der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
betreut am
Institut für Sportwissenschaften Abteilung Sportmedizin
Direktor: Prof. Dr. Dr. Winfried Banzer
Kurzwirksame Effekte von Akupunktur und Stretching bei Myofaszialen Triggerpunktschmerzen im Nackenbereich:
eine verblindete, placebo-kontrollierte RCT
Dissertation
zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin des Fachbereichs Medizin
der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
vorgelegt von Judith Rothmayr
aus Sonthofen Frankfurt am Main, 2018
2 Dekan: Prof. Dr. Josef Pfeilschifter
Referent: Prof. Dr. Dr. Winfried Banzer Korreferent: Dr. Johannes Fleckenstein
[ggf. 2. Korreferent: Titel Vorname Nachname] nur bei summa cum laude Tag der mündlichen Prüfung: 28.11.18
3
I Inhaltsverzeichnis
I Inhaltsverzeichnis ... 3
II Abbildungsverzeichnis ... 6
III Tabellenverzeichnis ... 7
IV Abkürzungsverzeichnis und Worterklärungen ... 7
1. Einführung ... 8
1.1. Prävalenz des Myofaszialen Schmerzsyndromes (MSS) ... 8
1.2. Definition eines Myofaszialen Triggerpunktes (MTrP) ... 9
1.3. Therapieformen im Vergleich... 12
2. Zusammenfasssung ... 16
3. Summary ... 18
4. Material und Methoden ... 20
1.4. Studiendesign ... 20
1.4.1. Fallzahlberechnung ... 20
1.6. Studienablauf... 22
1.7. Patientenkollektiv ... 23
1.7.1. Einschlusskriterien ... 24
1.7.2. Ausschlusskriterien ... 25
4
1.7.3. Aufklärung ... 26
1.7.4. Randomisierung und Verblindung ... 27
1.8. Ethik ... 29
1.9. Diagnostische Kriterien ... 30
1.10. Zielparameter ... 31
1.10.1. Hauptzielparameter ... 31
1.10.2. Nebenzielparameter ... 33
1.11. Interventionen ... 37
1.11.1. Akupunktur ... 37
1.11.1.1. Nahpunkte – Lokalisation ... 40
1.11.1.2. Fernpunkte – Lokalisation ... 42
1.11.2. Akupunktur und Stretching ... 45
1.11.3. Schein-Laserakupunktur ... 47
1.12. Auswertung und Statistik ... 49
1.12.1. Nichtparametrische Tests ... 49
5. Ergebnisse ... 50
6. Diskussion ... 55
1.13. Diskussion der Methodik ... 55
5
1.13.1. Limitationen ... 55
1.13.1.1. Diagnostische Kriterien ... 55
1.13.1.2. Lagerung ... 57
1.13.1.3. Durchmesser der Akupunkturnadel ... 58
1.13.1.4. Akupunkturschema ... 59
1.13.1.5. Fallzahlplanung ... 61
1.14. Diskussion der Ergebnisse ... 62
1.14.1. Akupunktur in Kombination mit Stretching ... 62
1.14.2. Schein-Laserakupunktur ... 66
1.15. Klinische Relevanz ... 69
1.16. Ausblick ... 70
7. Literaturverzeichnis ... 71
8. Anhang ... 77 9. Schriftliche Erklärung ... 110
0
6
II Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: 50 Der Myofasziale Triggerpunkt (MTrP) ... 10
Abbildung 2: Schematische Darstellung des Studienablaufes ... 22
Abbildung 3: Diagnostikkriterien der Myofaszialen Triggerpunkte ... 30
Abbildung 4: Messung der Druckschmerzschwelle (PPT) ... 32
Abbildung 5: Einstellung der subjektiv empfundenen Schmerzintensität ... 33
Abbildung 6: Erfassung des Bewegungsumfanges ... 35
Abbildung 7: Lagerung der ProbandInnen ... 39
Abbildung 8: Lokalisation der Nahpunkte ... 40
Abbildung 9: Lokalisation der Fernpunkte ... 42
Abbildung 10: Darstellung des Behandlungkonzeptes ... 44
Abbildung 11: Durchführung der passiven Dehnübungen unter Anleitung ... 45
Abbildung 12: Darstellung der Schein-Laserakupunktur ... 47
Abbildung 13: Darstellung des Studienflusses ... 50
Abbildung 14: Veränderung der Druckschmerzschwelle ... 52
Abbildung 15: Veränderung des bewegungsbezogenen Schmerzes ... 53
Abbildung 16: Veränderung des Bewegungsumfangs ... 54
Abbildung 17:39 Spezifische und nicht-spezifische Effekte ... 67
7
III Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ausschlusskriterien ... 23 Tabelle 2: Zuordnung der ProbandInnen zu den Behandlungsgruppen nach Randomisierung ... 25 Tabelle 3: Name und Lokalisation der Nahpunkte ... 39 Tabelle 4: Name und Lokalisation der Fernpunkte ... 41 Tabelle 5: Messwerte von PPT, VAS und ROM nach
Studieneinschluss………50
IV Abkürzungsverzeichnis
LTR: local twitch response, lokale Muskelzuckungsantwort MFS: Myofasziales Syndrom
MSS: Myofasziales Schmerzsyndrom MTrP: Myofaszialer Triggerpunkt MTrPs: Myofaszialer Triggerpunkte
PPT: pressure pain threshold, mechanische Druckschmerzschwelle ROM: range of motion, Bewegungsumfang
VAS: Visuelle Analogskala, analog Numerische Analogskala
8
1. Einführung
1.1. Prävalenz des Myofaszialen Schmerzsyndromes (MSS)
Das Myofasziale Syndrom (MFS) umfasst alle Beschwerden, die von mTrPs ausgehen. Das MFS ist keine generalisierte Störung, sondern tritt regional auf.
Das MSS ist eine Form des MFS, dessen Hauptsymptomatik aus Schmerzen besteht und das im Sinne eines chronischen Schmerzsyndroms als komplex psycho-physiologisches Geschehen auftreten kann.
Das MSS ist begleitet von lokalen und ausstrahlenden Schmerzen, eingeschränktem Bewegungsumfang, Muskelschwäche und oftmals von autonomen Phänomenen. 50
,
25Muskuloskelettale Beschwerden bzw. Myofasziale Schmerzen zählen zu den häufigsten gesundheitlichen Problemen in der Allgemeinbevölkerung und weisen eine Lebenszeitprävalenz von 85 % auf. 5, 49
Das MSS ist ein Hauptgrund für Arztbesuche, Fehlzeiten bei der Arbeit und frühzeitige Berentungen. 16, 51 Myofasziale Schmerzen sind in allen
Bevölkerungsschichten zu finden und führen bei über der Hälfte der Patienten zu einem Arztbesuch. 32, 46 Bei bis zu 85 % der PatientInnen, die sich einer Behandlung bei ihrem Hausarzt, Facharzt oder in einer Fachklinik unterziehen, repräsentieren Myofasziale Triggerpunkte (MTrPs)15, 46 die Hauptursache für muskuloskelettale Schmerzen.54
9
1.2. Definition eines Myofaszialen Triggerpunktes (MTrP)
Gemäß Simons und Travell ist das MSS ein durch MTrPs hervorgerufener Schmerz, Empflindlichkeit, der zusätzlich autonome Phänomene hervorrufen kann. 50
Ein Myofaszialer Triggerpunkt (MTrP) ist ein übererregbarer Punkt innerhalb eines überempfindlichen Muskelhartspannstranges, genannt ´taut band´.
Der MTrP ist druckschmerzhaft und kann folgende Phänomene in die Umgebung oder in andere Körperregionen übertragen:
sensorisch: Schmerz, Dysästhesien
motorisch: Schwäche, Koordinationsbeeinträchtigung
vegetativ: Vasodilatation, Vasokonstriktion, Schwitzen, Übelkeit, Schwindel.
Der übertragene Schmerz „referred pain“ ist die häufigste Form der
übertragenen Phänomene. Weder radikulär-segmentale Innervationsmuster (Dermatom, Myotom) noch die Innervationsgebiete peripherer Nerven können das Ausstrahlungsmuster erklären. 50
,
25Als lokale Muskelzuckungsantwort, genannt `local twitch response (LTR)´, wird die durch mechanische Stimulation eines innerhalb des „taut bands“ gelegenen MTrP´s ausgelöste Mikrokontraktion genannt. Relativ regelmäßig kann die LTR
10 ausgelöst werden, wenn man den MTrP exakt mit einer Akupunkturnadel („dry needling“) oder einer Injektionskanüle trifft.
Teilweise gelingt auch eine Auslösung des Phänomens durch hochfrequente Reizung der den MTrP umgebenden Faszie oder bei oberflächlichen Muskeln durch kräftige Palpation und/oder Druck („snapping palpation“). 50
,
25Abbildung 1: 50 Der Myofasziale Triggerpunkt (MTrP)
Man unterscheidet aktive und assoziierte Triggerpunkte, Insertions- und
zentrale Triggerpunkte, sowie latente, primäre und Satellitentriggerpunkte. Ein MTrP ist von Triggerpunkten in Haut, Bändern, Periost oder anderen
nichtmuskulären Triggerpunkten zu unterscheiden. 50
11 Wichtig für die Praxis ist die Unterscheidung zwischen aktivem und latentem MTrP. Gemäß der klassischen Definition von Simons und Travell wird ein aktiver MTrP bereits in Ruhe und/oder bei physiologischer Belastung (Spontanaktivität) symptomatisch. Bei stetiger Druckschmerzhaftigkeit verhindert er die vollständige Verlängerung des Muskels, schwächt die Muskelkraft und überträgt bei direkter Kompression Schmerzen, die dem Patienten vertraut sind. Bei entsprechender Reizung kann eine LTR ausgelöst werden.
Im Gegensatz dazu ist ein latenter MTrP in Ruhe nicht symptomatisch. Bei Palpation erscheint er druckschmerzhaft und kann bei mechanischer
Stimulation, lokal oder in seiner zugehörigen Übertragungszone sensorische, motorische und/oder autonome Phänomene auslösen. Der Übergang von einem latenten zu einem aktiven mTrP ist möglich.50, 25
MTrPs können als Antwort auf eine plötzliche Verletzung oder muskuläre Überbelastung in beliebigen Muskeln des menschlichen Körpers entstehen. Es gibt zwei Erklärungsmechanismen zur Entstehung eines
Muskelhartspannstranges ´taut band´:
Die geschädigten Muskelfasern verkürzen sich aufgrund einer massiven
Ausschüttung von Kalziumionen aus geschädigten Muskelfasern oder aufgrund der übermäßigen Freisetzung von Acetylcholin aus der zugehörigen
motorischen Endplatte.50 Die Gründe für die lokale Empfindlichkeit und die
12 ausstrahlenden Schmerzen liegen in der Stimulation der Nozizeptoren durch das erniedrigte Sauerstoffniveau und die erhöhten Entzündungsmediatoren am Verletzungsort.50
1.3. Therapieformen im Vergleich
Gemäß einer nationalen Querschnittstudie von Fleckenstein et al. 11 spielen in der ärztlichen Therapie der MTrP Analgetika (Metamizol/Paracetamol (91.6%), NSAIDs/Coxibe (87.0%) oder niedrigpotente Opioide (81.8%)), physikalische Methoden insbesondere Manualtherapie (81.1%), TENS (72.9%), Stretching und Akupunktur eine entscheidende Rolle. Eine zu 60 % verwendete
Therapieform ist die Akupunktur, wobei das Dry Needling eine oft verwendete Akupunkturform in der Behandlung von MTrP darstellt.16, 54
In der philosophischen Vorstellung der Chinesischen Medizin geht die Wirkung der klassischen Akupunktur auf das Aktivieren von Qi in den entsprechenden Leitbahnen zurück.
Das Dry Needling ist eine westliche Akupunkturform (erstmals beschrieben von Lewit 1979) mit einer funktionell-anatomisch orientierten, lokoregionalen
Stichtechnik. Ziel der Nadelung ist das exakte Treffen des MTrP´s und damit das Auslösen einer LTR. Es können bis zu 20 Zuckungen beobachtet werden.
13 Die Reiztechnik wird bis zum Sistieren der Muskelfaserkontraktionen und somit Auflösen des MTrP´s durchgeführt. 25
Im Gegensatz zum direkten Dry Needling des MTrP´s, wurde in der vorliegenden Studie ein Akupunkturschema aus Nah- und Fernpunkten ausgewählt.
Nahpunkte sind Akupunkturpunkte, die auf den Leitbahnen liegen, die über das zu behandelnde Beschwerdegebiet ziehen. Fernpunkte sind Akupunkturpunkte, die im distalen Verlauf der Leitbahnen liegen oder übergeordnete Funktionen bzw. Wirkrichtungen aufweisen.
Die nationale Querschnittsstudie von Fleckenstein et al. zeigt, dass in der Behandlung von MTrPs neben der Verwendung von Analgetikas, die Anwendung von physikalischen Therapien eine große Rolle spielt.
Hierunter werden verschiedene Behandlungsmethoden zusammengefasst.
Anwendung findet u.a. das Stretching, manuelle Therapie, TENS
(transcutaneous, electrical stimulation), Ultraschall, Injektionen, Akupunktur und dry needling.11
Bereits Simons und Travell betonen in ihrem Standardwerk „Handbuch der Muskel-Triggerpunkte“ die Wichtigkeit des Dehnens im Rahmen der
Triggerpunktbehandlung, um eine Verlängerung des verkürzten Muskelhartspannstranges zu erreichen.50
14 Häkkinen et al.21 wies in seiner Studie darauf hin, dass physikalische
Therapien, wie auch das Stretching, in alleiniger Anwendung die Muskelspannung weniger reduzieren vermag, als im Rahmen einer Kombinationstherapie.
Insbesondere Akupunktur und Stretching erscheinen nach Sham-kontrollierten Studien eine wirksame Kombinationstherapie zu sein, um Nackenschmerzen zu reduzieren und den Bewegungsumfang (ROM) zu verbessern.19, 21, 27, 29
Forscher sehen in der Kombination der beiden Behandlungsformen eine Möglichkeit, den therapeutischen Erfolg noch weiter zu optimieren.
Edwards und Knowles9 konnten aufzeigen, dass wiederholtes Dry Needling, in Verbindung mit Dehnübungen, MTrPs langfristig wirksamer deaktivieren kann, als Stretching allein. In gleicher Weise konnten Ma et al.38 darstellen, dass mehrmaliges Dry Needling in Kombination mit Stretching, Schmerzen langfristig stärker reduzieren kann, als alleinig durchgeführte Dehnübungen.
Obwohl Irnich et al.26 und Tough et al.54 im systematischen Review,
demonstrieren konnten, dass die klassische Akupunktur dem Dry Needling zu überlegen scheint, wurde die Kombination aus klassischer Akupunktur in Kombination mit Stretching noch nicht näher untersucht.
Außerdem legten Edwards und Knowles9 sowie Ma et al.38 ihr Augenmerk auf langfristige Effekte. Die Behandlungen wurden mehrmals durchgeführt und die Messdaten zusätzlich nach mehreren Wochen erhoben.
15 Das Ziel der gegenwärtigen Studie ist, die kurzwirksamen Effekte einer einzigen Behandlung mit Akupunktur und Stretching zu ergründen. In der vorliegenden Arbeit soll nun geklärt werden, ob Akupunktur in Kombination mit Stretching der alleinigen Akupunktur und der Scheinlaserakupunktur überlegen ist.
16
2. Zusammenfasssung
Ziel: Untersuchung der kurzwirksamen Effekte von Akupunktur in Kombination mit Stretching hinsichtlich der Reduktion von Schmerzen und der Verbesserung des Bewegungsumfanges. Die Untersuchung wurde an Patienten mit
Myofaszialen Schmerzen in der Schulter-Nackenregion durchgeführt.
Studiendesign: Randomisierte, verblindete, placebo-kontrollierte Cross-over- Studie.
Durchführung: Neunzehn Patienten (11 Frauen, 8 Männer, 33 ± 14 Jahre) mit myofaszial-bedingten Nackenschmerzen erhielten in randomisierter
Reihenfolge und einer Auswaschphase von jeweils einer Woche, folgende Behandlungen: Akupunktur, Akupunktur plus Stretching und
Scheinlaserakupunktur.
Methoden: Die Mechanische Druckschmerzschwelle (PPT, gemessen mit einem Druckalgometer) stellte den Hauptmesswert dar, während der
bewegungsbezogene Schmerz (VAS, mittels visueller Analogskala) und der zervikale Bewegungsumfang als zusätzliche Messwerte erhoben wurden (ROM, range of motion, mit einem Ultraschall 3D-Messgerät registriert und analysiert).
Die Messwerte wurden direkt vor der Behandlung, sowie 5, 15 und 30 Minuten danach erhoben. Friedman-Tests mit post-hoc Bonferroni-Holm-Korrektur wurden angewandt, um die Unterschiede zwischen den Behandlungen aufzuzeigen.
17 Ergebnisse: Akupunktur, sowie Akupunktur in Kombination mit Stretching
erhöhten die mechanische Druckschmerzschwelle (PPT) bei 5 Personen bzw.
11% nach der Behandlung. Jedoch war nur Akupunktur in Kombination mit Stretching der Scheinlaserakupunktur signifikant überlegen (p < 0,05). 15 und 30 Minuten nach der Behandlung waren keine signifikanten Unterschiede mehr festzustellen. Bezüglich des bewegungsbezogenen Schmerzes 45 sind
zwischen den Behandlungen keine Unterschiede zu erkennen. 5 Minuten nach der Behandlung mit Akupunktur und Stretching, war der Bewegungsumfang (ROM) in der Frontal- und Transversalebene signifikant höher gegenüber dem Bewegungsumfang nach Scheinlaserakupunktur (p < 0,05).
18
3. Summary
Objectives: This trial aimed to evaluate the short-term effectiveness of acupuncture plus stretching to reduce pain and improve range of motion in patients afflicted by cervical myofascial pain syndrome.
Design: Randomized, blinded, placebo-controlled crossover study.
Intervention: Nineteen patients (11 females, eight males, 33 ± 14 years) with myofascial neck pain in randomized order received the following treatments with one week washout between: acupuncture, acupuncture plus stretching, and placebo laser acupuncture.
Main outcome measures: Mechanical pain threshold (MPT, measured with a pressure algometer) represented the primary outcome. Secondary outcomes were motion-related pain (Visual Analogue Scale, VAS) and cervical range of motion (ROM, recorded by means of an ultrasonic 3D movement analysis system. Outcomes were assessed immediately prior as well as 5, 15 and30 min post treatment. Friedman tests with post hoc Bonferroni-Holm correction were applied to compare differences between treatments.
Results: Both acupuncture as well as acupuncture plus stretching increased MPT by five, respectively, 11 percent post treatment. However, only
acupuncture in combination with stretching was superior to placebo (p < 0.05).
There were no significant differences between interventions at 15 and 30 min post treatment. VAS did not differ between treatments at any measurement.
19 Five minutes after application of acupuncture plus stretching, ROM was
significantly increased in the frontal and the transversal plane compared to placebo (p < 0.05).
20
4. Material und Methoden
1.4. Studiendesign
Die Untersuchung wurde als randomisierte, einfach verblindete, placebo- kontrollierte Cross-Over-Studie in der Orthopädischen Universitätsklinik
Friedrichsheim, Klinikum der Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, durchgeführt.
1.4.1. Fallzahlberechnung
Da die sofortigen Effekte von Akupunktur und Stretching bislang noch nicht untersucht wurden, dienten postinterventionell feststellbare Unterschiede zwischen Verum und Sham Dry Needling bei Patienten mit MTrP, als
Berechnungsbasis.13 In der Studie lagen die mittleren MPT-Werte, 5 Minuten nach der Behandlung, bei 176,5 kPA in der Dry Needling-Gruppe und 100,00 kPA in der Sham Needling- Kontrollgruppe. Die standardisierte Effektgröße (0,7) wurde aus der Differenz der beiden Mittelwerten von Dry Needling und Sham-Kontrollgruppe (76,5 kPA) nach der Behandlung berechnet und durch die vereinte Standardabweichung vor der Behandlung (111,1 kPA) geteilt 31. Die Standardgrößenberechnung wurde durch den, in G*Power 3, gegebenen Algorhythmus berechnet.12 Ein paarweise abgestimmter t-Test mit einem
21 zweiseitigen Signifikanzniveau (p < 0,05) hatte eine 80%-ige Wirksamkeit, um eine Effektgröße von 0,7 zwischen Behandlungs- und Kontrollgruppe
aufzudecken. Somit errechnete sich eine Fallzahl von 19 ProbandInnen.
22
1.6. Studienablauf
Rekrutierung
Aufklärung
Randomisierung
1. Messung (Studieneinschluss): PPT, VAS, ROM Woche 1
Gr.: 1 Gr.: 2 Gr.: 3 Gr.: 4 Gr.: 5 Gr.: 6 2. Messung: vor der 1. Intervention
A AS P A AS P
3.-5. Messung: 5, 15 u. 30 Min. nach der 1. Intervention
A A
AS P P AS
6. Messung: vor der 2. Intervention
7.-9. Messung: 5, 15 u. 30 Min. nach der 2. Intervention
6. Messung: vor der 3. Intervention
P P AS AS A A
10.-12. Messung: 5, 15 u. 30 Min. nach d. 3. Intervention Woche 2
Woche 3
Woche 4
Abbildung 2: Schematische Darstellung des Studienablaufes
23 Nach erfolgreicher Rekrutierung wurden die ProbandInnen ausführlich
aufgeklärt und 6 unterschiedlichen Gruppen zugeordnet. Bei Studieneinschluss wurden die mechanische Druckschmerzschwelle (PPT), der
bewegungsbezogene Schmerz (VAS)45 und der Bewegungsumfang (ROM) zum ersten Mal erhoben. Jeweils eine Woche später folgten die weiteren
Behandlungen. Die drei Behandlungen wurden in der jeweilig zugeordneten, randomisierten Reihenfolge durchgeführt. Zwischen den drei unterschiedlichen Interventionen lag jeweils eine Woche Pause, damit sich die Wirkungen der unterschiedlichen Therapieformen nicht überlagerten. Die Messdatenerhebung (PPT, VAS und ROM) wurde jeweils vor der Behandlung, sowie 5, 15 und 30 Minuten danach durchgeführt. Die Datenerhebung pro Patient dauerte somit 4 Wochen.
1.7. Patientenkollektiv
Die PatientInnen wurden über die Sprechstunde der Orthopädischen
Universitätsklinik Friedrichsheim in Frankfurt am Main aktiv rekrutiert. Zusätzlich hingen informative Aushänge in der Klinik, die die PatientInnen auf die Studie aufmerksam machten. Alle gescreenten Patienten wurden auf Ein- und Ausschlusskriterien (vgl. 4.3.1; 4.3.2) geprüft und bei Übereinstimmung rekrutiert.
24
1.7.1. Einschlusskriterien
Die Einschlusskriterien setzten ein Alter von ≥ 18 und ≤ 65 Jahren, sowie das Vorhandensein mindestens eines aktiven MTrP´s in der Schulter-Nacken- Region voraus. Zur Schulter-Nacken-Region zählte der Bereich suboccipital bis zum Acromion beidseitig und kaudal bis zu den Anguli inferiores der Scapulae.
Um die Reliabilität zu gewährleisten, wurden ausschließlich MTrPs betrachtet, die beim Studieneinschluss eine PPT von < 3 kg/cm² aufwiesen.48, 53
Bei der Rekrutierung wurden die Patienten umfassend auf das Vorhandensein von MTrPs im gesamten Schulter-Nacken-Bereich untersucht. Zum
Studieneinschluss wurde die PPT, VAS und der ROM gemessen. Die erste Intervention startete jeweils eine Woche nach Rekrutierung (vgl. Abb. 2). Die Teilnahme an der Studie war auf freiwilliger Basis.
25
1.7.2. Ausschlusskriterien
Zum Ausschluss an der Studie führten alle Erkrankungen, die die periphere Sensibilität beeinträchtigen und somit keine klare Beurteilung der
Druckschmerzschwelle und der ausstrahlenden Schmerzen ´referred pain´ von MTrPs zuließen oder verfälschten. Zudem wurden alle Erkrankungen
ausgeschlossen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung eine kontinuierliche Teilnahme an der Studie verhinderten oder stark erschwerten. Des Weiteren konnten PatientInnen, die vor Kurzem eine ähnliche Therapie erhielten oder bei denen Nebenwirkungen auf die eingesetzten Therapieformen zu erwarten waren, nicht teilnehmen (vgl. Tab. 1).
Tabelle 1: Ausschlusskriterien
Ausschlusskriterien:
Alter ≤ 18 und ≥ 65 Jahre Schwangerschaft
Fibromyalgie
Neurologische Erkrankungen
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Hämophilie
Lungenerkrankungen (Asthma, COPD) Psychische Erkrankungen
Traumata innerhalb der letzten 6 Monaten (inkl. Frakturen/Operationen)
26 Einnahme von Schmerzmittel (Analgetikas, Neuroleptika, Antidepressiva)
innerhalb der letzten 48 Stunden
Akupunktur innerhalb der letzten 4 Wochen
Bewegungstherapie für Nacken-/ Schulterprobleme innerhalb der letzten 4 Wochen
Erkrankungen, die die Bewegung beeinträchtigen und Akupunktur ausschließen
Aktuelle Teilnahme an einer anderen Studie
1.7.3. Aufklärung
Die Aufklärung erfolgte gemäß der Deklaration von Helsinki des
Weltärztebundes, in der die ethischen Grundsätze für die Forschung am Menschen festgehalten wurden. Die PatientInnen wurden in mündlicher und schriftlicher Form über den Hintergrund, Ablauf und die Ziele der Studie aufgeklärt. Des Weiteren wurden die Patientinnen über die Art der
Behandlungen mit zu erwartender Wirkung und möglicher Nebenwirkungen informiert. Ferner erhielten alle ProbandInnen Informationen über Daten- und Versicherungsschutz, über Randomisierung und Verblindung. Zudem wurden die ProbandInnen auf die strikte Beachtung der Vorgaben hingewiesen. Sie wurden zusätzlich auf das Recht aufmerksam gemacht, jederzeit, ohne Angaben von Gründen, ihre Teilnahmebereitschaft zu widerrufen, ohne dass ihnen dadurch irgendein Nachteil entsteht.
27 Es wurde eine ausreichende Bedenkzeit von einer Woche eingeräumt. Zudem erhielten die ProbandInnen für ihre vollständige Teilnahme an allen 4
Untersuchungsterminen ein Honorar von 100 €.
1.7.4. Randomisierung und Verblindung
Nach der Rekrutierung wurden die 27 ProbandInnen durch Randomisierung folgenden Gruppen zugeordnet:
Tabelle 2: Zuordnung der ProbandInnen zu den Behandlungsgruppen nach Randomisierung
Intervention 1 Intervention 2 Intervention 3 Teilnehmeranzahl Gruppe 1 Akupunktur AkuStretch Placebo 5
Gruppe 2 AkuStretch Akupunktur Placebo 4 Gruppe 3 Placebo Akupunktur AkuStretch 4 Gruppe 4 Akupunktur Placebo AkuStretch 4 Gruppe 5 AkuStretch Placebo Akupunktur 4 Gruppe 6 Placebo AkuStretch Akupunktur 6
28 Die ProbandInnen erhielten die Behandlungen in der Reihenfolge ihrer
zugeordneten Gruppe (vgl. Abb. 2) mit jeweils einer einwöchigen
Auswaschphase, genannt ´wash-out-Phase´, um `carry-over-Effekte´ zu vermeiden:
Verum Akupunktur (Akupunktur), Verum Akupunktur plus Stretching (AkuStretch), Scheinlaserakupunktur (Placebo).
Bei der Scheinlaserakupunktur wurden die Lasernadeln mithilfe einer
Kunststoffhalterung auf die Haut geklebt (vgl. Abb. 12). Das Lasergerät wurde eingeschaltet, die Laserquelle blieb jedoch ausgeschaltet.
Mithilfe der BiAs 10,04 (Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland) wurde die randomisierte Reihenfolge der Behandlungen festgelegt. Die Randomisierung selbst und die Erstellung einer Liste, mit Zuordnung der ProbandInnen zu den 6 verschiedenen Behandlungsgruppen, wurden von einem unabhängigen,
verblindeten Mitarbeiter des Instituts für Sportwissenschaften durchgeführt. Die Randomisierungsliste wurde während der Datenerhebung ausschließlich von der Therapeutin eingesehen und verwaltet.
Die Therapeutin suchte die MTrPs auf und markierte sie mittels eines abwaschbaren Hautmarkers. Zwei verblindete Mitarbeiter des Instituts für Sportwissenschaften erhoben in einem separaten Raum die Messdaten: PPT, VAS und ROM. Anschließend teilte die Therapeutin den ProbandInnen die aktuelle Behandlungsform, im separaten Behandlungsraum, mit. Einzig die
29 Tatsache, dass es sich um eine Scheinlaserakupunktur handelte, blieb
verblindet. Die Therapeutin war, im Gegensatz zu den Untersuchern, bezüglich der Therapieformen nicht verblindet. Sie hatte aber bis zum Abschluss der Datenerhebung keine Einsicht in die Messdaten.
1.8. Ethik
Die randomisierte, verblindete, placebo-kontrollierte Crossoverstudie wurde von der Ethikkommission der Wolfgang Goethe-Universität geprüft und bewilligt.
Jegliche Tätigkeit im Rahmen dieser Studie wurde in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki, Version vom Oktober 2008, durchgeführt.
30
1.9. Diagnostische Kriterien
Um sicher zu gehen, dass die Seite mit dem schmerzhaftesten MTrP behandelt wurde, unterliefen die ProbandInnen vor jeder Intervention nochmals einer gründlichen Palpation der Schulter-Nacken-Region von suboccipital bis zum Acromion beidseitig und kaudal bis auf Höhe Th 7 (Angulus inferior der Scapula). Die schmerzhaftesten MTrPs wurden markiert und deren
Druckschmerzschwelle mithilfe des Druckalgometers bestimmt. Der MTrP mit dem niedrigsten PPT-Wert wurde zum primären MTrP ernannt.
Diagnostische Kriterien
35 Schmerzhafter Knoten innerhalb eines muskulären Hartspannstranges
´tender spot in a taut band´
(2) Wiedererkannter Schmerz bei Palpation ´recognition pain´
(3) (Vorhergesagte) Schmerzausstrahlung bei Palpation ´referred pain´
(4) ´jump sign´
Abbildung 3: Diagnostikkriterien der Myofaszialen Triggerpunkte
Unter dem ´jump sign´ versteht man eine generalisierte Schmerzantwort. Der Proband reagiert auf die Kompression des Myofaszialen Triggerpunktes mit einem generalisierten Zusammenzucken, Entweichen des Körpers aus der schmerzhaften Palpation oder Ausstoß eines Schmerzlautes.4
31
1.10. Zielparameter
Alle Zielparameter wurden entsprechend dem Studienablauf (siehe Abb. 2) bei Studieneinschluss, sowie 5, 15 und 30 Minuten nach der Behandlung erhoben.
1.10.1. Hauptzielparameter
Die PPT wurde mit einem tragbaren, analogen Druckalgometer (Stempel- Durchmesser 1 cm², PDT, New York, USA) bestimmt. Dazu übte der
Untersucher einen konstant-zunehmenden Druck von 1 kg/cm²/s auf den MTrP aus, bis der Patient ein subjektives Schmerzempfinden äußerte. Der
entsprechende Kraftwert (kg/cm²) wurde registriert. Dabei galt: je niedriger die PPT, desto höher die Empfindlichkeit des getesteten MTrP. Der MTrP mit dem niedrigsten PPT-Wert wurde zum primären MTrP ernannt. Der primäre MTrP wurde dreimal in Folge gemessen. Die Regenerationsphase für das Gewebe lag jeweils bei 10 Sekunden. Der Mittelwert der beiden letzten Messungen wurde für die weitere Analyse ermittelt und registriert.41
Die Reliabilität des Messgerätes, bei wiederholten Messungen, wurde von Nussbaum und Downes41 demonstriert.
32
Abbildung 4: Messung der Druckschmerzschwelle (PPT) mit dem Druckalgometer.
Die MTrP wurden auf der Haut markiert (blau = primärer MTrP).
Auf dem Algometer sieht man am Außenrand die Messskala mit der Einheit kg/cm².
33
1.10.2. Nebenzielparameter
Die Nebenzielparameter waren der bewegungsbezogene Schmerz 45 und der Bewegungsumfang (ROM). Die Visuelle Analogskala diente zur Erfassung der subjektiv wahrgenommenen, bewegungsabhängigen Schmerzintensität. Auf der Patientenseite der VAS war links ein lächelnder, zufriedener und rechts ein trauriger Smiley zu sehen (vgl. Abb. 5). Auf der Rückseite befand sich eine Millimeterskala von 0 bis 10 cm, wobei 0 kein Schmerz und 10 größter anzunehmender oder vorstellbarer Schmerz darstellte (entsprechend dem traurigen Smiley auf der Probandenseite).
Abbildung 5: Einstellung der subjektiv empfundenen Schmerzintensität auf der Visuellen Analogskala 45 (Patientenseite)
34 Die ProbandInnen durchliefen bei jeder Messung des bewegungsassoziierten Schmerzes 45 und des ROM´s folgenden Bewegungsablauf:
Flexion/Extension, Rotation links/rechts und Lateralflexion links/rechts.
In jeder Ebene wurden jeweils 10 Bewegungszyklen durchgeführt:
10 x Flexion und Extension
10 x Rotation nach links und rechts
10 x Lateralflexion nach links und rechts
Nach jedem 10´er-Bewegungszyklus schätzte der Proband seine
bewegungsassoziierten Schmerzen mithilfe der VAS ein. Ein Gesamtwert wurde als Durchschnitt der Einzelwerte der verschiedenen
Bewegungsrichtungen errechnet.26 Ausreichende Reliabilität zur Erfassung des Schmerzes wurde der VAS von Jensen et al.30 und Bijur et al.3 zugesprochen.
35 Der zervikale Bewegungsumfang der drei Ebenen (Flexion/Extension, Rotation und Lateralflexion) wurden mithilfe eines ultraschallgesteuerten Messsystems zur 3D-Bewegungsanalyse (Zebris CMS 70, Zebris Meditechnik GmbH, Isny, Deutschland) erfasst.
Abbildung 6: Erfassung des Bewegungsumfanges mithilfe des ultraschallgesteuerten Messsystems
zur 3D-Bewegungsanalyse (Zebris CMS 70)
36 Der Helm mit den Ultraschalldetektoren musste gut auf dem Kopf fixiert werden, sodass keine Störungen des Bewegungsablaufes möglich waren. Der Patient musste im richtigen Abstand zum Analysesystem positioniert werden. Der Referenzdetektor wurde ipsilateral am Oberarm fixiert.
Nach drei Bewegungsversuchen zur Eingewöhnung,1 führten die ProbandInnen aktiv jeweils 10 Bewegungszyklen in der Sagittal-, Transversal- und
Frontalebene durch (analog zur Bestimmung des VAS). Dabei hatten die ProbandInnen darauf zu achten, dass die Bewegungen langsam und
gleichförmig, bis zur maximalen Auslenkung, ausgeführt wurden. Der Winkel zwischen den beiden maximalen Auslenkungen einer Ebene wurde für alle drei Ebenen bestimmt [deg = degree = Winkelgrad °]. Dieses
Bewegungsanalysesystem erfasst externe Bewegungsdaten mit einer Genauigkeit von > 0,6 mm24 und zeigt eine ausgezeichnete Test-Retest- Reliabilität.58
37
1.11. Interventionen
In randomisierter Reihenfolge wurden bei jedem Proband folgende 3 Interventionen durchgeführt:
Akupunktur
Akupunktur in Kombination mit Stretching
Scheinlaserakupunktur
1.11.1. Akupunktur
Alle Akupunkturbehandlungen wurden von einer diplomierten Akupunkteurin der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA), Frau Judith Rothmayr, durchgeführt. Für die Akupunktur wurden sterile Einwegnadeln mit einem Durchmesser von 0,3 x 30 mm² (DongBang Acupuncture Inc., Korea) verwendet.
Als Nahpunkte dienten Gb 20, Bl 10, LG 14, 3E 15, Dü 13 und Bl 43, wohingegen Dü 3, 3E 5 und Gb 34 als Fernpunkte gewählt wurden. Bei Nadelung dieser Punkte konnte eine Wirksamkeit bei chronischen
Nackenschmerzen, HWS-Syndrom und Schleudertrauma bestätigt werden.11, 27,
33 Während Fernpunkte beidseitig genadelt wurden, wurden die Nahpunkte ipsilateral zum primären MTrP behandelt. Alle Akupunkturpunkte wurden
38 senkrecht genadelt. Eine Besonderheit war Gb 20 mit Stichrichtung zum
kontralateralen Auge.
Die Nadeltiefe war individuell abhängig von der Hautdicke und dem subkutanen Fettgewebe und variierte zwischen 5 und 25 mm. Einmalig wurde durch eine leichte Rotation versucht, eine Nadelsensation (´de qi´) hervorzurufen. Während der Behandlungen wurden die ProbandInnen auf einer bequemen Liege in Bauchlage gelagert. Der Behandlungsraum war gut beheizt, um ein Abkühlen des Körpers zu vermeiden. Ein Polster unter den Knöcheln entlastete die Bein- und Rückenmuskulatur. Die Arme wurden, mit den Handflächen nach unten zeigend, seitlich neben dem Körper abgelegt. Die ProbandInnen führten somit eine Außenrotation der Oberarme durch. Der Kopf wurde auf einem Kopfteil, mit freiem Fenster für die Nase, gelagert. Bei Bedarf schützte eine leichte Decke die ungenadelten Körperstellen vor dem Auskühlen. Die Gesamtliegezeit betrug 20 Minuten.
39
Abbildung 7: Lagerung der ProbandInnen
40
1.11.1.1. Nahpunkte – Lokalisation
Abbildung 8: Lokalisation der Nahpunkte (modifiziert nach dem Ausbildungsskript der DÄGfA)
Die Nahpunkte Gb 20, Bl 10, LG 14, 3E 15, Dü 13 und Bl 43 wurden ipsilateral zum primären MTrP genadelt. Sie befinden sich auf den Leitbahnen, die über die Muskulatur des Schulter- Nacken-Bereiches ziehen, in welcher auch die diagnostizierten MTrP lokalisiert waren. Teilweise entsprach die Lage der Akupunkturpunkte bei adäquater Stichtiefe den MTrP.
LG 14
3E 15
Dü 13 Bl 43
Bl 10
Gb 20
C 7 Th 4
LG 14
41 Die folgende Beschreibung der Akupunkturpunkte orientiert sich am Lehrbuch
´Quickstart Akupunktur´:17
Tabelle 3: Name und Lokalisation der Nahpunkte
Nahpunkte Name Übersetzung Lokalisation Gb 20 Feng Chi „Teich des
Windes“
kaudal des Okziputs, zwischen den Ansätzen des M. trapezius pars descendens medial und des M.
sternocleidomastoideus lateral
Bl 10 Tian Zhu „Himmelssäule“ auf Höhe des Proc. spinosus von C2 (erster tastbarer Dornfortsatz), 1,5 Cun lateral der Medianlinie, im gerade abfallenden lateralen Trapeziusrand
LG 14 Da Zhui „Großer Wirbel“ in der Vertiefung kaudal des Proc.
spinosus des Vertebra prominens (HWK 7)
3E 15 Tian Liao „Himmels- Knochenloch“
am Angulus superior der Scapula, 1 Cun kaudal von Gb 21
Dü 1318 Quyuan „Gebogene Mauer“
Im Winkel zwischen der Margo medialis der Scapula und der
Spina scapulae im M. supraspinatus
42
Bl 43 Gao
Huang
„Das Innerste des Innern“
3 Cun lateral des Unterrandes des Proc. spinosus von Th4, auf dem äußeren Blasenastes nahe der Margo medialis der Scapula
Besonderheit: Triggerpunkt des M.
trapezius (Pars ascendens), des M.
rhomboideus major und des M.
iliocostalis
1.11.1.2. Fernpunkte – Lokalisation
Fernpunkte liegen am distalen Ende der Leitbahnen, die über das zu behandelnde Gebiet ziehen. Sie wurden beidseitig genadelt.
Abbildung 9: Lokalisation der Fernpunkte
Fibulaköpfchen
3E 5 Dü 3
Gb 34
43
Tabelle 4: Name und Lokalisation der Fernpunkte
Fernpunkte Name Übersetzung Lokalisation Dü 3 Hou Xi Hinterer
Schluchtenbach
ulnare Handkante, bei geschlossener Faust leicht proximal des ulnaren Endes der Querfalte am 5.
Metakarpophalangealgelenk Besonderheit: Verbindungspunkt zum Lenkergefäß Du Mai
(= Außerordentliches Gefäß), Fernpunkt für die HWS
3E 5 Wai
Guan
„Passtor des Äußeren“
2 Cun proximal der dorsalen
Handgelenkfalte in einer Vertiefung zwischen Radius und Ulna
Gb 34 Yang
Ling Quan
Quelle am Yang-Hügel
in der Mulde ventral und kaudal des Fibulaköpfchens
Besonderheit:
Meisterpunkt – Hui-Punkt der Sehnen
Unterer einflussreicher (He)Punkt der Gallenblase
44
Abbildung 10: Darstellung des Behandlungkonzeptes Nahpunkte (schwarz) und Fernpunkte (weiss)
LG 14
Bl 10 Gb 20
3E 15 Dü 13 Bl 43
3E 5 Gb 34
Dü 3
45
1.11.2. Akupunktur und Stretching
Die Akupunktur bei dieser Form der Intervention wurde analog zu 4.7.1 durchgeführt. Im Anschluss an die Akupunktur wurde nahtlos das Stretching durchgeführt. Dazu wurden unter Anleitung der Akupunkteurin passive, statische Dehnübungen durchgeführt.
Abbildung 11: Durchführung der passiven Dehnübungen unter Anleitung
Folgende Muskeln wurden beidseitig nacheinander passiv gedehnt:
obere und mittlere Trapeziusmuskelanteile
Mm. scaleni
Mm. sternocleidomastoidei
dorsale, tiefe Nackenmuskulatur
Mm. rhomboidei9, 23
46 Jede Dehnübung wurde für 20 Sekunden an der Schmerzschwelle gehalten und nach 10-sekündiger Pause zweimal wiederholt gedehnt. Das Stretching wurde nahtlos nach der Akupunktur von derselben Therapeutin, welche auch die Akupunkturen durchführte, durch Eigendemonstration angeleitet.
Die Dehnübungen begannen mit der Lateralflexion nach rechts bzw. nach links zur Dehnung der Mm. scaleni. Es folgte nach beiden Seiten eine Lateralflexion mit leichter Flexion und Rotation zur jeweils ipsilateralen, zu dehnenden, Seite.
Hierbei wurden die Mm. trapezii, pars descendens und Mm. levatores scapulae gedehnt.
Für die Dehnung des kranialen Anteils der Mm. sternocleidomastoidei wurde zuerst eine Dorsalextension durchgeführt („Herbeiführen eines Doppelkinns“ in der verbalen Anleitung) und dann der Kopf lateralflexiert, leicht flexiert und zur ipsilateralen Seite rotiert.
Eine Lateralflexion und Streckung des Kopfes nach oben führte im Anschluss daran zu einer weiteren Dehnung der Mm. scaleni und der kaudalen Anteile der Mm. sternocleidomastoidei.
Zuletzt wurden die Mm. rhomboidei und die tiefe Muskulatur des Nackens gedehnt. Hierfür wurden die Arme vor dem Thorax gekreuzt und die
Schulterblätter auseinandergezogen („Selbstumarmung“). Zusätzlich wurde das Kinn zum Sternum geführt, um eine maximale Flexion der HWS und Dehnung der tiefen Nackenmuskulatur herbeizuführen.
47
1.11.3. Schein-Laserakupunktur
Bei der Schein-Laserakupunktur wurde das Lasernadel-System (Laserneedle®
System GmbH, Glienicke/Nordbahn, Deutschland) verwendet. Aus dem Lasergerät zogen 14 kunststoffumhüllte, weiße Glasfaserleiter, deren Ende einer stumpfen, silbernen Nadel gleichen. Die Enden wurden in einer Kunststoffhalterung senkrecht fixiert und mithilfe der Halterung über dem Akupunkturpunkt auf die Haut geklebt wurde.
Abbildung 12: Darstellung der Schein-Laserakupunktur
(kein rotes Leuchtsignal der Lasernadeln während der Schein-Laserakupunktur)
Das Aufsuchen der Akupunkturpunkte wurde in dieser Behandlung ohne
Palpation durchgeführt, um die Haut über den Akupunkturpunkten so wenig wie möglich zu irritieren. Die ProbandInnen wurden nicht darüber informiert, dass die Laserquelle während der Behandlung ausgeschaltet blieb (kein rotes Aufleuchten wie in Abbildung 12 dargestellt).27 Aufgrund der akustischen
48 Signale des Lasergerätes gingen die ProbandInnen von einem eingeschalteten Lasernadel-Systems aus. 27Die Akupunkteurin, sowie die ProbandInnen trugen Schutzbrillen, um ihre Augen vor den unsichtbaren Infrarotlaserstrahlen zu schützen, wie es den ProbandInnen in der Aufklärung erläutert wurde. Somit wurde der Schein einer Verum Laserakupunktur erhalten. Während der Lagerung auf dem Bauch durfte die Brille, für die 20-minütige Behandlung, ausgezogen werden, damit die Nase im Fenster des Kopfteiles platziert werden konnte. Die Lagerung der TeilnehmerInnen war identisch zur Lagerung
während den Akupunkturbehandlungen.
49
1.12. Auswertung und Statistik
Die Datenerhebung und statistische Analyse wurde von einem unabhängigen Wissenschaftler, ohne Kenntnis der randomisierten Reihenfolge, durchgeführt.
Für jede Behandlung wurden die mittleren Differenzen, zwischen der Messung vor (t0) und den drei Messungen (t1 = nach 5 Min., t2 = nach 15 Min., t3 = nach 30 Min.) nach der Behandlung, berechnet:
Diff 05 = t1 – t0
Diff 15 = t2 – t0
Diff 30 = t3 – t0
1.12.1. Nichtparametrische Tests
Da die Daten nicht normalverteilt waren, wurden Friedman-Tests zum Vergleich der drei Behandlungen (Akupunktur, Akupunktur und Stretching und Schein- Laserakupunktur) durchgeführt. Im Falle einer Signifikanz wurde ein post-hoc- Test ausgeführt, um die Mittelwerte paarweise zu vergleichen. Somit wurde deutlich, ob sich die Mittelwerte signifikant unterschieden. Die anschließende Bonferroni-Holm-Korrektur diente dem Ausgleich der Alphafehler-Kumulierung.
Als signifikant galt ein p-Wert von kleiner als 0,05. Alle statistischen Berechnungen wurden mit BiAs 10,04 (Goethe-Universität, Frankfurt, Deutschland) durchgeführt.
50
5. Ergebnisse
Rekrutierung/Aufklärung (n = 44)
Bewertung als geeignet (n = 27) Ausgeschlossen (n = 17)
Einschlusskriterien nicht erfüllt (n = 13)
Bewertung als ungeeignet (n = 4)
Baseline-Messung (PPT, VAS, ROM)
Randomisierung (n = 27)
Zugeordnete Reihenfolge:
A, A+S, P (n=5)
Interventionen erhalten (n=3)
Interventionen nicht erhalten
(n=2):
terminliche Probleme nach
A / A+S
Zugeordnete Reihenfolge:
A+S, A, P (n=4)
Interventionen erhalten (n=3)
Interventionen nicht erhalten
(n=1):
Bandscheiben- prolaps vor 1. Behandlung
Zugeordnete Reihenfolge:
P, A, A+S (n=4)
Interventionen erhalten (n=3)
Interventionen nicht erhalten
(n=1):
Rückzug vor 1. Behandlung
Zugeordnete Reihenfolge:
A, P, A+S (n=4)
Interventionen erhalten (n=3)
Interventionen nicht erhalten
(n=1):
Schmerzmittel- einnahme
nach P
Zugeordnete Reihenfolge:
A+S, P, A (n=4)
Interventionen erhalten (n=3)
Interventionen nicht erhalten
(n=1):
Erkrankung nach A+S
Zugeordnete Reihenfolge:
P, A+S, A (n=6)
Interventionen erhalten (n=4)
Interventionen nicht erhalten (n=2):
terminliche Probleme nach P / Erkrankung
nach A+S
Analysiert (n=5 intention-to-
treat, 3 komplette Datensätze)
Analysiert (n=3 intention-to-
treat, 3 komplette Datensätze)
Analysiert (n=3
3 komplette Datensätze)
Analysiert (n=4 intention-to-
treat, 3 komplette Datensätze)
Analysiert (n=4 intention-to-
treat, 3 komplette Datensätze)
Analysiert (n=6 intention-to-treat,
4 komplette Datensätze)
Abbildung 13: Darstellung des Studienflusses
51 Siebenundzwanzig ProbandInnen im Alter zwischen ≥ 18 und ≤ 65 Jahren (16 Frauen, 11 Männer, 33 ± 14 Jahre) konnten in die Studie eingeschlossen werden. Die Drop-out-Rate lag bei 29 % (8 ProbandInnen) (vgl. Abb. 13). Zu den Gründen für einen Studienabbruch zählten terminliche Überschneidungen (n = 3), grippale Infekte nach Akupunktur und Stretching (n=2) und ein
Bandscheibenprolaps vor der 1. Intervention. Ein Proband wurde aufgrund seiner Schmerzmitteleinnahme aus der Studie ausgeschlossen. Ein weiterer Proband zog sich unbegründet zurück.
Bei der Messung nach Studieneinschluss waren keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Behandlungen zu erkennen (Tabelle 5).
Tabelle 5: Messwerte von PPT, VAS und ROM nach Studieneinschluss
Akupunktur Aku+Stretch Placebo
PPT [kg/cm²] 1,9 ± 0,7 1,7 ± 0,5 1,7 ± 0,4
VAS 1,7 ± 1,7 1,8 ± 1,5 1,5 ± 1,3
ROM sagital [deg] 125,5 ± 30,3 127 ± 19 135 ± 22 ROM transversal [deg] 145,2 ± 23,9 144,7 ± 18,7 147,0 ± 20,5 ROM frontal [deg] 89,0 ± 20,7 86,5 ± 18,5 90,6 ± 18,7
52 Fünf Minuten nach der Behandlung ist die Druckschmerzschwelle, sowohl durch eine Intervention mit Akupunktur als auch durch Akupunktur in Kombination mit Stretching, signifikant erhöht. Die Druckschmerzschwelle wurde durch Akupunktur um 0,08 kg/cm2 (5%) und durch Akupunktur in
Kombination mit Stretching um 0,17 kg/cm2 (11%) erhöht. Die Kombination aus Akupunktur und Stretching reduzierte im Vergleich zur Placebo-Behandlung das Druckschmerzempfinden signifikant (p < 0,05, vgl. Abb. 14). Nach 15 und 30 Minuten ergab sich keine signifikante Veränderung der Druckschmerzschwelle zwischen den Gruppen.
Abbildung 14: Veränderung der Druckschmerzschwelle nach den Behandlungen (Mittelwerte mit Konfidenzintervalle),
* = signifikanter Unterschied zwischen AkuStretch und Placebo -0,5
-0,4 -0,3 -0,2 -0,1 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5
P P T [k g/ cm ²]
Akupunktur-Stretching Akupunktur
Schein-Laserakupunktur
30´- t(3) 15´- t(2)
5´- t(1) t (0)
53 Die bewegungsbezogene Schmerzintensität auf der VAS konnte durch alle drei Intervention deskriptiv aber nicht signifikant reduziert werden. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungen (vgl. Abb. 15).
Abbildung 15: Veränderung des bewegungsbezogenen Schmerzes nach den Behandlungen (Mittelwerte mit Konfidenzintervallen)
In der Analyse des Bewegungsumfanges verbesserte Akupunktur in
Kombination mit Stretching nach fünf Minuten den ROM im HWS-Bereich (bei Rotation und Lateralflexion) signifikant gegenüber der Placebo-Laserakupunktur (Rotation = 6°, Latflex = 4°, p < 0,05, siehe Abb. 16). Nach 15 und 30 Minuten konnten keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen den Gruppen
festgestellt werden.
-2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1
V A S [Δ mm ]
Akupunktur-Stretching Akupunktur
Schein-Laserakupunktur
30´- t(3) 15´- t(2)
5´- t(1) t (0)
54
Abbildung 16: Veränderung des Bewegungsumfangs nach den Behandlungen (Mittelwerte mit Konfidenzintervalle),
* = signifikanter Unterschied zwischen AkuStretch und Placebo -20
-10 0 10
Flexion/Extension [Δ°]
Sagittalebene
Akupunktur-Stretching Akupunktur
Schein-Laserakupunktur
5´- t(0) 15´- t(0) 30´- t(0) t (0)
-15 -10 -5 0 5 10 15
Lateralflexion [Δ°]
Frontalebene
Akupunktur-Stretching Akupunktur
Schein-Laserakupunktur
t (0) 5´- t(0) 15´- t(0) 30´- t(0)
-15 -5 5 15
Rotation [Δ°]
Transversalebene
Akupunktur-Stretching Akupunktur
Schein-Laserakupunktur
t (0) 5´- t(0) 15´- t(0) 30´- t(0)
55
6. Diskussion
Das Ziel dieser Studie war, die kurzwirksamen Effekte der Kombination aus Akupunktur und Stretching bei Patienten mit myofaszialen Schulter-Nacken- Schmerzen zu beurteilen. Nach der Behandlung zeigten die ProbandInnen eine signifikante Erhöhung der mechanischen Druckschmerzschwelle (PPT) und verbesserten den zervikalen ROM in der Frontal- und Transversalebene. Die Verbesserung des Bewegungsumfanges führt zu mehr Bewegungsspielraum während der Rotation und der Lateralflexion. Damit konnte die Hypothese bestätigt werden, dass die Akupunktur in Kombination mit Stretching die
Beschwerden bei myofaszialen Nackenschmerzen kurzzeitig zu lindern vermag.
Somit wäre diese Form der Therapie in der Akutphase von myofaszialen Nackenschmerzen geeignet.
1.13. Diskussion der Methodik
1.13.1. Limitationen
1.13.1.1. Diagnostische Kriterien
Ein Kritikpunkt an der Methodik der vorliegenden Studie ist, dass die einheitlichen diagnostischen Kriterien, die von den medizinischen und
56 therapeutischen Gesellschaften verwendet werden, in der vorliegenden Studie nicht komplett angewandt wurden.15
Folgende vier Kriterien sind Teil der diagnostischen Leitlinien und werden so in den ärztlichen Ausbildungen gelehrt:35
Aufsuchen eines muskulären Hartspannstranges ´taut band´ mit einem (2) schmerzhaften Knoten ´tender spot´. Druck auf diesen Knoten verursacht einen (3) übertragenen bzw. ausstrahlenden Schmerz ´referred pain´, der vom Patient wiedererkannt werden kann. Zum Teil wird eine lokale Zuckungsantwort (LTR) (4), während der Palpation, zur Diagnose verwendet. Hierbei handelt es sich um eine Kontraktion des muskulären Hartspannstranges.12, 6, 36
Aufgrund der höheren Reliabilität wurde in der vorliegenden Studie das ´jump sign´, anstelle der LTR als Diagnostikkriterium verwendet (Kappa Scores, CI 0,07 - 0,71 gegenüber -0,05 - 0,57).37 Tatsächlich wird aber in der klinischen Tätigkeit und in den ärztlichen Ausbildungen, die LTR bei Palpation als
Diagnostikkriterium verwendet. Ist das Hervorrufen einer LTR möglich, so liegt eine hohe Spezifität für das Vorliegen eines MTrP vor.36 Unterschiedliche Auswahlen an Diagnostikkriterien rekrutieren wiederum unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und somit werden wiederum andere Ergebnisse
regeneriert. Auf die einheitliche Verwendung von diagnostischen Kriterien ist in zukünftigen Studien zu achten.
57
1.13.1.2. Lagerung
Eine weitere Limitation an der vorliegenden Studie ist die Lagerung der
ProbandInnen. Ebenso wie die Auswahl der Diagnostikkriterien einen Einfluss auf das Ergebnis ausüben, stellt auch die Lagerung der ProbandInnen einen möglichen Einflussfaktor dar. Um an die Akupunkturpunkte im Nackenbereich und oberen Rücken zu gelangen, mussten die TeilnehmerInnen in Bauchlage gelagert werden. Eine Herausforderung stellte die Nadelung von 3E 5 dar, der zwischen Radius und Ulna auf der Extensorenseite, proximal des Handgelenks, lokalisiert wird. Hierfür mussten die ProbandInnen in Bauchlage eine
Außenrotation der Oberarme und Pronation der Unterarme durchführen (vgl.
Abb. 7), was für die meisten TeilnehmerInnen sehr unbequem war. Einige von ihnen beklagten nach der Behandlung, dass es in dieser Position schwierig gewesen sei, sich zu entspannen. Das Behandeln in sitzender Position könnte dieses Problem beheben. Allerdings sollte beachtet werden, dass PatientInnen unter Akupunktur zum Kollaps neigen können und ein Sturz aus dem Sitzen verhindert werden muss. In sitzender Position wäre es unmöglich, mehrere ProbandInnen gleichzeitig zu behandeln oder es wären zusätzliche Betreuer für die Studie notwendig. Zusätzlich muss beachtet werden, dass im Sitzen ohne Aufstützen der Unterarme, Verkrampfungen im Schulter-Nacken-Bereich entstehen können.
58
1.13.1.3. Durchmesser der Akupunkturnadel
Ferner gilt der Durchmesser der Akupunkturnadel bei einigen Punkten als kritisch zu bewerten. Wie bereits zu Beginn erwähnt, verwendeten wir sterile Einwegnadeln mit einem Durchmesser von 0,3 x 30 mm² (DongBang
Acupuncture Inc., Korea). Vor allem Dü 3 wurde unter diesem
Nadeldurchmesser von vielen ProbandInnen als äußerst schmerzhaft empfunden (mündliche Äußerungen nach den Behandlungen). Des Öfteren wurde gefragt, ob denn dieser schmerzhafte Punkt an der Handaußenkante unbedingt nötig sei, oder die ProbandInnen beklagten sich während der
Behandlung, dass Dü 3 immer noch sehr schmerzhaft sei. Mehrmals kamen der Akupunkteurin Aussagen zu Ohr, dass sich der Proband schon auf die
Laserakupunktur freue, da diese hoffentlich weniger schmerzhaft sei, als die Akupunktur selbst.
Aus Angst vor dem erwarteten Schmerz, verkrampften sich einige
TeilnehmerInnen bereits vor der Akupunktur von Dü 3, obwohl die Nadelung sehr vorsichtig und unter Atemkommando durchgeführt wurde. Eine Möglichkeit die Schmerzen bei der Nadelung zu umgehen bestünde darin, dünnere Nadeln mit einem Durchmesser von 0,2 x 15 mm² oder 30 mm² bei schmerzhaften Punkten wir Dü 3 zu verwenden. So wäre die Akupunktur von Dü 3 weniger schmerzhaft und man müsste auf diesen äußerst wirksamen Fernpunkt nicht verzichten. Unser angestrebtes Ziel ist es, die schmerzhafte Muskulatur zu
59 entspannen. Es wäre denkbar, dass ein angstbedingtes Verkrampfen der Muskulatur in der Schulter-Nacken-Region die gewünschte Entspannung während der Akupunkturbehandlung minimiert oder sogar verhindert.
1.13.1.4. Akupunkturschema
Eine weitere Idee zur Optimierung der Methodik der vorliegenden Studie liegt im verwendeten Akupunkturschema. Die Wirksamkeit des ausgewählten Akupunkturschemas wurde bereits bei Schmerzen im HWS-Bereich unterschiedlicher Genese bewiesen.11, 27, 33
Gute Wirksamkeit insbesondere bei Schmerzen des Bewegungssystems konnte auch durch die Yamamoto Neue Schädelakupunktur (YNSA) erzielt werden. H. Ogal et al.42 konnte zeigen, dass die Akupunktur eines YNSA Basis- Punktes effektiver Schmerzen reduziert, als die Nadelung eines klassischen Akupunkturpunktes auf der Leitbahn.
Für weitere wissenschaftliche Untersuchungen wäre interessant, die
verwendeten, klassischen Punkte mit YNSA-Punkten zu ergänzen. Von den YNSA Basis-Punkten wären geeignet:
A-Punkte als Referenzpunkte für die HWS,
B- & C-Punkte als Referenzpunkte für den Schulter-Nacken- Bereich.
60
Eine weitere Möglichkeit wäre, die Fernpunkte aus der vorliegenden Studie zu verwenden und anstelle der verwendeten Nahpunkte die palpablen MTrP mittels Dry-Needling zu behandeln.
Eine interessante Alternative zum Stretching wäre die chinesische Massageform Tuina. Die Tuina-Therapie umfasst in den westlichen Behandlungsformen nicht nur verschiedene Massagetechniken, sondern zusätzlich die westliche Chiropraktik, Akupressur und manuelle Therapie.22 Fang et al.10 konnte zeigen, dass die Tuina die periphere Durchblutung effektiv zu verbessern mag. Bisher gibt es nur wenige Studien, die die Wirksamkeit der Tuina beweist. Sie könnte aber eine effektive Ergänzung zur chinesischen Akupunktur darstellen. Zukünftige wissenschaftliche Studien, die die
Wirksamkeit von Tuina in Kombination mit Akupunktur untersuchen, wären als Alternative zu Akupunktur und Stretching interessant. Allerdings stellt die Tuina eine passive Form der Muskelbehandlung dar, während das Stretching durch die Patienten zu Hause selbstständig durchgeführt werden kann.
61
1.13.1.5. Fallzahlplanung
In Cross-Over-Studien wird die Wirksamkeit unterschiedlicher
Behandlungsformen verglichen, indem diese zeitlich versetzt den gleichen Probanden zugeführt werden.
Vorteil des Studiendesigns einer Cross-Over-Studie ist die geringere Populationsgröße. Unter gleich strikten Anforderungen an das Risiko eines Fehlers erster und zweiter Art, ist im Cross-Over-Design eine geringere Fallzahl notwendig als in einem Parallelgruppen-Versuch, da jeder Proband als seine eigene Kontrolle dient. 57
,
40Zudem eignen sich Cross-Over-Studien, um kurzwirksame Effekte bei chron.
Beschwerdebildern zu bewerten. 40
Aus diesen Gründen hatten wir uns für diese Studienart entschieden.
Nachteile hingegen sind die eingeschränkte Generalisierbarkeit der Ergebnisse aufgrund der geringen Fallzahl. 34,57,8,40
In der vorliegenden Studie liegt eine Fallzahl von 19 Datensätzen vor.
Bei einer Power von 0,5 und einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 %, könnten bei einer Fallzahl von 19 beinahe 25% der Datensätze falsch sein.
62
1.14. Diskussion der Ergebnisse
1.14.1. Akupunktur in Kombination mit Stretching
Die kurzzeitige Schmerzlinderung, als unsere Hauptentdeckung, stimmt teilweise mit dem Studienergebnis von Edwards und Knowles9 überein, die zeigen konnten, dass die Kombination aus Stretching und Dry Needling zu einer längerfristigen Schmerzreduktion führt als Stretching allein. Die Autoren sind der Meinung, dass Dehnübungen wirksamer sind, wenn eine vorangehende Nadelung die MTrPs ausgeschaltet hat. Obwohl dies plausibel erscheint, gibt es jedoch keine Beweise für diese Annahme. Auch Ma et al.38 haben
herausgefunden, dass Dry Needling in Kombination mit Stretching längerfristige Effekte erzielt als Dehnen allein.
Die Schmerzlinderung der ProbandInnen in unserer Studie nahm mit der Zeit ab und war bereits nach 15 Minuten nicht mehr signifikant. Nun kommt die Frage auf, warum die Effekte in der vorliegenden Studie nicht länger angehalten haben. Da unsere Patienten nur eine einzelne Behandlung erhalten haben, bei der die Akupunkturpunkte nur einmalig stimuliert wurden, könnte die Hypothese aufgestellt werden, dass wiederholte Stimulation der Triggerpunkte nötig ist, um langwirksame Effekte erzielen zu können. Auch beim Dry Needling wird der MTrP so lange stimuliert, bis er sich auflöst.
63 Dennoch können die Patienten aus den vorliegenden Studien aus der
kurzzeitigen Schmerzlinderung in vielerlei Hinsicht einen Nutzen ziehen, insbesondere wenn es um akute Schmerzen oder akute Schmerzzunahme geht. Auch Irnich et al. 23 konnte belegen, dass die Akupunktur eine
kurzwirksame Therapieform in der Behandlung von chronischen Nackenschmerzen darstellt. In dieser Studie wurde Akupunktur mit konventioneller Massage und Sham-Laserakupunktur verglichen.
Des Weiteren konnte in Studien gezeigt werden, dass chronische
Nackenschmerzen insbesondere myofaszial-bedingte Nackenschmerzen zu schlechterer Schlafqualität und vermehrter Einschränkung im täglichen Leben führte.39, 47 Eine langfristige Behandlung könnte helfen die Schlafqualität zu verbessern und die Lebensqualität dadurch zu erhöhen.
Außerdem könnten Patienten mit chronischem Spannungskopfschmerz einen Nutzen von einer Akupunkturbehandlung ziehen, denn Férnandez-de-Las- Penas et al. 14 konnte das vermehrte Vorhandensein von MTrPs bei Patienten mit Spannungskopfschmerz nachweisen. Nach Untersuchungen von Alonso- Blanco et al. 2 und Fernandez-de-las-Penas14 werden MTrPs auch mit der Genese und den Symptomen des Spannungskopfschmerzes in Verbindung gebracht. Eine Inaktivierung der MTrPs führte zu einer wirksamen Behandlung des Spannungskopfschmerzes.2
64 Des Weiteren wäre eine vorangehende Behandlung mit Akupunktur und
Stretching eine mögliche Therapieoption, um den Erfolg einer physiotherapeutischen Behandlung zu optimieren. Die kurzzeitige
Schmerzlinderung und der erweiterte Bewegungsumfang in der Frontal- und Transversalebene stellt ein mögliches Zeitfenster zur Verfügung, in dem der Patient schmerzfreier, ausgleichende Bewegungen bzw. ausgleichendes Training durchführen kann und möglicherweise somit der ROM nochmals erweitert werden kann. Ein Zugewinn an Flexibilität könnte einer Schonhaltung mit Folgen bis hin zur Kontraktur und einer pathologischen Hypermobilität in den angrenzenden Gelenken bei eingeschränktem ROM entgegenwirken.20 Außerdem könnten schon alltägliche Funktionen, wie z. B. zur Seite schauen, Schulterblick beim Autofahren, uvm. wiederhergestellt werden. Weitere Studien zur Untersuchung der Veränderungen des Bewegungsumfanges nach einer Behandlung mit Akupunktur und Stretching sind anzustreben.
Was das Dehnen an sich betrifft, konnte Jaeger et al.29 zeigen, dass passives Dehnen die Schmerzschwelle bei MTrPs anhebt und die Intensität der
ausstrahlenden Schmerzen ´referred pain´ abnimmt. Jedoch wurde in dieser Studie die ´stretch an spray´-Methode verwendet, in der simultan zum passiven Dehnen die Haut mit einem Fluormethanspray besprüht wird.
Es ist bekannt, dass bei Gesunden der Zugewinn an Beweglichkeit, die durch eine starke Dehnung während 4 bzw. 5 Dehnungszyklen hervorgerufen wird,
65 innerhalb weniger Minuten nachlässt.7, 52 Diese Feststellung unterstreicht die Annahme, dass Dehnen eine entscheidende Rolle in unserer Studie spielte, da bereits nach 15 Minuten keine Signifikanz mehr vorlag. Ansonsten wäre
denkbar, dass bei MTrPs die Kombination mit Akupunktur die treibende Kraft darstellt. Eine Erklärung für diese Theorie könnte darin liegen, dass bei
ProbandInnen mit MTrPs eine vorherige Inaktivierung der Punkte notwendig ist, damit die PatientInnen von den Bewegungsübungen profitieren können. In diesem Fall würde ein alleiniges Dehnen als Behandlung, den ROM nicht verbessern können. Leider fehlen noch Beweise diesbezüglich.
Edwards und Knowles9 haben zwar eine Stretching-Gruppe involviert, jedoch haben sie die zervikale Beweglichkeit nicht als Messparameter untersucht. Die Stretching-Gruppe bei Ma et al.38 konnte den ROM nach zwei Wochen nicht verbessern, obwohl sie dreimal täglich dehnten. Erst nach drei Monaten war eine Verbesserung messbar. Im Gegensatz dazu, hat Oliveira-Campelo et al.44 eine alleinige Stretching-Behandlung gefunden, die wirksam den zervikalen ROM bei Patienten mit MTrP zu verbessern vermag. Um die genaueren Wirkzusammenhänge von Akupunktur und Stretching besser verstehen zu können sind noch weitere Studien sinnvoll.
66
1.14.2. Schein-Laserakupunktur
Irnich et al.28 konnte zeigen, dass die Schein-Laserakupunktur ein valides Kontrollverfahren für Akupunkturstudien darstellt. In seiner Studie wurde deutlich, dass die Schein-Laserakupunktur auch dieselben nicht-spezifischen Effekte hervorruft als Akupunktur und Laserakupunktur (vgl. Abb. 17). Aus der Beobachtung von einigen Akupunkturstudien geht hervor, dass Schein-
Laserakupunktur starke nicht-spezifische Effekte auslöst.28 Ein nicht-
spezifischer Effekt stellt das Aufsuchen der Akupunktur durch Palpation und der Hautkontakt dar (vgl. Abb. 17). Nach Olausson et al.43 führen bereits
geringfügige Hautkontakte zur Aktivierung von sensiblen C-Fasern und in der Folge zu einer emotionalen, hormonellen und affiliativen Antwort.
67
Abbildung 17:39 Spezifische und nicht-spezifische Effekte von Akupunktur, Laserakupunktur und Schein-Laserakupunktur