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Unklare pulmonale Hypertonie
An unexpected cause of pulmonary hypertension
Lisa Baumann1, Susanne Haen1, Christoph Berg2, Ferruh Artunc2, Reimer Riessen2, Werner Spengler2, Falko Fend1, Michael Haap2
1 Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Tübingen
2 Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Tübingen
Fall 6/2016
29.7.2016
Innere Medizin
Pathologie
Kasuistik | Einleitung
Patienten mit Lebererkrankungen haben häufig pulmonale Funktionsstörungen.
− Von Patienten, denen eine Leber transplantiert werden soll, haben
• bis zu 70% Dyspnoe
• bis zu 50% auffällige Blutgase bzw. pathologische pulmonale Funktionstestergebnisse und
• bis zu 15% eine Leistungsminderung mit Zeichen einer Hypoxämie [1, 2].
− Bei Patienten mit Leberzirrhose haben
• bis zu 40% eine pulmonale Vasodilatation und
• 3-5% eine pulmonale Hypertonie [3].
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Kasuistik | Einleitung
Das differenzialdiagnostische Spektrum pulmonaler Störungen bei Patienten mit portaler Hypertonie ist variabel und umfasst
− zufällig koexistierende Lungenerkrankungen
− hepatopulmonale Erkrankungen ohne primär hepatische Ursache
− hepatopulmonale Erkrankungen mit hepatischer Ursache sowie
− Komplikationen der Leberzirrhose.
Kasuistik | Anamnese
Ein 48-jähriger, männlicher Patient mit Leberzirrhose aufgrund einer Hepatitis C wird bei zunehmender Konzentrationsschwäche zunächst im Heimatkrankenhaus stationär aufgenommen.
− Bei der Aufnahme ist der Patient bei vollem Bewusstsein.
− Eine auslösende Infekt-Konstellation oder eine gastrointestinale Blutung bestehen nicht.
− Medikation: Fidaxomicin 2 x 550 mg
− Ein Diätfehler oder eine forcierte Diurese kann nicht ausfindig gemacht werden.
Ein Tag vor Übernahme (3 Tage nach Aufnahme ins Heimatkrankenhaus) fällt er in ein tiefes Koma bei Ammoniakwerten von > 600 µmol/l.
Bei fehlenden Schutzreflexen wird der Patient intubiert. Unter dem Bild eines akuten Leberversagens mit konsekutivem Coma hepaticum und eines hepatorenalen Syndroms wird er anschließend in unser Krankenhaus verlegt.
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Kasuistik | Vorerkrankungen
Leberzirrhose
− seit 4 Jahren zur Lebertransplantation gelistet
− erfolglose Therapie der Hepatitis C mit Peginterferon/Ribavirin in der Vergangenheit
Diabetes mellitus Typ 2
− intensivierte Insulintherapie
Cholezystolithiasis
Zustand nach Erysipel am Unterschenkel links (vor 5 Jahren)
Zustand nach Ulcus duodeni (Helicobater pylori negativ)
Arterielle Hypertonie
Zustand nach Polytrauma nach Motorradunfall vor 3 Jahren
Clostridium-difficile-assoziierte Kolitis
Kasuistik | Aktuelle Medikation
Rifaximin 200 mg 1-0-1
Ornithinaspartat 6000 IE 1-1-1
Ramipril 5 mg 1-0-0
Torasemid 10 mg 1-0-0
Eplerenon 50 mg 1-0-0
Pantoprazol 20 mg 0-0-1
Sofosbuvir 400 mg + Ledipasvir 90 mg 1-0-0
Ribavirin 200 mg 2-0-2
Insulintherapie mit Pen
− auf der Intensivstation Umstellung auf Perfusor (50 IE/50 ml) mit Blutzuckerziel <180 mg/dl
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Kasuistik | Körperlicher Untersuchungsbefund
Allgemeinzustand reduziert
Ernährungszustand übergewichtig
− Gewicht 100 kg
− Größe 185 cm
− Body-Mass-Index 29,2 kg/m2
Kasuistik | Körperlicher Untersuchungsbefund
Cor:
− Herztöne rein
− keine vitientypischen Herzgeräusche
− Puls 88/min
− Blutdruck 110/60 mmHg
Pulmo:
− vesikuläres Atemgeräusch beidseits seitengleich
− keine Dämpfung
− keine Nebengeräusche
Abdomen:
− Bauchdecke weich
− Darmgeräusche regelrecht
− kein Druckschmerz
− keine Resistenzen
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Kasuistik | Körperlicher Untersuchungsbefund
Extremitäten:
− deutliche Ödeme peripher
− Fußpulse regelrecht
Neurologisch:
− intubiert, beatmet
− erweckbar
− Pupillen isokor, lichtreagibel +/+
− kein Meningismus
Haut:
− Ikterus
− Sklerenikterus
INR=International normalized ratio, PTT=partielle Thrombinzeit, MDRD=Modification of Diet in Renal Disease, GFR=Glomeruläre Filtrationsrate, AP=Alkalische Phosphatase,
Parameter Wert Referenzbereich Parameter Wert Referenzbereich
Leukozyten [1/µl] 5940 4100 - 11800 Bilirubin gesamt [mg/dl] 5,0 < 1,1
Hämoglobin [g/dl] 7,4 12,0 - 16,0 Bilirubin direkt [mg/dl] 1,9 < 0,3
Thrombozyten [Tausd/µl] 12 150 - 450 GOT [U/l] 39 < 50
INR 1,8 < 1,2 GPT [U/l] 27 < 50
PTT [sec] 38 < 40 AP [U/l] 80 40 – 130
Kreatinin [mg/dl] 1,7 0,5 - 0,8 GGT [U/l] 15 < 60
MDRD-GFR [ml/min/1,73m²] 43 > 60 LDH [U/l] 362 < 250
Harnstoff [mg/dl] 107 12 - 46 Kreatinkinase [U/l] 175 < 190
Harnsäure [mg/dl] 6,4 2,5 -5,7 Laktat [mmol/l] 2,8 0,5 – 2,2
Natrium [mmol/l] 140 136 - 148 Cortisol [nmol/l] 249 130 - 630
Kalium [mmol/l] 5,0 3,5 - 4,8
Kalzium [mmol/l] 2,0 2,1 - 2,3
TSH 0,7 0,4 – 2,5
C-reaktives Protein [mg/dl] 6,9 < 0,5
Gesamteiweiß [g/dl] 4,1 6,5 - 8,5
Cholinesterase [kU/l] 1,8 4,9 - 12
Kasuistik | Diagnostik | Labor bei Aufnahme
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Kasuistik | Diagnostik | Mikrobiologische Tests
MRSA-Screening negativ
Legionella pneumophila-Antigen (AG) negativ
Pneumokokken-AG negativ
Candida-AG (Serum) negativ (<62,5 pg/ml)
Aspergillus-AG (Serum) negativ (<0,5 Index)
Blutkulturmedium (aerob) negativ
Blutkulturmedium (anaerob) negativ
Blutkulturmedium (Pilze) negativ
Aszitespunktat kein Wachstum von Sprosspilzen oder Bakterien
Trachealsekret kein Wachstum von Sprosspilzen oder Bakterien
MRSA=Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus
Kasuistik | Diagnostik | Virologie
HCV-RNA-quantitative-PCR
− bei Aufnahme: negativ
− vor 3 Monaten: negativ
− vor 4 Monaten: 15.700 IE/ml
Unter einer Therapie mit
− Harvoni (Sofosbuvir 400 mg / Ledipasvir 90 mg) 1-0-0
− Copegus (Ribavirin) 200 mg 2-0-2
HCV: Hepatitis-C-Virus; RNA: Ribonukleinsäure; PCR: Polymerase-Kettenreaktion
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Kasuistik | Diagnostik | Echokardiografie
Transthorakale Echokardiografie (Bedside)
− linker Vorhof frei von Thromben
− kein Perikarderguss
− hochgradige Trikuspidalklappeninsuffizienz (III°)
− PAPsys 100 mm Hg + ZVD
− deutlich ballonierter rechter Ventrikel mit erheblich eingeschränkter Pumpfunktion
− Mitralklappeninsuffizienz II°-III°
− linker Ventrikel bei nur sehr geringer Füllung mit orientierend regelrechter systolischer Funktion
PAPsys= systolischer pulmonalarterieller Druck, ZVD=Zentraler Venendruck
Kasuistik | Diagnostik | Röntgen-Thorax
> Ihr Befund ?
Wie lautet ihr Befund?
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Kasuistik | Diagnostik | Röntgen-Thorax
> Ihr Befund ?
kein Erguss
kein Pneumothorax
keine Infiltrate
im Verlauf regrediente Stauungs- zeichen (1)
Tubus-Carina-Abstand 5 cm (2)
ZVK über rechts mit Projektion der Spitze auf die untere Vena cava superior (3)
Sheldon-Katheter und ZVK über links mit Projektion der Spitze auf die untere Vena cava superior (4)
Ernährungssonde (5)
> Ihr Befund ?
4 3
5 2
1
Wie lautet ihr Befund?
Kasuistik | Diagnostik | Gastroskopie
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Blutung Forrest IIb am Übergang von Fundus zu Corpus (Kreis), am ehesten aus einer Sondenläsion
− Clip-Applikation
weitere Sondenläsionen im Magen (Pfeil)
Weitere Gastroskopie-Befunde:
− Refluxösophagitis (Grad IV)
− Ösophagus-Varizen (Grad I nach Paquet)
− V.a. portal-hypertensive Gastropathie
− abgeheiltes Ulcus duodeni
Kasuistik | Diagnostik | Gastroskopie
Papanicolaou 20x
Wie lautet ihr Befund?
Kasuistik | Diagnostik | Aszitespunktion
Seite 19 von 48 Baumann et al. Unklare pulmonale Hypertonie Papanicolaou 20x
Mikroskopie-Befund:
− entzündlich reaktives Zellbild (Pfeil)
− proliferiertes Mesothel (>)
Diagnostische Einstufung:
− negativ
− kein Hinweis auf Malignität
>
>
Kasuistik | Diagnostik | Aszitespunktion
Kasuistik | Verlauf
Tag 1 auf der Intensivstation:
− bei Übernahme: MELD-Score = 24 (Werte zwischen 6 und 40 möglich)
• MELD 6: 3-Monats-Mortalität = 1%
• MELD 40: 3-Monats-Mortalität = 98%
− Am Nachmittag erleidet der Patient einen generalisierten Krampfanfall mit hypertensiven Blutdruckwerten (250/100 mmHg)
− Durch Applikation von insgesamt 3 mg Tavor, 50 mg Propofol und 1000 mg Keppra kann der Krampfanfall beendet werden.
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Kasuistik | Verlauf
Tag 2 auf der Intensivstation:
− Gastroskopie: Blutung Forrest IIb im Übergang Fundus/Corpus
Tag 3 auf der Intensivstation:
− Der Patient wird beim Lagerungswechsel instabil (Blutdruck-Abfall und Bradykardie) und hoch katecholaminpflichtig.
− Im Tagesverlauf muss er 3-mal reanimiert werden.
− Echokardiografie: Cor pulmonale mit PAPsys von 100 mmHg
− Es wird versucht, den Patienten zusätzlich mit Levosimendan zu stabilisieren.
− Exitus letalis durch Rechtsherzversagen
Kasuistik | Autopsie | Leber: Makroskopie
Lebergewicht: 1089 g
gemischt-großknotige Leberzirrhose
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Kasuistik | Autopsie | Leber: Mikroskopie
Masson Trichrom 2,5x HE 10x
aktive Zirrhose mit entzündlichen Infiltraten (Pfeile), Gallengangsproliferaten (Kreise) in den Bindegewebssepten und mit zentralen Parenchymnekrosen (*)
Pseudolobuli (Kreis)
zentrale Parenchymnekrosen (*)
*
*
*
Kasuistik | Autopsie | Milz und Magen
Folgen der portalen Hypertonie:
Splenomegalie (1700 g) mit Stauungsblutfülle (1), erweiterten Gefäßen (2) und reaktiver Fibrose (3)
hypertensive Gastropathie mit Z. n. Blutstillung mittels Clip
Aszites: 1600 ml
Milz Milz Schnittfläche
1 1
3
Magen: Clip
HE 2,5x
3
2
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HE 20x
Trikuspidalklappe: 14,5 cm (normal 10-12 cm)
Kammerwandstärke rechts: 8 mm (normal 3-4 mm)
Pulmonalklappe: 8,4 cm (normal 5,7-7,5 cm)
Herzgewicht: 513 g (normal 360 g)
vergrößerte, unterschiedlich große Zellkerne (ZK) in
hypertrophen Kardiomyozyten Pfeile: vergrößerte ZK
Kreise: normal große ZK
Einflusstrakt Ausflusstrakt
Kasuistik | Autopsie | rechtes Herz
ventral dorsal
Pulmonalgefäße (5) makroskopisch zart ohne Thrombembolie
Pleuraerguss
(li: 300 ml, re: 250 ml)
1: Zunge 2: Ösophagus 3: Trachea 4: Aorta
5: Pulmonalarterien 6: rechte Lunge 7: linke Lunge 2
2 1
3 4
6
6 7
7
5 5
Kasuistik | Autopsie | Hals-Thorax-Paket
Seite 27 von 48 Baumann et al. Unklare pulmonale Hypertonie
Veränderungen in den kleinen Pulmonalarterien:
HE 20x HE 20x
Mediahypertrophie
Proliferation der glatten Muskelzellen (Kreise)
in situ-Thromben (*)
Rekanalisation (>)
Fibrinoide Wandnekrosen (Pfeile)
entzündliche Infiltrate
* *
>
>
*
Kasuistik | Autopsie | Lunge: Mikroskopie
Kasuistik | Autopsie | Niere
HE x10
HE x20
rechts links
Mikroskopisch geringe
Makroskopisch unauffällige Nieren
Seite 29 von 48 Baumann et al. Unklare pulmonale Hypertonie
HE 20x HE 20x
Graduierung der Gefäßveränderungen bei pulmonalarterieller Hypertonie (nach [4])
Grad 1: Mediahypertrophie der Arteriolen reversibel
Grad 2: Mediahypertrophie und Intimaproliferation der Arteriolen reversibel Grad 3: Intima- und Mediafibrose (*) in mittelgroßen Arterien reversibel Grad 4: Plexiforme (Kreise) und aneurysmatische Veränderungen irreversibel
Grad 5: Angiomatoide Veränderungen irreversibel
Grad 6: Nekrotisierende Arteriitis (Pfeile) irreversibel
*
Kasuistik | Autopsie | pulmonalarterielle Hypertonie
*
*
Kasuistik | Autopsie
Wie lautet Ihre Diagnose nach der Autopsie?
Seite 31 von 48 Baumann et al. Unklare pulmonale Hypertonie
Kasuistik | Diagnose
Portopulmonale Hypertonie (PPHT)
Todesursache:
− Rechtsherzversagen bei massiv erhöhtem pulmonalarteriellem Druck bei Leberzirrhose mit portaler Hypertension
Folgen der portalen Hypertension:
− Splenomegalie
− Aszites
− hypertensive Gastropathie
− portopulmonale Hypertonie mit
− Rechtsherzhypertrophie
Diskussion | Hepato-pulmonale Achse [5]
Leberzirrhose wird beeinflusst durch
− koexistierende Lungenerkrankungen (COPD, Asthma, Pneumonie, Pulmonale Hypertonie, Zystische Fibrose)
− Hepato-pulmonale Erkrankungen ohne primär hepatische Ursachen (Rechtsherzinsuffizienz, Kardiomyopathie, M. Osler)
mögliche Folgen der Leberzirrhose
− Hepato-pulmonale Erkrankungen mit hepatischer Ursache (Alpha-1-Antitrypsinmangel [panazinäres Emphysem], primär biliäre Zirrhose [Granulome, fibrosierende Alveolitis])
− Komplikationen (Aszitischer Hydrothorax, aszitisches Pleuraempyem, Aspiration)
− Portale Hypertension
mögliche Folgen der portalen Hypertension
− Hepato-pulmonales Syndrom (HPS)
− Portopulmonale Hypertonie (PPHT)
Seite 33 von 48 Baumann et al. Unklare pulmonale Hypertonie
Diskussion | Portopulmonale Hypertonie
Definition: Pulmonale Hypertonie bei portaler Hypertonie
Die Leber hat eine Clearance-Funktion für humorale Faktoren (vasokonstriktive und proliferative Faktoren). Werden diese in die Lunge eingeschwemmt, führt dies zur pulmonalen Hypertonie [6].
0,5-2% aller Hepatitis-C-Patienten haben eine pulmonale Gefäßerkrankung [7].
Häufiger Autopsiebefund: obstruktive plexogene Arteriopathie mit
− Endothelzellproliferation,
− Mediahyperplasie und
− konzentrischen plexiformen Läsionen (wie bei der primären pulmonalen Hypertonie)
Diskussion | Symptome der PPHT
Prävalenz bei Patienten mit portaler Hypertension: 0,5 – 5% [8]
unbehandelt hohe Mortalität
5-Jahresüberlebensrate: 14% mit einer Mortalität > 50% innerhalb des ersten Jahres [9]
Symptome [9, 10]:
− belastungsabhängige Dyspnoe
− Abgeschlagenheit
− pektanginöse Beschwerden
− synkopale Ereignisse
− Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz
Seite 35 von 48 Baumann et al. Unklare pulmonale Hypertonie
Diskussion | Diagnostik der PPHT
Echokardiografie zur Abschätzung der pulmonalen Hypertonie
definitive Diagnose mittels Rechtsherzkatheter [10]:
− mittlerer pulmonal-arterieller Druck (PAPm): > 25 mmHg
− pulmonal-vaskulärer Widerstand (PVR): > 240 Pa*(s/m³)
− normaler pulmonal-kapillärer Verschlussdruck (PCWP): < 15 mmHg oder
− erhöhter transpulmonaler Gradient: PAPm – PCWP > 12 mmHg
Diskussion | Schweregrade der PPHT [10]
Bei Patienten > 65 Jahren werden häufig eine alveolo-arterielle Sauerstoffdruckdifferenz (AaDO2) von ≥ 20mmHg und ein arterieller Sauerstoffpartialdruck (PaO2) von ≥70 als erster Grenzwert übernommen.
Normal Leichte PPHT Mäßige PPHT Schwere PPHT
Funktionelle WHO-Klassifikation - I, II II, III III, IV
Mittlerer pulmonalerterieller Druck [mmHg] <20 20-34 35-44 >45
Herzindex [l/min*m2] 2,5-4,0 >2,5 >2,5 2
Pulmonalvaskulärer Widerstand [dyn*s*cm-5] <240 240-500 500-800 >800
Mittlerer rechtsatrialer Druck [mmHg] 0-5 0-5 5-8 >8
Seite 37 von 48 Baumann et al. Unklare pulmonale Hypertonie
Diskussion | Pathogenese der PPHT [9]
Scherkräfte an den Lungenarterien durch hyperdyname Zirkulation
Humorale Inbalance ET-1 NO, PG2
Autoimmunvorgänge (Auto-Ak, Immunkomplex-vermittelte
Inflammation)
Endothelschädigung
Endothelproliferation
Intimafibrose
Bypass vasoaktiver Substanzen durch ver- minderte Leberfunktion
Vasokonstriktion
Wachstumsfaktor- und Zytokininbalance
Arteriopathie mit Media- und Adventitiahypertrophie
und Thrombose Verminderung des Gefäßlumens =
Anstieg des PVR
PPHT
ET-1: Endothelin 1 NO: Nitric oxide PG2: Prostaglandin 2
PVR: Pulmonalvaskulärer Widerstand
Diskussion | Therapie der PPHT
Unspezifische Therapie:
− Vasopressin-Analogon zur Senkung des portalen Drucks
Spezifische Therapie:
− Endothelinrezeptor-Antagonisten
− Prostanoide
− Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE-Inhibitoren) [9]
Therapieoptionen bei Indikation zur Lebertransplantation (LTx):
− PAPm < 35 mmHg : LTx durchführbar
− PAPm 35 – 45 mmHg: zunächst medikamentöse Therapie der PPHT vor LTx (LTx-Risiko erhöht!)
− PAPm > 45 mmHg: zu hohes Risiko für LTx, nur medikamentöse Therapie [10]
Seite 39 von 48 Baumann et al. Unklare pulmonale Hypertonie
Diskussion | PPHT-Screening und –Management [11]
Bei allen Patienten mit einer Lebererkrankung im Endstadium, bei denen eine LTx geplant ist, sollte eine PPHT echokardiografisch abgeklärt werden.
Transthorakale Echokardiografie: Kriterien für eine PPHT
− Zeichen für erhöhte pulmonal-arterielle Druckwerte
− Papm > 40 mmHg
− Rechter Ventrikel vergrößert/dilatiert
− Rechstventrikuläre Dysfunktion
Kriterien für PPHT nicht erfüllt:
− echokardiografische Routineüberwachung alle 1-2 Jahre
− LTx und Kontrolle auf PPHT
Kriterien für PPHT erfüllt: Rechtsherzkatheter zur Bestätigung der Diagnose
− PAPm > 35 mmhHh + PVR > 240 Pa*(s/m3): Vasodilatative Therapie, danach Reevalation LTx
− PAPm < 35 mmhHh + PVR < 240 Pa*(s/m3): LTx
Diskussion | Hepatopulmonales Syndrom (HPS) [9]
Definition: Trias aus
− Lebererkrankung,
− arteriellem Oxygenierungsdefekt und
− intrapulmonaler Vasodilatation sowie intrapulmonalen arteriovenösen Shunts.
Prävalenz bei Patienten mit Lebererkrankung: 4-32%
5-Jahresüberlebensrate: 23%
Seite 41 von 48 Baumann et al. Unklare pulmonale Hypertonie
Diskussion | Hepatopulmonales Syndrom (HPS) [9]
Symptome:
− Platypnoe (Zunahme der Dyspnoe nach Aufrichten aus der horizontalen in die vertikale Position)
− Orthodeoxie (dabei auftretende Verschlechterung der arteriellen Oxygenierung)
Diagnose:
− PaO2 < 70 mmHg
− AaDO2 > 20 mmHg
− vergleichende Blutgasanalysen im Liegen und Stehen
• Abfall des PaO2 > 5 mmHg oder > 5%
− Kontrastmittel-unterstützte Echokardiografie zum Screening auf intrapulmonale Vasodilatationen und Shunts
Diskussion | HPS-Pathogenese [9]
Scherkräfte an den Lungenarteriolen durch hyperdyname Zirkulation
Humorale Imbalance ET-1 NO, PG2
Bypass vasoaktiver Substanzen durch verminderte Leberfunktion
(v.a. ET-1)
Aktivierung von eNOS und iNOS (Makrophagen)
Vasodilatation
= Abfall des PVR
HPS
ETB-Rezeptor
Vasokonstriktion
PPHT Ausbildung von
strukturellen Shunts ETA-Rezeptor
Ventilations/Perfusions-Mismatch Shuntvolumen
+
ET-1: Endothelin 1
ETB-Rezeptor: Endothelinrezeptor Subtyp B ETA-Rezeptor: Endothelinrezeptor Subtyp A eNOS: Endotheliale Stickstoffmonoxid-Synthase iNOS: Induzierbare Stickstoffmonoxid-Synthase (Makrophagen/Mikrogliazellen)
NO: Nitric oxide PG2: Prostaglandin 2
Seite 43 von 48 Baumann et al. Unklare pulmonale Hypertonie
Diskussion | Therapie des HPS
Medikamentöse Therapie:
− in Anlehnung an die Therapie der pulmonalen Hypertonie
− Prostanoide, Endothelin-Rezeptor-Antagonisten, PDE-5-Inhibitoren
Sauerstoffgabe (symptomatische Therapie) [9]
Leber-Tx (Therapie der Wahl) [10]
− PaO2 ≥ 60 bis < 80 mmHg bzw. AaDO2 ≥ 15 mmHg: Keine LTx indiziert, Verlaufskontrolle
− PaO2 ≥ 50 bis < 60 mmHg: LTx
− PaO2 < 50 mmHg: Hoch-Risiko-LTx, Berücksichtigung kardiopulmonaler Komorbiditäten
Diskussion | Fazit
PPHT und HPS sind die relevantesten pulmonalen Komplikationen bei Patienten mit portaler Hypertonie und haben eine sehr hohe Mortalität.
Beide Erkrankungen beruhen histopathologisch und pathophysiologisch auf gegensätzlichen Prinzipien.
Die PPHT wird über eine Vasokonstriktion mit konsekutivem Anstieg des PVR vermittelt.
Das HPS geht einher mit einer Vasodilatation, einem Abfall des PVR und der Ausbildung von Shunts.
Bei allen Patienten mit portaler Hypertonie, egal welcher Genese, sollten pulmonale Komplikationen ausgeschlossen werden.
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Literatur
1. Rodríguez-Roisin R, Krowka MJ. Hepatopulmonary syndrome--a liver-induced lung vascular disorder. N Engl J Med 2008; 358: 2378-2387
2. Møller S, Bendtsen F. Complications of cirrhosis. A 50 years flashback. Scand J Gastroenterol 2015; 50: 763- 780
3. Agusti AG, Roca J, Rodriguez-Roisin R et al. Pulmonary hemodynamics and gas exchange during exercise in liver cirrhosis. Am Rev Respir Dis 1989; 139: 485-491
4. Heath D, Edwards JE. The pathology of hypertensive pulmonary vascular disease. Circulation 1958; 18: 533- 547
5. http://www.hepatitisandmore.de/archiv/2014-2/hepatopulmonales-syndrom-und-portopulmonale- hypertonie.shtml. Letzter Zugriff am 1.3.2016
6. Liberal R, Grant CR, Baptista R et al. "Porto-pulmonary hypertension: a comprehensive review". Clin Res Hepatol Gastroenterol 2015; 39: 157-167
7. Moorman J, Saad M, Kosseifi S et al. Hepatitis C virus and the lung: implications for therapy. Chest. 2005; 128:
2882-1892
8. Savale L, Sattler C, Sitbon O. Pulmonary hypertension in liver disease. Presse Med 2014; 43: 970-980 9. Herzer K, Post F, Canbay A et al. Pulmonale Affektion bei fortgeschrittener Lebererkrankung -
hepatopulmonales Syndrom und portopulmonale Hypertonie. Med Klin 2010; 105: 916-923 10. Deibert P. Pulmonale Komplikationen bei Leberzirrhose, Falk Gastro-Kolleg.
https://www.drfalkpharma.de/uploads/tx_toccme2/FGK_11-2_Deibert-INET.pdf . Letzter Zugriff am 1.3.2016 11. Mukhtar NA, Fix OK. Portopulmonary hypertension. J Clin Gastroenterol 2011; 45: 703-710
Zusammenfassung | Abstract
Anamnese und klinischer Befund: Wir berichten über einen 48-jährigen Mann mit ausgeprägter Leberzirrhose, chronischer Hepatitis C und Enzephalopathie. Seit 2 Wochen schreitet die
Enzephalopathie rasch fort. Der Patient wird seit fast 24 Wochen mit Ledipasvir/Sofosbuvir und
Ribavirin behandelt. Nach Übernahme aus einem auswärtigen Krankenhaus wird der Patient direkt auf unsere Intensivstation verlegt. Sein Zustand verschlechtert sich rapide. Am dritten Tag stirbt der Patient.
Untersuchungen: Im Rahmen der körperlichen Untersuchung fanden sich ein ausgeprägter Ikterus und deutliche Ödeme peripher. Laborchemisch zeigten sich eine Anämie, ein erhöhtes CRP und Bilirubin, eine eingeschränkte Gerinnung und eine Niereninsuffizienz mit erhöhtem Kreatinin. Die quantitative HCV-PCR war negativ. Echokardiografisch fanden sich eine ausgeprägte Trikuspidal- und
Mitralklappeninsuffizienz bei massiv erhöhtem pulmonalarteriellem Druck und Cor pulmonale. In der Gastroskopie zeigte sich eine Forrest IIb Situation mit entsprechender Clipversorgung.
Diagnose, Therapie und Verlauf: Bei der Obduktion finden sich Zeichen einer portalen Hypertension bei fortgeschrittener Leberzirrhose. Darüberhinaus wird eine schwere portopulmonale Hypertonie diagnostiziert. Der Patient starb letztlich an einem Rechtsherzversagen infolge des massiv erhöhten pulmonalen Drucks.
Folgerung: Fortgeschrittene Lebererkrankungen und ein erhöhter pulmonaler Druck sind oft
miteinander vergesellschaftet. Daher sollte eine möglichst frühzeitige Diagnose und Klassifikation der Erkrankung erfolgen, um eine adäquate Therapie bei diesen Patienten einleiten zu können.
Schlüsselwörter: Hepatitis C, Leberzirrhose, portopulmonale Hypertonie, hepatopulmonales Syndrom
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Zusammenfassung | Abstract
History and admission findings: We report on a 48-year-old man presenting with progressive hepatopathy and encephalopathy for two weeks based on a chronic hepatitis C. He has been taken ledipasvir and sofosbuvir (Harvoni) and ribavirin for almost 24 weeks. After admission to hospital his state deteriorates rapidly. He is directly transferred to the medical intensive care unit, where he dies on day 3.
Investigations: During the physical examination, a pronounced jaundice and significant peripheral edema were found. Laboratory tests showed anemia, an increased CRP and bilirubin, a limited coagulation and renal insufficiency with elevated creatinine. Quantitative HCV PCR was negative.
Echocardiographically a severe tricuspid- and mitral-valve regurgitation was found in a massively
increased pulmonary artery pressure and pulmonary heart disease. The gastroscopy revealed a Forrest IIb situation with corresponding clip supply.
Diagnosis, treatment and course: In the autopsy we find signs of portal hypertension in presence of progressive liver cirrhosis. In addition, portopulmonary hypertension are diagnosed. The patient died of right ventricular failure resulting from a massively increased pulmonary pressure.
Conclusion: Advanced liver disease and an increased pulmonary pressure are often associated.
Therefore, it is essential that the diagnosis and classification takes place as soon as possible to ensure an adequate therapy in these patients.
Keywords: hepatitis C, liver cirrhosis, portopulmonary hypertension, hepatopulmonary syndrome
Diskussion zum Fall
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Weitere E-Fälle finden Sie unter http://www.thieme.de/dmw/
Autorenerklärung
Die Autoren erklären, dass sie keine finanzielle Verbindung mit einer Firma haben, deren Produkt in diesem Beitrag eine Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).
Korrespondenzadresse PD Dr. Michael Haap Medizinische Klinik lV Universitätsklinik Tübingen Ottfried-Müller-Str. 10 72076 Tübingen Tel. 07071/29-8 05 94 Fax 07071/29-53 38
Email: michael.haap@med.uni-tuebingen.de
Bibliografie
DOI 10.1055/s-0041-109874
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