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Clubbesuch (anonymisiert)

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Clubbesuch (anonymisiert)

Letzte Aktualisierung: 14.12.2018

11.11.-12.11.2016, 22.45 - 01:30 Uhr (von Freitag zu Samstag)

Am 11.11.2016 interviewe ich Alex, der mir neben dieser Gelegenheit die Möglichkeit gab, sich und „ein paar Leute“ im Rahmen seines Lairs zu begleiten. Was genau dort passieren wird, erzählt er mir, noch im Restaurant sitzend, nicht. Doch er spielt mit den Möglichkeiten, was mich erwarten wird – er will es einfach nicht verraten, was einerseits auch mit dem Datenschutz zu tun hat, auf den er großen Wert legt, andererseits aber – so empfinde ich es jedenfalls – er durchaus hier mit mir spielt. Schon im Interview zeigte er mir Dinge aus seiner Messenger-Gruppe des Lairs, die, wie er sich zu diesem Zeitpunkt, der Teil des Eisbergs seien, die unter dem Wasser lägen.1 Ich bin skeptisch nachdem, was ich dort sehe, willige aber ein. Wie sich später herausstellen wird, handelt es sich nicht um das Losziehen des PU-Lairs – das, was mich eigentlich interessierte und ich auch so gegenüber Alex kommunizierte – sondern lediglich um einen „normalen“ Clubbesuch.

Nach meinem Interview mit Alex verbringe ich ca. 2 Stunden alleine und kümmere mich um meine Notizen. Es ist in dieser Nacht kalt, doch viele junge Leute sind unterwegs. Wir treffen uns dann gegen 22.30 Uhr vor dem Restaurant, wo auch das Interview stattfand. Ich habe mich schon zuvor dazu bereiterklärt Alex und seine Freundin, eine kleine und zierliche Person, sowie einen Kumpel mit langem Haar, Brille und Mathematiker-Hintergrund mit dem Auto mitzunehmen. Wir fahren dann ca. 10 Minuten durch die Stadt, parken nahe des Clubs, und machen uns auf den Weg. Im Auto reden meine drei Begleiter miteinander und versuchen weitere Begleitung zu organisieren.

Ich werde in diese Interaktion kaum eingebunden, d.h. ich werde von Alex nur hinsichtlich der Fahrt zum Club angesprochen (ansonsten telefoniert er und organisiert weitere Mitglieder der Gruppe, während seine Freundin und sein Kumpel reden). Klar scheint mir, dass Alex so etwas wie der Anführer dieser Gruppe ist.

Es ist auch hier üblich „vorzusaufen“ oder „vorzuglühen“ – Alex, der schon über PU hinaus ist, tut hier mit seinen Freunden also nichts fundamental Anderes, als es die bald zusehenden, übrigen feiernden Gäste auch tun. Ich selbst trinke nichts, da ich noch an diesem Abend wieder mit dem Auto aufbrechen will, und halte mich eher zurück, so auch, als es darum geht den Alkohol im Gebüsch nahe des Clubs zu verstecken. Diesen haben die Drei vorher nicht umfangreich, aber doch ausreichend konsumiert, um sich in die Stimmung für den Club zu bringen. Warum das

1 Siehe dazu I7. Wichtig ist hierbei die Anmerkung von Alex, wonach es sich bei dieser Gruppe, der Lair-Gruppe, mittlerweile eher um die Kommunikationsplattform für so etwas wie einen halb-offenen Freundeskreis handelte.

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2 notwendig ist? In diesem Kontext hier erscheint es mir ritualisiert. Die Drei wirken nicht so, als benötigten sie den Alkohol unbedingt.

Das Thema des Clubs an diesem Abend lautet – mehr oder weniger umschrieben – „queer“.2 Das Publikum ist durchmischt, es scheinen mehr Männer als Frauen zu sein. Ich frage mich allerdings dennoch, ob ich hier PU-Methoden in Anwendung sehen werde, denn das Wissenssystem PU kennt lediglich die zwei Geschlechter männlich und weiblich und fast alle Diskussionen drehen sich um diese (von Ausnahmen einmal abgesehen, die häufig postulieren, dass männlich-weiblich auch synonym zu aktiv-passiv sein könnten). Auch meine beiden männlichen Begleiter spielen mit den Geschlechtergrenzen, insbesondere Alex, der sich, von seiner Freundin assistiert, geschminkt hat, Frauenkleidung trägt, und nun zwei große Ohrringe angesteckt bekommt. Das überrascht mich nicht mehr, nachdem, was er mir im Interview zu seinen Vorstellungen über Männlichkeit erzählt hat. Gemeinsam halten wir uns im Eingangsbereich auf, geben die Jacken ab, und es wird versucht die Stimmung des Clubs einzufangen. Der Kumpel macht ein Bild des Paares. Dann dauert es nicht lange bis wir weitergehen und die drei sich auf die Tanzfläche begeben, während ich mich am Rande aufhalte und beobachte. Es ist ca. 23.15 Uhr.

Der Club verfügt über einen mittelgroßen und einen kleineren, dunklen Tanzbereich. Zu der frühen Uhrzeit ist besonders zweiter kaum gefüllt. Wo der Unterschied zwischen beiden Bereichen liegt, kann ich hier nicht feststellen. Ich, der selten in Clubs dieser Art geht, frage mich abstrakt: Kann ich die Zeichen nicht deuten? Was bedeuten diese beiden Bereiche für diejenigen, die mit diesen Orten bekannter sind? Was können sie von ihnen erwarten? Die meisten Besucher sind nicht verwundert, d.h. sie scheinen dies alles hier nicht irgendwie hinterfragen und durchdringen zu müssen. Mehrmals am Abend gehe ich durch den Club und beobachte ihn aus verschiedenen Winkeln. Die gespielte Musik wird vom Club selbst mit „Trash“, „Charts“ und „Pop“ bezeichnet.

Sie scheint mir lediglich Mittel, kein Zweck zu sein.

Das Tanzen deute ich als Sich-Einstimmen auf weiteres. Ich erblicke Alex nicht direkt in irgendwelchen Aktionen, die man dem (auch für ihn breit definierten) Spektrum PU zuordnen könnte. Nach einer Zeit beginnt er allerdings Männern und Frauen spielerisch an den Po zugreifen, wenn sie vorbeigehen. Diese reagieren überrascht, lachen aber sogleich, und lassen sich auf ihn ein (sofern sie es überhaupt registrieren bzw. dieses Registrieren zeigen). So dominiert er im Raum. Er schafft sich auf der Tanzfläche im Spiel mit dem Klischee des An-den-Po-greifens von fremden eine dominante Position, indem er sich alles erlauben kann, was er möchte. Alex sprach

2 Der Club benutzt dies als eine Art Motto in der Selbstbeschreibung. Inwiefern es sich damit um eine „echte“ Party handelt, welche diese Bezeichnung verdient, ließe sich streiten. Dies war nicht Fokus meiner Beobachtungen. An diesem Abend waren die Grenzen hier jedenfalls recht offen (auch z.B. durch kein Achten auf die Kleiderordnung beim Einlass).

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3 im Interview viel vom PUA, der darüber schon hinaus ist. Das könnte sich hier zeigen? Wer sich gehen lässt, hat entsprechende Kraft.

Generell ist das Tanzen im Club nicht nur ein Einstimmen, sondern auch, wie in der PU-Theorie häufig betont wird, eine positiv sanktionierte Flirtzone. Die Tanzfläche im Besonderen, der Club im Allgemeinen: Beides muss intensiv ausgenutzt werden. Der Körperkontakt ermöglicht Nähe, gleichzeitig macht er aber auch viele der umfangreichen Routinen und Ideen unmöglich, die z.B.

durch Lautstärke der Musik oder die schwankende Aufmerksamkeit unterbrochen werden können (dies gilt jedenfalls für die Tanzfläche; der Barbereich des Clubs erscheint ebenfalls zu klein, vor allen Dingen, weil es auch ein Durchgangsbereich ist). Diesem Unterbrechen wird, so wie ich es bisher [12.11.2016] ermitteln konnte, in der PU-Theorie nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt.

Ein PUA darf also keine Körperscheu haben. Er muss vielmehr seinen Körper zum Einsatz bringen. Blicke spielen zudem eine große Rolle im Club, aber zumindest im Fall der erfahrenen Alex scheint es mir so, dass er auf all das wenig Wert legt und, wie er auch im Interview sagt, eher Spaß hat. Doch gerade die Situation, in diesem Club hier, zeigt mir die Bedeutung dessen an.

Sprache, das Gespräch, spielen erst eine nachgeordnete Rolle.

Der Kumpel Alex‘ nimmt mich zwischenzeitlich auf eine Zigarette vor den Club mit. Er kennt PU, praktiziert es aber zu wenig. Er approacht ab und an Frauen. Ich frage ihn, ob seine Frage nach dem Feuer nicht auch dazu gehört, ob das nicht eine gute Übung sei, und er sagt: „Ja, klar.

Durchaus. Deswegen habe ich mein Feuer jetzt nicht verloren, aber man kann damit gut üben.“

Generell sollte er mehr üben, tut es aber nicht. Er erzählt in einer eigenwilligen Mischung aus Trockenheit und Intelligenz, sodass mir nicht klar ist, was hiervon als Ironie zu verstehen ist, und was nicht. Als wir von einer Passantin gefragt werden, wo sich eine bestimmte Bar befindet, antwortet er ihr höflich und zuvorkommend. Er berichtet mir zudem auch, dass Alex an diesem Abend eine zweite Frau für sich und seine Freundin organisieren will – Sex, ein „Dreier“ (wie er auch als übliche Formulierung benutzt). Mit Alex kann ich darüber an diesem Abend aber nicht mehr wirklich reden: Immer ist er irgendwo anders im Club und aktiv, seine Freundin ist bei ihm.

Er bringt sie zum Lachen und hält sie dicht bei sich. Meiner Einschätzung nach ist sie zufrieden damit ihm hier die Führung zu übergeben – etwas, worauf nach laut PU-Theorie sehr zu achten ist. Sie bleibt dabei eigentlich beständig an seiner Seite solange ich die Beiden irgendwo erblicken kann. Generell erscheint mir seine Freundin durchaus eher passiv zu sein – etwas, das in der Diskussion dieses Protokolls noch einmal zur Sprache kam. Dennoch kann ich mich nicht daran erinnern Alex‘ Freundin einmal nicht an seiner Seite gesehen oder das Wort an mich gerichtet zu haben. Sie schien ihren Spaß zu haben. Diese nach außen gestellte Passivität kann vieles bedeuten, die für einen außenstehenden Beobachter nur schwer aufzuschlüsseln ist. Aufgrund des

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4 beständigen Beieinander-Seins von ihr und Alex, war es beispielsweise auch nicht möglich die Freundin zu interviewen.

Später bringt mir Alex einen jungen Mann vorbei, der frisch in der Stadt und frisch im Lair ist.

Dieser ist von meiner Arbeit fasziniert, wobei ich nicht sicher bin, ob er wirklich versteht, dass ich PU hier erforsche und es nicht betreibe. Zeitweise wirkt es so, als sei ich für ihn ein besonderer Experte. Jedenfalls beginnt er mich unermüdlich und in einem langen Redefluss von seinen Erfahrungen mit PU „zuzutexten“ (so meine Empfindung dabei), erst in einer lauteren Ecke, dann an einem Tisch, wo es etwas leiser ist, d.h. er redet so lange, bis er irgendwann selbst sagt: „Meine Kehle ist jetzt so trocken, da brauch ich erstmal was von der Bar!“ Was er mir berichtet, erinnert mich an vieles, was mein erster Interviewpartner, Martin, erzählte. Im Gespräch mit diesem jungen Lair-Mitglied fallen mir folgende Dinge auf:

• Er ist selbstkritisch (was jedoch die meisten mir bekannten PU-Kenner*innen waren). Zwei Jahre hat er „im Forum nur gelesen“, ohne etwas zu machen. Er war, wie er selbst sagt, „einer von denen“, jenen also, die immer wieder in meinen Erkundungen im Feld als „keyboard jockeys“ oder einfach „Labertaschen“, „Dummschwätzer“ u.Ä. bezeichnet wurden. Er war also nicht aktiv. Dies gibt er selbstkritisch zu und hat hierzu auch eine kleine Anekdote zu berichten:

Seinem älteren Bruder zeigte er das Forum. Dieser liest lediglich zwei Wochen, zieht dann los, und hat Erfolge. So beginnt er es seinem Bruder nachzutun.3

• Selbst ist er noch nicht auf dem Niveau von Alex, der nicht nur mehr PU-Wissen besitzt, sondern älter ist, mehr Lebenserfahrung haben wird. Sein vergleichsweise junges Alter (19 Jahre alt) machen ihm vieles schwierig. Er äußert sich dazu eher kritisch bis ernüchtert.4

• Er ist auch kritisch gegenüber PU und hält vieles für Unsinn. Interessant ist aber sein Denken in PU. In unserer kurzen Unterhaltung benutzt er unzählige der PU-Fachbegriffe, teils, um mir zu erklären, was wir Beide schon wissen müssten und es zu untermauern; teils aber auch, um zu deduzieren oder aber die Begriffe selbst in kritischer Weise zu zerlegen. Meiner Beobachtung nach wird diese PU-Sprache gerade von den euphorisierten Anfängern benutzt.

Dies nimmt mit der Zeit wieder ab.

3 Im Interview einige Wochen später korrigiert er diesen Zeitraum: Sein Bruder hat auch 2-3 Monate gebraucht.

4 Dabei musste ich an einen Forenthread denken, wo ein 15-jähriger Jugendlicher sich bereits mit PU beschäftigt hat.

Die Reaktionen darauf waren von vielen Mitgliedern positiv: Würde dieser 15-Jährige jetzt die wichtigen Inhalte von PU beherzigen, gleichzeitig aber (worauf auch viel Wert gelegt wurde) es „nicht übertreiben“ und „alles nicht so ernst nehmen“, könnte er sich einen gewaltigen Vorsprung ausbauen. Bei dem jungen Lair-Mitglied könnte es ähnlich gedacht werden. Es gibt einen nicht kleinen Teil von Leuten, die bereits Mitte 20 sind und mit PU anfangen. Bedenkt man dazu eine Entwicklungszeit von 1-4 Jahren (dies ist der grobe Zeitraum, welchen die von mir Interviewten erwähnen), kann es nur vorteilhaft sein möglichst früh zu beginnen. Hinzu kommt nämlich die im Forum zu lesende Aussage, dass Männer Ende 20/Anfang 30 die besten Möglichkeiten hätten. Sie können nämlich sowohl (wesentlich) jüngere bis gleichaltrige als auch ältere Frauen attracten. Insbesondere letztere würden sich gar nicht erst interessieren, wenn sie noch jünger sind, gelten sie dann doch als unreif.

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• Eine besondere Kritik war, dass PU, welches doch dazu animiert „soziale Konditionierung“

abzulegen, selbst zu einer „PU-Konditionierung“ führe – so seine Worte. Ironisch finde ich, dass er, meines Empfindens nach, trotz dieses Bewusstseins mir wenigstens etwas PU- konditioniert erscheint. Oder überempfindet ein Soziologe im Feld hier das Reden über Sachverhalte in diesem Detail, mit diesem Interesse? Anders gesagt: Sollten wir, nur, weil jemand intensives Interesse zeigt, gleich von solchen Mächten reden, wenn ohnehin komplizierte Begriffe wie jener der Konditionierung, aus der behavouristischen Psychologie stammend, derart aufgeladen sind? Sollten wir die von uns befragten Individuen nicht ernst genug nehmen hier selbst Entscheidungen zu treffen, die auch einen ironischen Umgang mit dem eigenen Wissen ermöglichen?

• Viele Erfolge sind für ihn „logisch“: Wer z.B. viel anspricht, wird auch irgendwann Erfolg haben. Zwar hält er nichts von „Erleuchtungserlebnissen“, d.h. anders als z.B. Richard sagt er nicht, dass es einen Moment gegeben habe, bei dem es in seinem Kopf „Klick“ gemacht hat.

Konkret nennt er das erste Mal von PU-Wissen gestütztes Ansprechen, das bei ihm ein Gestammel war. Obwohl diese Erfahrung sehr hilfreich war, reichte es nicht aus, um von einem solchen besonderen Moment zu sprechen, wie er sagt.

• Zudem meint er, dass Männer „das Thema Frauen“ nie ganz „aufschieben“ könnten. Ein Mann kann nicht einfach sagen, es sei von nun an bedeutungslos und er habe „kein Interesse mehr an Sex“. Es wird ihn immer wieder einholen. Daher müsste man irgendwann mit PU anfangen – oder zumindest etwas, das dabei hilft. Dies alles wird in der Regel auf die Formel „Du musst dein Leben in den Griff bekommen“ verdichtet.

• Schließlich berichtet er mir auch von einem Flirt, der allerdings erfolglos verläuft und, wie ich oben schon bemerkte, vor allen Dingen an der Flüchtigkeit des Feldes Clubs scheitert. Die Frau ist schnell weg, weil es keine Konzentration für ein längeres Gespräch gibt.

• Seine These ist daher auch, dass das club game schwieriger sei als das day game (und allem, was dazu gehört). Er berichtet mir von beiden Erfahrungen: Auf der Straße seien Frauen in seinem „Altersspektrum“ noch zu jung, denn sie würden kaum offensiv dort angesprochen werden und daher so verwundert reagieren, dass sich nichts Weiteres ergäbe (so würde doch seiner Meinung nach keine Frau Zeit im Alltag haben, um spontan einfach mehrere Stunden am Stück mit einem Mann zu verbringen). Dennoch sei es auf der Straße leichter, denn im Club seien Enge, die Örtlichkeit, die Flüchtigkeit Faktoren (siehe vorheriger Punkt), die einen dazu zwängen Frauen anzusprechen und sich „ins Geschehen“ zu begeben, was jedoch sehr unter Druck setzt. Weil er darin nicht so gut sei, will er hier weiter üben. Das wisse er auch. Ich erwähnte die These anderer PU’ler, wonach es genau umgekehrt sei, nämlich der höhere

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6 Schwierigkeitsgrad der Straße als des Clubs, weil es, im Vergleich zum Club, sehr ungewöhnlich sei auf der Straße offen angesprochen zu werden. Dieser These konnte er zustimmen und es sich vorstellen. So scheint mir die Bedeutung für den Einzelnen der jeweiligen Art des game von Besonderheit – was keine besondere Einsicht ist, aber doch begründet, warum es so viele Spielarten gibt, die jede Konfiguration von möglichen Orten in Verbindung mit Handeln abdecken. Das Hauptkriterium scheint mir hierbei, jedenfalls beim Schreiben dieser Zeilen, das ähnliche Grundproblem wie in der Interaktionsordnung a la Goffman zu sein: nämlich ein moralisches, das des Gesicht-Wahrens.

Das Gespräch endet mehr oder weniger damit, dass Alex wieder vorbeikommt und mit seinem Kumpel (dem Raucher), der ein lustiges Utensil anbei hat, das Töne von sich gibt und „Quatsch macht“5. Dieses Utensil kommt dann in den Händen des PU-Anfängers zur Anwendung: Alex und er rennen zu einer Frau und erzeugen das Geräusch indem sie es spaßeshalber an ihre Hüfte drücken. Die Frau lacht und es ging wohl nur darum Spaß zu erzeugen, nicht mehr. Schließlich war es auch schon bei vorherigen Anwendungen eine Art Gesprächserzeuger. Aus der Aktion ergibt sich im Falle des jungen Mannes nichts mehr. Ich sehe ihn anschließend auch nicht mehr wieder und kann mit ihm sprechen – er wird von Alex wieder mitgenommen, als sie einer auffällig gekleideten Person folgen und sich darüber amüsieren. Interessant ist hier bezüglich Alex, dass dieser seinen „Schützling“ am Arm mitzog, die Situation initiierte, und sich damit als guter Mentor erwies (nach der PU-Theorie und einem entsprechenden Coaching-Gedanken, der sich durch das PU-Dispositiv zieht).

Ich verschwinde gegen 1.30 Uhr aus dem Club. Zuvor drehte ich noch einige Runden, die mir aber nicht mehr viel präsentierten, das für meine Arbeit von Besonderheit zu sein schien. Was mich letztlich im Club überraschte waren noch zwei Dinge: Zum einen, dass viel weniger Leute „an ihren Smartphones hingen“, wie es heute kulturkritisch oft unterstellt wird; zum anderen aber auch, dass offenkundig zwar viel Körperkontakt durch das Tanzen vorherrschte, aber ich kaum Flirts oder anderweitig sexuell konnotierte Gespräche (sofern dies nicht ohnehin dasselbe ist) beobachten konnte. Gerade letzteres, sofern dergleichen überhaupt stattfand, bezog sich nur auf jene Gruppen oder Paare, die bereits gemeinsam in den Club gekommen waren. Hier wurden kaum neue Bekanntschaften geschlossen. In diesem Sinne wäre dieses Setting, dieser Club an diesem Abend, ideal für einen PUA gewesen, der solche Grenzen überwunden und neue Bekanntschaften geschlossen hätte.

5 Es ist besonders, auffällig, aber nicht „verwerflich“. Aus Gründen der Anonymisierung beschränke ich mich auf diese hölzerne Wortwahl zur Beschreibung.

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7 In der Reflexion und beim Schreiben dieses Protokolls wird mir noch einmal bewusst, dass dieser Ausflug ins Feld in diesem Fall eher enttäuschend für mich verlief. Mir ging es darum das PU- Lair zu sehen. Dies fand jedoch nicht statt. Dieses Protokoll habe ich trotzdem festgehalten, um auch diese Erfahrung des Forschungsprozesses einzubringen. Von Bedeutung könnte der Fall deswegen angesehen werden, weil er Alex‘ Verhalten weiterführend thematisiert: Er als PU’ler kocht auch nur mit Wasser. Mit diesem Sprichwort sei ausgedrückt, dass die Lairs viel kleiner, loser, weniger radikal zu denken sind als viele Eindrücke zum Thema PU suggerieren. Wenn ein PUA also einen Ethnografen zum Lair einlädt, kann es schlichtweg damit enden, „nur“ eine Party zu besuchen, wo sich dann „nur“ ein zweiter PUA aufhält – und Beide wollen schließlich nicht einmal als PUA bezeichnet werden.

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