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Jahresbericht 2020 Psychologische Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen Heidelberg

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Academic year: 2022

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Träger: Katholische Stadtkirche Heidelberg

Jahresbericht 2020

Psychologische Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen

Heidelberg

Merianstr. 1 69117 Heidelberg Tel.: 06221 - 24171 efl@kath-hd.de www.efl-heidelberg.de

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INHALT

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Inhaltsverzeichnis

Seite

0. Editorial 3

1. Bindungssehnsucht und Einsamkeit 5

2. „Magie der Bäume“ – Eine Fotoausstellung in der EFL-Stelle 11

3. Unsere Beratungsarbeit in 2020 12

3.1. Beratung während der Corona-Pandemie: Auswirkungen und Erfahrungen an unserer EFL-Stelle

12

3.2. Unsere Beratungsarbeit in Zahlen 19

4. Team und Organisation unserer Beratungsstelle 26

5. Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit 30

6. Gruppenangebote 33

7. Frau Rosmarie Pfriem-Vogt im Gespräch mit Peter Wegener anlässlich ihrer Verabschiedung in den Ruhestand

34

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EDITORIAL

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Liebe Leserinnen und Leser,

beim Verfassen des Jahresberichts und dem damit verbundenen Rückblick auf das Jahr 2020 wurde mir nochmals sehr deutlich, mit welcher Wucht die Corona-Pandemie die Lebens- und Arbeitswelt vieler Menschen im ver- gangenen Jahr schlagartig verändert und uns die Fragilität des Lebens vor Augen geführt hat.

Auch unser EFL-Team musste sich verschiedenen Herausforderungen und Veränderungen stellen. Durch eine rasche Umstellung und Erweiterung unseres Beratungsangebots in Hinblick auf digitale Beratung, waren wir jedoch glücklicherweise in der Lage, durchgehend für die Menschen in Krisen und Nöten da zu sein.

So konnten im letzten Jahr 821 Ratsuchende an unserer Stelle begleitet und insgesamt 3.487 Beratungs- stunden erbracht werden. Dafür, dass uns dies gelungen ist, bin ich sehr dankbar.

Über die Veränderungen in unserer Beratungsarbeit und die Themen, die im Zusammenhang mit der Corona- Krise bei Klient*innen zusätzlich oder verstärkt auftauchten, berichten wir in diesem Jahresbericht unter Kapitel 3. Eine quantitative Darstellung unserer Beratungsarbeit in Zahlen findet sich im Anschluss daran.

In vielen unserer Beratungsgespräche tauchte das Thema „Einsamkeit“ immer wieder auf, und so haben wir diesem Thema einen eigenen Leitartikel unter dem Titel „Bindungssehnsucht und Einsamkeit“ gewidmet, der im nachfolgenden 1. Kapitel zu finden ist.

Neben den Veränderungen durch Corona stand unserem Team eine weitere große Veränderung in 2020 ins Haus. So verabschiedete sich Rosmarie Pfriem-Vogt zum Ende des Jahres aus dem aktiven Berufsleben und verließ nach 35 Jahren die EFL-Beratungsstelle Heidelberg. Über 20 Jahre hinweg hat sie hier mit viel Herz, Verstand und Seele die Stelle und unser Team geführt und geleitet. Sie hat die Beratungsarbeit an unserer EFL- Stelle und die Entwicklung des Teams über all die Jahre intensiv gefördert und geprägt: mit ihrer hohen Fachlichkeit und Kompetenz, mit ihrer Herzenswärme und Menschlichkeit, mit ihrem gesellschaftspolitischen Interesse und Engagement und ihrer großen Offenheit und weiten Spiritualität.

Rosmarie Pfriem-Vogt hinterlässt tiefe Spuren, und wir verdanken ihr viel!

Leider konnten die Würdigung ihrer Arbeit und ihre Ver- abschiedung aufgrund von Corona nicht in einem offi- ziellen größeren Rahmen stattfinden. Doch immerhin war es uns möglich, eine kleine teaminterne Verabschie- dung zu feiern, bei der mir als neue Stellenleiterin der

„Staffelstab“ symbolisch übergeben wurde.

Auch in diesem Jahresbericht kommt Frau Priem-Vogt noch einmal zu Wort. So findet sich in Kapitel 7 ein Inter- view, das Peter Wegener mit ihr geführt hat, und in dem sie sehr persönlich auf ihr Arbeiten und Wirken in der EFL zurückblickt.

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EDITORIAL

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Mit dem Abschied von Rosmarie Pfriem-Vogt war mein Neu- beginn als Stellenleiterin ab dem 01.01.2021 verbunden. Da ich bereits seit etwas mehr als 12 Jahren an der EFL-Beratungsstelle in Heidelberg arbeite, war es ein Neubeginn in vertrautem Rah- men für mich. Und vielen von Ihnen und euch bin ich dadurch auch schon bekannt.

„Und plötzlich weißt du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen."

(Meister Eckhart)

In all den Jahren meiner bisherigen Tätigkeit in der EFL durfte ich die wertvolle und vielseitige Arbeit der Beratungsstellen kennenlernen und bin ich Teil eines sehr kompetenten und motivierten Teams hier in Hei- delberg geworden, eingebettet in einer für mich beeindruckenden diözesan- und bundesweiten „EFL-Land- schaft“. Die Beratungsarbeit und die Begegnungen mit den ratsuchenden Menschen liegen mir sehr am Herzen. Und ich hoffe, dass es mir in meiner Leitungsposition gelingen wird, der Heidelberger EFL-Stelle und dem Team weiterhin eine gute Entwicklung zu ermöglichen.

Ich freue mich auf die neuen Aufgaben und Möglichkeiten in der Rolle als Stellenleiterin und auf die damit verbundenen vielfältigen Begegnungen mit Ihnen und euch.

Und nun wünsche ich eine anregende Lektüre unseres Jahresberichts 2020.

Dr. Petra Holz

Stellenleitung EFL Heidelberg

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LEITARTIKEL

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1. Bindungssehnsucht und Einsamkeit

„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ (Martin Buber)

Die Corona-Krise mit der erforderlichen Maßgabe der Kontakteinschränkungen und des „Physical Distan- cing“ hat viele Menschen die Bedeutung sozialer Kontakte und Beziehungen und die Bedeutung realer bzw. „leibhaftiger“ Begegnungen und Berührungen zwischen Menschen neu erkennen lassen. So wird in diesen Zeiten, wo wir unsere sozialen Kontakte – zumindest die unmittelbaren Begegnungen – deutlich reduzieren müssen, schmerzlich bewusst, was uns fehlt, wenn Begegnungen und ein lebendiges Mitein- ander nicht mehr so selbstverständlich stattfinden können oder auf virtuelle Begegnungen, die zwangs- läufig immer etwas distanzierter und weniger sinnlich und im wahrsten Sinne des Wortes weniger „spür- bar“ sind, reduziert werden. Und es wird erfahrbar, welche Ressource in sozialen (positiven) Beziehungen und Berührungen steckt, die sich unmittelbar auf unser psychophysisches Wohlbefinden auswirken.

So könnte man Martin Bubers Satz „Alles wirklich Leben ist Begegnung“ in der aktuellen Zeit vielleicht trefflich ergänzen: „Alles wirkliche Leben ist leibhaftige Begegnung.“

Unsere Sehnsucht nach Bindung und Zugehörigkeit

Wir Menschen sind Bindungswesen oder wie Aristoteles es bezeichnete soziale, politische Wesen (Zoon politikon), die auf Gemeinschaft angewiesen sind. Das Bedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit zählt zu einem der vier grundlegenden Bedürfnisse des Menschen und ergänzt das Bedürfnis nach Autonomie. So fördert Bindung, im Sinne einer „Sicherheit gebenden Abhängigkeit“ (Johnson, 2009, S. 36), auch Auto- nomie und Selbstvertrauen.

Bindung und Kontakt zu wichtigen Bezugspersonen zu suchen und aufrechtzuerhalten ist, ein „ange- borenes, primärmotivierendes Prinzip, das im gesamten Leben eines Menschen wirksam ist“ (ebd.). Es ist die Sehnsucht nach tiefer Verbundenheit, Liebe, Verstanden- und Akzeptiert-Werden. Man will anderen Menschen nahe sein und jemanden haben, auf den man sich verlassen kann. So lautet die wichtigste Bindungsanfrage an den/ die Partner*in oder bei Kindern und Jugendlichen an die Eltern oder nahe Bezugspersonen: „Bist Du da für mich, wenn ich Dich brauche?“

Und diese Frage gewinnt in Krisen, v.a. bei Angst und Unsicherheit an Bedeutung. Denn hier werden unser Bindungssystem und unsere Bindungsbedürfnisse in besonderer Weise aktiviert.

Dabei wird diese Frage meist nicht explizit an das Gegenüber gestellt, sondern ist vielmehr implizit und unausgesprochen als Sehnsucht und Hoffnung im Raum. Und sie richtet sich in der Regel an den Men- schen, der einem am wichtigsten ist.

Wird diese Bindungsanfrage positiv beantwortet, weil es (mindestens) einen Menschen gibt, der für einen da und spürbar präsent ist, Mitgefühl und Trost schenkt, so können Verbundenheit und Geborgenheit sowie Sicherheit erlebt werden. Dann kann es zu einer emotionalen Beruhigung und psychischen Stabili- sierung kommen, d.h. die Beziehung wirkt wie ein „sicherer Hafen, der die Auswirkungen von Stress und Unsicherheit fernhält“ (Johnson, 2009, S. 37).

Wenn unsere Bindungssehnsucht ins Leere läuft

Wird diese Anfrage bzw. Sehnsucht hingegen negativ beantwortet, weil es keine nahe Bezugsperson gibt, der man sich anvertrauen könnte, oder weil die Bezugsperson, an die sich diese Bindungssehnsucht richtet, nicht da und erreichbar ist oder mit Ablehnung reagiert und eine tröstende Reaktion oder Kontaktaufnahme ausbleibt, so können tiefe Verlassenheits- und Einsamkeitsgefühle entstehen.

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LEITARTIKEL

6 Klient*innen beschreiben das so:

„Ich habe mich schon als Kind einsam gefühlt, allein gelassen, habe mich von meinen Eltern nicht verstanden und nicht gesehen gefühlt.“

„Mein Partner war nicht da für mich, als ich ihn am meisten brauchte. Ich war so allein mit meinem Schmerz und meiner Angst.“

„Ich fühle mich in meiner Familie nicht akzeptiert, nicht angenommen. Ich bin außen vor, ausgeschlossen, gehöre nicht mehr dazu.“

„Ich kann meine Emotionen und meinen Schmerz nicht teilen. Ich fühle mich so einsam damit.“

„Ich fühle mich mutterseelenallein. Da ist niemand, der mich hält, nur ein großes Loch.“

„Ich fühle mich regelrecht abgeschnitten von der Welt.“

Wird in einer Beziehung, z.B. zwischen Eltern und Kindern oder in der Partnerschaft, häufiger die Erfah- rung gemacht, dass der andere nicht für mich da ist, mich nicht sieht, versteht, hält, wenn ich ihn brauche, so können Bindungsverletzungen entstehen, die in schwerwiegenden Situationen bis hin zu Beziehungs- traumata (Johnson, 2019, S.154) führen können. Diese Bindungsverletzungen erzeugen neben dem Ge- fühl von Verlassensein und tiefer Einsamkeit häufig Gefühle wie (Verlust-)Angst, Trauer oder auch Wut und Verzweiflung.

Und sie können tiefgreifende Bindungsstörungen zur Folge haben. Baer et al. (2017) sprechen hier von der Entwicklung einer sogenannten Bindungseinsamkeit (s.u.).

Einsamkeitserleben in Zeiten von Corona

In Krisenzeiten und Zeiten der Verunsicherung springt unser Bindungssystem besonders an. So suchen Menschen in schwierigen Zeiten in der Regel umso mehr den Kontakt zu anderen. Dies ist in Zeiten von Corona und dem Gebot von „physical distancing“ besonders herausfordernd. Körperliche Distanz bedeu- tet zwar nicht automatisch emotionale Distanz, so kann bspw. beim Telefonieren eine große Nähe ent- stehen bei gleichzeitiger körperlicher Distanz. Doch infolge der sozialen Kontakteinschränkungen, Aus- gangssperren und Quarantänemaßnahmen erlebten viele Menschen eine Abnahme an Begegnungen und sozialen Kontakten. Und dies birgt die Gefahr von zunehmender Vereinsamung.

Auch die fehlenden Berührungen wurden in diesem Zusammenhang bedeutsam. Für viele Menschen bedeutete der Verzicht auf körperliche Nähe eine zusätzliche psychische Belastung (Ditzen, 2021). Dies bestätigen auch Daten des Forschungsinstituts Mindline, die im Auftrag von Nivea in Form einer Online- Umfrage mit 11.706 Personen in 9 Ländern erhoben wurden. Hier gaben ca. 50 % der Befragten an, dass sie sich einsam fühlten, manchmal sogar einsamer als je zuvor in ihrem Leben. Die Daten zeigen auch einen deutlichen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Berührung: 81 % der Befragten, die angaben, dass sie sich oft einsam fühlen, würden gerne mehr Umarmungen von anderen erhalten, verglichen mit 45 %, die angaben, dass sie sich nicht einsam fühlen. Und wann könnte man besser spüren jemandem nahe und verbunden zu sein und gehalten zu sein, als in einer Umarmung...

Wenn wir jemanden berühren, schütten wir das Bindungshormon Oxytocin und das Glückshormon Dopa- min aus. Auch andere Hormone werden positiv beeinflusst. Dies wiederum reduziert Angst und Stress (Ditzen, 2021; Spitzer, 2019).

Durch fehlende soziale Einbindung und Berührungen fallen somit nicht nur wichtige Ressourcen für psychophysisches Wohlbefinden weg, sondern vielmehr auch wichtige Stress-Puffer-Faktoren. Diese sind jedoch gerade in einer Krisenzeit, wie der aktuellen, die bei vielen Menschen mit erhöhtem Stresserleben einhergeht, wichtig.

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LEITARTIKEL

7

In zahlreichen Beratungen an unserer Stelle wurde während dieser Zeit der Corona-Krise und den damit verbundenen sozialen Kontakteinschränkungen verstärkt von Einsamkeitsgefühlen berichtet. Dies betraf insbesondere Menschen, die alleine leben und/ oder sich nicht in einer Partnerschaft befinden, wie z.B.

junge Erwachsene, die noch keinen Partner haben, getrennt lebende Partner und alleinerziehende Mütter oder Väter, oder (ältere) Menschen, die nach Trennung oder Verwitwung alleine leben. Es betraf aber auch Menschen, die in einer konflikthaften Partnerschaft leben, mit entsprechender Bindungsunsicher- heit. Hier schien das Zurückgeworfensein auf sich selbst durch die fehlenden Kontaktmöglichkeiten und Unterstützung im Außen oftmals wie ein Brennglas zu wirken. Gute und einigermaßen stabile Bezie- hungen konnten durchaus vom Lockdown profitieren, konflikthafte Beziehungen hingegen verschlech- terten sich eher, was nicht selten zu einer Zunahme von Einsamkeitserleben trotz Zweisamkeit führte.

Was ist Einsamkeit?

Wenn wir von Einsamkeit reden, dann ist wichtig, zwischen dem subjektiven Erleben von „Einsamkeit“

und der objektiven Tatsache von sozialer Isolation, was dem „Alleinsein“ entspricht, zu unterscheiden.

Wer beruflich viel mit Menschen in Kontakt steht, leidet nicht unbedingt unter Einsamkeit, wenn er am Wochenende alleine ist, sondern mag dies durchaus genießen. Andere Menschen baden sich in der Menge oder leben mit einem Partner zusammen und fühlen sich dennoch subjektiv sehr einsam. Es gibt durchaus Zusammenhänge zwischen sozialer Isolation und Einsamkeit, doch sind diese nicht zwangsläufig und nicht so stark, wie man vielleicht zunächst vermuten könnte.

Wichtiger als die Größe des sozialen Netzwerkes, d.h. die Anzahl der Kontakte, ist hier vielmehr die Güte der bestehenden Kontakte (Spitzer, 2019), d.h. die erlebte emotionale Nähe und Verbundenheit sowie die emotionale Unterstützung in den vorhandenen Beziehungen. Und hier kann es schon reichen, wenn man einen für sich bedeutsamen Menschen zur Seite hat, der die oben beschriebene Sehnsucht oder Anfrage „Bist Du da für mich, wenn ich Dich brauche?“ positiv beantwortet und spürbar werden lässt.

Sucht man nach einer Definition von „Einsamkeit“ so findet man folgende Beschreibung:

„Der Begriff Einsamkeit bezeichnet im Sprachgebrauch der Gegenwart vor allem eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlich vorhandenen sozialen Beziehungen eines Menschen. Es handelt sich dabei um das subjektive Gefühl, dass die vorhandenen sozialen Beziehungen und Kontakte nicht die gewünschte Qualität haben“ (Wikipedia). Es ist demnach das Erleben eines Mangels, Soll- und Ist-Wert klaffen auseinander.

In Abgrenzung hierzu wird darauf hingewiesen, dass der Begriff „Einsamkeit“ manchmal auch in einer anderen – nicht so negativen - Bedeutung verwendet wird, im Sinne einer (freiwillig) gesuchten geistigen Erholungspause, bei der man Gedanken ordnen oder Kreativität entwickeln und fördern kann.

Tatsächlich hat der Begriff Einsamkeit geschichtlich einen großen Bedeutungswandel erfahren. So ent- stand er im Mittelalter und stellte ursprünglich eine Übersetzung des lateinischen Begriffs unio im Sinne der unio mystica dar. Damit bezeichnete Meister Eckhardt (ca. 1260–1328) die „mystische Vereinigung des Menschen mit Gott“: Einsamkeit wurde hier als „Eins-sein mit Gott“ verstanden, als intensivste Form der Kommunikation (ebd.).

Im Folgenden wird jedoch auf Einsamkeit als Gefühl des Leidens Bezug genommen.

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LEITARTIKEL

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Einsamkeit als Gefühl des Leidens

In den Beratungen taucht das Thema „Einsamkeit“ und das schmerzhafte Erleben von Unverbundenheit und sich-verlassen-Fühlen immer wieder auf – und das nicht nur jetzt zu Zeiten von Corona.

Einsamkeitserleben zeigt sich bei vielen Klient*innen in ganz verschiedenen Kontexten und in verschie- denen Färbungen. Dabei ist Einsamkeit als eine Art Kontinuum zu begreifen. So kennt jede und jeder in seinem Leben in bestimmten Situationen Momente tiefster Einsamkeit. Hilde Domin (2020, S. 51 f) be- schreibt dies in einem ihrer Gedichte so:

„Die schwersten Wege werden alleine gegangen, die Enttäuschung, der Verlust, das Opfer,

sind einsam“

Hier ist Einsamkeit gemeint, im Sinne des Nicht-Teilen-Könnens von tiefen schmerzhaften Emotionen, die man letztendlich alleine tragen und aushalten muss.

Auch das schmerzliche Erleben und immer wieder Realisieren des Getrenntseins vom anderen, das zwangsläufig mit der in uns tief verwurzelten Sehnsucht nach Verbundenheit und Eins-Sein mit dem Anderen einhergeht, ist eine unumgängliche Erfahrung unseres Daseins.

Dabei kann der Grad des Einsamkeitserlebens intraindividuell im Laufe des Lebens, wie auch interindi- viduell stark differenzieren. Und Einsamkeit kann sich auf unterschiedliche Aspekte beziehen und ganz unterschiedliche Ursachen haben.

Baer und Frick-Baer unterscheiden in ihrem „Buch der Gefühle“ fünf Facetten der Einsamkeit (2017, S.

159 ff).

Fünf Facetten der Einsamkeit

(1) Die Kontakteinsamkeit: Diese tritt auf, wenn Menschen alleine leben und keine oder zu wenige Kontakte mit anderen haben und darunter leiden.

(2) Die Freundschaftseinsamkeit: Diese bedeutet das Fehlen von Freundschaften, d.h. von vertrauens- vollen, bereichernden und unterstützenden Beziehungen.

Diese beiden Facetten (Kontakt- und Freundschaftseinsamkeit) werden bei Luhmann und Bücker (2017) als soziale Einsamkeit oder auch relationale Einsamkeit bezeichnet.

(3) Die Intimitätseinsamkeit: Hier handelt es sich um eine Einsamkeit infolge des Fehlens einer intimen Beziehung, in der körperliche wie emotionale Intimität und Austausch gelebt werden können, wie dies bspw. in Partnerschaftsbeziehungen der Fall ist.

Luhmann und Bücker nennen diese die emotionale Einsamkeit oder auch intime Einsamkeit (ebd.).

(4) Die Herzenseinsamkeit: Damit meinen die Autoren eine „Einsamkeit des inneren Kerns eines Men- schen“, besonders die Einsamkeit seiner tiefsten Gefühle. Hier erstarrt jemand in seinem Leid und kann anderen Menschen gegenüber „sein Herz nicht öffnen“, d.h. seine Gefühle nicht zeigen und teilen und auch keine Hilfe suchen, weil das Vertrauen fehlt. Meist hat dies mit Verlusten, Kränkun- gen, Verrat, Enttäuschungen und ähnlichen Erfahrungen zu tun, gegen deren Schmerz man sich bzw.

das Herz zum Selbstschutz verschlossen hat.

(5) Die Bindungseinsamkeit: Damit beschreiben die Autoren eine Einsamkeit, die über eine Herzensein- samkeit hinausgehend in der Unfähigkeit liegt, langfristige Bindungen einzugehen.

Dies betrifft Menschen, die bspw. früh Störungen in ihren Bindungen erfahren haben und infolge dessen unsichere Bindungsmuster bis hin zu Störungen der eigenen Bindungsfähigkeit entwickelt

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LEITARTIKEL

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haben. Hier können Bindungen oftmals weniger gut eingegangen und aufrechterhalten werden, weil ein grundlegendes Vertrauen in andere Menschen fehlt und eine tiefere Bindung eher als beängsti- gend erlebt und somit bewusst oder unbewusst vermieden wird.

Diese Menschen können durchaus viele Kontakte und Beziehungen haben, aber eine wirkliche Bin- dung und Bezogenheit fehlt.

Folgt man diesem Versuch der Differenzierung verschiedener „Einsamkeiten“, so wird deutlich, dass die Wege aus diesen Formen von Einsamkeit auch unterschiedlich sein müssen. Wer an Kontakteinsamkeit leidet, braucht Kontakt. Und auch Freundschafts- und Liebesbeziehungen beginnen mit einer ersten Kon- taktaufnahme.

Hier geht es oft um die Aneignung sozialer Kompetenzen, das Finden und Aufsuchen potenzieller Begeg- nungsräume, ggf. die Überwindung von sozialen Ängsten und Scham, die Stärkung des Selbstwertgefühls und Selbstvertrauens.

Beim Aufbau von Herzensverbindungen und dem Erlernen neuer Bindungsmuster hingegen geht es ver- stärkt um die Heilung von tiefen Verletzungen und ggf. Beschämungen, die Überwindung von Ängsten und Misstrauen und um das schrittweise Lernen, anderen Menschen zu vertrauen, sich anzuvertrauen und Verbindungen einzugehen. Im besten Falle können aus diesen Verbindungen nach und nach sichere Bindungen entstehen und sich neue Bindungserfahrungen und –muster entwickeln.

Je nach Ausprägung des Erlebens und Leidens an Einsamkeit kann die Inanspruchnahme von profes- sioneller Hilfe zur Unterstützung hilfreich sein. Sich hierfür Hilfe zu suchen, ist jedoch für viele Menschen nicht so einfach, denn das eigene Einsamkeitserleben ist häufig ein Tabuthema, das mit Scham einhergeht und über das nicht gesprochen wird. Daher ist die Suche nach Kontakt und Hilfe und damit die Enttabuisierung ein erster wichtiger Schritt aus der Einsamkeit heraus.

Einsamkeit schmerzt

Gemeinschaft macht Spaß, ausgeschlossen sein hingegen schmerzt, und dies tatsächlich auch körperlich (Spitzer, 2019). Es gibt Hinweise aus Studien, dass beim Erleben von Ausgeschlossensein das gleiche Areal in unserem Gehirn, der Anteriore Cinguläre Cortex (ACC), aktiviert ist, welcher auch bei körperlichen Schmerzen aktiv ist. Aus evolutionärer Sicht macht das Sinn. Schmerzen haben eine wichtige Funktion für das Überleben. Sie sichern unsere körperliche Unversehrtheit. So schützt mich der Schmerz, z.B. wenn ich meine Hand auf eine heiße Herdplatte lege, vor lebensbedrohlichen Verbrennungen. Und ebenso kann der Schmerz beim Erleben von Ausgeschlossensein und Einsamkeit ein Signalgeber sein, der uns davor schützen soll, gänzlich aus der lebensnotwendigen Gemeinschaft herauszufallen. Denn dies war für unse- re Ur-Vorfahren das Todesurteil. Ohne die Gruppe gab es kein Überleben.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, “dass beim Menschen der gleiche Hirnbereich für körper- liche und soziale Unversehrtheit (Integrität) zuständig ist“ (ebd., 62).

Folgen von Einsamkeit

Das Leiden an Einsamkeit hat Auswirkungen auf unser psychophysisches Wohlbefinden. Spitzer (2019) weist darauf hin, dass Einsamkeit nicht mehr „nur“ als ein Symptom, d.h. als ein Krankheitszeichen, betrachtet werden darf, sondern als eigenständiger Sachverhalt in den Blick genommen werden muss und selbst als eine „Krankheit“ eingestuft werden kann. Er beruft sich dabei auf Erkenntnisse aus Epide- miologie, Psychologie, empirischer Sozialforschung, Gehirnforschung und Psychiatrie.

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LEITARTIKEL

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So weisen laut Spitzer verschiedene Studien darauf hin, dass Einsamkeit krank macht. Sie verursacht Stress und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Bluthochdruck, Stoffwechselstörun- gen und Gefäßleiden sowie Schlafstörungen, Depressionen, Lungenkrankheiten und Infektionskrankhei- ten (ebd.).

Auch psychische Krankheiten stehen in einer Wechselwirkung mit Einsamkeit, sie bilden oft einen Teufels- kreis der gegenseitigen Verstärkung. Einerseits bewirken psychische Erkrankungen Gefühle der Einsam- keit, und andererseits können Einsamkeitsgefühle die Krankheit (mit) verursachen oder verstärken (ebd., 154). Und hinzukommt, dass Menschen mit psychischem Leiden, wie z.B. einer Depression oder Sucht- erkrankung sich meist sozial zurückziehen und zugleich, dass andere Menschen sich von ihnen abwenden.

Somit entwickelt sich eine zunehmende soziale Isolation, die von beiden Seiten ausgeht. Geringe Sozial- kontakte und das Erleben von Einsamkeit gehen damit Hand in Hand mit vielen psychischen Erkrankun- gen.

Ist da jemand? – Beratung als Beziehungs- und Bindungsangebot

Letztendlich könnte man sagen: Immer dann, wenn unsere Sehnsucht nach Bindung und Zugehörigkeit ins Leere läuft und keine Resonanz findet, dann entsteht das schmerzliche Gefühl von Einsamkeit und Verlassensein. Manchmal wird diese Einsamkeit unerträglich - auch gerade zu Zeiten von Corona - und ist Teil der Not, aus der heraus sich Menschen an unsere Beratungsstelle wenden. Auch wenn das selten so als Anmeldegrund genannt wird. Es ist die (eher implizite) Frage: Ist da jemand? Jemand, der mir zu- hört, mich versteht, der mir Halt gibt, Sicherheit und Orientierung, kurzum, der für mich verlässlich da ist, wenn ich ihn brauche.

In der Beratung kann diese Anfrage Resonanz finden, im Sinne der Zusicherung: „Ich bin da für dich, wenn du mich brauchst!“ Auch wenn dies nicht unbegrenzt sein kann, so ist es doch ein Angebot in einem ver- lässlichen Rahmen und Zeitraum. So kann professionelle Beratung zu einem bedeutsamen haltgebenden Beziehungs- und Bindungsangebot werden. Und im besten Fall kann hier für Klient*innen ein „sicherer Hafen“ entstehen, in dem sie sich bedingungslos wertgeschätzt und akzeptiert fühlen und spüren können, dass sie angenommen und verstanden sind und nicht mehr (ganz) allein. Und dies vermag ein erster wichtiger Schritt aus der Einsamkeit heraus zu sein, dem mit Begleitung und Unterstützung weitere folgen können.

Beratungsarbeit, d.h. für andere Menschen, die in Not sind, da zu sein „wenn sie uns brauchen“, sehen wir (auch) vor diesem Hintergrund als eine wichtige zwischenmenschliche und gesellschaftliche Aufgabe – zumal in solch herausfordernden Krisenzeiten wie der aktuellen.

Literatur:

Baer, U., Frick-Baer, G. (2017). Das große Buch der Gefühle. (3. Aufl.). Weinheim Basel: Beltz.

Ditzen (2021). Social Distancing: Was macht der fehlende Körperkontakt mit uns? Online: https://www.srf.ch/news/panorama/

coronavirus-social-distancing-was-macht-der-fehlende-koerperkontakt-mit-uns, abgerufen: 02.05.2021.

Domin, H. (2020). Die schwersten Wege. In: Sämtliche Gedichte, S. 51. (4. Aufl.). Frankfurt: S. Fischer.

Johnson, S.M. (2009). Die Praxis der Emotionsfokussierten Paartherapie. Verbindungen herstellen. Paderborn: Junfermann.

Johnson, S.M. (2019). Halt mich fest. Sieben Gespräche über lebenslange Liebe. (2. Aufl.). Paderborn: Junfermann.

Luhmann, M., Bücker, S. (2019) Einsamkeit und soziale Isolation im hohen Alter. Projektbericht. Ruhr-Universität Bochum.

Mindline (2021). Global Report 2021 – Nivea. Online: https://www.nivea.de/ueber-uns/human-touch-fuer-mehr- miteinander/wissen/global-report-2021, abgerufen: 02.05.2021.

Spitzer, M. (2019). Einsamkeit. Die unerkannte Krankheit. München: Droemer.

Spitzer, M. (2020). Pandemie. Was die Krise mit uns macht und was wir aus ihr machen. (4. Aufl.). München: mvgverlag.

Wikipedia. Einsamkeit. Online: https://de.wikipedia.org/wiki/Einsamkeit, abgerufen: 02.05.2021.

Dr. Petra Holz

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RESSOURCENBILDER

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2. „Magie der Bäume“ – Eine Fotoausstellung in der EFL-Stelle

Seit November 2019 sind Fotografien von Andreas Held in unseren Räumen zu sehen. Anbei eine kleine Auswahl dieser wohltuenden Ressourcenbilder, die viel positive Resonanz bei unseren Klient*innen fin- den. Die Ausstellung verbleibt noch bis Febr. 2022 in unserer EFL-Stelle.

Frühlingserwachen Frühlingsschnee

Der Sommersonne entgegen Sonnenhungrig

Zartes Morgengrün Erneuerung Im Reich der Waldgeister Fotos: © Andreas Held, www.naturfoto-held.de

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UNSERE BERATUNGSARBEIT - ERFAHRUNGSBERICHT

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3. Unsere Beratungsarbeit in 2020

3.1. Beratung während der Corona-Pandemie: Auswirkungen und Erfahrungen an unserer EFL-Stelle

Auswirkungen auf unser Beratungsangebot und die Beratungsleistung

Die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr 2020 hat auch in unserer Beratungsarbeit zu großen Heraus- forderungen und Veränderungen geführt und unserem Team einiges an Flexibilität und Anpassungsver- mögen abverlangt. Wir haben uns für neue Beratungswege und Erfahrungen geöffnet, und so ist es uns gelungen, das ganze Jahr über verlässlich für insgesamt 821 ratsuchende Menschen da zu sein.

Im ersten Lockdown (16.03.-16.05.2020) musste die Psychologische Beratungsstelle kurzfristig für per- sönliche Gespräche (face-to-face-Kontakte) schließen. So wechselten wir unverzüglich auf das Angebot, Beratungen per Telefon durchzuführen. Neben der Telefonberatung haben wir dann sehr zeitnah, ab April, auch videogestützte Beratung angeboten.

Diese Umstellung erforderte einigen organisatorischen Aufwand: Neue Termin- und Kontaktabsprachen mit den Klient*innen (welche Art von Kontakt ist gewünscht/ möglich?), Anschaffung von Laptops und Zubehör für alle Berater*innen sowie Schulungen der Berater*innen in digitaler Beratung. Eine gesicherte digitale Beratungsplattform wurde von der Erzdiözese Freiburg zur Verfügung gestellt.

Viele Klient*innen lehnten anfangs eine telefonische oder digitale Beratung ab, weil sie den persönlichen Kontakt bevorzugten und somit warten wollten, bis face-to-face-Beratungen wieder möglich sein würden.

Erst mit anhaltendem Lockdown und unter dem wachsenden Druck von Konflikten, Ängsten und Nöten erklärte sich ein Großteil dieser Klient*innen dann doch bereit, digitale Beratung in Anspruch zu nehmen.

Für die meisten Klient*innen war die Gesprächsmöglichkeit per Telefon oder Video eine Erleichterung.

Sie nutzten diese zum Teil häufiger als vorher die Termine vor Ort. So war die Umstellung auf Telefon- und Videoberatung zwar zunächst eine „Notlösung“, aber ein hilfreicher Entwicklungsweg, unter verän- derten Bedingungen zuverlässig Kontakt anzubieten und Menschen zu begleiten.

Allerdings waren Telefon- und Videoberatung nicht bei allen Klient*innen möglich, so zum Beispiel, wenn zu Hause kein geschützter Raum vorhanden war, um ungestört zu telefonieren oder videogestützte Bera- tung durchzuführen, weil andere Personen, z.B. Kinder, anwesend waren. Vor allem Eltern mit jüngeren oder behinderten Kindern, die nicht alleine gelassen werden konnten, waren während dieser Zeit oft nicht in der Lage, Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Kinder waren durch den Lockdown ja zu Hause und nicht anderweitig betreut. Für diese Familien bedeutete das nicht nur eine Zunahme der Belastungen durch den Lockdown, sondern auch zugleich, dass die dringend benötigte Unterstützung und psycholo- gische Begleitung wegbrach.

Eine weitere Schwierigkeit von Telefon- oder Videoberatung zeigte sich überall dort, wo eine große Not und starke Emotionen vorhanden waren, die „gehalten“ werden mussten, und in solchen Situationen, wo Sprache aufhört. Hier war und ist die therapeutische Beziehung mit der physischen Präsenz und Nähe sehr bedeutsam, z.B. bei Menschen, die große Einsamkeit erleben, sowie bei Ratsuchenden in tiefer

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UNSERE BERATUNGSARBEIT - ERFAHRUNGSBERICHT

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Trauer, bei Ängsten, depressiven Entwicklungen, Suizidalität oder bei sehr konfliktbeladenen Partner- schaftskrisen und bei Gewaltdynamiken in der Beziehung.

Telefon- und Videoberatung mit der gegebenen größeren persönlichen Distanz erlebten wir in diesen Fällen häufig als begrenzt und unzureichend.

Auch Erstkontakte, bei denen es zunächst vor allem um eine erste Beziehungsaufnahme und einen Ver- trauensaufbau geht, erlebten wir per Telefon oder Video zum Teil als schwieriger und dadurch einge- schränkt.

Vor diesem Hintergrund war unser EFL-Team erleichtert darüber, dass die Stelle ab dem 18. Mai 2020 wieder für persönliche Gespräche geöffnet werden durfte. So konnten wir mit den Klient*innen wieder in Präsenz arbeiten, unter Einhaltung eines hierfür entwickelten Raum- und Hygienekonzepts (Abstands- regeln, Lüften, Mundschutze und FFP2-Masken, Desinfektion etc.).

Unsere Termine waren für lange Zeit ausgebucht. Die Klient*innen kamen verstärkt wieder, und für Neu- anmeldungen gab es längere Wartezeiten, die Warteliste war bis zum Ende des Jahres sehr voll.

Ältere Ratsuchende, Personen, die im Hinblick auf Corona einer Risikogruppe zugehörig sind, weiter ent- fernt wohnende Klient*innen, aber auch Alleinerziehende oder Paare mit Kindern blieben teilweise beim Telefon- oder Videogespräch, da sie die organisatorischen Vorteile im „Homeoffice“ schätzten. Dement- sprechend blieb das Angebot von telefonischer und videogestützter Beratung neben den face-to-face- Beratungen bestehen und wird auch weiterhin genutzt. In 2020 wurden ca. vier Fünftel der Beratungen face-to-face durchgeführt und etwa ein Fünftel auf digitalem Weg (Telefon, Video).

Die coronabedingte Umstellung auf digitale Beratung mündete nun in einer – schon länger diözesanweit angedachten - konzeptionellen Weiterentwicklung des Beratungsangebots. So haben alle EFL-Stellen unserer Diözese seit dem 01.01.2021 die Möglichkeit, „Blended Counseling“ anzubieten. „Blended Coun- seling“ bietet eine Mischform aus Offline-und Onlinekommunikation, die im Beratungsprozess Anteile der Onlineberatung und Anteile der face-to-face-Beratung systematisch miteinander verbindet. Dies ermög- licht, Beratungen von Klient*innen flexibel und je nach Bedarf im face-to-face-Kontakt und/ oder per Mail, Telefon und Video durchzuführen. Auch nach Corona soll dieses Angebot erhalten bleiben.

Insgesamt konnten aufgrund der Pandemie-Krise und des Lockdowns im Vergleich zu den Vorjahren an unserer EFL-Stelle etwa 10 % weniger Menschen beraten werden als sonst (2019: 911 Ratsuchende, 2020:

821 Ratsuchende). Auch bei den Beratungsstunden war ein Rückgang um rund 8,7 % gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen (s. auch unter Kap. 3.2).

Die Ausfallstunden hingegen, d.h. kurzfristig abgesagte Termine, die nicht mehr neu belegt werden konnten, waren erwartungsgemäß deutlich höher als sonst. Sie betrugen in 2020: 434,5 Stunden im Vergleich zu 263 Stunden in 2019. Diese Ausfälle sind vor allem während des ersten Lockdowns ent- standen. Aber auch im weiteren Verlauf des Jahres wurden Beratungsgespräche immer wieder von Klient*innen kurzfristig abgesagt, aufgrund von Betreuungsproblemen der Kinder durch die Schließung von Schulen und Kindertagesstätten, wie auch aus gesundheitlichen Gründen oder infolge von Quaran- täneverordnungen bei Klient*innen.

Trotz der hohen Ausfallstunden konnten wir das (Mindest-)Beratungs-Soll unserer EFL-Stelle in Höhe von 3.500 Stunden nahezu erreichen. So erbrachten wir insgesamt 3.487,00 Beratungsstunden.

(14)

UNSERE BERATUNGSARBEIT - ERFAHRUNGSBERICHT

14

Erfahrungen und Themen in den Beratungen

„Corona und der Lockdown“ war in den überwiegenden Fällen der Anmeldungen in 2020 kein expliziter Anmeldegrund. Allerdings war die Corona-Krise bei fast allen Klient*innen mehr oder weniger ein Thema, das unterschwellig oder auch offensichtlich wirkte und oftmals wie ein Brennglas vorhandene Probleme, Konflikte und Lebensthemen verschärfte.

Die Wirkungen waren und sind noch immer für die Menschen spürbar im Hinblick auf eigene Lebens- vollzüge und –entwürfe, auf psychisches und physisches Wohlbefinden, auf soziale Kontakte und Bezie- hungen, das partnerschaftliche Miteinander und familiäre Geschehen, auf berufliche Situationen und Ent- wicklungen sowie auf finanzielle und existenzielle Grundlagen.

Und die erlebten Belastungen nahmen im Laufe des Jahres 2020 deutlich zu. Vor allem seit dem zweiten Lockdown im Winter zeigten sich viele Menschen zunehmend belastet und erschöpft durch die langan- dauernde Ausnahmezeit.

Viele Beratungsgespräche beinhalteten gegen Ende des Jahres zunehmend - neben den ursprünglichen Beratungsanlässen - die Krisensituation selbst.

Zudem traten vorhandene Konfliktthemen teilweise verstärkt zutage. So zum Beispiel Konflikte rund um die Themen „Medienkonsum, Online-/ PC-Spiele“ (Missbrauch bis Suchtverhalten), „Arbeits- und Aufga- benteilung“ bei Paaren, Gestaltung und Ausbalancieren von „Nähe und Distanz“ sowie eskalierende Gewaltspiralen.

Die Gruppe berufstätiger Eltern, insbesondere mit noch jüngeren Kindern, war besonders belastet durch die Anforderung, ihre Berufstätigkeit im Homeoffice bei gleichzeitiger Kinderbetreuung und Home-Schoo- ling zu organisieren. Viele Paare berichteten hier von einer Überforderung und Erschöpfung und einer Zuspitzung von Konflikten. Dabei lag die Hauptlast der Organisation und Betreuungsaufgaben häufig bei den Frauen (vgl. Schwenz, 2021). Studienergebnisse weisen unter anderem auch auf eine erhöhte Belas- tung von Frauen während der Pandemie hin. So haben depressive Erkrankungen in dieser Gruppe deutlich zugenommen (Peters et al., 2020).

Alleinlebende Menschen und Alleinerziehende zeigten sich sehr belastet infolge der Kontaktbeschrän- kungen, die zugleich oftmals auch eine Beschränkung von emotionaler wie praktischer Unterstützung bedeuten. Hier wurde viel Einsamkeitserleben geschildert.

Eltern von behinderten Kindern, wo die Betreuungseinrichtungen teilweise, insbesondere zu Beginn der Krise, ebenfalls geschlossen waren, litten vor allem unter der fehlenden Entlastung und Unterstützung für sich selbst und unter den fehlenden Förderangeboten für ihre Kinder.

Auch Studierende und junge Menschen in Ausbildung beschrieben sich in den Beratungsgesprächen als zunehmend erschöpft und depressiv, ängstlich im Hinblick auf die eigene berufliche Entwicklung und Zukunft, schilderten Motivationsprobleme, fehlenden Antrieb und Schwierigkeiten, sich selbst zu struktu- rieren. Zudem litten sie - infolge der Online-Ausbildungen und Kontaktbeschränkungen - unter den feh- lenden Kontakten und berichteten verstärkt Einsamkeitserleben.

Durch den Wegfall von Nebenjobs standen viele Studierende darüber hinaus oft unter finanziellem Druck.

Die Erfahrungen im Hinblick auf die hohen Belastungen in dieser Gruppe entsprechen auch Studienergeb- nissen, denen zufolge insbesondere in der Gruppe junger Erwachsener vermehrt Ängste und Depressio- nen auftraten (Peters et al., 2020) sowie ein etwas höheres Maß an Verbitterung gemessen wurde, i.S.

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UNSERE BERATUNGSARBEIT - ERFAHRUNGSBERICHT

15

des sich nicht gesehen und gehört Fühlens, enttäuscht sein und sich aufgeschmissen Fühlens (vgl. COSMO – COVID-19 Snapshot Monitoring 1).

Die Lebensbewegung junger Menschen in dieser Entwicklungsphase sollte eigentlich eine öffnende Bewe- gung sein, im Sinne des Hinausgehens in die Welt, ins Studium oder die Ausbildung, verbunden mit dem Auszug von Zuhause, dem Entdecken neuer Lebensräume und Erschließen neuer Kontakte, ggf. auch einer Partnersuche. Doch infolge der coronabedingten Einschränkungen war die Bewegung bei vielen jungen Menschen eher eine schließende, im Sinne eines Rückzugs und Auf-sich-selbst-Zurückgeworfenseins.

Deutlich erhöhte psychische Belastungen fanden sich auch bei jüngeren Kindern und Jugendlichen, wie wir es den Schilderungen von Eltern vielfach entnehmen konnten und wie es in Studien berichtet wird (vgl. Bühring, 2020). (Kinder und Jugendliche gehören in der Regel nicht zu unserer Klientel, sondern werden in der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche begleitet.)

Und schließlich erlebten wir in der Beratung zunehmend Menschen, die sich großen existenziellen Sorgen ausgesetzt sehen, weil sie in finanzielle Not geraten sind, z.B. Selbstständige, Künstler*innen, Gastrono- men oder auch Arbeitnehmer*innen, die infolge der Krise entlassen wurden.

Auch hier zeigten sich nicht selten infolge der finanziellen Notlage und des erlebten Kontrollverlusts und reduzierten Selbstwirksamkeitserlebens, zumal noch in Kombination mit fehlenden sozialen Kontakten, depressive Entwicklungen.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass bei den Klient*innen Ängste, wie finanzielle und existenzielle Sorgen, Sorgen um die eigene Gesundheit, Sorgen um Angehörige und Ängste im Blick auf die Zukunft zugenom- men haben. Auch irrationale Ängste, die zum Teil verschwörungstheoretische Anklänge hatten, wurden verschiedentlich sichtbar.

Die ständigen Veränderungen der Corona-Verordnungen und Regelungen schienen die Verunsicherung und den damit verbundenen Stress bei vielen Menschen noch zu verstärken.

Betrachtet man verschiedene Studien zu den Auswirkungen der Pandemie-Krise auf das psychophysische Wohlbefinden der Menschen, so lässt sich im Hinblick auf Ängste und Angsterleben Folgendes feststellen:

In der Gesamtbevölkerung verschiedener Länder konnte ein durchschnittlich erhöhtes Angstniveau in- folge der Corona-Krise festgestellt werden. Vielfach beziehen sich diese Ängste zunächst auf ganz realis- tische Sorgen. Doch traten infolge der Corona Krise auch insbesondere bei jungen Erwachsenen vermehrt Angst- und Depressionssymptome auf, die einer schweren psychischen Belastung entsprechen und Krank- heitswert haben (vgl. Peters et al., 2020). Auch ist zu bedenken, dass die erlebten Belastungen im Zusam- menhang mit der Krise bei Menschen, die per se eine psychische Vulnerabilität aufweisen, die Entwick- lung manifester psychischer Störungen, wie z.B. Angststörungen und Depressionen, begünstigen können.

Umso wichtiger ist es daher, dass psychologische Beratungs- und Therapieangebote in solchen Krisen- zeiten, wie wir sie gerade erleben, zugänglich bleiben.

1COSMO — COVID-19 Snapshot Monitoring ist ein Gemeinschaftsprojekt von Universität Erfurt, Robert Koch Institut, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Leibniz-Institut für Psychologie, Science Media Center, Bernhard Nocht Institut für Tropenmedizin und Yale Institute for Global Health.

Die Studie enthält Ergebnisse aus dem wiederholten querschnittlichen Monitoring von Wissen,

Risikowahrnehmung, Schutzverhalten und Vertrauen während des aktuellen COVID-19 Ausbruchsgeschehens.

(16)

UNSERE BERATUNGSARBEIT - ERFAHRUNGSBERICHT

16

Es gab und gibt jedoch nicht nur Belastungen und negativ erlebte Auswirkungen, die von den Klient*innen infolge der Corona-Krise geschildert wurden. So wurden durchaus auch positive Wirkungen wahrgenom- men. Dazu gehörten unter anderem erlebte Entschleunigung-Prozesse und eine Entlastung im Alltags- und Berufsleben, durch den Wegfall von Fahrtzeiten und die Reduktion von beruflichen wie privaten Terminen. Dies führte verschiedentlich zu einer Abnahme von Arbeitsbelastung und Terminstress, auch von „Freizeitstress“.

Viele Ratsuchende berichteten zudem von der Chance, in dieser Zeit innezuhalten, die eigene Lebens- gestaltung neu zu hinterfragen und Prioritäten neu zu setzen. Beziehungen, soziale Kontakte und Berüh- rungen wurden achtsamer wahrgenommen und (neu) wertgeschätzt. Und manche Klient*innen konnten auch davon profitieren, mehr Zeit für die eigene Partnerschaft und Familie zu haben, und erlebten eine qualitative Verbesserung der Beziehungen. Dies gelang natürlich v.a. dort, wo die Beziehungen sich als (einigermaßen) tragfähig, sicher und unterstützend erwiesen. Das bedeutet, auch hier wirkte die Corona- Krise wie ein Brennglas und konnte verschiedentlich positive Aspekte verstärken.

Weitere positive Wirkungen wurden von einigen Klient*innen im Hinblick auf das eigene Körper- und Gesundheitsbewusstsein berichtet, mit dem Effekt, sich mehr gesundheitsfördernd zu verhalten.

Und schließlich wurde auch von vielen eine „Solidarität“ mit anderen erfahren und eine gegenseitige Unterstützung und Rücksichtnahme positiv erlebt.

Ebenso war die Entdeckung neuer Kommunikationswege und digitaler Vernetzungsmöglichkeiten eine häufig geschilderte positive Erfahrung, auch wenn diese die physische Nähe und leibliche Präsenz anderer Menschen für die meisten der Klient*innen in der Regel nicht ersetzen konnten.

Im Folgenden findet sich eine Zusammenfassung der von Klient*innen geschilderten positiv und negativ erlebten Wirkungen:

Positiv erlebte Wirkungen:

Erlebte Entschleunigung

Reduktion von Arbeitsbelastungen, weniger Terminstress (auch „Freizeitstress“)

Flexibilisierte (und dadurch familienfreundlichere) Arbeitszeiten im Homeoffice

„erlaubte“ Entpflichtung, z.B. bei Enkel- oder Elternbetreuungsaufgaben, hier war Abgrenzung für manche plötzlich gefühlt „erlaubt“: „Ich darf Grenzen ziehen, habe einen guten Grund abzusagen.“

Zeit und Raum zum Innezuhalten und Hinterfragen der eigenen Lebensgestaltung, neue Prioritätensetzung

Verstärkte Wertschätzung und Achtsamkeit im Hinblick auf soziale Kontakte, Beziehungen, Berührungen

Mehr Zeit und erlebte Nähe in der Partnerschaft

Mehr Zeit für die Familie, z.B. gemeinsame Mahlzeiten

Gesundheitsbewussteres Verhalten (z.B. Bewegung, Ernährung)

Erlebte Solidarität, Unterstützung und Rücksichtnahme

Erlebte Gemeinschaft und Zugehörigkeit im Leid, z.B. bei gesundheitlich eingeschränkten Menschen:

„Jetzt geht es den anderen so, wie es mir immer geht, dass sie nicht

rausgehen können“/ „…dass sie Ängste haben“ / „Wir sitzen alle in einem Boot.“

Entdeckung neuer Kommunikationswege, digitaler Vernetzungsmöglichkeiten

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UNSERE BERATUNGSARBEIT - ERFAHRUNGSBERICHT

17 Negativ erlebte Wirkungen:

Hohe Anforderungen, Belastungen und Stresserleben in den Familien, durch:

Fehlende Kindebetreuung

Homeschooling der Kinder, bei dem Eltern viel Verantwortung übernehmen mussten

Schwierigkeiten und Druck, Familie und Beruf zu vereinbaren: mühsame Aushandlungsprozesse: Wer macht was ?, berufliche Abstriche und Kürzungen/ Beurlaubungen, v.a. von Frauen -> alte

Rollenbilder wurden aktiviert

Fehlende Freiräume, Auszeiten

Erschwerte Nähe-Distanz-Regulierung

Zunahme an Spannungen, Zuspitzung von Konflikten bis hin zu Gewalteskalationen durch fehlende oder erschwerte Affektregulation und zu viel Nähe, „Aufeinanderhocken"

Konflikte/ Spaltungen in der Familie/ Partnerschaft im Hinblick auf Für und Wider der Notwendigkeit von Coronamaßnahmen

Weniger Paar-Zeit, v.a. bei Eltern mit jüngeren Kindern:

Flexibilität verloren, etwas für sich zu tun, auch für sich als Paar

Abbruch von Paarberatungen durch fehlende Zeitfenster und Freiräume

Zunahme von exzessivem Spielen am PC/ Tablet/ Smartphone:

Missbrauch bis hin zu Suchtverhalten („Segen und Fluch der digitalen Medien“ in dieser Zeit)

Fehlende Sozialkontakte, Einsamkeitserleben:

(betraf v.a. Alleinlebende ohne Familie oder Partner, Menschen nach Trennung, Verwitwung, Alleinerzie- hende, aber auch Studierende)

Fehlende Kontakte mit Familienangehörigen, Freund*innen

Wegfall unterstützender Strukturen und Netzwerke

Fehlendes Gemeinschaftserleben/ Feste/ kulturelle Angebote, damit verbunden Wegfall einer wichtigen Ressource für psychische Stabilität und Wohlbefinden als Ausgleich und Kompensation für Stresserleben

Wegfall von Begegnungsräumen für neue Bekanntschaften, Partnersuche

Fehlende Berührungen

Verlust/ Einschränkung von sinnstiftenden Tätigkeiten:

Nichtausübenkönnen von Ehrenämtern, Sport, Hobbys etc.

Reduktion, Verlust von Berufstätigkeit

Veränderung von Plänen, Lebensentwürfen:

Verlust von Studien- oder Ausbildungszeit: z.B. Studierende haben ein/ mehrere Semester verloren, mussten ihre Praktika abbrechen, konnten kein Auslandssemester machen

Finanzielle Einbußen und Nöte:

Einkommensverluste

Miete, Lebensunterhalt nicht mehr finanzieren können etc.

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UNSERE BERATUNGSARBEIT - ERFAHRUNGSBERICHT

18 Negativ erlebte Wirkungen:

Zunahme von Verunsicherung und Ängsten:

Ängste im Hinblick auf die eigene Gesundheit, v.a. bei Zugehörigkeit einer „Risikogruppe“

Ängste um das Wohl und die Gesundheit Angehöriger, nahestehender Menschen

Sorge andere anzustecken -> hohes Verantwortungsgefühl, das Druck macht, Ängste schürt

Gefühl ausgeliefert zu sein, Erleben von Kontrollverlust

Ängste, dass die eigene Freiheit eingeschränkt wird -> Verstärkung von Themen bzw. Ängsten vor zu viel Steuerung/ Einschränkungen/ Kontrolle von außen (bis hin zu irrationalen Ängsten und

verschwörungstheoretischen Gedanken)

Ängste, was die Krise mit der Gesellschaft (Spaltung?) und mit der Demokratie macht

Zukunftsängste: Wie wird es weitergehen? Wann wird es wieder „normal“ sein? Eigene berufliche Ausbildung, Entwicklung betreffend etc.

existenzielle Ängste und Nöte, v.a. bei freiberuflich tätigen Menschen, Künstler*innen, Gastronomen sowie infolge von Arbeitsplatzverlust etc.

Zunahme von Depressivität:

Erleben von Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit

Verlust von Lebensfreude

vermindertes Selbstwirksamkeitserleben

Antriebslosigkeit und (Selbst-)Motivationsschwierigkeiten

Literatur:

Bühring, P. (2020). Psychische Belastungen in der COVID-19_Pandemie. Allgemeine Verunsicherung. Deutsches Ärzteblatt, Jg.

117, Heft 43, 2049-2050.

COSMO — COVID-19 Snapshot Monitoring. Online: https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/web/topic/vertrauen- zufriedenheit-ressourcen/20-belastungen/#verbitterung-stand-22.12.20, abgerufen 02.05.21

Peters, A. et al. (2020). COVID-19_Pandemie verändert die subjektive Gesundheit. Erste Ergebnisse der NAKO-Gesundheitsstudie, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 117, Heft 50, 861-867.

Schwenz, A. (2021). Lockdown als Grenzerfahrung für berufstätige Mütter, Blickpunkt EFL-Beratung, 1, Nr. 45, 7-14.

Dr. Petra Holz

(19)

UNSERE BERATUNGSARBEIT - STATISTIK

19

3.2. Unsere Beratungsarbeit in Zahlen

3.2.1. Gesamtberatungsstunden und Beratungssetting

Insgesamt sind die Beratungsstunden im vergangenen Jahr infolge der Corona-Pandemie und den damit verbundenen höheren Ausfallstunden um 7,8 % zurückgegangen. Die angebotenen Bera- tungsstunden verteilten sich wie folgt auf die unterschiedlichen Beratungsformen:

Beratungsstunden 2019 2020

Einzelberatung 1.716,50 Std. 45,4 % 1.241,00 Std. 35,6 %

Paarberatung 1.403,00 Std. 37,1 % 1.046,75 Std. 30,0 %

Familienberatung 32,25 Std. 0,9 % 34,75 Std. 1,0 %

Gruppenberatung 0,00 Std. 0,0 % 16,00 Std. 0,5 %

Telefonberatung (Einzel/Paar/Familie) 35,50 Std. 0,9 % 379,00 Std. 10,8 % Videoberatung (Einzel/Paar/Familie) 0,00 Std. 0,0 % 187,25 Std. 5,4 %

andere Beratungsform 0,00 Std. 0,0 % 3,00 Std. 0,1 %

Vor- und Nachbereitung 592,75 Std. 15,7 % 579,25 Std. 16,6 %

Gesamt 3.780,00 Std. 100,0 % 3.487,00 Std. 100,0 %

Ausfallstunden 2019 2020

Ausfallstunden (= kurzfristig abgesagte Termine)* 263,00 Std. 434,50 Std

Beim Erstgespräch nicht gekommene Kl. 54,00 Std. 45,00 Std.

Ausfall Gesamt 317,00 Std. 479,50 Std.

* nur diese Ausfallstunden werden statistisch erfasst

Klient*innen, die zu einem Erstgespräch nicht erscheinen, können in unserem Statistikprogramm nicht als Fall erfasst werden. Durch solche nicht erschienenen Interessent*innen entstanden uns zusätzlich 45 Std. Ausfall, die im Büro Arbeitszeit in Anspruch nahmen und bei den Berater*innen Fehlzeiten und damit nicht unerhebliche Kosten verursachten.

3.2.2. Anmeldungen und Fallzahlen

Anmeldungen insgesamt: 445 Personen

Gesamtzahl der Beratungsfälle: 563 Fälle (Fall = Einzel/ Paar/ Familie) davon waren: 313 neue Fälle mit Anmeldung in 2020 und

250 Übernahmefälle aus 2019 Abgeschlossene Fälle: 154 Fälle

(20)

UNSERE BERATUNGSARBEIT - STATISTIK

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3.2.3. Zahl und Geschlechterverteilung der Ratsuchenden (N=821)

In 2020 wurden 821 Personen beraten, was im Vergleich zu 2019 einem Rückgang von 10 % ent- spricht. Diese Entwicklung ist vor allem der Corona-Krise geschuldet.

Ähnlich wie im Vorjahr waren in 2020 62 % der Ratsuchenden Frauen und 38 % Männer.

3.2.4. Einzugsbereich der Klient*innen

Wie auch im Vorjahr kamen die Klient*innen unserer Beratungsstelle in 2020 zu 49 % aus der Stadt Heideberg, zu 44 % aus dem Rhein-Neckar-Kreis und zu ca. 7 % aus anderen Landkreisen/

Städten.

3.2.5. Die Finanzierung unserer Beratungsstelle

Die Kostenbeteiligungen der Klient*innen sind im Vergleich zum Vorjahr um 6.650 € gesunken und betrugen in 2020 nur 15 % statt 17 % unserer EFL-Finanzierung. Dies ist zum einen der etwas geringeren Anzahl an Klient*innen und der geringeren Anzahl gehaltener Beratungsstunden auf- grund von Corona geschuldet. Zum anderen spiegelt sich hier die durch Corona entstandene finanzielle Not und Unsicherheit vieler Klient*innen wieder. So mussten einige Klient*innen ihre Beitragssätze infolge von Kurzarbeit, fehlenden Einnahmen als Selbstständige oder aufgrund von Arbeitsplatzverlust senken bzw. sehr gering halten oder gar um Befreiung bitten.

Männer Frauen

39%

61%

38%

62%

2019 2020

Heidelberg 49%

Rhein-Neckar- Kreis

44%

Diverse Städte/

Landkreise 7%

(21)

UNSERE BERATUNGSARBEIT - STATISTIK

21

3.2.6. Zugänge zu unserer Beratungsstelle

2019 2020

auf Empfehlung von Klient*innen 18,3 % 18,5 %

Ärzt*innen / Psychotherapeut*innen / Klinik 17,2 % 18,1 %

Internet 16,1 % 16,2 %

Wissen war vorhanden 11,5 % 13,0 %

Verwandte / Bekannte 11,5 % 10,7 %

Andere Beratungsstellen 8,4 % 9,1 %

Persönliche Erfahrung mit Beratung 4,4 % 4,6 %

Seelsorger*innen/kirchliche Stellen 3,4 % 3,6 %

Veröffentlichung / Zeitung / Flyer 3,2 % 2,7 %

Anwälte / Gerichte 1,0 % 0,9 %

Jugend / Sozialamt /ASD 1,1 % 0,4 %

Telefonbuch 0,3 % 0,4 %

Telefonseelsorge 0,5 % 0,2 %

Vorträge 0,3 % 0,0 %

Sonstige 2,6 % 2,0 %

Gesamt 100,0 % 100,0 %

3.2.7. Schwerpunkte der Beratung

2019 2020

Ehe-/ Paarberatung 45,5 % 44,7 %

Lebensberatung 31,4 % 35,4 %

Trennungs- u. Scheidungsberatung 10,8 % 7,8 %

Familienberatung 4,2 % 2,9 %

Krisenintervention 6,5 % 6,5 %

Mediation 0,6 % 1,0 %

Beratung zur Unterbrechung von Gewalt 0,5 % 1,0 %

Beratung für ausländische u. binationale Paare 0,5 % 0,7 %

Gesamt 100,0 % 100,0 %

Kirchensteuermittel:

320.044 €; 66%

Landkreis Rhein-Neckar:

20.200 €; 4%

Stadt Heidelberg:

69.810 €; 15%

Klientenbeiträge:

71.462 €; 15%

EFL - Finanzierung

(22)

UNSERE BERATUNGSARBEIT - STATISTIK

22

3.2.8. Häufig genannte Gründe, unsere Beratungsstelle aufzusuchen

Bei den Gründen für die Beratung handelt es sich um Mehrfachnennungen der Klient*innen, denn meist sind es mehrere Gründe und Themen aufgrund derer die Beratung aufgesucht wird.

Die Kategorisierung der Beratungsthemen erfolgt nach dem Erstgespräch. Oft werden tieferlie- gende, ggf. schambesetzte Themen, wie z.B. Traumata, Probleme in der Sexualität, Suchtverhal- ten etc. jedoch erst im Laufe der weiteren Beratung offenbart. Dies findet dann in dieser Statistik keinen Eingang mehr.

19 8 2225 8 56 3

102538 7

5 45 161

5562 176 269

0 50 100 150 200 250 300

sonstiges Information Bewältigung köperl. ErkrankungenPersönlichkeitsstörungenGlaubens-/ SinnfragenPsychot. StörungenSuchtverhaltenEssstörungenSuizidalität Traumat. Erlebnisse (z.B. Missbrauch)Konzentrations-/ArbeitsstörungenIndivid. sexuelle ProblemeSexuelle Orientierung Krit. Lebensereignisse/VerlusterlebnisseProbleme Im SozialkontaktZwänge/Ängste Veget. Probleme/Psychosomat. Symptome Stimmungsbez. Probleme (z.B. Depression)Selbstwertproblematik/Kränkungen

Personenbezogene Themen

20 10

14 33

154 61

65 128 35

25

105

225 125

48 78

96

210 52

395

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 Sonstiges

Schwangerschaft ungewollte Kinderlosigkeit Tätlichkeiten/Gewalt Heftiger Streit Außenbeziehung Bewältigung von Trennung Trennungswunsch/Angst vor Trennung Eifersucht Interkulturelle Paarprobleme Sexualität Unerledigtes aus der Paargeschichte Unerledigtes aus der Herkunftsfamilie Bezieh.relevante Krankheiten/Schicksale Bewältigung von Übergängen (z.B. Geburt) Partnerwahl/Partnerbindung Auseinanderleben/Mangel an Nähe Unterschiedl. Rollenverständnis Dysfunktionale Interaktion/Kommunikation

Partnerbezogene Themen

(23)

UNSERE BERATUNGSARBEIT - STATISTIK

23

3.2.9. Altersverteilung (N=821)

Keine Angabe: 1 Pers.

8 17 2

3 0

27

46 62 36

79 54

43

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Sonstiges Umgang mit pflegbed. Angeh.

Sex. Missbrauch Gewalt in der Familie Vernachlässigung der Kinder Ablösungsprobleme Bezieh.probleme zwsch Eltern und Kindern Symptome/Auffälligk. der Kinder Fam. Schwierigk. durch Trennung Fam. Umfeld (z.B. Eltern, Geschwister) Familiäre Schwierigk. wg der Kinder Unterschdl. Erziehungsvorstellungen

Familien- und kinderbezogene Themen

4 7 4

37 45 15

94

0 20 40 60 80 100

Sonstiges Probleme im soz. Umfeld Migrationsprobleme Finanz. Situation Wohnsituation Arbeitslosigkeit Ausbildungs-/Arbeitssituation

Gesellschaftsbezogene/ soziokulturelle Themen

0,10%

9,90%

24,60%

27,60%

22,80%

10,50%

3,40%

1%

bis 20 20 bis 30 30 bis 40 40 bis 50 50 bis 60 60 bis 70 70 bis 80 80 bis 90

(24)

UNSERE BERATUNGSARBEIT - STATISTIK

24

Die Gruppe der mittleren Altersstufen ist weiterhin am stärksten bei uns vertreten. Hier sind die Belastungen besonders hoch durch Berufstätigkeit beider Partner und die Belastungen am Ar- beitsplatz neben den familiären Herausforderungen in der Begleitung der Kinder und häufig gleichzeitig auch durch die Sorge für die ältere Generation.

Mit 227 Ratsuchenden ist die Gruppe der 40 bis 50-jährigen die stärkste Gruppe (28 %). Danach folgen die Gruppe der 30 bis 40-jährigen mit 202 Ratsuchenden (25 %) und die Gruppe der 50 bis 60-jährigen mit 187 Personen (23 %).

3.2.10. Art der aktuellen Beziehung

2019 2020

Single 12,4 % 13,1 %

Partnerschaft 22,2 % 23,9 %

Erste Ehe 53,3 % 51,4 %

Wiederverheiratet 5,9 % 6,5 %

getrennt lebend 5,9 % 5,1 %

Eingetragene Lebensgemeinschaft 0,2 % 0,0 %

Gesamt 100 % 100 %

Weiterhin stellen die Paare in erster Ehe mit etwas mehr als 50 % die größte Gruppe von Klient*in- nen in unserer Einrichtung dar. Die zweitgrößte Gruppe unter den Ratsuchenden, ca. ein Viertel, sind unverheiratete Paare.

3.2.11. Staatsangehörigkeit

2019 2020

deutsch 86,3 % 85,8 %

europäisch 7,2 % 7,4 %

außereuropäisch 6,5 % 6,7 %

Gesamt 100 % 100 %

3.2.12. Religionszugehörigkeit

2019 2020

katholisch 34,1 % 30,0 %

evangelisch 37,1 % 39,1 %

sonstige Chr. Rel. 2,6 % 2,6 %

andere Religion 3,4 % 2,6 %

keine Religion/Konfession 22,7 % 25,8 %

Gesamt 100 % 100 %

Das Angebot unserer EFL-Stelle steht allen Menschen offen, unabhängig von ihrer Religionszuge- hörigkeit und Konfession. Wie der Vergleich mit der Statistik der vergangenen Jahre zeigt, sind die Mitglieder aus den christlichen Kirchen mit insgesamt 71,7 % nach wie vor die größte Gruppe

(25)

UNSERE BERATUNGSARBEIT - STATISTIK

25

der Ratsuchenden in unserer Beratungsstelle. Der Anteil der Klient*innen ohne Religion/ Konfes- sion hat geringfügig zugenommen (um 3 %).

3.2.13. EFL-Beratung und KJHG

Im vergangenen Jahr waren 444 Kinder unter 18 Jahren von den Konflikten Ihrer Eltern, die unsere Beratungsstelle aufsuchten, mit betroffen.

Anbei findet sich eine Auflistung der Beratungsfälle mit und ohne KJHG-Relevanz:

Anzahl d. Fälle in % zur allgemeinen Förderung der Erziehung nach § 16 KJHG 3 0,5 %

bei Partnerschaftsfragen nach § 17 KJHG 206 36,6 %

bei Trennung und Scheidung nach § 17 KJHG 43 7,6 %

bei Mediation nach § 17 KJHG 6 1,1 %

Unterstützung Alleinerziehender und Nichtsorgeberechtigter

nach § 18 KJHG 6 1,1 %

Erziehungsberatung nach § 28 KJHG 1 0,2 %

Unterstützung junger Volljähriger bis 27 Jahre nach § 41 KJHG 18 3,2 %

Partnerschaftsberatung ohne KJHG-Relevanz 103 18,3 %

Einzel- und Lebensberatung ohne KJHG-Relevanz 177 31,4 %

Gesamt 563 100 %

Von 563 Beratungsfällen hatten 283 Fälle KJHG–Relevanz, das entspricht 50,3 %.

Das sind bei einem durchschnittlichen Terminangebot von 5 Gesprächsterminen pro Fall im vergangenen Jahr 1.415 Beratungsstunden für KJHG- Fälle.

mit KJHG- Relevanz N=283 ohne KJHG-

Relevanz N=280

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