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Entscheidungen - Abdrängende Sonderzuweisung des § 19 Abs 3 GefAbwG ND 1998 entbindet Verwaltungsgerichte im Verfahren über Heranziehung zu Kosten einer polizeilichen Maßnahme nicht von Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme

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Academic year: 2022

Aktie "Entscheidungen - Abdrängende Sonderzuweisung des § 19 Abs 3 GefAbwG ND 1998 entbindet Verwaltungsgerichte im Verfahren über Heranziehung zu Kosten einer polizeilichen Maßnahme nicht von Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme"

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- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Wolfram Leyrer,

in Sozietät Leyrer & Hoppe-Willmann, Hafengasse 3, 72070 Tübingen -

1 BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BVR 1634/04 -

Im Namen des Volkes In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde des Herrn Z…

gegen a) den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14.

Juni 2004 - 11 LA 79/04 -,

b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 23. Januar 2004 - 3 A 120/02 -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Kirchhof

und die Richter Eichberger, Masing

am 29. Juli 2010 einstimmig beschlossen:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 23. Januar 2004 - 3 A 120/02 - und der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2004 - 11 LA 79/04 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Ar- tikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht Lüneburg zurückverwiesen.

Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerde- verfahren wird auf 8.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen verwaltungsgerichtliche Entschei-

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11 12 13 14 15 16 17 dungen, in denen dem Rechtsschutzbegehren des Beschwerdeführers gegen die

Auferlegung von Gebühren für eine polizeiliche Ingewahrsamnahme im Anschluss an eine Versammlung mit der Begründung der Erfolg versagt wird, die inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der dem Heranziehungsbescheid zugrunde liegenden polizeili- chen Ingewahrsamnahme sei den Verwaltungsgerichten verwehrt.

I.

1. Dem Ausgangsverfahren liegen folgende Vorschriften des einfachen Rechts zu- grunde:

a) Aus dem Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz in der Fassung vom 20. Fe- bruar 1998 (GVBl vom 4. März 1998, S. 101 <107> - NGefAG a.F.):

§ 17 NGefAG a.F.

(Platzverweisung)

(1) Die Verwaltungsbehörden und die Polizei können zur Abwehr einer Gefahr jede Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betre- ten eines Ortes verbieten.

...

§ 18 NdsGefAG a.F.

(Gewahrsam)

(1) Die Verwaltungsbehörden und die Polizei können eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies

...

2. unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung ...

b) einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Gefahr für die Allgemeinheit zu verhindern, oder

3. unerlässlich ist, um eine Platzverweisung nach § 17 durchzusetzen.

§ 19 NGefAG a.F.

(Richterliche Entscheidung)

(1) Wird eine Person auf Grund des § 13 Abs. 2 Satz 2, des § 16 Abs. 3 oder des

§ 18 festgehalten, so haben die Verwaltungsbehörden oder die Polizei unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsbe- schränkung herbeizuführen. Der Herbeiführung der richterlichen Entscheidung be- darf es nicht, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des

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29 30 Grundes der Maßnahme ergehen wird.

(2) Ist die Freiheitsbeschränkung vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung been- det, so kann die festgehaltene Person ... innerhalb eines Monats nach Beendigung der Freiheitsbeschränkung die Feststellung beantragen, dass die Freiheitsbeschrän- kung rechtswidrig gewesen ist, wenn diese länger als acht Stunden angedauert hat oder für die Feststellung ein sonstiges berechtigtes Interesse besteht. Der Antrag kann bei dem nach Absatz 3 Satz 2 zuständigen Amtsgericht schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftstelle dieses Gerichts gestellt werden. Die Ent- scheidung des Amtsgerichts ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die weitere sofortige Beschwerde nur statthaft, wenn das Landgericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entschei- dung stehenden Frage zulässt.

(3) Für die Entscheidung nach Absatz 1 ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person festgehalten wird. Für die Entscheidung nach Absatz 2 ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person in Gewahrsam genommen wur- de.

b) Aus dem Niedersächsischen Verwaltungskostengesetz (GVBl vom 7. Mai 1962, S. 43 ff., geändert durch Art. 5 des Haushaltsbegleitgesetzes 1997 vom 13. Dezem- ber 1996, GVBl vom 20. Dezember 1996, S. 494, in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der kommunalen Handlungsfähigkeit, GVBl vom 28.

Mai 1996, S. 242 <244> - NVwKostG):

§ 3

(1) Die einzelnen Amtshandlungen, für die Gebühren erhoben werden sollen, und die Höhe der Gebühren sind in Gebührenordnungen zu bestimmen.

§ 11

(1) Kosten, die dadurch entstanden sind, dass die Behörde die Sache unrichtig be- handelt hat, sind zu erlassen.

§ 14

(1) Für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen und Gegenstände, die sich im Ei- gentum oder in der Verwaltung des Landes befinden, können Benutzungsgebühren erhoben werden.

(2) Im übrigen finden die Vorschriften dieses Gesetzes über Kosten entsprechende Anwendung.

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39 c) § 1 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und

Leistungen vom 5. Juni 1997 (GVBl vom 12. Juni 1997, S. 171 - Allgemeine Gebüh- renordnung) bestimmt:

§ 1

(1) Für Amtshandlungen der Landesverwaltung ... sind Gebühren und Pauschbeträ- ge für Auslagen nach dieser Verordnung und dem nachstehenden Kostentarif (Anla- ge) zu erheben.

Nrn. 67.1 und 67.2 der Anlage zu der Allgemeinen Gebührenordnung lauten (GVBl vom 12. Juni 1997, S. 172 <220>):

- Unterbringung im Polizeigewahrsam je angefangener Tag (24 Stunden) 38 DM - Beförderung von in Gewahrsam genommenen oder hilflosen Personen mit Polizei- fahrzeugen 70 DM

2. Am 3./4. März 2001 fand im Landkreis Lüchow-Dannenberg an einem Bahnüber- gang in Pisselberg die Versammlung unter dem Motto „Nacht im Gleisbett“ gegen den Transport von Atommüll in das Brennelemente-Zwischenlager Gorleben (Castor- Transport) statt. Die Versammlung wurde am Abend des 3. März 2001 wegen der Gefahr eines Verstoßes gegen das Betretungsverbot der Gleise gemäß §§ 62, 63 der Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung aufgelöst, als sich ein Teil der Demonstran- ten den Gleisen näherte. In der Folge versuchten mehrere Gruppen von Demons- tranten einige hundert Meter von dem Bahnübergang entfernt, die Gleise zu beset- zen. Sie wurden mit einem Platzverweis belegt, in Gewahrsam genommen und für eine Identitätsfeststellung zur Polizeiinspektion in Lüchow gebracht. Im Verlauf dieser Geschehnisse wurde auch der Beschwerdeführer nach dem polizeilichen Kurzbericht um 21:40 Uhr in Gewahrsam genommen, gegen 23:55 Uhr mit einem Dienstfahrzeug nach Lüchow transportiert und um 2:34 Uhr des Folgetages wieder entlassen. Eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit der polizeilichen Maßnahmen wurde nicht herbeigeführt.

3. Mit Heranziehungsbescheid vom 4. September 2001 wurden dem Beschwerde- führer gegenüber gemäß §§ 3 Abs. 1, 14 NVwKostG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 All- GO in Verbindung mit Nrn. 67.1. und 67.2. der Anlage zu der Allgemeinen Gebühren- ordnung Kosten für die Unterbringung in Gewahrsam und die Beförderung in Höhe von insgesamt 108 DM festgesetzt.

4. Mit angegriffenem Urteil vom 23. Januar 2004 wies das Verwaltungsgericht die Klage des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Heranziehungsbescheides ab.

Das Verwaltungsgericht sei nicht zuständig, die Rechtmäßigkeit der Ingewahrsam- nahme inzident als Vorfrage im Rahmen der Prüfung des Heranziehungsbescheides zu prüfen. Der Gesetzgeber habe sich wegen der Sach- und Ortsnähe der Amtsge- richte für eine abdrängende Sonderzuweisung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO an die

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42 ordentlichen Gerichte entschieden. Mache der Beschwerdeführer von diesen verfah-

rensrechtlichen Möglichkeiten keinen Gebrauch, liege das in seinem Risikobereich, mit der Folge, dass er wegen der umfassenden Rechtsschutzkonzentration auf die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht nachträglich in einem verwaltungsgerichtlichen Ver- fahren die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme erreichen kön- ne. Ob, wie der Beschwerdeführer vorgetragen habe, dem Richtervorbehalt nicht ge- nüge getan worden sei, ihm gegenüber kein Platzverweis ergangen sei, der seine Ingewahrsamnahme gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 NGefAG a.F. gerechtfertigt hätte, und seine Ingewahrsamnahme auch nicht unerlässlich im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b NGefAG a.F. gewesen sei, dürfe das Verwaltungsgericht nicht prüfen.

Zwar könne eine gegen Art. 8 GG verstoßende Maßnahme keine Kostenansprüche begründen. Dies hätten auch die Verwaltungsgerichte bei Überprüfung des Heran- ziehungsbescheides zu beachten. Allerdings sei das Verwaltungsgericht in dem von dem Veranstalter der Versammlung „Nacht im Gleisbett“ angestrengten Verfahren gegen die Auflösung der Versammlung am 3. März 2001 und die anschließende Räu- mung der Gleise durch die Polizei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auflösung der Versammlung und die Räumung der Gleise rechtmäßig gewesen seien.

5. Mit angegriffenem Beschluss vom 14. Juni 2004 lehnte das Oberverwaltungsge- richt den Antrag auf Zulassung der Berufung unter Bezugnahme auf eine vorange- hende Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren ab. Für die Beantwortung der Rechtsfrage, ob das Verwaltungsgericht eine behauptete Rechtswidrigkeit der Inge- wahrsamnahme als Vorfrage im Rahmen der Kontrolle des Heranziehungsbeschei- des inzident prüfen müsse, bedürfe es keines Berufungsverfahrens, weil sie durch Auslegung der einschlägigen Vorschriften hinreichend beantwortet werden könne be- ziehungsweise nicht entscheidungserheblich sei. Es entspreche einer sinnvollen Ordnung der Rechtswege, dass verschiedene Gerichte nicht aufgrund desselben Sachverhalts über dieselbe Rechtsfrage befänden. Für die Verwaltungsgerichte wer- de innerhalb der Schrittfolge Grundrechtsschutz, Ingewahrsamnahme und Heranzie- hungsbescheid der Prüfungsrahmen nur hinsichtlich des mittleren Schrittes aufgeho- ben, nicht jedoch hinsichtlich der beiden anderen Schritte. Entsprechend habe das Verwaltungsgericht mit einbezogen, dass die Räumung der Gleise rechtmäßig gewe- sen und die Blockade der Gleise nicht durch das Grundrecht der Versammlungsfrei- heit gedeckt sei.

6. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem ei- ne Verletzung seines Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.

7. Die Rechtsnachfolgerin der Gegnerin des Ausgangsverfahrens, die Polizeidirekti- on Lüneburg, hat zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Dagegen hat das Niedersächsische Justizministerium von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akte des Ausgangsverfahrens hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

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47 II.

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Be- schwerdeführers angezeigt ist.

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen zur Reichweite der Gewährleistung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG bereits entschieden und dabei auch die zu berücksichtigenden Grundsätze entwickelt (vgl. BVerfGE 51, 176 <185>; 96, 27 <39>; 101, 106 <122 f.>; 104, 220 <232>; spezi- ell zu § 124 Abs. 2 VwGO: BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, S. 1163 <1164>; Beschluss der 1. Kam- mer des Ersten Senats vom 8. März 2001 - 1 BvR 1653/99 -, NVwZ 2001, S. 552

<553>; BVerfGK 10, 208 <213>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. Januar 2009 - 1 BvR 2524/06 -, NVwZ 2009, S. 515 <516>; Beschluss der 1.

Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S.

3642 <3643>).

2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gegenüber der öffentlichen Gewalt aus Art. 19 Abs. 4 GG.

a) Das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert demjenigen den Rechtsweg, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten ver- letzt zu sein. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet auf diese Weise nicht einen bestimmten Rechtsweg. Vielmehr wird dem einzelnen Bürger durch dieses Grundrecht lediglich garantiert, dass ihn beeinträchtigende hoheitliche Maßnahmen in irgendeinem ge- richtlichen Verfahren überprüft werden können. In diesem Sinne enthält Art. 19 Abs.

4 GG ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechts- schutz gegen Verletzungen der Individualsphäre durch Eingriffe der öffentlichen Ge- walt (vgl. BVerfGE 51, 176 <185>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; 101, 106 <122 f.>). Die- ser Rechtsschutz darf sich dabei nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpfen, sondern muss zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch ein mit zureichender Entscheidungsmacht ausgestattetes Gericht führen (vgl. BVerfGE 60, 253 <297>; 67, 43 <58>; 101, 106 <123>).

Der Rechtsweg, den Art. 19 Abs. 4 GG dem Einzelnen gewährleistet, bedarf aller- dings der gesetzlichen Ausgestaltung. Rechtsschutz ist eine staatliche Leistung, de- ren Voraussetzungen erst geschaffen, deren Art näher bestimmt und deren Umfang im Einzelnen festgelegt werden müssen. Art. 19 Abs. 4 GG gibt dem Gesetzgeber dabei nur die Zielrichtung und die Grundzüge der Regelung vor, lässt ihm im Übrigen aber einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum. Doch darf er die Notwendigkeit ei- ner umfassenden Nachprüfung des Verwaltungshandelns in tatsächlicher und rechtli- cher Hinsicht und eine dem Rechtsschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und Entscheidungswirkung nicht verfehlen (vgl. BVerfGE 101, 106 <123 f.>).

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51 Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 78, 88

<99>; 87, 48 <61>). Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewähr- leistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger in diesem Rahmen die Effektivität des Rechts- schutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmit- tel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer „leerlaufen“ lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <232>). Mit dem Gebot effekti- ven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine den Zugang zu einem Rechtsmittel er- schwerende Auslegung und Anwendung der einschlägigen Verfahrensvorschriften, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und dadurch den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. November 2008 - 1 BvR 2587/

06 -, NJW 2009, S. 572 <573>). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht – wie hier in den §§ 124, 124a VwGO – den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulas- sung eines Rechtsmittels zu erstreiten. Dieses Gebot wiederum beansprucht Geltung nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe ge- mäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise ebenso für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe selbst (vgl. BVerfGK 10, 208

<213>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642).

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird die angegriffene Entschei- dung des Verwaltungsgerichts nicht gerecht. Die von dem Verwaltungsgericht gefun- dene Auslegung der maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften ist mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar. Indem sich das Verwaltungsgericht weigerte, im Rahmen der Kontrolle des Heranziehungsbeschei- des inzident die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme zu überprüfen, hat es seine Pflicht zu einer in rechtlicher Hinsicht umfassenden Nachprüfung des Verwaltungshandelns verletzt.

aa) Der Landesgesetzgeber hat sich mit § 19 Abs. 3 NGefAbwG a.F. dafür entschie- den, den Amtsgerichten im Wege der abdrängenden Sonderzuweisung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO den Rechtsschutz unmittelbar gegen die Ingewahrsamnahme anzuvertrauen, dagegen die nachgelagerte Prüfung der Rechtmäßigkeit des auf der Ingewahrsamnahme beruhenden Heranziehungsbescheides und, auf das Versamm- lungsrecht bezogen, die vorgelagerte Prüfung der Rechtmäßigkeit der Auflösung der Versammlung bei den Verwaltungsgerichten zu belassen. Diese gesetzgeberische Entscheidung führt bei einer Kette von Hoheitsakten im Ergebnis zu einer Rechts- wegspaltung. Eine solche Rechtswegspaltung hat indes nicht automatisch zur Folge, dass es einem angerufenen Gericht verwehrt ist, Vorfragen zu prüfen, die, wären sie Hauptfrage, in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Gerichts fielen.

Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, der über § 83 Satz 1 VwGO auf die Verwaltungs- gerichtsbarkeit Anwendung findet, gilt der Grundsatz, dass das Gericht des zulässi- gen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen

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53 Gesichtspunkten entscheidet. Dies bedeutet nach allgemeinem Verständnis, dass

das Gericht des zulässigen Rechtsweges auch rechtswegfremde, entscheidungser- hebliche Vorfragen prüft und über sie entscheidet (vgl. zur Intention des Gesetzge- bers: Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des verwaltungsgericht- lichen Verfahrens vom 27. April 1990, BTDrucks 11/7030, S. 37; aus der Literatur:

Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl. 2008, § 13 Rn. 17; Wittschier, in: Musielak, ZPO und Nebengesetze, 7. Aufl. 2009, § 17 GVG Rn. 1; Reimer, in: Posser/Wolff, Beck`scher Online-Kommentar VwGO, § 40, Rn. 228; Zimmermann, in: Münchener Kommentar, ZPO und Nebengesetze, 3. Aufl. 2008, § 17 GVG Rn. 2).

Bei der Frage der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine solche entscheidungserhebliche Vorfrage im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG. Sie betrifft die Auslegung und Anwendung des in § 18 NGefAG a.F. ge- regelten Gewahrsams. Unmittelbarer Prüfungsgegenstand in dem verwaltungsge- richtlichen Ausgangsverfahren ist der gemäß §§ 3 Abs. 1, 14 NVwKostG in Verbin- dung mit § 1 Abs. 1 AllGO in Verbindung mit Nrn. 67.1 und Nr. 67.2 der Anlage erlassene Heranziehungsbescheid. Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des staatlichen Zahlungsanspruchs in Form des Heranziehungsbescheides ist nach § 11 Abs. 1 NVwKostG auch die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Amtshandlung zu untersuchen, da die Vorschrift einen Kostenerlass bei „unrichtiger Sachbehand- lung“ vorsieht. Dieser Kostenerlass gilt auch für rechtswidrige Realakte (vgl. speziell für das niedersächsische Landesrecht: Loeser, NVwKostG, Lfg. 1999, § 1, S. 17, und

§ 11, S. 2 ff.).

Etwas anderes kann das Verwaltungsgericht verfassungsrechtlich tragfähig nicht al- lein darauf stützen, dass der niedersächsische Landesgesetzgeber mit § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 NGefAbwG a.F. in Verbindung mit § 19 Abs. 1 und 2 NGefAG a.F. ne- ben dem präventiven, gegen die noch andauernde Freiheitsentziehung gerichteten Rechtsschutz auch den nachträglichen, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsbeschränkung abzielenden Rechtsschutz nach deren Beendigung den Amtsgerichten zugewiesen hat. § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 NGefAG a.F. ordnet seinem Wortlaut nach auch nicht andeutungsweise an, dass mit der Zuweisung der Überprü- fung des freiheitsbeeinträchtigenden Hoheitsaktes an die Amtsgerichte im Falle eines weiteren daran anknüpfenden Hoheitsaktes, der vor den Verwaltungsgerichten ange- griffen werden muss, letzteren ausnahmsweise die inzidente Prüfung des freiheitsbe- einträchtigenden Hoheitsaktes verwehrt sein soll. Aus der Gesetzesbegründung bei Einführung der Regelung ist ein solcher Ausschluss ebenfalls nicht herzuleiten (vgl.

Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Niedersächsisches Gesetz über die öf- fentliche Sicherheit und Ordnung vom 16. Oktober 1979, LTDrucks 9/1090, S. 81).

Dass der Gesetzgeber die Frage der Rechtmäßigkeit einer Ingewahrsamnahme auch dort, wo sie nur Vorfrage ist, immer einem vorgelagerten eigenen Rechtsschutzver- fahren vor den ordentlichen Gerichten vorbehalten wollte und unter dem Gesichts- punkt des Gebots effektiven Rechtsschutzes zumutbar vorbehalten konnte, legt das Verwaltungsgericht auch sonst nicht in einer den verfassungsrechtlichen Anforderun-

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56 gen genügenden Weise dar. Ohne hinreichenden Grund weicht es somit von dem

Gebot, den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichts- punkten zu entscheiden, ab.

bb) Soweit das Verwaltungsgericht darauf verweist, dass einer Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme durch die Verwaltungsgerichte Erwägungen der Prozessökonomie entgegenstünden, genügen diese Ausführungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Verwal- tungsgericht sieht dabei das Amtsgericht als das gegenüber den Verwaltungsgerich- ten insoweit sach- und ortsnähere Gericht an. Es hat dem Beschwerdeführer vorge- halten, dass es in dessen Risikobereich falle, wenn er von der Rechtsschutzmöglichkeit vor den Amtsgerichten nach § 19 Abs. 2 Satz 1 NGefAG a.F. keinen Gebrauch mache. Dieser Einwand greift indes nicht durch.

Von einer zurechenbaren Versäumung eigener Rechtsverteidigung kann nur dort gesprochen werden, wo der Regelungsgehalt und die Folgen eines Hoheitsaktes in- nerhalb der für die Einlegung des Rechtsbehelfs vorgesehenen Frist erkennbar sind (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Rn. 239 <Februar 2003>). Das einschlägige Landesrecht schließt die Inzidentprüfung der polizeilichen Ingewahrs- amnahme durch die Verwaltungsgerichte im Rahmen der Kontrolle nachgelagerter Hoheitsakte weder für den Einzelnen erkennbar aus noch ordnet es - wie in anderen Bereichen für gestuftes behördliches Handeln - auf der Grundlage eines formalisier- ten Verfahrens eine materielle Präklusion der gegen die Rechtmäßigkeit der Inge- wahrsamnahme gerichteten Einwände an. Der Hoheitsakt der polizeilichen Inge- wahrsamnahme entfaltet daher für den später erlassenen Heranziehungsbescheid keine wie auch immer geartete Vorwirkung (vgl. § 11 Abs. 1 NVwKostG). Dement- sprechend muss sich der betroffene Bürger, wendet er sich gegen den später erlas- senen Heranziehungsbescheid, nicht entgegenhalten lassen, dass er zuvor von der Rechtsschutzmöglichkeit gegen die polizeiliche Ingewahrsamnahme keinen Ge- brauch gemacht hat.

Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auch nicht geprüft, ob dem Beschwerdefüh- rer nach der damals geltenden gesetzlichen Ausgestaltung des Rechtswegs diese Rechtsschutzmöglichkeit tatsächlich offen stand. Die Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 1 NGefAG a.F. eröffnete den Rechtsweg zu den Amtsgerichten nur für den Fall, dass die Freiheitsbeschränkung entweder länger als acht Stunden andauerte oder für die Feststellung ein „sonstiges berechtigtes Interesse“ bestand. Innerhalb der Monats- frist kam ein solcher Feststellungsantrag jedoch nicht in Betracht, weil der Beschwer- deführer die hierfür gesetzlich speziell ausgeformte Sachentscheidungsvorausset- zung des Rechtsschutzbedürfnisses nicht erfüllte (vgl. zu den Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieser speziellen Anforderungen: OLG Celle, <unveröffent- lichter> Beschluss vom 13. Januar 2003 - 17 W 40/02 - unter Berufung auf: BVerfGE 104, 220 <235>; im Anschluss daran: Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 16. Ok- tober 1979, LTDrucks 9/1090, S. 81). Weder dauerte die polizeiliche Ingewahrsam-

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59 nahme des Beschwerdeführers länger als acht Stunden, noch legt das Verwaltungs-

gericht näher dar, dass der Beschwerdeführer ein gesichertes „sonstiges berechtig- tes Interesse“ im Sinne der Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 1 NGefAG a.F. an einer gerichtlichen Feststellung hätte geltend machen können. Der Hinweis des Verwal- tungsgerichts auf eine seiner Ansicht nach vorrangige Entscheidung der Amtsgerich- te geht damit ins Leere.

cc) Die weiteren Erwägungen des Verwaltungsgerichts erweisen sich verfassungs- rechtlich ebenfalls als nicht tragfähig. Da Rechtsschutz nach § 19 Abs. 2 Satz 1 NGe- fAG a.F nicht in Betracht kam, greift dementsprechend der vom Verwaltungsgericht geltend gemachte Einwand bezüglich der - gegenüber den Verwaltungsgerichten herausgehobenen - Sach- und Ortsnähe der Amtsgerichte nicht durch. Auch der von dem Verwaltungsgericht in der Sache vertretene Standpunkt, dem Grundrechts- schutz werde dadurch Genüge getan, dass zwar nicht die Rechtmäßigkeit der Inge- wahrsamnahme, wohl aber die Rechtmäßigkeit der Auflösung der Versammlung, die der Ingewahrsamnahme vorausging, geprüft werde, trägt nicht. Die Prüfung, ob die Auflösung der Versammlung gemäß dem Versammlungsgesetz des Bundes recht- mäßig war, vermag den Verzicht auf die Prüfung, ob die Ingewahrsamnahme nach niedersächsischem Polizeirecht rechtmäßig war, nicht zu kompensieren. Beide Maß- nahmen unterfallen jeweils unterschiedlichen Regelungsregimen, die sich gegensei- tig ausschließen. Das Versammlungsgesetz geht in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vor (vgl. BVerfGK 4, 154 <158>). Auch decken sich die Tatbestandsvoraussetzungen für die Auflösung nicht annährend mit denjenigen für die Ingewahrsamnahme. Diese setzt in formeller Hinsicht voraus, dass entweder nach § 19 Abs. 1 Satz 1 NGefAG a.F unverzüglich eine richterliche Ent- scheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeigeführt wird beziehungsweise dass nach § 19 Abs. 1 Satz 2 NGefAG a.F ausnahmsweise auf die Einhaltung des Richtervorbehalts verzichtet werden kann. In materieller Hin- sicht ist für eine rechtmäßige Ingewahrsamnahme erforderlich, dass sie gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b NGefAG a.F unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorste- hende Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Gefahr für die Allgemeinheit zu verhindern, oder dass sie gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 NGefAG a.F unerlässlich ist, um eine Platzverweisung nach § 17 NGefAG a.F durchzusetzen.

Schließlich ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, insbesondere im Hinblick auf die Dauer der Maßnahme, vorzunehmen (vgl. 4 Abs. 3 NGefAG a.F).

c) Auch die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat den Zugang des Beschwerdeführers zum Berufungsrechtszug dadurch in unzumutbarer Weise erschwert, dass es die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeu- tung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in sachlich nicht zu rechtfertigender und damit willkürlicher Art und Weise abgelehnt hat.

Von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist eine Rechtssa- che immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinaus-

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63 gehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der

Fortbildung des Rechts geboten erscheint.

Ausgehend hiervon hat das Oberverwaltungsgericht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage zum Zeitpunkt der Entscheidung in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verneint. Insbesondere durfte es die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht, worauf es seine Entscheidung maßgeblich stützt, unter Verweis auf den (eige- nen) im Prozesskostenhilfeverfahren unter anderen Verfahrensbeteiligten ergange- nen Beschluss vom 21. November 2003 - 11 PA 345/03 - (NVwZ 2004, S. 760

<760 f.>) verneinen. Aufgrund seines lediglich summarischen Charakters darf das Prozesskostenhilfeverfahren nicht dazu benutzt werden, über ungeklärte Rechtsfra- gen abschließend vorweg zu entscheiden. Ein Fachgericht, das § 114 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass auch schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfe-Verfahren „durchentschieden“ werden können, verkennt die Be- deutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechts- schutzgleichheit (vgl. BVerfGE 81, 347 <358 f.>).

Die von dem Oberverwaltungsgericht in dem Prozesskostenhilfebeschluss als Refe- renz herangezogene Rechtsprechung belegt auch nicht, dass die Rechtsfrage ander- weitig einer gerichtlichen Klärung zugeführt worden wäre. Der zitierte Beschluss aus der Zivilgerichtsbarkeit (vgl. OLG Schl.-H., Beschluss vom 25. April 2001 - 2 W 29/01 -, NVwZ Beilage Nr. I 3 2002, S. 47) stellt lediglich in Bezug auf die nicht eindeutig for- mulierte Vorschrift des § 13 Abs. 2 FrhEntzG a.F. klar, dass die Amtsgerichte die Prü- fungskompetenz für den auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der erle- digten Freiheitsentziehung abzielenden Rechtsschutz besitzen. Zu der hier maßgeblichen, weitergehenden Rechtsfrage, ob den Verwaltungsgerichten im Rah- men der Kontrolle eines Heranziehungsbescheides die inzidente Prüfung der Recht- mäßigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme verwehrt ist, äußert sich der Be- schluss indes nicht. Gleiches gilt für das als Referenz aufgeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 62, 317 <321 ff.>), in welchem lediglich dem Rechtsschutz nach § 13 Abs. 2 a.F. FrhEntzG der Vorrang vor den (parallelen) Rechtsschutzmöglichkeiten nach der Verwaltungsgerichtsordnung eingeräumt wird.

Zu der hier maßgeblichen, weitergehenden Rechtsfrage verhält sich das Urteil eben- falls nicht.

Das Oberverwaltungsgericht konnte sich auch nicht darauf stützen, dass die Rechtsfrage sich ohne Weiteres aus Anwendung anerkannter Auslegungsmethoden ergab, da der von dem Verwaltungsgericht - unter Berücksichtigung des genannten Prozesskostenhilfebeschlusses seines Obergerichts - vertretene Rechtsstandpunkt, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, zu den gesetzlichen Vorgaben und auch sonst anerkannten Auslegungsmethoden in Widerspruch stand.

Nach alledem durfte das Oberverwaltungsgericht die Rechtsfrage mit dieser Argu- mentation nicht als geklärt ansehen und den Antrag des Beschwerdeführers auf Zu- lassung der Berufung ablehnen. Mit der angegriffenen Entscheidung hat das Ober-

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68 verwaltungsgericht den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung

vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtferti- gender und damit willkürlicher Weise verkürzt.

d) Die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen beruhen auf den festgestellten Verfassungsverstößen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen zu einer anderen für den Beschwerdefüh- rer günstigeren Entscheidung gelangen werden.

3. Auf die vom Beschwerdeführer behaupteten Verstöße gegen weitere Grundrech- te kommt es demnach nicht mehr an.

4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwer- deführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG.

Diese Entscheidung ist nach § 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG unanfechtbar.

Kirchhof Eichberger Masing

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2010 - 1 BvR 1634/04

Zitiervorschlag BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2010 - 1 BvR 1634/04 - Rn. (1 - 68), http://www.bverfg.de/e/

rk20100729_1bvr163404.html

ECLI ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100729.1bvr163404

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