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Das bedeutsame Vermächtnis Eduard Sprangers. Anmerkungen zur Edition seiner "Gesammelten Schriften"

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Löffelholz, Michael

Das bedeutsame Vermächtnis Eduard Sprangers. Anmerkungen zur Edition

seiner "Gesammelten Schriften"

Zeitschrift für Pädagogik 27 (1981) 1, S. 65-74

Empfohlene Zitierung/ Suggested Citation:

Löffelholz, Michael: Das bedeutsame Vermächtnis Eduard Sprangers. Anmerkungen zur Edition seiner "Gesammelten Schriften" - In: Zeitschrift für Pädagogik 27 (1981) 1, S. 65-74 - URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-141465 - http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0111-pedocs-141465

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(2)

Zeitschrift für

Pädagogik

Jahrgang

27

-

Heft

1

Februar 1981

I.

Thema:

Rekonstruktion hermeneutischer

Pädagogik

HansScheuerl

ReinhardUhle

OttoFriedrich Bollnow

RenateGirmes-Stein

Ursula Grytzka

MichaelLöffelholz

FriedheimNicolin

Über die

„geisteswissenschaftliche"

Tradition in der

Pädagogik

undihre Rekonstruktion 1

Grundlinien einerRekonstruktion hermeneutisch

prak¬

tischer

Pädagogik

7

Der

Begriff

des

pädagogischen

Bezugs bei Herman

Nohl 31

Grundlagen

einer

handlungsorientierenden

Wissenschaft

von der

Erziehung.

Zur

Thematisierung

des Theorie/ Praxis-Verhältnisses bei Erich

Weniger

39

Die

gegenwärtige Rezeption

MartinBubersinderPäd¬

agogik.

Eine

Sammelbesprechung

neuerer Arbeitenzu

BubersDenken 53

Das bedeutsame Vermächtnis Eduard

Sprangers.

An¬

merkungen

zurEdition seiner„GesammeltenSchriften"

65

Zum Wissenschaftsverständnis der

geisteswissenschaft¬

lichen

Pädagogik.

Eine

Auseinandersetzung

mit dem

BuchvonR. B. Huschke-Rhein 75

II.

Literaturberichte

Heinz-Elmar Tenorth

ThomasLehmann/

JürgenOelkers

Über die

disziplinare

Identität der

Erziehungswissen¬

schaft. Eine

Sammelbesprechung

neuerer Veröffent¬

lichungen

85

(3)

III.

Diskussion:

Lernen für

die Zukunft

-Umwelterziehung

Der„Lernbericht"desClub ofRome 127 PeterKern/

Hans-GeorgWittig

Alfred K. Treml

KarlheinzFingerle

Lernenoder

Untergehen?

Kritische

Anmerkungen

zum

„Lernbericht" desClub ofRome 139

Umwelterziehung: Empfehlungen

und Unterrichtsmo¬ deUe.Zueinem KMK-Beschluß undneuerenVeröffent¬

lichungen

145

IV.

Besprechungen

Hans Scheuerl

Hans Füchtner

Harm Paschen:

Logik

der

Erziehungswissenschaft

159

Fritz Redl:

Erziehungsprobleme

Erziehungsberatung

163

Hinweisezur

Manuskriptgestaltung

165

Pädagogische Neuerscheinungen

167

Anschriften

der Mitarbeiter dieses

Heftes:

Prof.Dr.Otto FriedrichBollnow,Waldeckstraße27,7400

Tübingen;

Prof. Dr.Karlheinz

Fingerle,

Lilienweg

30,3500 Kassel;Dr. HansFüchtner,Hessenstraße

14,

6231 Schwal¬

bach; Dr. Renate Girmes-Stein, Von-der-Tinnen-Straße 4, 4400 Münster; Dr. Ursula

Grytzka,

Reichsstraße56,5300

Bonn-Röttgen;

Prof.Dr. PeterKern,Forststraße7,7860

Schopfheim;

Dipl.

Päd. Thomas Lehmann, Am

Klostergarten

8, 2120

Lüneburg;

Dr.

Michael Löffelholz,

Billeweg

14, 2057 Wcntorf; Prof. Dr. Friedhelm Nicolin, Forst¬

straße 11, 5300

Bonn-Röttgen;

Prof. Dr. Jürgen Oelkers, Hochschule

Lüneburg,

Wil-schenbrucher

Weg

84, 2120

Lüneburg;

Prof. Dr. Hans Scheuerl, Bockhorst 46, 2000

Hamburg

55; Prof. Dr. Heinz-Elmar Tenorth, Bönfeldstraße 16, 6472 Altenstadt 1;

Dr. Alfred K. Treml, Altheimer Straße 2, 7410

Reutlingen

24; Dr. Reinhard Uhle,

Chrysanderstraße

143, 2050

Hamburg

80; Prof. Dr.

Hans-Georg Wittig, Haagener

Straße 84, 7850 Lörrach.

(4)

Zeitschrift für

Pädagogik

Beltz

Verlag

Weinheim und Basel

Anschriften

der Redaktion: Dr. ReinhardFatke,

Brahmsweg

19,7400

Tübingen

1;Prof.

Dr.AndreasFlitner,Im Rotbad43,7400

Tübingen

1;Prof.Dr.WalterHornstein,

Pippin-straße27,8035

Gauting.

Manuskripte

in

doppelter

Ausfertigung

an die

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erbeten. Hinweise zur

äußeren Form der

Manuskripte

finden sich am Schlußvon Heft 1/1981,S. 1651, und

könnenbei der

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bitte an die

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Pädagogik"

erscheint zweimonat¬

lich

(zusätzlich jährlich

1

Beiheft)

im

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Julius BeltzGmbH&Co.KG,Weinheimund

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Beltz&Co. Basel.

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Z. f. Päd.

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WORT,

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Wissenschaft,Goethestraße49,8000München2, vonder die einzel¬ nen

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zu

erfragen

sind.

ISSN 0044-3247

(5)

Michael Löffelholz

Das

bedeutsame Vermächtnis Eduard

Sprangers

Anmerkungen

zurEditionseiner

„Gesammelten

Schriften"*

Die Edition der Gesammelten Schriften Eduard Sprangers und die vorausgegangene

Sichtung

und

Ordnung

seines Nachlasses in den Jahren 1964 bis 1968 in

Tübingen

unter

der

Leitung

vonHansWalter

Bahr1

sindausvielenGründen

wichtig.

Drei davon seien

aus

erziehungswissenschaftlicher Perspektive

hervorgehoben.

Dererstebetrifft die

Wükungsgeschichte

Sprangers,derzuden

hervorragenden

Gelehr¬

tenindiesem Jahrhundert

gehörte.

Das

gilt

besonders,wenn mandas Gewicht und die

Dauer seiner öffentlichen

Wirkung

vomzweiten biszumsechstenJahrzehnt

berücksichtigt.

Erwarkein bloßer

Fachgelehrter,

sondern hatbewußt und mit

nachhaltigem

Erfolg

seinen

Ruf alsUniversitätslehrer für eine

geistige

und

poUtische

Wirkung

in deröffentüchkeit

und in

Regierungsgremien eingesetzt (vgl.

G. S. VIII,S. 411f.;femer G. S. X,S.

428).

Seine Einflußnahmevorallem auf die

pädagogische Öffentlichkeit,

nichtnurin Deutsch¬

land,

ist auch

aufgrund

seiner

umfangreichen Vortragstätigkeit

sehr

groß

gewesen. Die GeschichtevonSprangers Werk und

Wirkung

ist eng verbunden mit der Geschichte des

deutschen akademischen

Bürgertums

in diesem Jahrhundert.Undso

spiegeln

seine Schrif¬

ten auch die

Ereignisse,

die

politischen

und

geistigen

Tendenzenin denverschiedenen Abschnitten dieser Zeit wider. Durch diese

zeitgeschichtliche

Verflechtung

dürfte Sprangers Lebenswerk eines der interessantesten

Zeugnisse

der neueren deutschen

Geistesgeschichte

einschließlich ihrer

politischen

Dimension sein. Da

Erinnerung

und

Verarbeitung

dieser

Epoche,

die inDeutschland ihren

negativen

Kulminationspunkt

im Nationalsozialismus

hatte,

in ihren Ursachendimensionen, ihren Gedanken- und Re¬

aktionsbildungen

—auch im Rahmen der

Erziehungswissenschaft

-weiterhin

geboten

EduardSpranger: Gesammelte Schriften.Hrsg.vonHansWalterBahr/OttoFriedrich Boll-now/Gottfried Bräuer/Otto Dürr/Walter Eisermann/Ludwig Englert/Andreas Flitner/ Hermann JosefMeyer/Hans Wenke,Tübingen: MaxNiemeyer/Heidelberg: Quelle &Meyer

1969ff. (zit.G.S.).Bd. I:GeistderErziehung. Hrsg.vonGottfriedBräuer/AndreasFlitner. 1969.463 S.;Bd. II: Philosophische Pädagogik. Hrsg.v. Otto FriedrichBollnow/Gottfried Bräuer. 1973. 444 S.;Bd. III: Schuleund Lehrer. Hrsg. v. Ludwig Englert. 1970. 439 S.;

Bd. IV:PsychologieundMenschenbildung. Hrsg.v.Walter Eisermann. 1974. 439S.;Bd. V:

Kulturphilosophie und Kulturpolitik. Hrsg. v. Hans Wenke. 1969. 480 S.; Bd. VI: Grund¬

lagen der Geisteswissenschaften.Hrsg.v. Hans Walter Bahr. 1980. 355 S.; Bd. VII: Briefe 1901-1963.Hrsg. v. Hans Walter Bahr. 1978. 480S.;Bd. VIII:Staat, RechtundPolitik.

Hrsg.vHermann Josef Meyer.1970.458S.;Bd.LX:PhilosophieundPsychologiederReligion.

Hrsg. v. Hans Walter Bahr. 1974. 441 S.; Bd. X: Hochschule und Gesellschaft. Hrsg. v.

WalterSachs. 1973.486S.;Bd. XI: ErzieherzurHumanität.StudienzurVergegenwärtigung

pädagogischerGestaltenund Ideen.Hrsg.v.Otto Dürr.1972.464 S.

Hans Walter Bahr wurde vonSpranger testamentarischmit derVerwaltung des Nachlasses betraut. AufihngehtauchdiePlanungder„GesammeltenSchriften"zurück;vgl.G. S.IX,S. 435.

(6)

66

Michael

Löffelholz

bleiben,

Werkausgaben

bedeutender

Repräsentanten

derakademischen

Intelügenz

des 20. Jahrhunderts noch weithin

fehlen,

kommt der

Erschließung

des SPRANGERSchen Gesamtwerks in diesem

Zusammenhang

hohe

Bedeutung

zu.

Ein zweiter Grund,die SPRANGER-Edition für

wichtig

zu

halten,

betrifft die inhaltliche

Bedeutung

desWerks. Sprangerhat,

ausgehend

vonderkritizistischen Position Diltheys

(vgl.

Herrmann

1971),

die

Entwicklung

der

Pädagogik

zurmodernenWissenschaft und

Universüätsdiszipün

entscheidend

mitbegründet.

Seine

geistige

Wirksamkeit war aber

vonvornherein nichtnurauf sie

gerichtet.

Er sah seine

Pädagogik

in enger

Verbindung

zur

Philosophie

auf demStand deshistorischen

Bewußtseins,

begriff

sie als deren Konelat und hat diesenGedanken über Dilthey hinaus mit

großer

Konsequenz ausgeführt

und

gelebt.

Dabeiwarer

zugleich

offen für einzelwissenschaftliche

Forschung,

zudererselbst auf vielenGebieten,insbesondere im Bereich der

Psychologie,

beizutragen

suchte. Er hat sein

erziehungswissenschafthches

Nachdenkenvorallem auf die

grundlegende

Frage

ge¬

richtet,

in welchen

Bedingungszusammenhängen2

und nachwelchen

Gesetzmäßigkeiten

Entwicklung

und

Erziehung

verlaufen und mit welchen

Rechtfertigungen

intentionale

Erziehung geschieht,

um von dahereine

systematische

pädagogische

und

pädagogisch¬

psychologische

Theorie aufzubauen

(vgl.

dazuuntendie

Ausführungen

zuBd.IIund IV

der G.S.;ferner Löffelholz

1979).

Insofernseine Schriften die

Auseinandersetzung

mit diesen

Grandproblemen

der

Pädagogik

unterdenneuentstandenen

industriegesellschaft-Uchen

Bedingungen

dokumentieren,fordern sie den

heutigen

Leserdazuheraus,sichdie

häufig

verdrängten

Kernfragen

der

Pädagogik

ins Bewußtseinzurufen. Daß die Beschäf¬

tigung

mit SprangersArbeiten

aufgrund

ihrer historischen

Durchbildung

zugleich

die

Erinnerang

an

große

Denker und Erzieher

weckt,

dürfte nichtzuden

geringsten

Gewinnen

zählen,

die die Lektüre seiner Schriften abwirft.

Und noch in einem

dritten,

mit dem zuletztgenanntenin sachUchem

Zusammenhang

ste¬

henden Sinn stellt Sprangers Werk eine

wichtige Herausforderung

andie

gegenwärtige

Erziehungswissenschaft

dar. Ichmeine die

Frage

nachdessen historischer Identität. Dieses Werkwarohne

jeden

Zweifelvon

Anbeginn

einVersuch,indie historisch-sozialen Kon¬ flikte

einzugreifen,

die sich auf der Ebene des theoretischen Bewußtseins als solche zwi¬ schen einer demokratisch-soziaüstischen und einerkonservativ-liberalen Tradition des

politischen

und

phUosophischen

Denkens fassenlassen,ohne daßdamit eineneueWelt¬

anschauungstypologie

behauptet

sei. Spranger wandte sich gegen die erste Tradition. Seine konservative

EinsteUung,

die der vorherrschenden Denkweise der deutschen aka¬ demischen

Intelligenz

in dererstenHälftedes 20. Jahrhunderts

entsprach, schlägt

sich in zwei Dimensionen seines Werks nieder: in der

geseUschafts-

und

verfassungspolitischen

und in der

geschichtsphilosophischen.

Vonihnen ist die zweite die

grundlegende.

ImHin¬ blick auf Sprangers

Geschichtsphilosophie

(vgl.

Löffelholz

1977),

das Zentrum des

Werks,

läßt sich

behaupten,

daß eine derGrundmotivationen seinerzu

Beginn

desJahr¬

hunderts einsetzenden

Theoriebildung

die Abwehr einer dialektisch-materiaüstischen

Revolutionsphilosophie

in der HEGEL-MARX-Traditionwar,die genauzuderZeit,in der

Spranger seine Theorie auszubilden

begann,

durchdie

Arbeiterbewegung

zunehmendan

2 Sprangerhatte bereits einausgeprägtesBewußtseinvondenZusammenhängen,dieheuteunter denBegriff „Sozialisation" gefaßtwerden.

(7)

Dmbedeutsame Vermächmb Eduard

Sprangers

67

pohtisch-praktischer Bedeutung

gewann. In seinem

philosophischen,

1914 imerstenEnt¬

wurfvorgelegten Hauptwerk

(„Lebensformen"),

das

vielfältig

in dasgesamteliterarische Werk

ausstrahlt,

gleichsam

dessen

Ankerpunkt

darsteUt,

hat Spranger als wesentüchen Bestandteil eine

anthropologische

Konstantenlehre

entwickelt3.

Erkonstruiert darin die

wichtigen

Faktoren der

Geschichte,

nämüch—in seinen Worten

-Wirtschaft,

Macht, Gesellschaft,

Erkenntnis,

Kunst und

Reügion,

undihre

gegenseitigen Beziehungen

so,

daßeine

Aufhebung

ihrer

gegenseitigen Spannungen,

wie sie der historische Materiaüs¬

mus

visiert,

ein für alle Mal

ausgeschlossen

erscheint

(vgl.

Löffelholz

1977).

Insofern lassensich die

„Lebensformen"

als eineArtBollwerk gegen

jene Revolutionsphilosophie

begreifen.

Mit dem

Satz,

den Spranger im

Einleitungsvortrag

zu einer

Vorlesung

über

„Philosophie

der

Gegenwart"

1912

aussprach,

ließe sich zumindest ein

wichtiger Aspekt

seines Gesamtwerks kennzeichnen:

„Jedoch

habeich auf die

Darstellung

populärer

Philo-sopheme,

wie des Marxismususw.

verzichtet,

weil

jeder

Satz, den Sie hier hören, ein

Gegenbeweis

gegen

jene

Ansichten

ist"4.

Die

Forschung

hatbisher den Tatbestand der

Abwehrhaltung

der SPRANGERschen Philo¬

sophie

nochgarnicht als

Hypothese

anihre

Untersuchung herangetragen.

Nurunterdieser

Bedingung

kann sie aberm. E. biszum Kern seiner

Aussagen vorstoßen,

die Totalität

seinesLebensund Werks

begreifen.

Indiesem

Zusammenhang

ist

daraufhinzuweisen,

daß Sprangerseine Theorie als eine

zugleich philosophische, pohtische

und

pädagogische

ent¬

worfen hatunddaß dieservonihm bewußt

gestaltete Zusammenhang gerade

dieQualität

seines Denkens ausweist. Insofern

tangiert jene Abwehrhaltung keineswegs

bloß die im engeren Sinn

politische

Dimension desWerks,sondern wirkt in alleBereiche hinein.

Ander

bisherigen SPRANGER-Interpretation

inder

Bundesrepubhk

läßt sich

beobachten,

daß

ihr,

soweit sie sich

überhaupt

auf die Strukturen seiner

Philosophie

näher einließ,

angemessene

Kategorien

zur

Einschätzung

seines Gesamtwerks fehlen. Sie

reproduzierte

oft bloß seine

Aussagen

und rutschte in

Personalisierung

ab

(hierfür

erscheint mir ex¬

emplarisch:

Paffrath

1971),

oder sie beschränkte sich auf

Teilaspekte

seinesWerks,etwa

Jugend,

Berufsbildung,

Lehrer,

Bildungswesen

(hierbei

gelangen

z.T. sehrinteressante

Interpretationen:

z.B.Müllges 1967,S.68ff.;Blankertz 1969,S.

146ff.).

Wenig ergiebig,

wasdas Verständnis des Gesamtwerksanbetrifft,warenauchdie

Interpre¬

tationenvonHistorikern derDDR,obwohl bei ihnenvon

jener

kontroversen

Beziehung

zumMarxismus durchaus die Rede ist

(vgl.

König

1962,

S. 74ff.;Günther1967,S.571

ff.).

Für Sprangers Machtstaatsdenken und seine

Wendung

gegen den

Klassenkampf

der

Arbeiterbewegung

konnten sie in seinem Schriftwerk vor 1945 hinreichend Nachweise

Es gehört zu den aus dem Historismusstreit übernommenen Widersprüchen in Sprangers

Denken,daßergleichzeitigdieBedeutungderhistorischenZeit,derGeschichtlichkeit,in seinem Werk nachdrücklichherausgearbeitet hat. DerWiderspruchhätte der wesentlicheGegenstand einer erkenntnistheoretischenAuseinandersetzungmit Sprangerzusein(vgl.Löffelholz1977).

Vorlesung „PhilosophiederGegenwart"(1912).Unveröff.Manuskript,Universitätsbibliothek

Tübingen,S.12. -DenAufsatz„MoralbildendeKraftinunseremZeitalter"von 1971 schließt Spranger mit derWendungab:„VersittlichungderWirtschaftund derTechnik,Versittlichung

derRechtsordnungund desStaatslebens,Versittlichungder Kunst und desGenießens-daran

müßtemanernstlichdenken,ehemanglaubendarf,marxistischenIdeologienetwasKraftvolles

(8)

68

Michael

Löffelholz

finden. Neben der

Zuordnung

Sprangerszueiner

Klassenposition

aber,

in

Verbindung

mit moratischen und

politischen

Anklagen

ohne

Distinktion,

blieb die inhaltliche Ausein¬

andersetzung

mit seiner Theorie nahezu

völlig

aus. Ob Sprangers

Überlegungen

nicht

ihrerseits auf

Schwächen,

Auslassungen

undMißverständnisse in deranMarx anschlie¬ ßenden Tradition aufmerksam machen

konnten,

wurde nicht

geprüft.

Die

jetzt

vorliegende

Edition und der Nachlaß fordern dazu

auf,

die zuletzt umrissene Problematik seines Werks

aufzuarbeiten,

sich der

vernachlässigten Frage

nach den Merkmalen seiner Gesamtkon¬

zeption

aus einer umfassenden

phüosophie-

und

sozialgeschichtlichen Perspektive

und

unterdem

Gesichtspunkt

ihrer

Abwehrstellung

zuzuwenden. Von diesen

Forschungs¬

fragen ausgehend,

könnte die deutsche

Erziehungswissenschaft

inder

Auseinandersetzung

mit Sprangers

Philosophie

auch ihr Verhältnis zum historischen Materialismus über¬

prüfen.

II

Die drei in dieser

Besprechung

in den

Vordergrund

gerückten

InteressenanSprangers Werk bieten

gewisse Gesichtspunkte

zur

Beurteilung

derneuen Edition Gesammelter

Schriften. Ihre

Herausgeber

sind

überwiegend

Schüler und Mitarbeiter Sprangers ge¬

wesen;sie haben ihn

persönlich

gekannt

undsind mit seinem Leben und Werk mehr oder

weniger

eng verbunden gewesen.Fürdie bei dem

Umfang

vonSprangers Gesamtwerk sehr

schwierige

Schriftenauswahl und eine lebens- und

werkgeschichtliche

Kommentie¬ rung der einzelnen Schriftenwarensomit denkbar

günstige personale

Voraussetzungen

gegeben.

Vonder Verbundenheit der

Herausgeber

mit Spranger her

ergaben

sich eine be¬ stimmte

VorsteUung

vonZiel und Zweck der Edition und auch

spezifische Gesichtspunkte

für

Auswahl,

Anordnung

und

Interpretation

derTexte.

Die Edition umfaßt elf Bände von

je

etwa 450 Seiten Text. Sie enthält

insgesamt

an¬

nähernd zweihundert Arbeiten Sprangers. Viele der in der Edition

abgedruckten

Schrif¬

ten sind

bislang

unveröffenthcht. Jeder Band ist einem besonderen

Themengebiet

ge¬

widmet. Insofern stellen sie allezusammeneine thematische

Ordnung

des Oeuvres dar. Der

Ausgabe

soll eine

voUständige

BibUographie

als

Fortsetzung

der bisher

gültigen

VerzeichnissevonTheodor Neu

(1958)

und Ludwig Englert/Siegfried Mursch

(1962)

folgen.

Von den

insgesamt

elf Bänden verdienen besondere

Beachtung

die Bände II,

IV,

IX und X, zum einen weil sie einen hohen Anteil bisher unbekannter oder unbeachteter

Schriften

enthalten,

zumanderen weil sievonder

gegenwärtigen

wissenschaftlichen Pro¬

blemdiskussion her besonders interessieren dürften. Dies

gilt

sicher auch für den kürz¬ üch erschienenen Band VI

(„Grundlagen

für die

Geisteswissenschaften").

Band II

(„Philosophische Pädagogik")

vereint Schriftenzur

philosophisch-systematischen

Begründung

der

Pädagogik. Wichtige

dieser

Schriften,

vorallem

Vorlesungsmanuskripte,

warenbisher unveröffentlicht oder kaum

zugänglich,

sodaßeserstmit dieser Publikation

möghch

wird,Sprangers

pädagogisches

System

kennenzulernen

(vgl.

obendie Ausfüh¬ rangenzur

systematischen Bedeutung

des SPRANGERSchen

Werks).

Auch Band IV

(„Psychologie

und

Menschenbildung")

enthält einen hohen Anteil bisher unveröffentlichterArbeiten,neun von

einundzwanzig.

Da auch viele der

übrigen

(9)

Arbei-Dmbedeutsame Vermächmb Eduard

Sprangers

69

ten, sechs davonausden 30er

Jahren,

vermutlich

längst

ausdem Blickfeld der Beschäfti¬ gung mit Sprangers verstehender

Psychologie

getretensind und auchvonder

Psychologie

des

Jugendalters

ausihm

verdrängt

wurden,dürftedieser Band die

bisherigen

Kenntnisse und

Vorstellungen

vonSprangers

Sinnpsychologie

wesentlich erweitem und erstmals ein

Bildvonderen umfassender Intention und

Begründung

geben.

Die Thematik des Bandes V

(„Kulturphilosophie

und

Kulturkritik")

stellt eines derzen¬

tralenBestandsstücke der SPRANGERSchen Theoriedar,in dem

geschichts-, geseUschafts-,

Staats- und

moralphilosophische Aspekte

zusammenlaufen. Es lohnte

sich,

Sprangers Kulturtheorie in

Beziehung

zur

gegenwärtigen

Diskussion,

etwaumHabermas' Entwick¬

lungstheorie

gesellschaftücher Ethiken,

zusetzen

(vgl.

Habermas

1976).

Durch denaus¬

drücklichen

Zeitbezug

vieler der

abgedruckten

Arbeiten dürfte dieser Band auch zeit¬

geschichtliches

Interesseauf sich lenken.

Band IX

(„Philosophie

und

Psychologie

der

Religion")

dokumentiert,

daß Spranger sich während seines ganzen Lebens intensiv mit

Fragen

der

Theologie

auseinandergesetzt

hat,

ohne sich selbst als

Theologe

verstandenzuhaben

(ebd.,

S.

420).

Sein

originärer

Zugang

zudiesemThema—

durchweg

in der

Auseinandersetzung

mit

zeitgenössischen theologi¬

schen

Auffassungen,

so der dialektischen

Theologie,

behauptet

-

ergab

sich von den

Problemstellungen

der

Philosophie, Psychologie

und

Pädagogik

her. DerBand,der nahezu

zur Hälfte ausbisher unveröffentlichten Arbeiten

besteht,

vermittelt erstmals eine zu¬

sammenhängende Vorstellung

von Sprangers

Religionsauffassung

und deren lebens¬

geschichtlicher Entwicklung.

InBandX

(„Hochschule

und

Gesellschaft")

finden Sprangers

langjährige Erfahrungen

als Hochschullehrer ihren

Niederschlag.

Er

interpretierte

aktueUe Problemeder Univer¬ sitätstetsmit

ausgeprägtem

historischen Bewußtsein und Durchblick. Der Band kannin¬

sofern dazu

beitragen,

die historische Dimension

gegenwärtiger

Fragen

derUniversitäts¬ reform wachzuhalten.

Die einzelnen Bände sind

jeweils

voneinem oder zwei

Herausgebern

betreutworden.Sie haben sichzusammenmitden

beteiligten

Verlagen

auf

gemeinsame

Editionsgrundsätze

geeinigt

(vgl.

Gesammelte SchriftenI,S.

459).

In

Kommentierang

undTextkritik

ergaben

sich durch die verschiedenen

Herausgeber

gewisse

Unterschiede zwischen den einzelnen Bänden. Die

Anmerkungsapparate

enthalten im

aUgemeinen

folgende

Hinweisezuden

einzelnen

abgedruckten

Schriften: auf die

Quelle5,

die

Entstehungszeit6,

den

Entstehungs¬

anlaß,

auf die verschiedenen

Druckfassungen

und

Auflagen,

auf eventuell vorhandene

Manuskripte

und

Typoskripte

im

Nachlaß,

aufVorarbeitenzumText,auf

Abweichungen

der verschiedenen

Drackfassungen

voneinander,aufSchriftenzur

gleichen

Thematik und

auf die Herkunft von Zitaten

Sprangers,

deren

Quellenangaben

bei ihm fehlen. Von

diesem Standard weicht allein Band V deutlich ab: Hier finden sich

ledighch Angaben

über die Quelleder

abgedruckten

Schriften;

fernerein Verzeichnis der im Nachlaß vorhan¬ denen unveröffentüchten Arbeiten zum Thema. Auf die

demgegenüber

geringfügigen

5 Bei bereits veröffentlichten Schriftenwurde derErstdruckoder, beimehreren Auflagen,die letztevonSprangerin Druckgegebene Auflage wiedergegeben.

6 Beiunveröffentlichten Arbeiten ohne Datum wurde dieEntstehungszeit ausinhaltlichenund

(10)

70

Michael

Löffelholz

Abweichungen

-soetwafehlen teüweise

Nachträge

zuSprangers Zitaten—und

Unregel¬

mäßigkeiten

in der

Anwendung

derEditionskriterien in den anderen Bänden kann hier üneinzelnen nicht

eingegangen

werden.Hinzuweisen ist

darauf,

daß die

Berücksichtigung

der

Textgenese

mit

voUständiger Wiedergabe

der

Veränderungen

- von Ausnahmen

abgesehen

-ünRahmen der Edition nicht

vorgesehen

war

(vgl.

Bd.X,S.

431).

Die Kommentarezudeneinzelnen Schriften undzumThema des

jeweiligen

Bandes sind verschieden ausführhch. Fastalle

Herausgeber

habenversucht,den

biographischen

und

werkgeschichtlichen Zusammenhang,

in dem Sprangers Arbeitenstehen,teilweiseunter

Hinzuziehung

desBriefwechsels, zu erläutern

(s. u.).

Einige

bieten zusammenfassende

Darlegungen

über den Inhalt und die

Entwicklung

des

jeweiligen Themengebiets

imNach¬ wort.Alle Bände weisen ein

Namenregister

auf.

III

Als wesentliche

Leistung

der

Ausgabe

erscheint

mir,

daßesden Editoren

gelungen ist,

das

Gesamtwerk in Themenbereiche zu

gliedern,

die der inneren

Systematik

der Spranger-schen Theorie

entsprechen.

Hinzu

kommt,

daßdie

Herausgeber

durch die

Einbeziehung

wichtiger

unveröffentüchter Schriften aus dem Nachlaß das

vorliegende

Schriftwerk

wesentlichzu

ergänzen

vermochten

(vgl.

oben die

Bemerkungen

zuBd.II, IV und

IX).

Aufgrund

diesereditorischen Arbeit wirdesnunmehr erstmals

möglich,

Sprangers durch seine Publikationsweise

vielfältig

zersplittertes

Werk in seinem inneren

Zusammenhang

zuerfassenund,

ausgehend

vonbestimmten

Problemstellungen

der

Gegenwart,

die

Frage

nach der fortwirkenden

Bedeutung

seiner

Beiträge

zustellen. Dieszu

ermögUchen,

war

denn auchdie Intention der Editoren. Ihre Ziele werden im Nachwortzudem vonG.

Bräuer und A. Flitner

herausgegebenen

Band I

vorgestellt.

Eine historisch-kritische

Gesamtausgabe

hätte, abgesehen davon,

daßsieausfinanziellen Gründen nichtzureali¬

sieren gewesen

sei,

nach BräuerundFlitner„ganz entschieden gegen den Sinn dieser

Neuausgabe

verstoßen"

(vgl.

Bd.I, S.

455).

Sie soUe

gerade

nicht ein

„Archiv

für den

Spezialforscher"

sein,

„sondern

Sprangers

Werk in seiner Weite undanseinem

geschicht¬

lichen Ort

lebendig

in

Erscheinung

treten

lassen,

... klären

helfen,

welche

Stellung

Sprangers

Gedanken und

Untersuchungen

im

Bewußtseinsprozeß

unserer Zeit haben"

(ebd.).

Diesachlich bedeutsamen SchriftenSprangers,die als

„über

ihren unmittelbaren Anlaß und

Zeitpunkt

hinaus

sprechend" angesehen

werdenkönnen, sollten inder Neu¬

ausgabe

der Öffentlichkeit im

Zusammenhang vorgestellt

werden

(ebd.).

Es ist daher

verständlich, daß dem nach der

Niederwerfung

des nationalsozialistischen Deutschland entstandenen

Spätwerk

Sprangers,dasunszeitlichamnächstensteht,in dem Spranger

seine

Kategorien

auf die

Bedingungen

eines demokratischen Staatswesens

abgestellt

und seine

Lebensleistung zusammengefaßt hat,

in der Edition ein

größerer

Raum

zugebilligt

wurde,

als ihm

quantitativ

im Gesamtwerk

entspricht7.

Ebenfalls

begreiflich

ist,

daß das Frühwerk der Zeitvon1900 bis 1918 als derunszeitlichamfernsten

liegende

und sachhch nocham

wenigsten

entfaltete Teil in der Auswahl eine relative

Abwertung

erfuhr,

die

seiner zentralen

Bedeutung

unter

genetischen

Gesichtspunkten

nicht

gerecht

wird

(s. u.).

(11)

Dmbedeutsame Vermächtnb Eduard

Sprangers

71

ImHinbhck auf die

eingangs herausgestellten

Interessen anSprangers Werk

ergibt

sich

somit,

daß die Edition nach Intention und Schriftenauswahl das

zweite,

inhaltlich-syste¬

matische Interesse anSpranger als den

Mitbegründer

der

Erziehungswissenschaft

im

interdisziplinären Zusammenhang,

als den

Kulturphilosophen

und

Sinnpsychologen

be¬ sonders

befriedigt

und sein Werk in dieser Hinsichtzuaktuahsieren vermag.-Inwieweit wird die

Ausgabe

auch den beiden anderen historisch-existentiell

gerichteten

Interessen

anSprangers Werk

gerecht?

Zunächst ist

festzusteUen,

daß die Kommentare der Heraus¬

geber

lebens-, werk-,

wissenschafts- und

zeitgeschichtlich-politische

Bezüge

mehr oder

weniger eingehend

darstellen und somit historische

Zusammenhänge einsichtig

machen

(in

die

Ausgabe

wurden auch

autobiographische

Schriften

aufgenommen;

vgl.

Bd.

X).

Vor allem sindhier auch

Anknüpfungspunkte

für die

künftige

Forscüung

geschaffen

worden. Inwieweit die Kommentare

insgesamt

bereits ein

einigermaßen vollständiges

Bild von

Sprangers Wirksamkeit

geben,

kann hier im einzelnen nicht untersucht werden.

Dashistorische Moment kommt ferner in der

chronologischen Anordnung

derTextein den einzelnen BändenzumAusdruck

(hiervon

weicht leider Bd.XI

ab).

Eine Einschrän¬

kung

wurde hier

allerdings

insofern vorgenommen, als sechs Bände

(II,

IV, V, VTII,

IX,

X)

eine

Zweiteilung

der

ausgewählten

Schriftenaufweisen.ImerstenTeil sind

jeweils

grundlegende

Arbeiten

herausgehoben

und vorgezogen worden. Die

Herausgeber

woUten dem Leser

angesichts

der

Menge

der Schriften unterschiedlichen Gewichts und Entwick¬

lungsstands

den

Zugang

zuSprangers

Gedankensystem

erleichtem

(vgl.

Bd.II,S.

434).

Darin

zeigt

sich ihr

überwiegend inhaltlich-systematisches

Interesse. Obwohl innerhalb derTeile wieder nach dem

chronologischen Prinzip

verfahrenwurde,wird wegen dessen

Durchbrechung

das historische Verständnis doch etwas behindert. Über die chronolo¬

gische Anordnung

der Texte hinaus hat die

Ausgabe

dem

genetischen

Moment,d. h. hier besonders der

Frage

nach der Herkunft der

Konzeption,

durch Auswahl der Schriften in sehr unterschiedlichem Maß

Rechnung

getragen. Nicht für alle Themenbereiche war es

möglich,

Schriftenausder Zeitvor1918,der

Entstehungsphase

der

Theorie,

zufinden.

Immerhin haben die

Herausgeber

der BändeII, IV,IX in der Schriftenauswahl die

Mög¬

lichkeit,

Sprangers

Entwicklung

vonden

Anfängen

an zu

zeigen, positiv

genutzt.Dem¬

gegenüber

wurden besonders in den Bänden mit

politischen

Themen, nämlichIII, VIII

undX,frühe Schriften nicht

abgedruckt,

obwohl bedeutsame Arbeitenaus derZeitvor

1918

vorliegen8.

Nimmtman

wichtige historiographische

SchriftenausderFrühzeit

hinzu,

die ein

wenig

ausder

Systematik

der Bändeherausfallen,

jedoch

Sprangers

anfängliche

8 Auffolgende Schriften seimitjeweils knapper Kennzeichnung hingewiesen: 1. Unterrichts¬

schule, Lebensschule,Arbeitsschule (1912) -enthältGedanken

zur Reform derSchule und

reformpädagogischen Bewegung. 2.Schuleund Lehrerschaft 1813/1913(1913)-erörtertdas

VerhältnisvonStaat, Parteien undSchule seit1813;erste öffentlicheAuseinandersetzungmit derLehrerschaft. 3.Wandlungenim Wesen derUniversität seit100 Jahren(1913)-zumVer¬ hältnisvonStaatundUniversitätundzurWissenschaftstheorie seitAnfangdes 19. Jahrhunderts. 4. Fünfundzwanzig Jahre deutscher Erziehungspolitik

(1915)

- stellt die

bildungspolitische

Situation nach 1890umfassenddar. 5. Das humanistische und daspolitische Bildungsidealim

heutigen Deutschland (1916) - markiert die Differenz

zum klassischen Humanismus durch Rekurs auf einenneuenPolitikbegriff.6. VominnerenFriedendes deutschen Volkes(1916)

(12)

72

Michael

Löffelholz

Einstellung

zuden Traditionen deutlich werden

lassen9,

femer die

„Lebensformen"

von

1914,

denen sowohl

biographisch

als auchsachlich eine wesentliche aufschließende Be¬

deutung,

nicht zuletzt hinsichtüch Sprangers

gesellschaftspolitischer

Position, zukommt,

so

zeigt

sich,

daß die Periode während des Deutschen Kaiseneichs

vernachlässigt

wurde.

Dasist,wie bereitsgesagt,zunächst auf die

überwiegend

inhaltlich-systematische

Orien¬

tierang

der

Herausgeber

zurückzuführen. Anhand der Edition ist es nur sehr

einge¬

schränkt

mögüch

-nämlich auf

gewissen

Teilgebieten,

aber

gerade

nicht für die Gesamt¬ theorie in ihrem

Zusammenhang

von

Philosophie, Theologie,

Politik und

Pädagogik

-,

dieHerkunft der SPRANGERSchen

Konzeption

zurekonstruieren.Daesaber nicht

möglich

sein

dürfte,

siezuverstehen,ohne ihre historischen Motivationen und die Krisensituation um1900 im Deutschen

Reich,

ausder sie

hervorgingen,

zu

vergegenwärtigen10,

hinterläßt

die

Ausgabe

hier eine

gewisse

Lücke.

Treibt man die

Frage

nach der Herkunft weiterzu der oben entwickelten

Frage

nach Sprangers historischer

Identität,

soläßt sich die kritische

Perspektive

auf die Edition noch erweitem. Wenn Sprangers Werk in die historisch-sozialen Konflikte in bestimmter

Richtung eingreifen

wollte,somuß die inhalthche

Auseinandersetzung

mit seiner Theorie

mit den

Fragen

gekoppelt

werden,welchen

spezifischen Beitrag

erfür die

Lösung

der

Konflikte

geüefert

und ob sich seine Position in diesem Kontext historisch bewährt hat. Ohne genauerer

Nachforschung

vorgreüen

zu

wollen,

läßt sichausderKenntnis des Werks schon eine Antwort wagen.DerWiderstand Sprangers gegen Demokratie-in der Zeit

vor 1945

(vgl.

die

selbstbiographische

Notiz in Bd. X, S.

430)

-und gegen Marxismus

korrespondierte

mit

problematischen

Identifikationen in seinem Werk: mit Nationalis¬

mus,Henschaftsstaat und in Grenzen auch mihtärischer

Machtentfaltung.

Andererseits

hat Spranger in diesem

Widerstand,

indemerdas Gewicht des einzelnen

Menschen,

des

Irrationalen,der

Religion,

des Geheimnisses

hervorkehrte, genuine

Gedanken

entwickelt,

mit denen eineernsthafte

Auseinandersetzung

noch aussteht. Diese

produktiven

Impulse

können

jedoch

nurdannfür die

Weiterentwicklung freigesetzt

werden,wenndie gegen¬

läufigen

Züge

seines Werks unverfälscht mitbedacht werden. Der Erkenntniswert

gerade

der Ambivalenz des SPRANGERSchen Werks ist den Editoren allem Anschein nach nicht

9 Vgl.besonders:Altensteins Denkschriftvon1807undihreBeziehungenzurPhilosophie (1905);

sowie:PhilosophieundPädagogikderpreußischenReformzeit(1910).IndiesenSchriftengreift Sprangerauf dieStrömungenderpreußischenReformzeitzurück,umsichinder Auseinander¬ setzungmit ihnen deseigenenStandorts imhistorischenZusammenhangvonPhilosophie,Politik undPädagogikzuvergewissern.

10 Der krisenhaftenhistorischenAusgangskonstellation

-es wareinetiefgreifendeKrise deshisto¬ rischen Bewußtseins, des Individuums und des Kompromißstaates von 1871 in einem—hat

das Spranger-Verständnis bisher noch keineswegs genügend Aufmerksamkeit geschenkt. So urteiltKnoll(1970),Spranger habe „auseinem festenNormen- undWertgefügedes19. Jahr¬ hunderts heraus argumentiert". Eine solche Annahme, die vermutlichdergegenwärtig über¬

wiegenden Vorstellung entspricht,verstelltdenZugangzuSprangersKonzeption. ZurSozial¬

geschichtederJahrhundertwendevgl.Wehler(1973).Bollnow(1974)hataufdas Erfordernis

hingewiesen,die bisher„weitgehendim Dunkelgebliebene"FrühzeitSprangerszuuntersuchen,

weilin ihrdieauchspäterbewahrtenAnsätzeseines Denkensentstandenseien.Er hat diesselbst fürdieAnfängedespädagogischenDenkens Sprangers unternommenundauf den Zusammen¬

hangzurLebensphilosophieaufmerksamgemacht,ohneallerdingsderenpolitischeDimension in dieErörterungeinzubeziehen.Vgl.dazu auch Lieber(1974).

(13)

Dmbedeutsame Vermächtnb Eduard

Sprangers

73

bewußt gewesen. Zwar konnten sie diese nichtausseinem Werk

verbannen,

sie haben

seine militanten

Züge

jedoch

durch

Schriftenauswahl11

und

Kommentierung

zurücktreten lassen und in ein mildes Licht

gerückt.

Daswird besonders

augenfällig

in demvonHermann Josef Meyer

herausgegebenen

Band VIII

(„Staat,

Recht und

Politik").

Obwohles

gewiß

falschwäre,wenn man

Spranger,

der als Studentvonden Lehren der Kathedersozialisten

GustavSchmoller und Adolf Wagner beeinflußt wurde und der der

Reformpädagogik

nahestand, einfach als

„Reaktionär" einordnete,

und

grob

entstellend, wenn man die DifferenzzumFaschismus und seinen Widerstand

dagegen

übersähe,so

genügt

doch ein Bück in dievonihm 1932

herausgegebene Sammlung

vonReden und Aufsätzen

(„Volk,

Staat,

Erziehung"),

um sich davonzu

überzeugen,

daß Spranger die für die Weimarer

Republik gefährlichen Ideologien

vieler deutscher Universitätsvertreter

geteilt

undeine antidemokratische

Geisteshaltung

im Zeitraum seiner

Hauptwirksamkeit

aktiv öffenthch

vertretenhat.

Demgegenüber

erscheint das NachwortvonMeyer,deru. a.Sprangerschon vor1918sichzumDemokraten entwickeln sieht

(Bd.

VIII,S.

415)

und die

„positive

Ein¬

steUung

zurWeimarer

Republik" (ebd.,

S.

417)

betont,

als

einigermaßen

entsteUend. Auch der Band VII

(„Briefe 1901-1963") (vgl.

Bollnow1977;Riedel

1980),

derdas literari¬ sche Werk sowohlsachlich bedeutsam

ergänzt

als auch durchdie Intensität

persönücher

Zuwendung

Sprangerszuseinen

jeweiligen Briefpartnern

beeindruckt,

läßt die

poütische

Dimension teilweise im

Hintergrund.

Hier

gibt

erstdie Lektüre des imNachlaß

voUständig

vorüegenden,

fast einem

Tagebuch

gleichkommenden,

abernur

auszugsweise

veröffent¬ lichten Briefwechsels mitKätheHadlich, einer

langjährigen

FreundinSprangers, die¬

jenigen

Aufschlüsse, die für die

Einschätzung

vonSprangers

poütischen

EinsteUungen,

etwaanden

Brennpunkten

des Geschehens der WeimarerZeit,erforderlichwären.

Der

Eindrack,

der sich bereits

angesichts

der

Vernachlässigung

der

Entstehungsphase

ergab,

daß Sprangers Werk durch die Editionvonseiner historischen Basis

abgehoben

wurde,

wirdnundurch die vorgenommene

Abmüderung

seiner Ambivalenzen nochver¬

stärkt. Die

Aktuahsierung,

die denAutoren

gelungen

ist und die bereits

positiv

gewürdigt

wurde,

muß daherandieser Stelle mit Vorbehalten versehenwerden,weil sie mit dem

Versuch

einhergeht,

das Werk historischzuneutrahsieren. DieErkenntnisse,die Spran¬

gers

Beiträge

für die

Lösung

der historisch überkommenen Konflikte vermittelnkönnen,

dürften durch die

Enthistorisierung

eher verstellt worden sein.

Diese Kritik kann

allerdings

die wissenschaftliche

Bedeutung

der Edition und die For¬

schungsleistung

der

Herausgeber,

insbesondere des Nachlaßverwalters Hans Walter

Bahr,

nicht mindern. Es ist zu hoffen, daß von der nunmehr

gegebenen Möglichkeit,

Eduard Spranger im ganzenzulesen,intensiver Gebrauch

gemacht

wird.

11 Hingewiesensei hiernurauf die nichtabgedrucktenSchriftenin derSammlung„Volk, Staat,

Erziehung" (1932); femer auf nicht zum Abdruckgekommene Publikationen aus den 30er Jahreh in derZeitschrift „Erziehung. Monatsschrift für den Zusammenhang von Kulturund

Erziehung in Wissenschaft und Leben" (die von A. Fischer, W. Flitner, H. Nohlund E. Spranger bis1937gemeinsam herausgegebenwurde; 1938und 1939warSprangeraUeiniger

Herausgeber, Schriftleiter war H. Wenke; von 1940 an zeichneten Spranger und Wenke

gemeinsam als

Herausgeber):

8 (1933), S. 401, 404, 529; 9(1934), S. 65ff., 68; 13 (1938),

(14)

74

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Referenzen

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