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I. BERICHT DER REGIERUNG

2.   Ausgangslage

2.2   Rahmenbedingungen

2.2.1   Rechtliche Rahmenbedingungen in Liechtenstein

Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Agrarpolitik leiten sich aus der Verfas‐

sung ab und sind im Landwirtschaftsgesetz detailliert beschrieben. Über den Zoll‐

vertrag von 1923 ist die schweizerische Landwirtschaftsgesetzgebung in Liechten‐

stein anwendbar. Im Notenaustausch sind die Beteiligungen von Liechtenstein im  Bereich  Landwirtschaft  mit  der  Schweiz  vereinbart.  Zudem  ist  das 

Agrarabkommen zwischen der Schweiz und der EU von 2007 für Liechtenstein an‐

wendbar. Als selbständiges WTO‐Mitglied gelten für Liechtenstein auch die WTO‐

Übereinkommen für den Bereich Landwirtschaft. 

2.2.1.1 Verfassung 

In Art. 14 der Landesverfassung steht geschrieben, dass die Förderung der Volks‐

wohlfahrt die oberste Aufgabe des Staates ist. In diesem Sinne sorgt der Staat für  die Schaffung und Wahrung des Rechtes und für den Schutz der religiösen, sittli‐

chen und wirtschaftlichen Interessen des Volkes. Die Agrarpolitik stützt sich auf  Art. 20 Abs. 1 der Landesverfassung ab: „Zur Hebung der Erwerbsfähigkeit und zur  Pflege seiner wirtschaftlichen Interessen fördert und unterstützt der Staat Land‐ 

und Alpwirtschaft, Gewerbe und Industrie; er fördert insbesondere die Versiche‐

rung gegen Schäden, die Arbeit und Güter bedrohen und trifft Massregeln zur Be‐

kämpfung solcher Schäden.“ Durch Art. 22 werden die Interessen der Landwirt‐

schaft und der Gemeindefinanzen bei Erlassen von Gesetzen zur Ausübung der  Staatshoheit über Jagd, Fischerei und Bergwesen geschützt. 

2.2.1.2 Historische Entwicklung der Agrarpolitik 

Ab Mitte der 1990er Jahre wurden die Preisgarantien sukzessive abgebaut und das  Einkommen der Landwirte von der Produktion entkoppelt. Durch die Einführung  produktionsunabhängiger Direktzahlungen wurde der unternehmerische Hand‐

lungsspielraum der Landwirte erheblich erweitert. Im Zuge dieser Neuausrichtung  der Agrarpolitik wurden verschiedenste agrarpolitische Instrumente geschaffen. 

Dabei gewann die Förderung gemeinwirtschaftlicher Leistungen in den Bereichen  Kulturlandschaftserhalt und Ökologie an Bedeutung. Mit der Neuorientierung ging  auch ein neues Verständnis der Rolle des Staates einher, das im Landwirtschaftli‐

chen Leitbild von 2004 aufgezeigt wird. Der Staat tritt dabei einerseits als Auftrag‐

geber auf, der die Landwirtschaft mit allen im öffentlichen Interesse stehenden 

Leistungen beauftragt, und diese entsprechend entschädigt. Im Bereich der Pro‐

duktion beschränkt sich der Staat andererseits darauf, geeignete Rahmenbedin‐

gungen und Strukturen für eine marktorientierte Landwirtschaft zu schaffen, ins‐

besondere um Wettbewerbsnachteile gegenüber der Schweiz auszugleichen.  

Bis zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des Landwirtschaftlichen Leitbildes hatte sich  eine unübersichtliche und starre Agrargesetzgebung entwickelt, die eine Umset‐

zung des Leitbildes verunmöglicht oder stark erschwert hätte. Da die notwendigen  Reformen eine flexible Agrarpolitik und flexible Instrumente erforderten, wurde  2008 mit der Schaffung eines Rahmengesetzes die Landwirtschaftsgesetzgebung  vereinfacht, insbesondere mit dem Ziel, die Umsetzung des Landwirtschaftlichen  Leitbilds von 2004 zu ermöglichen. 

 

Abbildung 1: Entstehung Landwirtschaftsgesetz 

2.2.1.3 Landwirtschaftsgesetz  2.2.1.3.1 Zweck 

Das Landwirtschaftsgesetz wurde mit dem Ziel geschaffen, geeignete agrarpoliti‐

sche Instrumente zur Umsetzung des Landwirtschaftlichen Leitbildes von 2004 be‐

reitzustellen. 

Das Landwirtschaftsgesetz ist als Rahmengesetz konzipiert, welches die agrarpoli‐

tischen Rahmenbedingungen festlegt. Die Umsetzung ist im Einzelnen in den da‐

zugehörenden Verordnungen geregelt. 

 

2.2.1.3.2 Agrarpolitische Zielsetzung 

Mit der aktuellen Landwirtschaftsgesetzgebung wird das Ziel verfolgt, die Eigen‐

verantwortung der Landwirtschaft zu stärken und eine marktgerechte Produktion  zu ermöglichen. Dazu sind professionell geführte Betriebe mit einem grossen un‐

ternehmerischen Handlungsspielraum erforderlich. Betriebswirtschaftliche Ent‐

scheidungen sollen nicht mehr durch den Staat beeinflusst werden. 

Die Liechtensteiner Landwirtschaft soll geeignete Rahmenbedingungen besitzen,  um sich marktorientiert entwickeln und ihre Aufgaben effizient erfüllen zu kön‐

nen.  Darunter  fallen  zum  Beispiel  rechtliche  und  infrastrukturelle 

Rahmenbedingungen, Produktionsstandards oder Qualitätsanforderungen. Damit  sollen auch allfällige Wettbewerbsnachteile gegenüber der Schweizer Landwirt‐

schaft beseitigt werden, um die Konkurrenzfähigkeit auf dem Schweizer Markt si‐

cherzustellen. 

Der Strukturwandel hin zu grösseren Betrieben stellt eine notwendige Entwicklung  dar, um die Wettbewerbsfähigkeit der verbleibenden Betriebe zu stärken. Die Ag‐

rarpolitik verfolgt das Ziel, den natürlichen Strukturwandel zu ermöglichen und  sozial abzufedern, ohne ihn jedoch zu forcieren. 

Ein weiteres Ziel der Agrarpolitik besteht darin, sicherzustellen, dass die Landwirt‐

schaft auch weiterhin jene Leistungen erbringt, welche vorwiegend im öffentli‐

chen Interesse sind. Für gemeinwirtschaftliche Leistungen wie die Erhaltung der  Kulturlandschaft oder die Pflege von Hanglagen oder Grenzertragsstandorten4  gibt es keinen Markt im üblichen Sinn. Mit entsprechenden Aufträgen schafft der  Staat einen solchen Markt. In den Bereichen Ökologie und Biodiversität besteht  ein zusätzliches Ziel darin, die Qualität der ökologischen Ausgleichsflächen zu er‐

höhen. Auch die Existenz einer wettbewerbsfähigen Berglandwirtschaft ist im öf‐

fentlichen Interesse, da diese wesentlich zur Erhaltung der Kulturlandschaft und  des Erholungsraums beiträgt. 

Bezüglich der staatlichen Fördermassnahmen verfolgt die aktuelle Agrarpolitik das  Ziel, bewährte Strukturen vorläufig beizubehalten. Grundsätzlich ist jedoch vorge‐

sehen, das System dahingehend zu überprüfen, ob die Fördermittel effizienter und  flexibler eingesetzt werden können. 

       

4  Grenzertragsstandorte sind Standorte, deren Bewirtschaftung unter rein produktionsorientierten Ge‐

sichtspunkten nicht wirtschaftlich ist, da ein geringer Ertrag einem erhöhten Bewirtschaftungsaufwand  gegenübersteht. 

Die Einführung eines Rahmengesetzes und die klare Trennung von Gesetz und Ver‐

ordnungen hatten zum Ziel, die Übersichtlichkeit zu erhöhen, die Rechtssicherheit  zu verbessern und den Vollzug zu erleichtern. 

2.2.1.3.3 Übergeordnete Stossrichtung der Agrarpolitik gemäss Landwirt‐

schaftsgesetz 

Die übergeordnete Stossrichtung der Agrarpolitik lässt sich in folgende Themen‐

bereiche zusammenfassen: 

Die Agrarpolitik stärkt die Eigenverantwortung der Landwirte. Sie unterstützt Ei‐

geninitiative und Selbsthilfemassnahmen der Landwirte oder ihrer Organisationen  zur Herstellung marktgerechter Produkte und deren Vermarktung. 

Die Agrarpolitik fördert gezielt professionell geführte Betriebe, welche ihr Einkom‐

men massgeblich aus der Landwirtschaft erwirtschaften. Dies wird durch hohe An‐

forderungen bezüglich Ausbildung der Betriebsleiter, Betriebsführung und Ar‐

beitsaufwand in den Anerkennungsbedingungen sichergestellt. 

Das bewährte System der staatlichen Zahlungen mit Einkommensbeiträgen (pro‐

duktions‐ und leistungsunabhängig, z. B. Basisbeitrag), leistungsabhängigen Bei‐

trägen („Ökobeiträgen“, z. B. Förderung naturnaher Lebensräume) und projektbe‐

zogenen Strukturverbesserungsbeiträgen (z. B. Subventionen Neubau und Sanie‐

rungen) wird grundsätzlich beibehalten und nur punktuell an das Landwirtschaft‐

liche Leitbild angepasst. 

Die Berglandwirtschaft wird besonders unterstützt, indem ihre Standortnachteile  gezielt ausgeglichen werden, um ihre Existenzfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit  zu sichern. 

2.2.1.3.4 Förderbereiche 

Im Landwirtschaftsgesetz sind sechs Förderbereiche definiert. Tabelle 2 fasst diese  Förderbereiche und die Stossrichtung der einzelnen Förderbereiche zusammen. 

Tabelle 2: Förderbereiche gemäss LWG und jeweilige Stossrichtung der Agrarpolitik  Bereich  Stossrichtung 

Rahmenbedingungen  für die Produktion 

Sicherstellung einer ökologischen und nachhaltigen Produktion  mit hoher Glaubwürdigkeit und Produktionssicherheit 

Förderung einer wettbewerbsfähigen und unternehmerisch agie‐

renden Landwirtschaft  

Strukturen 

Förderung von Betrieben mit einer leistungsfähigen Infrastruktur  und kostengünstigen Bewirtschaftungseinheiten 

Langfristige Sicherung der landwirtschaftlichen Nutzfläche und der  Ertragskraft der Böden 

Wirtschaftlichkeit 

Sicherung der Existenz durch Ausgleich erschwerter Produktions‐

bedingungen 

Zulassen eines moderaten und sozial abgefederten Strukturwan‐

dels; dadurch Stärkung von Eigenverantwortung und Professiona‐

lisierung 

Ökologie 

Knüpfung der Förderung an hohe Standards bezüglich ökologi‐

scher Betriebsführung. 

Förderung und Abgeltung ökologischer, landschaftspflegerischer  und tiergerechter Leistungen 

Ausgewogene Berücksichtigung der Interessen von Landwirtschaft  und Ökologie 

Märkte 

Sicherstellung Zugang zu ausländischen Agrarmärkten 

Verlagerung  von  Marktverantwortung  an  die  Landwirtschaft  (Rückzug aus Marktintervention; Hilfe zur Selbsthilfe) 

Dienstleistungen Drit‐

ter 

Anhebung des Bildungsniveaus über Selbsthilfemassnahmen, Be‐

rufsbildung und praxisbezogene Beratung 

Unterstützung von Selbsthilfemassnahmen und ‐organisationen 

2.2.1.3.5 Staatliche Zahlungen 

Das Landwirtschaftsgesetz sieht zur Förderung der Landwirtschaft zum einen Zah‐

lungen vor, welche direkt an Landwirtschaftsbetriebe entrichtet werden. Andere  Zahlungen richten sich hingegen primär an das landwirtschaftliche Umfeld und  dienen dem Aufbau von Infrastrukturen oder der Verbesserung der Rahmenbe‐

dingungen. Insgesamt liegen die liechtensteinischen Massnahmen – mit Rücksicht  auf den durch den Zollvertrag begründeten gemeinsamen Wirtschaftsraum und  den Notenaustausch – auf einem Niveau, das mit jenem der schweizerischen Land‐

wirtschaftspolitik vergleichbar ist. Die nach dem Landwirtschaftsgesetz anerkann‐

ten Landwirtschaftsbetriebe haben Anspruch auf Direktzahlungen. Mit dem Be‐

griff Direktzahlungen werden sämtliche Zahlungen der öffentlichen Hand an Land‐

wirtschaftsbetriebe zusammengefasst, die entweder zur Einkommensverbesse‐

rung (sogenannte allgemeine Direktzahlungen5) oder zur Abgeltung konkreter ge‐

meinwirtschaftlicher Leistungen (leistungsabhängige Direktzahlungen) ausgerich‐

tet werden. Daneben existieren weitere staatliche Zahlungen zur Förderung der  Landwirtschaft. Diese richten sich – im Unterschied zu den Direktzahlungen – in 

       

5  Mit den allgemeinen Direktzahlungen werden zum einen Wettbewerbsnachteile ausgeglichen, zum ande‐

ren gilt der Staat damit allgemeine Leistungen ab, die die Landwirtschaft für das Gemeinwohl erbringt  (z.B. regionale Lebensmittelversorgung). 

der Regel nicht an anerkannte Landwirtschaftsbetriebe, sondern an andere Ak‐

teure aus der Landwirtschaft. 

Die staatlichen Zahlungen lassen sich, je nach ihrem Zweck, verschiedenen Kate‐

gorien zuordnen. Zahlungen der Kategorien Einkommen, Pflegeleistung6, Betriebs‐

führung und Infrastrukturen richten sich an Landwirtschaftsbetriebe. Sie machen  den Grossteil der staatlichen Zahlungen aus. Die übrigen Kategorien richten sich  an weitere Akteure, z. B. Verarbeiter, Selbsthilfeorganisationen, Alpgenossen‐

schaften, Grundeigentümer etc. Die Höhe der Ausgaben in den einzelnen Katego‐

rien kann von Jahr zu Jahr variieren. 

Zu beachten ist, dass Zahlungen in verschiedenen Kategorien eine unterschiedli‐

che Einkommenswirksamkeit haben. Bei den Zahlungen der Kategorie Einkommen  handelt es sich um staatliche Transferzahlungen. Unter Transferzahlungen werden  staatliche Leistungen an natürliche Personen und Unternehmen verstanden, ohne  dass eine gleichzeitige ökonomische Gegenleistung durch die begünstigten Trans‐

ferempfänger erfolgt. Die Transferzahlungen wirken sich daher unmittelbar auf  das landwirtschaftliche Einkommen aus, da den Betrieben hierfür keine Kosten  entstehen. Im Gegensatz dazu sind die Zahlungen in den Kategorien Pflegeleistung  und Betriebsführung an die Erbringung bestimmter, kostenrelevanter Leistungen  gekoppelt7. Diese Zahlungen sind daher nur teilweise einkommenswirksam. Zah‐

lungen aus der Kategorie Infrastrukturen wirken sich nur indirekt auf das Einkom‐

men aus, indem sie im Fall von Infrastrukturinvestitionen die Kosten für die Kapi‐

talbeschaffung senken. Oftmals sind solche Investitionshilfen aber der entschei‐

dende Faktor, der eine Investition ermöglicht, die ansonsten für den Betrieb 

       

6  Bezüglich Pflegeleistungen sehen Art. 46 und Art. 48 LWG auch die Möglichkeit einer Entschädigung an  Private vor. Aktuell wird dies jedoch restriktiv gehandhabt. 

7  Sie werden daher auch als leistungsabhängige Direktzahlungen bezeichnet. Sie umfassen einerseits die  Beiträge für ökologische und tiergerechte Leistungen, andererseits für die Pflege von Berggebieten und  Hanglagen. 

wirtschaftlich nicht tragbar wäre. Die unterschiedliche Einkommenswirksamkeit  der verschiedenen Zahlungen hat zur Folge, dass sich Umlagerungen von Finanz‐

mitteln zwischen den einzelnen Kategorien (Instrumenten) auf die Wirtschaftlich‐

keit der Betriebe auswirken, auch wenn die Gesamtsumme der Zahlungen pro Be‐

trieb konstant bleibt. 

2.2.1.4 Zollvertrag 

Der Vertrag vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den  Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet macht  auf dem Gebiet des Fürstentum Liechtensteins schweizerische Rechtsvorschriften  anwendbar (LGBl. 1923 Nr. 24, nachstehend „Zollvertrag“ genannt). Das Fürsten‐

tum Liechtenstein und die Schweiz bilden einen gemeinsamen Wirtschaftraum mit  freiem Austausch von Waren und Dienstleistungen (LGBl. Nr. 11/1924). Zudem be‐

steht ein Währungsvertrag zwischen den beiden Ländern (LGBl. Nr. 82/1981). 

2.2.1.5 Notenaustausch 

Der Notenaustausch zwischen der Schweiz und Liechtenstein ist eine Vereinba‐

rung mit dem Ziel, die Beteiligung Liechtensteins an Markt‐ und Preisstützungs‐

massnahmen der schweizerischen Agrarpolitik einschliesslich der einheitlichen  Anwendung flankierender Massnahmen zur Sicherung vergleichbarer Wettbe‐

werbsbedingungen im gemeinsamen Wirtschaftsraum Schweiz‐Liechtenstein zu  regeln (LGBl Nr. 3/2004). Die Vereinbarung basiert auf dem Zollvertrag zwischen  der Schweiz und Liechtenstein und weist auf die anwendbare schweizerische  Landwirtschaftsgesetzgebung hin. 

Für die Liechtensteiner Landwirtschaft ist der gemeinsame Agrarmarkt mit der  Schweiz von grosser Bedeutung. Im gemeinsamen Wirtschaftsraum Schweiz‐

Liechtenstein  ist  es  deshalb  entscheidend,  dass  liechtensteinische  Produkte 

dieselben Kriterien erfüllen und auch den ungehinderten Zugang zum schweizeri‐

schen Markt erhalten. Aus diesem Grund übernimmt Liechtenstein jeweils auch  autonom einen Teil der schweizerischen Bestimmungen, um den Marktzugang  nicht zu gefährden. Ein wichtiges Beispiel für einen solchen Nachvollzug ist die  Übernahme der Bestimmungen des Ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN). 

2.2.1.6 EWR 

Das EWR Abkommen dehnt den Binnenmarkt der EU bezüglich des Waren‐, Per‐

sonen‐, Dienstleistungs‐ und Kapitalverkehrs auf Liechtenstein aus. Gemäss sekt‐

oraler Anpassungen (Schutzklausel) zu Anhang I und der Einleitung zu Kapitel XII  von Anhang II des EWR‐Abkommens gelten veterinär‐, futtermittel‐ und lebens‐

mittelrechtliche Vorschriften nicht für Liechtenstein. Der Agrarbereich ist im EWR‐

Abkommen ausgeklammert (LGBl. Nr. 51/2020). 

2.2.1.7 EFTA 

Liechtenstein ist seit 1991 Vollmitglied der EFTA. Die EFTA hat zahlreiche Freihan‐

delsabkommen mit Drittstaaten abgeschlossen. Das wirtschaftliche Integrations‐

niveau der verbleibenden vier EFTA‐Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und  der Schweiz entspricht im Wesentlichen dem Inhalt der bilateralen Abkommen  zwischen der Schweiz und der EU und kommt in den geregelten Bereichen dem  EWR nahe.8 

       

8  https://www.regierung.li/ministerien/ministerium‐fuer‐aeusseres/diplomatische‐vertretun‐

gen/deutsch/genf‐ch/efta/ 

2.2.1.8 WTO 

Liechtenstein ist seit dem 1. September 1995 Mitglied der Welthandelsorganisa‐

tion WTO. Im bisherigen Kerngebiet der WTO beziehungsweise des früheren  GATT, dem Handel mit Industrieprodukten und landwirtschaftlichen Gütern, hat  Liechtenstein keine eigene Aussenhandelskompetenz. Diese Bereiche werden von  der Schweiz ausgehandelt und sind aufgrund des Zollvertrags in Liechtenstein an‐

wendbar.9 

2.2.1.9 Agrarpolitischer Handlungsspielraum 

Zusammenfassend ist über den Zollvertrag neben Bereichen des Zolldienstes die  in Liechtenstein anwendbare Bundesgesetzgebung geregelt. Im Notenaustausch  sind die Beteiligungen Liechtensteins an den Markt‐ und Preisstützungsmassnah‐

men sowie an weiteren Massnahmen der Schweizer Agrarpolitik vereinbart. Der  Handlungsspielraum der Liechtensteiner Agrarpolitik ist durch den Zollvertrag und  den Notenaustausch auf die Regelung des Direktzahlungssystems beschränkt. 

Nicht betroffen davon sind weitere Massnahmen Liechtensteins zur Förderung der  Landwirtschaft, die zu keiner Wettbewerbsverzerrung führen. In Tabelle 3 ist eine  Übersicht über die wichtigsten Regelwerke bzw. Bereiche der Liechtensteinischen  Agrarpolitik und den Handlungsspielraum gegeben. 

       

9  https://www.regierung.li/ministerien/ministerium‐fuer‐aeusseres/diplomatische‐vertretun‐

gen/deutsch/genf‐ch/wto/ 

Tabelle 3: Regelungen, Bereiche und Handlungsspielraum für die Liechtensteiner Agrarpolitik. 

Regelung   Bereiche  Handlungsspielraum 

Zollvertrag  Anwendbarkeit ist im Anhang 1 geregelt und  betrifft 

Ein‐ und Ausfuhr 

Inverkehrbringen im gemeinsamen  Wirtschaftsraum 

Hygienevorschriften  

Verarbeitung 

Phytosanitäre Bestimmungen 

Kontrollsystem 

keiner 

Notenaustausch  Regelt die Beteiligung Liechtensteins an den  Markt‐ und Preisstützungsmassnahmen der  Schweizer Agrarpolitik 

stark eingeschränkt 

Liechtensteini‐

sches Recht 

Regelung  des  Direktzahlungssystems  und  weitere Förderungen 

Ausgenommen  sind  wettbewerbsverzer‐

rende Massnahmen 

uneingeschränkt im Rah‐

men des bestehenden Re‐

gelwerks