z
0+t
0(z−z
0). Weil f komplex differenzier- bar ist, gibt es eine in w
0stetige Funktion ∆, so dass f (w) − f(w
0) = (w −w
0)∆(w) und ∆(w
0) = f
0(w
0) ist. Mit w := z
0+ t(z − z
0) folgt dann:
g(t) − g(t
0) = f (w) − f (w
0) = (t − t
0)(z − z
0)∆(z
0+ t(z − z
0)),
also g(t) − g(t
0)
t − t
0= (z − z
0)∆(z
0+ t(z − z
0)),
wobei die rechte Seite f¨ ur t → t
0gegen gegen (z − z
0) · f
0(w
0) = 0 konvergiert.
Also ist g
0(t
0) = 0, und weil t
0beliebig war, verschwindet die Ableitung von g auf dem ganzen Intervall [0, 1]. Dann ist g dort konstant, und daraus folgt, dass f (z) = g(1) = g(0) = f (z
0) f¨ ur beliebiges z ∈ U ist, also f konstant auf U .
f ist damit lokal-konstant, und die Menge der Punkte z ∈ G, in denen f (z) = f(z
0) ist, ist offen und (trivialerweise) abgeschlossen und daher = G.
1.12. Beispiele
A. Weil z
n− z
0n= (z − z
0) ·
n−1
X
i=0
z
iz
0n−i−1ist, ist
z→z
lim
0z
n− z
0nz − z
0= lim
z→z0 n−1
X
i=0
z
iz
0n−i−1=
n−1
X
i=0
z
n−10= n · z
0n−1. Also ist tats¨ achlich ¨ uberall (z
n)
0= n z
n−1.
Dass das so sch¨ on geht, liegt daran, dass C eben mehr als der R
2ist. C ist ein K¨ orper.
B. Die komplexen Polynome p(z) = a
nz
n+· · ·+a
1z +a
0sind auf ganz C komplex differenzierbar, die Ableitung gewinnt man in gewohnter Weise.
C. Die Funktion f(z) = zz ist in z
0= 0 komplex differenzierbar, denn ∆(z) := z ist im Nullpunkt stetig, und es ist
f(z) = f(0) + z · ∆(z).
Die Punkte z 6= 0 werden wir sp¨ ater untersuchen.
D. Rationale Funktionen sind auf ihrem ganzen Definitionsbereich komplex dif- ferenzierbar. Das gilt insbesondere f¨ ur alle
” M¨ obius-Transformationen“. Eine
(gebrochen) lineare Transformation oder M¨ obius-Transformation
ist eine Abbildung der Gestalt
T (z) := az + b
cz + d , ad − bc 6= 0.
Die Funktion T ist f¨ ur alle z 6= −d/c definiert und komplex differenzierbar.
Wir betrachten zwei Spezialf¨ alle.
1. Fall: Ist c = 0, A := a/d und B := b/d, so ist T eine komplexe affin-lineare Funktion:
T (z) = A · z + B.
Da A eine komplexe Zahl der Gestalt A = re
itist, stellt die Abbildung z 7→ A · z eine Drehstreckung dar. Die Abbildung w 7→ w + B ist eine Translation der Ebene.
2. Fall: Die Abbildung I (z) := 1/z nennt man die Inversion. Sie ist auf C
∗:= C \ {0} definiert und stetig. Bekanntlich ist
1 z = 1
z z ¯ · z. ¯
Schreibt man z in der Form z = r · (cos t + i sin t), mit reellem r > 0 und t ∈ [0, 2π), so ist z z ¯ = r
2und ¯ z = r · (cos t − i sin t). Also gilt:
|I(z)| = 1
|z| und arg(I(z)) = − arg(z) .
F¨ ur z = r · (cos t + i sin t) bedeutet der ¨ Ubergang r 7→ 1/r eine Spiegelung am Einheitskreis, der ¨ Ubergang t 7→ −t eine Spiegelung an der x–Achse.
s
z
0 1
s1 z
Ist T (z) = az + b
cz + d eine beliebige M¨ obius-Transformation mit c 6= 0 und
A := bc − ad
c und B := a
c , so ist
A · 1
cz + d + B = (bc − ad) + a(cz + d) c(cz + d)
= bc + acz
c(cz + d) = az + b
cz + d = T (z).
Also setzt sich T aus affin-linearen Funktionen und der Inversion zusammen.
E. Sei f (z) =
∞
X
n=0
c
nz
neine konvergente Potenzreihe mit Entwicklungspunkt 0 und Konvergenzradius R > 0.
Behauptung: f ist in jedem Punkt z des Konvergenzkreises D
R(0) komplex differenzierbar, und es gilt:
f
0(z) =
∞
X
n=1
n · c
nz
n−1.
Beweis: Wir wissen schon, dass die formal gliedweise differenzierte Reihe
∞
X
n=1
n · c
nz
n−1ebenfalls in D
R(0) konvergiert. Daraus kann man leicht folgern, dass f im Nullpunkt differenzierbar und f
0(0) = c
1ist: Es ist n¨ amlich
f(z) − f(0) = z ·
∞
X
n=1
c
nz
n−1= z · ∆(z),
wobei die Funktion ∆ als Grenzwert einer konvergenten Potenzreihe stetig und ∆(0) = c
1ist.
Schwieriger wird es aber, wenn man die komplexe Differenzierbarkeit von f in einem beliebigen Punkt z
0des Konvergenzkreises D
R(0) zeigen will. Sei nun z
0ein solcher Punkt . Ist F
N(z) die N -te Partialsumme von f(z), so ist
F
N(z) − F
N(z
0) =
N
X
n=1
c
n(z
n− z
0n) = (z − z
0) · ∆
N(z), mit
∆
N(z) :=
N
X
n=1
c
nn−1
X
i=0
z
iz
0n−i−1.
Wir w¨ ahlen ein r < R, so dass |z
0| < r ist. F¨ ur z ∈ D
r(0) gilt dann:
|c
nn−1
X
i=0
z
iz
0n−i−1| ≤ |c
n| ·
n−1
X
i=0
|z|
i|z
0|
n−i−1≤ |c
n| · n · r
n−1.
Da die Reihe P
∞n=1
n · c
nz
n−1in jedem Punkt z ∈ D
r(0) absolut konvergiert, ist insbesondere die reelle Reihe
∞
X
n=1
n|c
n|r
n−1konvergent.
Nach dem Weierstraß-Kriterium konvergiert dann ∆
N(z) gleichm¨ aßig auf D
r(0) gegen die stetige Funktion
∆(z) := lim
N→∞
∆
N(z) =
∞
X
n=1
c
nn−1
X
i=0
z
iz
0n−i−1(mit ∆(z
0) =
∞
X
n=1
n · c
nz
n−10).
Aus der Gleichung F
N(z) = F
N(z
0)+(z−z
0)·∆
N(z) wird beim Grenz¨ ubergang N → ∞ die Gleichung f (z) = f (z
0) + (z − z
0) · ∆(z). Also ist f in z
0komplex differenzierbar und
f
0(z
0) =
∞
X
n=1
n · c
n· z
0n−1.
Potenzreihen mit beliebigem Entwicklungspunkt werden wir sp¨ ater behan- deln.
Die Reihen
exp(z) :=
∞
X
n=0
z
nn! , sin(z) :=
∞
X
n=0
(−1)
nz
2n+1(2n + 1)!
und cos(z) :=
∞
X
n=0
(−1)
nz
2n(2n)! .
konvergieren auf ganz C und stellen dort komplex differenzierbare Funktionen dar.
Auf R stimmen sie nat¨ urlich mit den bekannten Funktionen ¨ uberein.
Die Reihen k¨ onnen gliedweise differenziert werden. Deshalb gilt:
exp
0(z) = exp(z), sin
0(z) = cos(z) und cos
0(z) = − sin(z).
1.13. Satz (Euler’sche Formel)
F¨ ur t ∈ R ist exp( i t) = cos t + i sin t = e
it.
Beweis: Man berechne Realteil und Imagin¨ arteil der Reihenentwicklung von exp( i t) :
exp( i t) =
∞
X
n=0
( i t)
nn! =
∞
X
k=0
( i t)
2k(2k)! +
∞
X
k=0
( i t)
2k+1(2k + 1)!
=
∞
X
k=0
(−1)
kt
2k(2k)! + i
∞
X
k=0
(−1)
kt
2k+1(2k + 1)!
= cos t + i sin t.
Auch die komplexe Exponentialfunktion erf¨ ullt das
1.14. Additionstheorem
Es ist exp(z + w) = exp(z) · exp(w) f¨ ur alle z, w ∈ C .
Beweis: Sei z
0∈ C fest und f(z) := exp(z) · exp(z
0− z). Dann ist f
0(z) ≡ 0, also f (z) ≡ f (0) = exp(z
0) konstant. Damit ist
exp(z) · exp(z
0− z) = exp(z
0), f¨ ur alle z, z
0∈ C .
Sind z und w gegeben und setzt man z
0:= z + w, so ist exp(z + w) = exp(z
0) = exp(z) · exp(z
0− z) = exp(z) · exp(w).
1.15. Folgerung
Es ist exp(z + 2π i ) = exp(z), f¨ ur alle z ∈ C .
Beweis: Es ist exp(2π i ) = cos(2π) + i sin(2π) = 1, also exp(z + 2π i ) = exp(z) · exp(2π i ) = exp(z).
Das ist alles!
Die Exponentialfunktion ist also ¨ uber C periodisch.
Außerdem gilt f¨ ur alle z ∈ C die Eulersche Formel:
exp( i z) = cos(z) + i sin(z) .
Beweis: Ersetzt man jeweils −1 durch i
2, so erh¨ alt man
cos z + i sin z =
∞
X
n=0
(−1)
nz
2n(2n)! + i
∞
X
n=0
(−1)
nz
2n+1(2n + 1)!
=
∞
X
n=0
( i z)
2n(2n)! +
∞
X
n=0
( i z)
2n+1(2n + 1)! = exp( i z).
Daraus folgen auch neue Relationen, z.B.:
cos(z) = 1
2 (e
iz+ e
−iz) und sin(z) = 1
2 i (e
iz− e
−iz).
Nun wollen wir die komplexe Differenzierbarkeit in C mit der reellen Differenzier- barkeit im R
2vergleichen.
Zur Erinnerung:
f heißt in z
0(reell) differenzierbar, wenn es eine R -lineare Abbildung L : C → C und eine in der N¨ ahe des Nullpunktes definierte Funktion r gibt, so dass gilt:
1. f(z) = f(z
0) + L(z − z
0) + r(z − z
0) f¨ ur z nahe z
0. 2. lim
h→0 h6=0
r(h)
|h| = 0.
Die eindeutig bestimmte lineare Abbildung L nennt man die totale Ableitung von f in z
0und bezeichnet sie mit Df(z
0).
Bei der Identifikation von C mit dem R
2entsprechen die komplexen Zahlen 1 und i den Einheitsvektoren e
1= (1, 0) und e
2= (0, 1). Deshalb nennt man die komplexen Zahlen
f
x(z
0) = ∂f
∂x (z
0) := Df (z
0)(1) und f
y(z
0) = ∂f
∂y (z
0) := Df(z
0)( i ) die partiellen Ableitungen von f nach x und y. Ist f = g + i h, so gilt:
f
x(z
0) = g
x(z
0) + i h
x(z
0) und f
y(z
0) = g
y(z
0) + i h
y(z
0).
Die R -lineare Abbildung Df(z
0) wird deshalb bez¨ uglich der Basis {1, i } durch die Funktionalmatrix
J
f(z
0) :=
g
x(z
0) g
y(z
0) h
x(z
0) h
y(z
0)
beschrieben.
1.16. Satz
Ist f in z
0komplex differenzierbar, so ist f in z
0auch reell differenzierbar, und die totale Ableitung Df(z
0) : C → C ist die Multiplikation mit f
0(z
0), also C −linear.
Auch die Umkehrung dieser Aussage ist richtig.
Beweis: Sei f in z
0komplex differenzierbar. Dann gibt es eine in z
0stetige Funktion ∆, so dass gilt:
f(z) = f (z
0) + (z − z
0)∆(z)
= f (z
0) + f
0(z
0)(z − z
0) + ∆(z) − f
0(z
0)
(z − z
0)
= f (z
0) + L(z − z
0) + r(z − z
0),
mit der linearen Abbildung L (mit L(v) := f
0(z
0) · v) und der Funktion r(h) :=
(∆(z
0+ h) − f
0(z
0)) · h. Dann gilt:
r(h)
h = ∆(z
0+ h) − f
0(z
0) → 0 (f¨ ur h → 0) Also ist f in z
0reell differenzierbar und Df(z
0) C -linear.
Ist umgekehrt f in z
0reell differenzierbar und Df (z
0) C -linear, so gibt es eine komplexe Zahl a, so dass Df (z
0)(v) = a · v ist, und es gibt eine Darstellung
f(z) = f (z
0) + a(z − z
0) + r(z − z
0), mit lim
h→0
r(h) h = 0.
Setzt man dann ∆(z) := a + r(z − z
0) z − z
0, f¨ ur z 6= z
0, so strebt ∆(z) → a f¨ ur z → z
0,
∆ ist also stetig nach z
0fortsetzbar. Außerdem ist ∆(z)(z − z
0) = f (z) − f(z
0).
Eine R -lineare Abbildung L : C → C ist genau dann zus¨ atzlich C -linear, wenn es eine komplexe Zahl c
0gibt, so dass L(w) = c
0· w ist. Schreibt man c
0= a
0+ i b
0, so ist
c
0· 1 = a
0+ i b
0und c
0· i = −b
0+ i a
0. Das bedeutet, dass L bez¨ uglich {1, i } durch die Matrix A =
a
0−b
0b
0a
0be- schrieben wird. F¨ ur eine in z
0komplex differenzierbare Funktion muss also gelten:
g
x(z
0) = h
y(z
0) und g
y(z
0) = −h
x(z
0) .
Dieses kleine System von partiellen Differentialgleichungen hat weitreichende Fol-
gen. Man spricht von den Cauchy-Riemann’schen Differentialgleichungen.
1.17. Satz
Folgende Aussagen sind ¨ aquivalent:
1. f ist in z
0reell differenzierbar und Df(z
0) : C → C ist C -linear.
2. Es gibt eine in z
0stetige Funktion ∆ : G → C , so dass f¨ ur alle z ∈ G gilt:
f (z) = f (z
0) + ∆(z) · (z − z
0).
3. f ist in z
0komplex differenzierbar.
4. f ist in z
0reell differenzierbar und es gelten die Cauchy-Riemann’schen Differentialgleichungen
g
x(z
0) = h
y(z
0) und g
y(z
0) = −h
x(z
0).
Beweis:
Die ¨ Aquivalenz der Aussagen (1), (2) und (3) haben wir schon gezeigt. Außerdem ist klar, dass aus diesen Aussagen auch (4) folgt.
Ist schließlich f in z
0reell differenzierbar, und gelten die Cauchy-Riemann’schen Differentialgleichungen, so beschreibt die totale Ableitung die Multiplikation mit der komplexen Zahl g
x(z
0) + i h
x(z
0) = f
x(z
0). Also ist Df (z
0) C -linear.
Bemerkung: Ist f in z
0komplex differenzierbar, so ist f
0(z
0) = f
x(z
0) = g
x(z
0) + i h
x(z
0)
= h
y(z
0) − i g
y(z
0) = − i (g
y(z
0) + i h
y(z
0)) = − i f
y(z
0).
1.18. Beispiel
Sei f (z) := zz. Dann ist f in z
0:= 0 komplex differenzierbar und f
0(0) = 0.
Aber f ist in keinem Punkt z
06= 0 komplex differenzierbar, denn sonst w¨ are dort auch die Funktion
k(z) := z = 1 z · f (z) komplex differenzierbar. Es ist aber J
k(z) =
1 0
0 −1
. Die Cauchy- Riemannschen Differentialgleichungen sind nicht erf¨ ullt!
Es soll kurz angedeutet werden, wie man ganz besonders bequem mit den CR-
Differentialgleichungen umgehen kann. Eine reell-lineare Abbildung F : C → C
kann stets in der Form F (h) = ah + bh mit komplexen Zahlen a, b geschrieben
werden. Sie ist genau dann C -linear, wenn b = 0 ist. Speziell erh¨ alt man f¨ ur reell-
differenzierbare Abbildungen von C nach C :
Df (z
0)h = f
z(z
0) · h + f
z(z
0) · h, mit den sogenannten
” Wirtinger-Ableitungen“
f
z= ∂f
∂z := 1
2 (f
x− i f
y) f
z= ∂f
∂z := 1
2 (f
x+ i f
y).
f ist genau dann holomorph, wenn f
z= 0 (und dann f
z= f
0) ist. Die Gleichung f
z= 0 kann als Ersatz f¨ ur die CR-DGLn herhalten.
Bloß, wie berechnet man die Ableitung nach z ? Man kann die Definition benutzen, aber das kann auch sehr m¨ uhsam werden. Die gute Nachricht ist, dass man z und z wie unabh¨ angige Variablen behandeln kann.
1.19. Beispiel
Sei f (z) := (zz)
2= z
2z
2= (x
2+ y
2)
2. Nach Definition ist f
z= 1
2 (f
x+ i f
y) = 1
2 4x(x
2+ y
2) + 4 i y(x
2+ y
2)
= 2z · (zz) = 2z
2z.
Fasst man z und z als unabh¨ angige Variable auf, so erh¨ alt man – deutlich schneller – f
z= z
2· 2z.
Wir kommen jetzt zum zentralen Begriff der Vorlesung.
Definition
Eine Funktion f heißt in z
0∈ C holomorph, wenn sie in einer offenen Umgebung U = U (z
0) ⊂ C definiert und komplex differenzierbar ist.
Komplexe Polynome sind auf ganz C holomorph. Die Funktion f(z) := zz ist zwar in z = 0 komplex differenzierbar, aber nirgends holomorph! Funktionen, die auf einem Gebiet G ⊂ C komplex differenzierbar sind, sind dort auch automatisch holomorph.
Wir wissen auch schon, dass eine durch eine Potenzreihe mit Entwicklungspunkt 0 definierte Funktion auf dem Konvergenzkreis der Reihe holomorph ist. Sei nun
f(z) =
∞
X
n=0
c
n(z − z
0)
neine konvergente Potenzreihe mit Entwicklungspunkt z
0und Konvergenzradius R >
0. Wir wollen sehen, dass f auf D
R(z
0) holomorph ist.
Sei ϕ : C → C definiert durch ϕ(z) := z − z
0. Dann ist ϕ holomorph und ϕ
0(z) ≡ 1. Ist K ⊂ D
R(0) kompakt, so konvergiert die Folge der Partialsum- men g
N(w) := P
Nn=0
c
nw
nauf K gleichm¨ aßig gegen die holomorphe Grenzfunktion g(w) = P
∞n=0