AN DEN
LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN
BETREFFEND DEN
AGRARPOLITISCHEN BERICHT 2020
Behandlung im Landtag Datum
Schlussabstimmung
Nr. 94/2020
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Zusammenfassung ... 6
Zuständiges Ministerium ... 7
Betroffene Stellen ... 7
I. BERICHT DER REGIERUNG ... 8
1. Anlass der Vorlage ... 10
2. Ausgangslage ... 11
2.1 Bedeutung der Landwirtschaft ... 11
2.2 Rahmenbedingungen ... 12
2.2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen in Liechtenstein ... 12
2.2.2 Verhältnis zur Schweiz ... 24
2.2.3 Internationale Agrarmärkte ... 29
2.2.4 Globale Herausforderungen ... 31
2.3 Agrarpolitischer Bericht 2016 ... 31
2.4 Umsetzung agrarpolitischer Bericht 2016 ... 34
2.4.1 Anpassung des Landwirtschaftsgesetzes ... 34
2.4.2 Systemumstellung von Arbeitskraftstunden auf Standardarbeitskraft ... 35
2.4.3 Präzisierung der Zulassung von landwirtschaftsnahen Tätigkeiten ... 36
2.4.4 Situation der Pacht von Landwirtschaftsflächen ... 36
2.4.5 Schonende Bodenbearbeitungsverfahren ... 37
2.4.6 Zusatzbeitrag Berglandwirtschaft ... 37
2.4.7 Alpwirtschaft ... 38
2.4.8 Förderung der Biodiversität ... 42
2.4.9 Nachrüstung von Feldspritzen ... 42
2.4.10 Förderung für BTS‐Ställe und Minderung von Ammoniakemissionen ... 43
2.4.11 Biodiversitätsverordnung ... 43
2.4.12 Alters‐ und Risikovorsorge ... 44
2.4.13 Erleichterter Ausstieg aus der Landwirtschaft ... 44
2.4.14 Umnutzung landwirtschaftlich geförderter Infrastrukturen ... 45
2.4.15 Zusammenfassung über die Umsetzung aus dem
agrarpolitischen Bericht 2016 ... 45
2.5 Aktuelle Themen in der Landwirtschaft ... 48
2.5.1 Wettbewerbsfähigkeit und Marktumfeld ... 48
2.5.2 Gesellschaftliche Anforderungen und Regelungsdichte ... 48
2.5.3 Stickstoffeinträge ... 49
2.5.4 Biodiversität ... 52
2.5.5 Postulat zur Ökologisierung der Landwirtschaft ... 52
2.5.6 Mein Liechtenstein 2039 ... 54
3. Wirtschaftliche Situation der Landwirtschaftsbetriebe ... 55
3.1 Übersicht ... 55
3.2 Kernaussagen aus dem Agrarbericht 2018 ... 56
3.3 Strukturen ... 58
3.3.1 Allgemein ... 58
3.3.2 Betriebsgrössen ... 59
3.3.3 Tierbestand und Tierbesatz ... 60
3.3.4 Arbeitskräfte und Erwerbsart ... 61
3.4 Wirtschaftliche Situation der Landwirtschaftsbetriebe ... 63
3.4.1 Allgemeines ... 63
3.4.2 Die wichtigsten Kennzahlen ... 64
3.4.3 Rohleistung ... 65
3.4.4 Fremdkosten ... 69
3.4.5 Landwirtschaftliches Einkommen und Arbeitsverdienst ... 72
3.4.6 Entwicklung des Arbeitsverdienstes nach Betriebsklassen ... 74
3.4.7 Variabilität des Arbeitsverdienstes ... 74
3.4.8 Abhängigkeit der Landwirtschaftsbetriebe von den einkommensverbessernden Direktzahlungen ... 76
4. Herausforderungen der künftigen Agrarpolitik ... 79
4.1 Produktionsbedingungen ... 80
4.1.1 Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbskraft ... 81
4.1.2 Klimawandel ... 82
4.1.3 Kulturland ... 84
4.1.4 Pachtsituation ... 85
4.1.5 Neophyten... 86
4.1.6 Zunehmende Regelungsdichte ... 87
4.1.7 Automatisierung und Digitalisierung ... 87
4.2 Marktbedingungen ... 88
4.2.1 Preise ... 88
4.2.2 Liefervoraussetzungen und Markbedürfnisse ... 89
4.3 Anforderungen der Gesellschaft ... 89
4.4 Finanzielle Ressourcen des Staates ... 90
5. Finanzen ... 91
5.1 Landwirtschaftsbudget 2020 ... 91
5.2 Ausgabenentwicklung der Vorjahre ... 92
5.3 Finanzentwicklung der Folgejahre ... 97
6. Weiterentwicklung der Agrarpolitik ... 98
6.1 Vision und langfristige Zielsetzung ... 98
6.2 Künftige Handlungsfelder ... 99
6.2.1 Handlungsfeld Produktionsgrundlage Boden ... 99
6.2.2 Handlungsfeld Ökonomie und technischer Fortschritt... 102
6.2.3 Handlungsfeld Soziales ... 104
6.2.4 Handlungsfeld Ökologie ... 104
6.2.5 Handlungsfeld Tierwohl ... 107
7. Ausblick ... 108
II. ANTRAG DER REGIERUNG ... 110
ZUSAMMENFASSUNG
Mit dem agrarpolitischen Bericht 2020 erfüllt die Regierung den gesetzlichen Auf‐
trag gemäss Art. 7 des Landwirtschaftsgesetzes (LWG) und nutzt diese Gelegen‐
heit, um dem Hohen Landtag die gegenwärtige Situation und die künftige Weiter‐
entwicklung der Landwirtschaft aufzuzeigen. Diese gesetzlich vorgesehene regel‐
mässige strategische Berichterstattung ist erforderlich, um angemessen auf die hohe Dynamik im landwirtschaftlichen Sektor reagieren zu können.
Der vorliegende Bericht zeigt die Bedeutung der Landwirtschaft für Liechtenstein sowie die nationalen und internationalen Rahmenbedingungen für die Landwirt‐
schaft auf. Inhaltlich knüpft er an den letzten agrarpolitischen Bericht von 2016 an und stellt den Umsetzungsstand in den 2016 definierten Themenbereichen dar. Zu‐
dem werden aktuelle Themen im Bereich Landwirtschaft vorgestellt, die sich der‐
zeit in Bearbeitung befinden.
Auf Grundlage des Agrarberichts 2018 wird die wirtschaftliche Situation der Land‐
wirtschaftsbetriebe zusammenfassend dargestellt. Dabei zeigt sich, dass sich das durchschnittliche landwirtschaftliche Einkommen seit dem letzten agrarpolitischen Bericht verringert hat. Insgesamt bietet sich aber ein sehr heterogenes Bild der Be‐
triebsergebnisse der Landwirtschaftsbetriebe mit grossen Unterschieden sowohl zwischen den Betriebstypen als auch innerhalb der Vergleichsgruppen. Der Arbeits‐
verdienst je Familienjahresarbeitseinheit nahm gegenüber dem letzten agrarpoli‐
tischen Bericht ebenfalls ab, variierte aber ebenfalls stark zwischen den verschie‐
denen Betrieben.
Die Herausforderungen an die zukünftige Landwirtschaft sind vielfältig. Unter an‐
derem sind dies die Folgen des Klimawandels, der technologische Fortschritt, die sich wandelnden gesellschaftlichen Erwartungen und das volatile Marktumfeld.
Hinzu kommen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem hohen Pachtlan‐
danteil, der mangelnden Pachtsicherheit, Neophyten und der Digitalisierung.
Der Bericht zeigt somit die Vergangenheit, Gegenwart und die Weiterentwicklung der Landwirtschaft in Liechtenstein auf. Dabei wird auf die Handlungsfelder «Pro‐
duktionsgrundlage Boden», «Ökonomie und technischer Fortschritt», «Soziales»,
«Ökologie» und «Tierwohl» eingegangen. Der Katalog der Handlungsfelder ist nicht abschliessend. In einem weiteren Schritt soll mit den Behörden und den
Betroffenen die Weiterentwicklung des landwirtschaftlichen Leitbildes erarbeitet werden. Der Hohe Landtag wird – wie vom Hohen Landtag anlässlich der Beratung des agrarpolitischen Berichts 2016 gewünscht – im Rahmen der Behandlung des kommenden agrarpolitischen Berichtes am Beginn der Legislatur die Möglichkeit bekommen, auf dieser Basis die massgeblichen Weichenstellungen der Landwirt‐
schaft mitzugestalten, welche die Regierung bis zum Ende der jeweiligen Legislatur umsetzen soll.
ZUSTÄNDIGES MINISTERIUM
Ministerium für Inneres, Bildung und Umwelt BETROFFENE STELLEN
Amt für Umwelt
Vaduz, 1. September 2020 LNR 2020‐1259 P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und An‐
trag betreffend den agrarpolitischen Bericht 2020 an den Landtag zu unterbreiten.
I. BERICHT DER REGIERUNG
Die Weiterführung einer nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft steht im Fo‐
kus des agrarpolitischen Berichts 2020. Die Regierung unterbreitet dem Hohen Landtag Vorschläge zur Verbesserung der agrarpolitischen Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft. Die Nachhaltigkeit wird im Sinne der drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales verstanden.
Die Definition des Nachhaltigkeitsbegriffes geht auf den Brundtland‐Bericht der Vereinten Nationen von 1987 zurück: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwick‐
lung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglich‐
keiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedi‐
gen1.“
1 https://www.are.admin.ch/are/de/home/nachhaltige‐entwicklung/internationale‐zusammenarbeit/
agenda2030/uno‐meilensteine‐zur‐nachhaltigen‐entwicklung/1987‐‐brundtland‐bericht.html
Es ist ein erklärtes Ziel der Liechtensteinischen Regierung dem Prinzip einer nach‐
haltigen Entwicklung vermehrt Rechnung zu tragen.2 Für die Regierung stellt die nachhaltige Entwicklung ein Schlüsselthema unserer Zeit dar. Die Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO hat deshalb für die Regierung hohe Priorität.3 Im vorliegenden agrarpolitischen Bericht 2020 wird die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft weitergeführt und damit die mit dem agrarpolitischen Bericht 2016 eingeleitete Entwicklung fortgesetzt. Im Einführungsteil werden der Anlass der Vorlage und die zentralen Elemente des agrarpolitischen Berichts 2016 kurz dargelegt. Der heutige Stand und die Umsetzung der Agrarpolitik seit 2016 werden anhand der Entwicklungen bei den entsprechenden Massnahmen aufgezeigt und es wird auf allfällige Ziellücken in den verschiedenen Bereichen hingewiesen. Die einzelnen Massnahmen werden im Kontext der Themenbereiche aus dem agrar‐
politischen Bericht 2016 dargestellt. In einem weiteren Kapitel wird die wirtschaft‐
liche Situation der liechtensteinischen Landwirtschaftsbetriebe basierend auf der Auswertung der Buchhaltungsdaten des Jahres 2018 zusammengefasst. Die wirt‐
schaftliche Situation der Landwirtschaftsbetriebe wird ausführlich beleuchtet, da sie für die Agrarpolitik massgebend ist und aufzeigt, wie sich die gegenwärtigen Rahmenbedingungen und Entwicklungen auf die Betriebsergebnisse ausgewirkt haben. Hieraus werden im Sinne einer Synthese die Ausrichtung und die Weiter‐
entwicklung der Agrarpolitik für die kommenden Jahre skizziert und dem Landtag zur Debatte unterbreitet. Am Schluss des Berichts werden die Aufgabenentwick‐
lung der Vorjahre und die Finanzentwicklung der Folgejahre aufgezeigt.
Die zukünftige Agrarpolitik befasst sich mit den Herausforderungen für die Land‐
wirtschaft und schlägt Massnahmen in den Handlungsfeldern Ökonomie, Soziales
2 Agenda 2020 für das Fürstentum Liechtenstein, Genehmigt in der Regierungssitzung vom 5. Oktober 2010 3 https://www.regierung.li/de/mitteilungen/222824
und Ökologie vor. Gesetzgeberische Massnahmen und die Ausgestaltung des Di‐
rektzahlungssystems sind zentraler Bestandteil der Agrarpolitik. Die finanziellen sowie die nationalen und internationalen agrarpolitischen Rahmenbedingungen der liechtensteinischen Landwirtschaft werden beschrieben. Zudem wird auf Her‐
ausforderungen der Landwirtschaft im Bereich Klimawandel und nachhaltiger Ent‐
wicklung eingegangen, die Situation bei der Produktionsgrundlage Boden erörtert und die Entwicklungen im Bereich neuer Agrartechnologien und der Digitalisie‐
rung thematisiert.
1. ANLASS DER VORLAGE
Gemäss Art. 7 des Landwirtschaftsgesetzes unterbreitet die Regierung dem Land‐
tag mindestens alle vier Jahre einen agrarpolitischen Bericht. Sie beschreibt darin insbesondere:
a) die Weiterentwicklung und Ausrichtung der Agrarpolitik;
b) die wirtschaftliche Situation der Landwirtschaftsbetriebe;
c) die Ausgabenentwicklung der Vorjahre;
d) die Finanzentwicklung der Folgejahre.
Der Landtag genehmigt auf der Grundlage des agrarpolitischen Berichts die Wei‐
terentwicklung und Ausrichtung der Agrarpolitik und beschliesst über die von der Regierung gestellten Anträge.
Der agrarpolitische Bericht bietet dem Landtag die Möglichkeit, sich in regelmäs‐
sigen Abständen mit der Weiterentwicklung und Ausrichtung der Agrarpolitik zu befassen und dabei die strategische Weichenstellung vorzunehmen. Um die vom Hohen Landtag gewünschte agrarpolitische Diskussion im Gesamtzusammenhang zu ermöglichen, werden neben den in Art. 7 LWG vorgegebenen Inhalten
insbesondere auch die Rahmenbedingungen und die Herausforderungen für die liechtensteinische Landwirtschaft ausführlich beschrieben.
2. AUSGANGSLAGE
Der erste Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentum Liech‐
tensteins betreffend den agrarpolitischen Bericht legte die Regierung im Jahr 2016 dem Landtag zur Diskussion vor (BuA Nr. 51/2016). Der Landtag hat am 9. Juni 2016 diesen agrarpolitischen Bericht zur Kenntnis genommen und stimmte auf dessen Grundlage den Zielsetzungen und der Weiterentwicklung der liechtenstei‐
nischen Agrarpolitik gemäss Kapitel 5, sowie der Umsetzung gemäss Kapitel 6 des Berichts, zu.
2.1 Bedeutung der Landwirtschaft
Auch wenn die Landwirtschaft rein wirtschaftlich betrachtet nur einen vergleichs‐
weise geringen Beitrag zum Bruttoinlandprodukt Liechtensteins leistet, erfüllen die landwirtschaftlichen Betriebe eine Vielzahl bedeutsamer Aufgaben für die Ge‐
sellschaft.
So produzieren die landwirtschaftlichen Betriebe regionale wertvolle und qualita‐
tiv hochwertige Nahrungsmittel für die Bevölkerung. Dabei erfüllen die liechten‐
steinischen Landwirtinnen und Landwirte höchste Standards hinsichtlich Ökologie und Tierwohl. Auch wenn Liechtensteins Landwirtschaft derzeit die Ernährungs‐
souveränität nicht zu gewährleisten vermag, leistet sie einen unverzichtbaren Bei‐
trag zur Sicherstellung der Ernährung der Wohnbevölkerung. In Anbetracht der Lieferengpässe aufgrund der Auswirkungen der COVID‐19‐Pandemie auf dringend benötigten Waren zeigt sich, dass grenzüberschreitende Warenlieferungen keine Selbstverständlichkeit sind. Es ist nicht auszuschliessen, dass zukünftige Krisen zu massgeblichen Engpässen auch auf dem Lebensmittelmarkt führen.
Zudem werden die Nahrungsmittel nachhaltig produziert, also nach den Regeln des ÖLN, Bio‐Suisse oder sogar Demeter. Durch diese nachhaltige Produktion leis‐
tet die Landwirtschaft einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität und zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit. Mit einem Bio‐Anteil von 37% ist Liechtenstein Bio‐Welt‐
meister.
Durch ihre Tätigkeit nutzen und pflegen die Landwirtinnen und Landwirte mit ih‐
ren 100 Betrieben rund 3‘600 ha im Tal‐ und Berggebiet. Zusätzlich zu diesen Flä‐
chen bewirtschaftet die Landwirtschaft die Sömmerungs‐ und Alpweiden und trägt somit massgeblich zur Erhaltung des Landschaftsbilds in den Alpen bei. Ins‐
gesamt beträgt die landwirtschaftlich genutzte Fläche über 5'000 ha, also knapp ein Drittel der gesamten Landesfläche. Damit prägt die Landwirtschaft das Land‐
schaftsbild ganz generell und erbringt somit sowohl Dienstleistungen zur Förde‐
rung des Tourismus als auch bei der Pflege der traditionellen Kulturlandschaft.
Vor nicht allzu langer Zeit war der Grossteil der liechtensteinischen Bevölkerung zumindest teilweise in der Landwirtschaft tätig. So finden sich eine grosse Anzahl an lokalen Traditionen und Bräuchen, die unmittelbar mit der Landwirtschaft zu‐
sammenhängen. Zur Erhaltung dieser Traditionen und Bräuche leistet die Land‐
wirtschaft einen grossen Beitrag und trägt somit unmittelbar zum liechtensteini‐
schen Selbstverständnis bei.
2.2 Rahmenbedingungen
2.2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen in Liechtenstein
Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Agrarpolitik leiten sich aus der Verfas‐
sung ab und sind im Landwirtschaftsgesetz detailliert beschrieben. Über den Zoll‐
vertrag von 1923 ist die schweizerische Landwirtschaftsgesetzgebung in Liechten‐
stein anwendbar. Im Notenaustausch sind die Beteiligungen von Liechtenstein im Bereich Landwirtschaft mit der Schweiz vereinbart. Zudem ist das
Agrarabkommen zwischen der Schweiz und der EU von 2007 für Liechtenstein an‐
wendbar. Als selbständiges WTO‐Mitglied gelten für Liechtenstein auch die WTO‐
Übereinkommen für den Bereich Landwirtschaft.
2.2.1.1 Verfassung
In Art. 14 der Landesverfassung steht geschrieben, dass die Förderung der Volks‐
wohlfahrt die oberste Aufgabe des Staates ist. In diesem Sinne sorgt der Staat für die Schaffung und Wahrung des Rechtes und für den Schutz der religiösen, sittli‐
chen und wirtschaftlichen Interessen des Volkes. Die Agrarpolitik stützt sich auf Art. 20 Abs. 1 der Landesverfassung ab: „Zur Hebung der Erwerbsfähigkeit und zur Pflege seiner wirtschaftlichen Interessen fördert und unterstützt der Staat Land‐
und Alpwirtschaft, Gewerbe und Industrie; er fördert insbesondere die Versiche‐
rung gegen Schäden, die Arbeit und Güter bedrohen und trifft Massregeln zur Be‐
kämpfung solcher Schäden.“ Durch Art. 22 werden die Interessen der Landwirt‐
schaft und der Gemeindefinanzen bei Erlassen von Gesetzen zur Ausübung der Staatshoheit über Jagd, Fischerei und Bergwesen geschützt.
2.2.1.2 Historische Entwicklung der Agrarpolitik
Ab Mitte der 1990er Jahre wurden die Preisgarantien sukzessive abgebaut und das Einkommen der Landwirte von der Produktion entkoppelt. Durch die Einführung produktionsunabhängiger Direktzahlungen wurde der unternehmerische Hand‐
lungsspielraum der Landwirte erheblich erweitert. Im Zuge dieser Neuausrichtung der Agrarpolitik wurden verschiedenste agrarpolitische Instrumente geschaffen.
Dabei gewann die Förderung gemeinwirtschaftlicher Leistungen in den Bereichen Kulturlandschaftserhalt und Ökologie an Bedeutung. Mit der Neuorientierung ging auch ein neues Verständnis der Rolle des Staates einher, das im Landwirtschaftli‐
chen Leitbild von 2004 aufgezeigt wird. Der Staat tritt dabei einerseits als Auftrag‐
geber auf, der die Landwirtschaft mit allen im öffentlichen Interesse stehenden
Leistungen beauftragt, und diese entsprechend entschädigt. Im Bereich der Pro‐
duktion beschränkt sich der Staat andererseits darauf, geeignete Rahmenbedin‐
gungen und Strukturen für eine marktorientierte Landwirtschaft zu schaffen, ins‐
besondere um Wettbewerbsnachteile gegenüber der Schweiz auszugleichen.
Bis zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des Landwirtschaftlichen Leitbildes hatte sich eine unübersichtliche und starre Agrargesetzgebung entwickelt, die eine Umset‐
zung des Leitbildes verunmöglicht oder stark erschwert hätte. Da die notwendigen Reformen eine flexible Agrarpolitik und flexible Instrumente erforderten, wurde 2008 mit der Schaffung eines Rahmengesetzes die Landwirtschaftsgesetzgebung vereinfacht, insbesondere mit dem Ziel, die Umsetzung des Landwirtschaftlichen Leitbilds von 2004 zu ermöglichen.
Abbildung 1: Entstehung Landwirtschaftsgesetz
2.2.1.3 Landwirtschaftsgesetz 2.2.1.3.1 Zweck
Das Landwirtschaftsgesetz wurde mit dem Ziel geschaffen, geeignete agrarpoliti‐
sche Instrumente zur Umsetzung des Landwirtschaftlichen Leitbildes von 2004 be‐
reitzustellen.
Das Landwirtschaftsgesetz ist als Rahmengesetz konzipiert, welches die agrarpoli‐
tischen Rahmenbedingungen festlegt. Die Umsetzung ist im Einzelnen in den da‐
zugehörenden Verordnungen geregelt.
2.2.1.3.2 Agrarpolitische Zielsetzung
Mit der aktuellen Landwirtschaftsgesetzgebung wird das Ziel verfolgt, die Eigen‐
verantwortung der Landwirtschaft zu stärken und eine marktgerechte Produktion zu ermöglichen. Dazu sind professionell geführte Betriebe mit einem grossen un‐
ternehmerischen Handlungsspielraum erforderlich. Betriebswirtschaftliche Ent‐
scheidungen sollen nicht mehr durch den Staat beeinflusst werden.
Die Liechtensteiner Landwirtschaft soll geeignete Rahmenbedingungen besitzen, um sich marktorientiert entwickeln und ihre Aufgaben effizient erfüllen zu kön‐
nen. Darunter fallen zum Beispiel rechtliche und infrastrukturelle
Rahmenbedingungen, Produktionsstandards oder Qualitätsanforderungen. Damit sollen auch allfällige Wettbewerbsnachteile gegenüber der Schweizer Landwirt‐
schaft beseitigt werden, um die Konkurrenzfähigkeit auf dem Schweizer Markt si‐
cherzustellen.
Der Strukturwandel hin zu grösseren Betrieben stellt eine notwendige Entwicklung dar, um die Wettbewerbsfähigkeit der verbleibenden Betriebe zu stärken. Die Ag‐
rarpolitik verfolgt das Ziel, den natürlichen Strukturwandel zu ermöglichen und sozial abzufedern, ohne ihn jedoch zu forcieren.
Ein weiteres Ziel der Agrarpolitik besteht darin, sicherzustellen, dass die Landwirt‐
schaft auch weiterhin jene Leistungen erbringt, welche vorwiegend im öffentli‐
chen Interesse sind. Für gemeinwirtschaftliche Leistungen wie die Erhaltung der Kulturlandschaft oder die Pflege von Hanglagen oder Grenzertragsstandorten4 gibt es keinen Markt im üblichen Sinn. Mit entsprechenden Aufträgen schafft der Staat einen solchen Markt. In den Bereichen Ökologie und Biodiversität besteht ein zusätzliches Ziel darin, die Qualität der ökologischen Ausgleichsflächen zu er‐
höhen. Auch die Existenz einer wettbewerbsfähigen Berglandwirtschaft ist im öf‐
fentlichen Interesse, da diese wesentlich zur Erhaltung der Kulturlandschaft und des Erholungsraums beiträgt.
Bezüglich der staatlichen Fördermassnahmen verfolgt die aktuelle Agrarpolitik das Ziel, bewährte Strukturen vorläufig beizubehalten. Grundsätzlich ist jedoch vorge‐
sehen, das System dahingehend zu überprüfen, ob die Fördermittel effizienter und flexibler eingesetzt werden können.
4 Grenzertragsstandorte sind Standorte, deren Bewirtschaftung unter rein produktionsorientierten Ge‐
sichtspunkten nicht wirtschaftlich ist, da ein geringer Ertrag einem erhöhten Bewirtschaftungsaufwand gegenübersteht.
Die Einführung eines Rahmengesetzes und die klare Trennung von Gesetz und Ver‐
ordnungen hatten zum Ziel, die Übersichtlichkeit zu erhöhen, die Rechtssicherheit zu verbessern und den Vollzug zu erleichtern.
2.2.1.3.3 Übergeordnete Stossrichtung der Agrarpolitik gemäss Landwirt‐
schaftsgesetz
Die übergeordnete Stossrichtung der Agrarpolitik lässt sich in folgende Themen‐
bereiche zusammenfassen:
Die Agrarpolitik stärkt die Eigenverantwortung der Landwirte. Sie unterstützt Ei‐
geninitiative und Selbsthilfemassnahmen der Landwirte oder ihrer Organisationen zur Herstellung marktgerechter Produkte und deren Vermarktung.
Die Agrarpolitik fördert gezielt professionell geführte Betriebe, welche ihr Einkom‐
men massgeblich aus der Landwirtschaft erwirtschaften. Dies wird durch hohe An‐
forderungen bezüglich Ausbildung der Betriebsleiter, Betriebsführung und Ar‐
beitsaufwand in den Anerkennungsbedingungen sichergestellt.
Das bewährte System der staatlichen Zahlungen mit Einkommensbeiträgen (pro‐
duktions‐ und leistungsunabhängig, z. B. Basisbeitrag), leistungsabhängigen Bei‐
trägen („Ökobeiträgen“, z. B. Förderung naturnaher Lebensräume) und projektbe‐
zogenen Strukturverbesserungsbeiträgen (z. B. Subventionen Neubau und Sanie‐
rungen) wird grundsätzlich beibehalten und nur punktuell an das Landwirtschaft‐
liche Leitbild angepasst.
Die Berglandwirtschaft wird besonders unterstützt, indem ihre Standortnachteile gezielt ausgeglichen werden, um ihre Existenzfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
2.2.1.3.4 Förderbereiche
Im Landwirtschaftsgesetz sind sechs Förderbereiche definiert. Tabelle 2 fasst diese Förderbereiche und die Stossrichtung der einzelnen Förderbereiche zusammen.
Tabelle 2: Förderbereiche gemäss LWG und jeweilige Stossrichtung der Agrarpolitik Bereich Stossrichtung
Rahmenbedingungen für die Produktion
Sicherstellung einer ökologischen und nachhaltigen Produktion mit hoher Glaubwürdigkeit und Produktionssicherheit
Förderung einer wettbewerbsfähigen und unternehmerisch agie‐
renden Landwirtschaft
Strukturen
Förderung von Betrieben mit einer leistungsfähigen Infrastruktur und kostengünstigen Bewirtschaftungseinheiten
Langfristige Sicherung der landwirtschaftlichen Nutzfläche und der Ertragskraft der Böden
Wirtschaftlichkeit
Sicherung der Existenz durch Ausgleich erschwerter Produktions‐
bedingungen
Zulassen eines moderaten und sozial abgefederten Strukturwan‐
dels; dadurch Stärkung von Eigenverantwortung und Professiona‐
lisierung
Ökologie
Knüpfung der Förderung an hohe Standards bezüglich ökologi‐
scher Betriebsführung.
Förderung und Abgeltung ökologischer, landschaftspflegerischer und tiergerechter Leistungen
Ausgewogene Berücksichtigung der Interessen von Landwirtschaft und Ökologie
Märkte
Sicherstellung Zugang zu ausländischen Agrarmärkten
Verlagerung von Marktverantwortung an die Landwirtschaft (Rückzug aus Marktintervention; Hilfe zur Selbsthilfe)
Dienstleistungen Drit‐
ter
Anhebung des Bildungsniveaus über Selbsthilfemassnahmen, Be‐
rufsbildung und praxisbezogene Beratung
Unterstützung von Selbsthilfemassnahmen und ‐organisationen
2.2.1.3.5 Staatliche Zahlungen
Das Landwirtschaftsgesetz sieht zur Förderung der Landwirtschaft zum einen Zah‐
lungen vor, welche direkt an Landwirtschaftsbetriebe entrichtet werden. Andere Zahlungen richten sich hingegen primär an das landwirtschaftliche Umfeld und dienen dem Aufbau von Infrastrukturen oder der Verbesserung der Rahmenbe‐
dingungen. Insgesamt liegen die liechtensteinischen Massnahmen – mit Rücksicht auf den durch den Zollvertrag begründeten gemeinsamen Wirtschaftsraum und den Notenaustausch – auf einem Niveau, das mit jenem der schweizerischen Land‐
wirtschaftspolitik vergleichbar ist. Die nach dem Landwirtschaftsgesetz anerkann‐
ten Landwirtschaftsbetriebe haben Anspruch auf Direktzahlungen. Mit dem Be‐
griff Direktzahlungen werden sämtliche Zahlungen der öffentlichen Hand an Land‐
wirtschaftsbetriebe zusammengefasst, die entweder zur Einkommensverbesse‐
rung (sogenannte allgemeine Direktzahlungen5) oder zur Abgeltung konkreter ge‐
meinwirtschaftlicher Leistungen (leistungsabhängige Direktzahlungen) ausgerich‐
tet werden. Daneben existieren weitere staatliche Zahlungen zur Förderung der Landwirtschaft. Diese richten sich – im Unterschied zu den Direktzahlungen – in
5 Mit den allgemeinen Direktzahlungen werden zum einen Wettbewerbsnachteile ausgeglichen, zum ande‐
ren gilt der Staat damit allgemeine Leistungen ab, die die Landwirtschaft für das Gemeinwohl erbringt (z.B. regionale Lebensmittelversorgung).
der Regel nicht an anerkannte Landwirtschaftsbetriebe, sondern an andere Ak‐
teure aus der Landwirtschaft.
Die staatlichen Zahlungen lassen sich, je nach ihrem Zweck, verschiedenen Kate‐
gorien zuordnen. Zahlungen der Kategorien Einkommen, Pflegeleistung6, Betriebs‐
führung und Infrastrukturen richten sich an Landwirtschaftsbetriebe. Sie machen den Grossteil der staatlichen Zahlungen aus. Die übrigen Kategorien richten sich an weitere Akteure, z. B. Verarbeiter, Selbsthilfeorganisationen, Alpgenossen‐
schaften, Grundeigentümer etc. Die Höhe der Ausgaben in den einzelnen Katego‐
rien kann von Jahr zu Jahr variieren.
Zu beachten ist, dass Zahlungen in verschiedenen Kategorien eine unterschiedli‐
che Einkommenswirksamkeit haben. Bei den Zahlungen der Kategorie Einkommen handelt es sich um staatliche Transferzahlungen. Unter Transferzahlungen werden staatliche Leistungen an natürliche Personen und Unternehmen verstanden, ohne dass eine gleichzeitige ökonomische Gegenleistung durch die begünstigten Trans‐
ferempfänger erfolgt. Die Transferzahlungen wirken sich daher unmittelbar auf das landwirtschaftliche Einkommen aus, da den Betrieben hierfür keine Kosten entstehen. Im Gegensatz dazu sind die Zahlungen in den Kategorien Pflegeleistung und Betriebsführung an die Erbringung bestimmter, kostenrelevanter Leistungen gekoppelt7. Diese Zahlungen sind daher nur teilweise einkommenswirksam. Zah‐
lungen aus der Kategorie Infrastrukturen wirken sich nur indirekt auf das Einkom‐
men aus, indem sie im Fall von Infrastrukturinvestitionen die Kosten für die Kapi‐
talbeschaffung senken. Oftmals sind solche Investitionshilfen aber der entschei‐
dende Faktor, der eine Investition ermöglicht, die ansonsten für den Betrieb
6 Bezüglich Pflegeleistungen sehen Art. 46 und Art. 48 LWG auch die Möglichkeit einer Entschädigung an Private vor. Aktuell wird dies jedoch restriktiv gehandhabt.
7 Sie werden daher auch als leistungsabhängige Direktzahlungen bezeichnet. Sie umfassen einerseits die Beiträge für ökologische und tiergerechte Leistungen, andererseits für die Pflege von Berggebieten und Hanglagen.
wirtschaftlich nicht tragbar wäre. Die unterschiedliche Einkommenswirksamkeit der verschiedenen Zahlungen hat zur Folge, dass sich Umlagerungen von Finanz‐
mitteln zwischen den einzelnen Kategorien (Instrumenten) auf die Wirtschaftlich‐
keit der Betriebe auswirken, auch wenn die Gesamtsumme der Zahlungen pro Be‐
trieb konstant bleibt.
2.2.1.4 Zollvertrag
Der Vertrag vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet macht auf dem Gebiet des Fürstentum Liechtensteins schweizerische Rechtsvorschriften anwendbar (LGBl. 1923 Nr. 24, nachstehend „Zollvertrag“ genannt). Das Fürsten‐
tum Liechtenstein und die Schweiz bilden einen gemeinsamen Wirtschaftraum mit freiem Austausch von Waren und Dienstleistungen (LGBl. Nr. 11/1924). Zudem be‐
steht ein Währungsvertrag zwischen den beiden Ländern (LGBl. Nr. 82/1981).
2.2.1.5 Notenaustausch
Der Notenaustausch zwischen der Schweiz und Liechtenstein ist eine Vereinba‐
rung mit dem Ziel, die Beteiligung Liechtensteins an Markt‐ und Preisstützungs‐
massnahmen der schweizerischen Agrarpolitik einschliesslich der einheitlichen Anwendung flankierender Massnahmen zur Sicherung vergleichbarer Wettbe‐
werbsbedingungen im gemeinsamen Wirtschaftsraum Schweiz‐Liechtenstein zu regeln (LGBl Nr. 3/2004). Die Vereinbarung basiert auf dem Zollvertrag zwischen der Schweiz und Liechtenstein und weist auf die anwendbare schweizerische Landwirtschaftsgesetzgebung hin.
Für die Liechtensteiner Landwirtschaft ist der gemeinsame Agrarmarkt mit der Schweiz von grosser Bedeutung. Im gemeinsamen Wirtschaftsraum Schweiz‐
Liechtenstein ist es deshalb entscheidend, dass liechtensteinische Produkte
dieselben Kriterien erfüllen und auch den ungehinderten Zugang zum schweizeri‐
schen Markt erhalten. Aus diesem Grund übernimmt Liechtenstein jeweils auch autonom einen Teil der schweizerischen Bestimmungen, um den Marktzugang nicht zu gefährden. Ein wichtiges Beispiel für einen solchen Nachvollzug ist die Übernahme der Bestimmungen des Ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN).
2.2.1.6 EWR
Das EWR Abkommen dehnt den Binnenmarkt der EU bezüglich des Waren‐, Per‐
sonen‐, Dienstleistungs‐ und Kapitalverkehrs auf Liechtenstein aus. Gemäss sekt‐
oraler Anpassungen (Schutzklausel) zu Anhang I und der Einleitung zu Kapitel XII von Anhang II des EWR‐Abkommens gelten veterinär‐, futtermittel‐ und lebens‐
mittelrechtliche Vorschriften nicht für Liechtenstein. Der Agrarbereich ist im EWR‐
Abkommen ausgeklammert (LGBl. Nr. 51/2020).
2.2.1.7 EFTA
Liechtenstein ist seit 1991 Vollmitglied der EFTA. Die EFTA hat zahlreiche Freihan‐
delsabkommen mit Drittstaaten abgeschlossen. Das wirtschaftliche Integrations‐
niveau der verbleibenden vier EFTA‐Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz entspricht im Wesentlichen dem Inhalt der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU und kommt in den geregelten Bereichen dem EWR nahe.8
8 https://www.regierung.li/ministerien/ministerium‐fuer‐aeusseres/diplomatische‐vertretun‐
gen/deutsch/genf‐ch/efta/
2.2.1.8 WTO
Liechtenstein ist seit dem 1. September 1995 Mitglied der Welthandelsorganisa‐
tion WTO. Im bisherigen Kerngebiet der WTO beziehungsweise des früheren GATT, dem Handel mit Industrieprodukten und landwirtschaftlichen Gütern, hat Liechtenstein keine eigene Aussenhandelskompetenz. Diese Bereiche werden von der Schweiz ausgehandelt und sind aufgrund des Zollvertrags in Liechtenstein an‐
wendbar.9
2.2.1.9 Agrarpolitischer Handlungsspielraum
Zusammenfassend ist über den Zollvertrag neben Bereichen des Zolldienstes die in Liechtenstein anwendbare Bundesgesetzgebung geregelt. Im Notenaustausch sind die Beteiligungen Liechtensteins an den Markt‐ und Preisstützungsmassnah‐
men sowie an weiteren Massnahmen der Schweizer Agrarpolitik vereinbart. Der Handlungsspielraum der Liechtensteiner Agrarpolitik ist durch den Zollvertrag und den Notenaustausch auf die Regelung des Direktzahlungssystems beschränkt.
Nicht betroffen davon sind weitere Massnahmen Liechtensteins zur Förderung der Landwirtschaft, die zu keiner Wettbewerbsverzerrung führen. In Tabelle 3 ist eine Übersicht über die wichtigsten Regelwerke bzw. Bereiche der Liechtensteinischen Agrarpolitik und den Handlungsspielraum gegeben.
9 https://www.regierung.li/ministerien/ministerium‐fuer‐aeusseres/diplomatische‐vertretun‐
gen/deutsch/genf‐ch/wto/
Tabelle 3: Regelungen, Bereiche und Handlungsspielraum für die Liechtensteiner Agrarpolitik.
Regelung Bereiche Handlungsspielraum
Zollvertrag Anwendbarkeit ist im Anhang 1 geregelt und betrifft
Ein‐ und Ausfuhr
Inverkehrbringen im gemeinsamen Wirtschaftsraum
Hygienevorschriften
Verarbeitung
Phytosanitäre Bestimmungen
Kontrollsystem
keiner
Notenaustausch Regelt die Beteiligung Liechtensteins an den Markt‐ und Preisstützungsmassnahmen der Schweizer Agrarpolitik
stark eingeschränkt
Liechtensteini‐
sches Recht
Regelung des Direktzahlungssystems und weitere Förderungen
Ausgenommen sind wettbewerbsverzer‐
rende Massnahmen
uneingeschränkt im Rah‐
men des bestehenden Re‐
gelwerks
2.2.2 Verhältnis zur Schweiz
Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Liechtenstein sind ausgezeichnet. Die Länder sind freundschaftlich miteinander verbunden und pflegen einen engen Kontakt. Zwischen den beiden Ländern gibt es eine grosse Anzahl von Verträgen, darunter der Zollvertrag von 1923 über den Anschluss des Fürstentums ans schweizerische Zollgebiet. Damit besteht faktisch eine Zollunion mit offenen
Grenzen. 1924 führte Liechtenstein den Schweizer Franken als offizielle Währung ein. Die Schweiz und Liechtenstein bilden somit auch einen gemeinsamen Agrar‐
markt. Über den sogenannten Notenaustausch wird geregelt, wie sich Liechten‐
stein an den Massnahmen der Schweizer Landwirtschaftspolitik beteiligt. Liech‐
tenstein hat eine eigenständige Agrarpolitik, die mit der Schweizer Agrarpolitik ab‐
gestimmt ist. In vielen wichtigen Bereichen hat Liechtenstein jedoch eigenes Recht erlassen, das auf die Spezifika Liechtensteins Rücksicht nehmen. Eigene Massnah‐
men wurden vor allem in Bereichen ergriffen, in denen eine massgebliche Produk‐
tion betrieben wird. Dazu zählen unter anderem Massnahmen betreffend Milch‐
wirtschaft, Milchkontingentierung, Tierzucht, Rebbau und landwirtschaftliches Bauwesen. Ebenfalls von grosser Bedeutung sind die eigenen Massnahmen in den Bereichen einkommensverbessernde Direktzahlungen, Abgeltungen und Er‐
schwernisbeiträge für die Berglandwirtschaft.
Eine Orientierung an der Schweiz erfolgt in den Bereichen, die entweder den Zoll‐
vertrag betreffen oder produktionstechnisch bedeutsam sind (aufgrund gemein‐
samer Produktionsstandards, damit Liechtenstein sich bspw. am ÖLN beteiligen kann). Durch den Zollvertrag, den Notenaustausch und bei der Festlegung von Pro‐
duktestandards ist Liechtenstein an die schweizerischen Vorgaben gebunden.
Spielraum zur Gestaltung der liechtensteinischen Agrarpolitik liegt grundsätzlich in der Ausgestaltung von eigenen Förderinstrumenten. Dabei sind aufgrund inter‐
nationaler Verpflichtungen (WTO) aber auch gewisse Grundsätze und Rahmenbe‐
dingungen einzuhalten (keine Exportstützungen, keine Diskriminierung beim Marktzugang, etc.). Die Landwirtschaft ist nicht Regelungsmaterie des EWR‐Ab‐
kommens.
2.2.2.1 Gemeinsamer Agrarwirtschaftsraum
Die Liechtensteiner Landwirtschaft hat über die Währungs‐ und Zollunion die glei‐
chen Produktionsbedingungen wie diejenige der Schweiz. Beide Regionen
produzieren für den gleichen Wirtschaftsraum und haben die gleichen Rahmenbe‐
dingungen und Preisstruktur. Von den Produktepreisen unabhängig bestehen zwei unterschiedliche Direktzahlungssysteme in den beiden Ländern.
Seit 2007 findet das Agrarabkommen zwischen der Schweiz und der EU mit allen Anhängen auch im Verkehr mit Liechtenstein Anwendung, was in einem Zusatzab‐
kommen von allen drei Parteien unterzeichnet wurde. Das Fürstentum Liechten‐
stein nimmt jeweils als Teil der Schweizer Delegation am jährlichen Treffen des Gemischten Ausschuss Schweiz‐EU teil. Das Agrarabkommen sieht gegenseitige Zollkonzessionen vor, liberalisiert vollständig den Käsemarkt, vereinfacht den Han‐
del im Landwirtschaftsbereich und regelt Bezeichnungen für Weine und Spirituo‐
sen sowie Ursprungsbezeichnungen (GUB) und geschützte geografische Angaben (GGA).
Das Fürstentum Liechtenstein hat auf den 1.1.2017 die entsprechenden Geset‐
zesanpassungen im Markenschutz‐ und Designgesetz in Kraft gesetzt, um die so‐
genannte „Swissness‐Vorlage“ der Schweiz zu übernehmen. Somit können Natur‐
produkte und Lebensmittel aus Liechtenstein als Zollanschlussgebiet mit schwei‐
zerischen Herkunftsbezeichnungen versehen werden.
Damit kann die Liechtensteiner Landwirtschaft weiterhin unter den Schweizer La‐
beln wie beispielsweise „Bio Suisse“, „IP‐Suisse“ oder „Suisse Garantie“ produzie‐
ren und die Naturprodukte sind denjenigen der Schweiz gleichgestellt.
2.2.2.2 Grenzschutz
Die Schweiz und damit auch das Fürstentum Liechtenstein haben im internationa‐
len Vergleich einen hohen Grenzschutz im Agrarbereich. Gemäss dem
Erläuternden Bericht zur Vernehmlassung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+)10 schätzt die OECD den Wert des Grenzschutzes auf der Stufe des landwirtschaftli‐
chen Erlöses (Umsatz) auf rund 3.3 Milliarden Franken.11 Die wichtigsten Instru‐
mente des Grenzschutzes sind die Zollkontingente mit einem relativ tiefen Zollsatz für eine festgelegte Importmenge und einem de facto prohibitiv hohen Zollsatz für Importe ausserhalb dieser Importmenge. Mit diesen beiden Instrumenten wird die Importmenge reduziert, was zu höheren Produzenten‐ und Konsumentenpreisen führt.
Gemäss OECD schöpfen die vor‐ und nachgelagerten Stufen einen Grossteil der Mehrausgaben als Rente ab. Bei der Aufteilung der Renten spielt das Marktgefüge und die Marktmacht der Akteure der Land‐ und Ernährungswirtschaft eine wich‐
tige Rolle. Die Landwirtschaft sieht sich hier in einer schwierigen Position, da viele Produzierende wenigen Zuliefern und Abnehmern gegenüberstehen (oligopolisti‐
sche Marktstruktur).
2.2.2.3 Schweizer Agrarpolitik (AP14‐17, AP 18‐21 und AP 22+)
Mit der Schweizer Agrarpolitik AP 14‐17 führte die Schweiz ein neues Direktzah‐
lungssystem ein. Aufgrund von Art. 104 der Bundesverfassung wurden neue Bei‐
tragsarten für das Direktzahlungssystem eingeführt: Kulturlandschaftsbeiträge, Versorgungssicherheitsbeiträge, Biodiversitätsbeiträge, Landschaftsqualitätsbei‐
träge, Produktionssystembeiträge und Ressourceneffizienzbeiträge. Mit einem Übergangsbeitrag wurde der Wechsel zur AP14‐17 sozialverträglich gestaltet.
Eine wesentliche Änderung der AP 14‐17 hat darin bestanden, die Beiträge für die Haltung Raufutter verzehrender Nutztiere und für die Tierhaltung unter
10 https://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/3001/Agrarpolitik‐ab‐2022_Erl.‐Bericht_de.pdf 11 Durschnitt der Jahre 2015‐2017 gemäss PSE, OECD Monitoring and Evaluation Report 2018
erschwerten Produktionsbedingungen in die Versorgungsicherheitsbeiträge um‐
zulagern, welche wiederum flächenbezogen ausbezahlt werden.
Das Ziel der Schweizer Agrarpolitik AP 14‐17 war, die Effizienz der Massnahmen zur Unterstützung der Innovation in der Land‐ und Ernährungswirtschaft zu erhö‐
hen, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und die gezielte Förderung der gemein‐
wirtschaftlichen Leistungen zu verbessern. Damit sollte die Produktion in Umfang und Qualität steigen, die Landwirtschaft der Umwelt Sorge tragen und die Einkom‐
men der Bauernfamilien verbessert werden.
In der aktuellen Schweizer Agrarpolitik AP 18‐21 wird die bestehende AP 14‐17 weitergeführt und konsolidiert. Das Parlament legte 2017 den landwirtschaftli‐
chen Zahlungsrahmen für die Jahre 2018 bis 2021 fest.
Mit der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) folgt der Bundesrat dem Grundsatz „Mehr Verantwortung, Vertrauen und Vereinfachung.“ Der Bundesrat will mit der Agrar‐
politik 2022 bis 2025 die agrarpolitischen Rahmenbedingungen in den Bereichen Markt, Betrieb und Umwelt verbessern. Damit soll die Schweizer Land‐ und Ernäh‐
rungswirtschaft Chancen eigenständiger und unternehmerischer nutzen können.
Die agrarpolitischen Rahmenbedingungen sollen weiterentwickelt werden, damit die Land‐ und Ernährungswirtschaft auf den in‐ und ausländischen Märkten erfolg‐
reich agieren, die Ressourcen effizient nutzen und die Umwelt schonen kann. Es soll mit der AP22+ die Marktorientierung, unternehmerische Potenziale, Selbst‐
verantwortung und Innovationskraft in der Landwirtschaft gestärkt werden. Für die finanzielle Unterstützung in dieser Periode sind insgesamt 13,915 Milliarden Franken vorgesehen, was der Grössenordnung der Ausgaben der Vorperiode ent‐
spricht.
2.2.3 Internationale Agrarmärkte
Der OECD‐FAO Agricultural Outlook 2018‐2027 zeigt Markteinschätzungen für die wichtigsten Agrarerzeugnisse, Biotreibstoffe und Fische. Die weltweiten Agrar‐
märkte haben sich seit der Preishausse in den Jahren 2007 und 2008 stark gewan‐
delt. Während die Produktion stark gewachsen ist, hat sich die Nachfrage nach Agrarerzeugnissen abgeschwächt. Es wird erwartet, dass die Agrarpreise in der kommenden Dekade aufgrund der reduzierten Nachfrage nach Nahrung und Fut‐
ter tief bleiben. Die Nettoexporte der landreichen Länder wie beispielsweise die‐
jenigen von Amerika tendieren zu wachsen, während die Nettoimporte in Ländern mit limitierten Ressourcen, geringer Produktionsausweitung und hohem Bevölke‐
rungswachstum wachsen werden. In den letzten Jahren hat vor allem die Volksre‐
publik China die Nachfrage nach Fleisch, Fisch und Futter stimuliert. Diese Nach‐
frage hat sich abgeschwächt und wurde nicht durch die Nachfrage von anderen Staaten kompensiert, was die Preise tief hält. Die grossen Lager an Getreide wir‐
ken zusätzlich gegen eine Erholung der Preise in den nächsten Jahren.12
2.2.3.1 Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) EU
Die Europäische Kommission hat ehrgeizige Legislativvorschläge für die Gemein‐
same Agrarpolitik nach 2020. Diese beruhen auf neun Zielen für den Umwelt‐ und Klimaschutz sowie einer besseren Zielausrichtung und einer neuen Arbeitsweise.
Die Europäische Kommission schlägt ein flexibleres System vor, mit dem die Ar‐
beitsweise der GAP vereinfacht und modernisiert werden soll. Der Schwerpunkt wird von der Einhaltung von Vorschriften auf Ergebnisse und Leistung verlegt. Mit den neun Zielen wird die GAP auch in Zukunft die Versorgung mit hochwertigen
12 http://www.fao.org/publications/oecd‐fao‐agricultural‐outlook/2018‐2027/en/
Lebensmitteln und die Unterstützung des einzigartigen europäischen Landwirt‐
schaftsmodells gewährleisten können. Die Ziele der GAP nach 2020 sind:
gerechtes Einkommen für Landwirtinnen und Landwirte
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
Wiederherstellung eines ausgewogenen Kräfteverhältnisses in der Lebens‐
mittelkette
Klimaschutzmassnahmen
Umweltpflege
Erhalt von Landschaften und Biodiversität
Förderung des Generationswechsels
dynamische ländliche Gebiete
Schutz von Lebensmittelqualität und Gesundheit 2.2.3.2 Agrarfreihandel
Die Freihandelsabkommen im Agrarbereich, welche die Schweiz mit Drittstaaten abschliesst, betreffen auch Liechtenstein. Das Agrarabkommen zwischen der Schweiz und der EU ist auch für Liechtenstein anwendbar. Das gleiche gilt auch für das WTO Agrarabkommen. Die Schweiz hat verschiedene Freihandelsabkommen abgeschlossen und weitere stehen in Verhandlungen.13 Die jeweiligen Vereinba‐
rungen mit Drittstaaten im Agrarbereich sind auch anwendbar für Liechtenstein.
13 https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Aussenwirtschaftspolitik_Wirtschaftliche_Zusammenar‐
beit/Wirtschaftsbeziehungen/Freihandelsabkommen/Liste_der_Freihandelsabkom‐
men_der_Schweiz.html
2.2.4 Globale Herausforderungen
Definitionsgemäss betreffen globale Herausforderungen alle Nationen und die ge‐
samte Menschheit. Lösungen für globale Herausforderungen bedürfen deshalb der Zusammenarbeit der Nationen. In der gegenwärtigen Zeit ist der Klimawandel wohl die grösste Herausforderung, für welchen Lösungen notwendig sind. Gemäss der FAO sind neben dem Klimawandel die zentralen Herausforderungen der Menschheit, den Hunger zu beenden, Mangelernährung zu beheben und allen den Zugang zu Nahrung zu ermöglichen.14 Liechtenstein trägt die UNO Agenda 2030 mit und verpflichtet sich, der Armutsbekämpfung und einer nachhaltigen Entwick‐
lung in ausgewogener Weise Rechnung zu tragen.15 Das bedeutet auch, eine nach‐
haltige Landwirtschaft im Land zu fördern und geeigneten Massnahmen zur Ziel‐
erreichung zum Durchbruch zu verhelfen. Liechtenstein muss dem Kulturland Sorge tragen und die Produktion von Lebensmitteln aufrechterhalten. Gleichzeitig sind die Ressourcen zu schonen und die Biodiversität zu erhöhen. Dem Klimawan‐
del muss adäquat begegnet werden.
2.3 Agrarpolitischer Bericht 2016
In Kapitel 5 des agrarpolitischen Berichts 2016 wurde die Stossrichtung mit neun agrarpolitischen Zielen beschrieben, die sich aufgrund des landwirtschaftlichen Leitbilds (BuA Nr. 91/2004) und des Berichts und Antrags zum Landwirtschaftsge‐
setz (BuA 111/2008) ergab:
Landwirtschaftsbetriebe werden professionell und wirtschaftlich geführt.
14 FAO. 2019. FAO: Challenges and Opportunities in a Global World. Rome. Licence: CC BY‐NC‐SA 3.0 IGO.
15 https://www.llv.li/files/aaa/aaa‐regierungsbericht‐uno‐de‐inhalt.pdf
Landwirtschaftsbetriebe produzieren nach den Bedürfnissen des Marktes und decken die spezielle Nachfrage nach tiergerechten, ökologischen und regionalen Produkten.
Die Landwirtschaft ist offen für neue Technologien zur Sicherung der Wett‐
bewerbsfähigkeit.
Leistungsfähige Landwirtschaftsbetriebe erfüllen die Erwartungen der Be‐
völkerung an eine moderne Landwirtschaft und deren gemeinwirtschaftli‐
che Leistungen. Sie gewährleisten eine grösstmögliche Selbstversorgung und angemessene Krisenvorsorge.
Der Staat beauftragt die Landwirtschaft mit der Erbringung aller im öffentli‐
chen Interesse stehenden Dienstleistungen und entschädigt diese mit ange‐
messenen Abgeltungen.
Mit hohem Ausbildungsstand und verantwortungsvollem Handeln erreicht die Landwirtschaft ein positives Ansehen in der Gesellschaft.
Der Staat schafft durch zukunftsorientierte Rahmenbedingungen die Vo‐
raussetzungen zur Stärkung einer gut strukturierten, existenzfähigen Land‐
wirtschaft.
Das landwirtschaftliche Kulturland wird in quantitativer und qualitativer Hin‐
sicht langfristig für die Landwirtschaft gesichert.
Der Strukturwandel lässt Raum für notwendige Betriebsentwicklungen.
Strukturwandelbedingte Betriebsaufgaben werden sozial abgefedert.
Aus dieser Zielsetzung zusammen mit den Herausforderungen und dem damit ver‐
bundenen Handlungsbedarf leiteten sich die Schwerpunkte der Agrarpolitik 2016 ab:
Der Staat fördert die Entwicklung eigenverantwortlicher und wettbewerbs‐
fähiger Landwirtschaftsbetriebe.
Der Staat schafft einen Markt für Leistungen im öffentlichen Interesse.
Der Staat fördert aktiv die Entwicklung zu einer nachhaltigen und tiergerech‐
ten Landwirtschaft.
Der Staat schafft aktiv günstige Rahmenbedingungen und Strukturen für eine marktfähige Landwirtschaft.
Der Staat setzt finanzielle Mittel zielgerichtet und effizient ein.
Die Weiterentwicklung der Agrarpolitik wurde anhand von sieben Themenberei‐
chen dargestellt:
Wirtschaftlichkeit und Marktfähigkeit
Sicherung der Produktionsgrundlagen
Berglandwirtschaft
Alpwirtschaft
Ökologie und Landschaftspflege
Nachhaltigkeit und Ethik
Paralandwirtschaft
In Kapitel 6 des agrarpolitischen Berichts 2016 ist die Umsetzung beschrieben. Die Regierung erklärte, dass die verschiedenen Themenbereiche koordiniert umge‐
setzt werden sollen. In einer ersten Etappe waren die Vorbereitungen zur Umset‐
zung zu treffen. Die zweite Etappe beinhaltete die Erarbeitung der notwendigen Konzepte, die Klärung offener Fragen und die Koordination und Abstimmung des Vorgehens in den einzelnen Themenbereichen. In der dritten Etappe war vorgese‐
hen, die Umsetzung entsprechend der Dringlichkeit weiter voranzubringen und entsprechend den Kapazitäten bis zur Erstellung des nächsten agrarpolitischen Be‐
richts abzuschliessen.
2.4 Umsetzung agrarpolitischer Bericht 2016
Dem Hohen Landtag wurde im Juni 2016 der erste agrarpolitische Bericht vorge‐
legt. Basierend auf diesem erarbeitete das damalige Ministerium für Infrastruktur und Umwelt sowie Sport im März 2017 die rechtlichen Anpassungen und die ent‐
sprechenden Massnahmen zur Umsetzung. Es handelte sich dabei um die Ausar‐
beitung von Entscheidungsgrundlagen und Entwicklungsrichtungen, die Schaffung von Rechtsgrundlagen sowie um Anpassungen im Vollzug. Auf die vom Ministe‐
rium für Inneres, Bildung und Umwelt anschliessend umgesetzten Massnahmen wird nachfolgend eingegangen.
2.4.1 Anpassung des Landwirtschaftsgesetzes
Eine Vernehmlassung zur Abänderung des LWG wurde in der ersten Jahreshälfte 2020 durchgeführt. Die Auswertung der Stellungnahmen ist erfolgt und der Be‐
richt und Antrag betreffend die Abänderung des Landwirtschaftsgesetzes soll noch dieses Jahr im Landtag behandelt werden. Dabei handelt es sich insbesondere um die folgenden Themenbereiche.
2.4.1.1 Reduktion auf einen förderungsberechtigten Betrieb
Art. 6 Abs. 3 des geltenden LWG sieht vor, dass ein Bewirtschafter Förderungsleis‐
tungen für maximal zwei anerkannte Landwirtschaftsbetriebe unter seiner Füh‐
rung erhält. Künftig soll es pro Betriebsleiter nur noch einen Betrieb geben, der gefördert wird. Damit steht diese Änderung, falls sie vom Hohen Landtag geneh‐
migt wird, kurz vor der Umsetzung.
2.4.1.2 Erdmandelgras
Im Themenbereich Produktionsgrundlagen des agrarpolitischen Berichts 2016 sind Arbeiten zur Bekämpfung des Erdmandelgrases (Cyperus esculentus)
durchgeführt worden. Die Erdmandelgras‐Standorte wurden kartiert und im WebGIS der Landesverwaltung publiziert.16 Die Kartierung ist ein Hilfsmittel für Lohnunternehmer oder Landwirte, um Massnahmen zur Verhinderung der weite‐
ren Ausbreitung des Erdmandelgrases umzusetzen. Die Landwirte werden vom Amt für Umwelt regelmässig über den Umgang mit Befallsflächen informiert. Zu‐
dem wurde im Jahr 2018 ein gezieltes Förderprogramm gestartet, um die frühzei‐
tige Sanierung von noch kleinflächigen Befallsflächen zu unterstützen.
Auf Anregung der Vereinigung Bäuerlichen Organisationen (VBO) wurde eine neue Regelung zur Bekämpfung bestimmter Schadorganismen, einschliesslich Unkräu‐
ter in die gegenwärtige Revision des LWG aufgenommen. Auslöser dafür war das Problemunkraut Erdmandelgras, das sich weiterhin in Liechtenstein ausbreitet.
Dafür wurde ein neuer Art. 14a LWG und weitere kleinere Anpassungen aufge‐
nommen. Es ist vorgesehen, weitere Einzelheiten mittels Verordnung zu regeln.
2.4.2 Systemumstellung von Arbeitskraftstunden auf Standardarbeitskraft Die rechtlichen Anpassungen im Zusammenhang mit dem für die Betriebsanerken‐
nung notwendigen Arbeitszeitbedarf gelten seit dem 1. Januar 2020. Das Amt für Umwelt hat die Grundlagen für die Systemumstellung nach der Vorlage der Schweiz erarbeitet und die gesetzlichen Regelungen dazu geschaffen. Die Stan‐
dardarbeitskraft (SAK) löste als Bemessungseinheit für die Betriebsgrösse die Ar‐
beitskraftstunde (AKH) ab. Die Anpassung erfolgte auf Verordnungsstufe und be‐
dingte keine Abänderung des Landwirtschaftsgesetzes (LWG).
Der minimale Arbeitszeitbedarf beträgt für Landwirtschaftsbetriebe mit Betriebs‐
zentrum im Berggebiet mindestens 0.4 SAK (1‘080 AKH) pro Jahr und bei allen üb‐
rigen Landwirtschaftsbetrieben 0.5 SAK (1‘350 AKH) pro Jahr. Mit der
16 https://geodaten.llv.li/geoportal/neophyten.html
Systemumstellung und der moderaten Erhöhung des Arbeitszeitbedarfs für Land‐
wirtschaftsbetriebe im Talgebiet ist damit gewährleistet, dass nur Landwirt‐
schaftsbetriebe gefördert werden, welche die Landwirtschaft nicht parallel zu ei‐
ner ausserlandwirtschaftlichen Vollzeitbeschäftigung ausführen (LGBl. 2009 Nr.
264).
2.4.3 Präzisierung der Zulassung von landwirtschaftsnahen Tätigkeiten Die Präzisierungen der Bewilligungspflicht resp. ‐freiheit und Bewilligungsverfah‐
ren in der Landwirtschaft sind im Rahmen der letzten Verordnungsanpassungen erfolgt. In Art. 5 Bst. f‐h der Verordnung über die Zulassung von landwirtschafts‐
nahen Tätigkeiten (ZLTV17) wurden die Voraussetzungen für die Bewilligungen von landwirtschaftsnahen Tätigkeiten weiter präzisiert. Damit wurde der Entwick‐
lungsrichtung im Themenbereich „Paralandwirtschaft“, den Ausbau der Wert‐
schöpfung im Bereich Lebensmittelproduktion erleichtert zuzulassen, Rechnung getragen.
2.4.4 Situation der Pacht von Landwirtschaftsflächen
Die Liechtensteiner Landwirtschaft bewirtschaftet Land, das zu einem sehr hohen Anteil gepachtet ist. Der Anteil des bewirtschafteten Landes im Eigentum der Be‐
wirtschafterinnen und Bewirtschafter wird auf weit unter 10 % geschätzt. Die Landwirtschaft hat das Bedürfnis nach Planungs‐ und Rechtssicherheit, insbeson‐
dere im Rahmen langfristiger Investitionen.
Heute ist die Pachtgesetzgebung im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) geregelt. Im 2. Abschnitt des ABGB heisst es zum Begriff und Geltungsbereich des Pachtvertrags: „Durch den Pachtvertrag verpflichtet sich der Verpächter, dem
17 Verordnung über die Zulassung von landwirtschaftsnahen Tätigkeiten (Paralandwirtschaft, ZLTV); LGBl.
2012 Nr. 399
Pächter eine nutzbare Sache oder ein nutzbares Recht zum Gebrauch und zum Be‐
zug der Früchte oder Erträgnisse zu überlassen, und der Pächter, dafür einen Pachtzins zu leisten“ (Art. 77 ABGB). Für Pachtverträge über landwirtschaftliche Gewerbe oder über Grundstücke zur landwirtschaftlichen Nutzung gilt das ABGB, ausser den Bestimmungen über die Pacht von Wohn‐ und Geschäftsräumen.
Wie im Abschnitt Pachtsituation (siehe Kap. 4.1.4) ausgeführt werden wird, be‐
steht hier Handlungsbedarf zur Verbesserung der Situation der landwirtschaftli‐
chen Pacht.
2.4.5 Schonende Bodenbearbeitungsverfahren
Grundsätzlich ist der Schutz des Bodens Teil des von jedem anerkannten Betrieb zu erbringenden ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN), welcher in der Land‐
wirtschaftlichen Begriffs‐ und Anerkennungsverordnung (LBAV18) geregelt ist. In der aktuellen Abänderung des LWG wurde eine Gesetzesgrundlage geschaffen, um schonende Bodenbearbeitungsverfahren gezielt fördern zu können. Eine de‐
taillierte Ausgestaltung dieses Instruments erfolgt im Rahmen einer Anpassung der Landwirtschafts‐Bewirtschaftungs‐Förderungs‐Verordnung (LBFV19).
2.4.6 Zusatzbeitrag Berglandwirtschaft
Zum Ausgleich des Einkommensgefälles zwischen Berg und Tal einerseits und Bergzone 2 (Triesenberg) und übriges Berggebiet andererseits wurde der Zusatz‐
beitrag für Bergbetriebe pro anrechenbare raufutterverzehrende Grossviehein‐
heit (RGVE) für Triesenberg von CHF 1‘150 auf 1‘600 und für Planken und Schel‐
lenberg von CHF 850 auf 1‘050 erhöht (Art. 14 Bst. b Landwirtschafts‐Einkom‐
mensbeitrags‐Verordnung; LEV; LGBl. 2010 Nr. 67). Zudem wurde der
18 Landwirtschaftliche Betriebs‐ und Anerkennungsverordnung (LBAV); LGBl. 2009 Nr. 64 19 Landwirtschafts‐Bewirtschaftungs‐Förderungs‐Verordnung (LBFV, LGBl. 2010 Nr. 68)