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Rechtmäßigkeit einer Ausweisung; Kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis

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VG München, Urteil v. 24.10.2018 – M 25 K 18.1917 Titel:

Rechtmäßigkeit einer Ausweisung; Kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis

Normenketten:

AufenthG § 38a, § 53, § 54 DauerAufRL Art. 22 VwGO § 113 Abs. 1 S. 1 Leitsätze:

1. Den erhöhten Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG, welcher Art. 12 DauerAufRL umsetzt, hat ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Berechtigung erworben hat. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

2. Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr von Straftaten sind unter anderem der konkrete, der Verurteilung zugrundeliegende Sachverhalt, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu berücksichtigen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Ausweisung, Fahren trotz Fahrverbot, Verkehrsdelikte, Langfristig Aufenthaltsberechtigter in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen, Union, Wiederholungsgefahr, Prognose, Bleibeinteresse, Kosovo

Rechtsmittelinstanz:

VGH München, Beschluss vom 12.04.2019 – 10 ZB 19.275 Fundstelle:

BeckRS 2018, 33485  

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch

Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand 1

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen seine Ausweisung, die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und die Festsetzung einer dreijährigen Wiedereinreisesperre.

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Der am ... 1983 geborene Kläger ist kosovarischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben am 4. Mai 2013 in das Bundesgebiet ein. Er besitzt seit 26. Juni 2010 eine unbefristete Erlaubnis zum

Daueraufenthalt EU, ausgestellt von Italien.

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Am 17. Mai 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten einen Aufenthaltstitel zum Zwecke der

Arbeitsaufnahme als Eisenflechter und Maurer. Er gab an, seit 2006 verheiratet zu sein und zwei Kinder zu haben, die weiterhin im Kosovo lebten.

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Auf Grund der Verlegung seines Wohnsitzes beantragte der Kläger am 27. März 2014 die Erteilung eines Aufenthaltstitels beim Landratsamt München. Dem Kläger wurde am 30. April 2014 ein Aufenthaltstitel nach

§ 38a AufenthG gültig bis 23. Mai 2016 erteilt. Mit dem Aufenthaltstitel wurde die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung als Eisenflechter und ab 24. Mai 2014 die Erlaubnis zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit erteilt.

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Strafrechtlich ist der Kläger wie folgt in Erscheinung getreten:

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1. Strafbefehl vom 1. März 2016 des Amtsgerichts …: Verurteilung zu 60 Tagessätzen zu je 15 EUR wegen fahrlässigen Fahrens trotz Fahrverbots in Tateinheit mit fahrlässigem Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsvertrag in 4 Fällen in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort (Tattage:

3. März 2015, 10. April 2015, 5. April 2015).

7

2. Strafbefehl vom 11. Januar 2017 des Amtsgerichts …: Verurteilung zu 120 Tagessätzen zu je 40 EUR wegen fahrlässigen Fahrens trotz Fahrverbots in zwei Fällen (Tattag: 1. Juli 2016, 14. Juli 2016).

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3. Urteil vom 26. März 2018 des Amtsgerichts …: Verurteilung zu 3 Monaten Freiheitsstrafe zur Bewährung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tattag: 9. Mai 2017).

9

Dieser Tat lag folgender Sachverhalt zu Grund: Der Kläger fuhr am 9. Mai 2017 gegen 11:56 Uhr mit seinem PkW auf der …straße in …, ohne die erforderliche Fahrerlaubnis zu besitzen. Dem Kläger war zuvor mit Bescheid vom 23. November 2016 durch die Landeshauptstadt München wegen Erreichens von 8 Punkten nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG das Recht von seiner kosovarischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, aberkannt worden.

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Außerdem wurde ein Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort mit Verfügung vom 6. August 2015 nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Mit Verfügungen vom 13. Februar 2015 und 14. April 2015 wurden Verfahren wegen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz eingestellt und zur Verfolgung als Ordnungswidrigkeit an die Verwaltungsgebehörde abgegeben. Ebenfalls eingestellt mit Beschluss vom 26. Oktober 2017 nach § 154 StPO wurde ein Verfahren wegen Fahrens trotz Fahrverbots.

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Ein Strafverfahren wegen Erschleichens von Aufenthaltstiteln wurde mit Beschluss vom 30. November 2016 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

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Im Fahreignungsregister sind beim Kläger zum 6. November 2017 neben den strafrechtlichen Verurteilungen folgende Bußgeldverfahren eingetragen:

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1. Bußgeldbescheid vom 29. August 2014 wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 40 km/h; zulässige Geschwindigkeit 50 km/h; Tattag: 28. Juni 2014, 23:05 Uhr;

200 EUR Geldbuße, 2 Punkte und 1 Monat Fahrverbot. Dauer des Fahrverbotes bis 9. Oktober 2015.

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2. Bußgeldbescheid vom 19. Mai 2016 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h, zulässige Geschwindigkeit 80 km/h; Tattag: 24. Februar 2016, 8:25 Uhr;

120 EUR Geldbuße, 1 Punkt.

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3. Bußgeldbescheid vom 19. Mai 2016 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 62 km/h, zulässige Geschwindigkeit 60 km/h; Tattag: 8. März 2016, 11:25 Uhr,

880 EUR Geldbuße, 2 Punkte und 2 Monate Fahrverbot. Dauer des Fahrverbotes bis 22. Oktober 2016.

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Nach Anhörung des Klägers wies die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 10. April 2018 aus (Ziff. 1) und lehnte die Erteilung eines Aufenthaltstitels ab (Ziff. 2). Der Kläger wurde zur Ausreise bis zum 11. Mai 2018 aufgefordert und die Abschiebung nach Italien oder einen anderen Staat, in den der Kläger einreisen darf oder der zur seiner Aufnahme verpflichtet ist, angedroht (Ziff. 3). Die Wiedereinreise wurde für die Dauer von 3 Jahren untersagt (Ziff. 4).

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Zur Begründung wurde unter Hinweis auf § 53 Abs. 2 AufenthG im Wesentlichen angeführt, dass auf Grund der verschiedenen Straftaten und der hohen Rückfallgeschwindigkeit davon auszugehen sei, dass der Kläger auch in Zukunft wieder straffällig werde. Der Kläger habe in einer Vielzahl von Fällen und in geringem zeitlichen Abstand straßenverkehrsrechtliche Verstöße, wie Fahren trotz Fahrverbots, Fahren ohne Pflichtversicherung und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, begangen. Auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange des Klägers würden die öffentlichen Belange, die eine Ausweisung erforderten, überwiegen.

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Mit Schreiben vom 19. April 2018, eingegangen bei Gericht am 23. April 2018, erhob die Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte,

den Bescheid der Beklagten vom 10. April 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern.

Zugleich beantragte sie, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (M 25 S 18.1919).

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Mit Schreiben vom 10. Mai 2018 begründete die Bevollmächtigte des Klägers die Klage insbesondere mit den Regelungen in der Richtlinie 2003/109/EU. Nach deren Art. 12 genieße der Kläger besonderen Ausweisungsschutz. Eine Ausweisung könne nur erfolgen, wenn der Ausländer eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen würde. Die beiden Strafbefehle des Amtsgerichts München wegen fahrlässigen Fahrens trotz Fahrverbots rechtfertigten diese Annahme nicht. Die mit Urteil vom 26. März 2018 abgeurteilte Tat sei die erste Vorsatztat. Zu

berücksichtigen sei aber, dass die Strafe wegen der günstigen Sozialprognose zur Bewährung ausgesetzt sei. Die Beklagte habe die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers gegenüber seiner Familie nicht gewürdigt.

Auch beziehe der Kläger keine Sozialleistungen.

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Mit Schreiben vom 12. Juli 2018 beantragte die Beklagte, die Klage abzuweisen.

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In der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2018 wiederholten die Beteiligten die bereits schriftsätzlich gestellten Anträge.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Behörden- und Strafakten zu den Verfahren … Js …16 und … Js …17 und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe 23

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Der Kläger hat zudem keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten auf Verlängerung seiner

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Aufenthaltserlaubnis und ist daher durch die Ablehnung des Antrags vom 10. April 2018 nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Das dreijährige Einreise- und Aufenthaltsverbot ist ebenfalls rechtmäßig ergangen (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

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I. Die Ausweisung des Klägers erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl.

BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12) als rechtmäßig.

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1. Rechtsgrundlage für die Ausweisung ist § 53 Abs. 1 AufenthG, wonach ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen wird, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen am weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

26

Der Kläger kommt nicht in den Genuss des erhöhten Ausweisungsschutzes gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG, der Art. 12 DauerAufRL umsetzt. Nach § 53 Abs. 3 AufenthG darf ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

27

§ 53 Abs. 3 AufenthG erfasst aber nur die Personengruppe, die im nationalen Recht von § 9a AufenthG erfasst wird, nicht jedoch die von § 38a AufenthG erfassten Ausländer, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eine langfristige Aufenthaltsberechtigung nach Maßgabe der DauerAufRL erworben haben und nach Deutschland weiter gewandert sind (VG Darmstadt, B.v. 14.11.2013 - 5 L 604/13.A, Beichel-Benedetti in: Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 25 f., Bauer in:

Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 53 Rn. 65). Den erhöhten Ausweisungsschutz nach Art. 12 DauerAufRL hat der langfristig Aufenthaltsberechtigte nur in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Berechtigung erworben hat (VG Darmstadt, B.v. 14.11.2103, a.a.O.). Dies ergibt sich aus dem Fehlen einer Art. 12 DauerAufRL vergleichbaren Regelung im Abschnitt über die aus dem Daueraufenthaltsrecht des ersten Staates abgeleitete Aufenthaltsposition im zweiten Mitgliedstaat (Kapitel III, Aufenthalt in anderen Mitgliedstaaten, Art. 14 bis 23 DauerAufRL).

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Der im Hinblick auf Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis für in anderen Mitgliedstaaten der

Europäischen Union langfristig Aufenthaltsberechtigte gemäß § 38a AufenthG besitzen, bei der Ausweisung anzulegende Maßstab ergibt sich aus Art. 17 DauerAufRL.

29

Nach Art. 17 Abs. 1 DauerAufRL darf der zweite Mitgliedstaat dem Drittstaatsangehörigen den Aufenthalt versagen, wenn die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt. Der Mitgliedstaat muss bei seiner Entscheidung die Schwere oder die Art des von dem langfristig Aufenthaltsberechtigten begangenen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die

öffentliche Sicherheit bzw. die von der betreffenden Person ausgehende Gefahr berücksichtigen, wobei wirtschaftliche Gründe keine Rolle spielen dürfen (Art. 17 DauerAufRL). Nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) DauerAufRL darf der zweite Mitgliedstaat die Verlängerung des Aufenthaltstitels versagen oder den Aufenthaltstitel entziehen, wenn Gründe der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Art. 17 DauerAufRL vorliegen.

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a.) Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 AufenthG und des Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) i.V.m. Art. 17 Abs. 1 DauerAufRL sind vorliegend erfüllt. Der Kläger stellt weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar.

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Denn von ihm geht eine Wiederholungsgefahr aus. Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und

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folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. zum Prognosemaßstab BVerwG, Urteil vom 15.1.2013 - 1 C10.12 - juris). Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr von Straftaten sind unter anderem der konkrete, der Verurteilung zugrundeliegende Sachverhalt, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu berücksichtigen.

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Der Kläger hat seit seiner Einreise im Mai 2013 innerhalb kurzer Zeit eine Vielzahl von Verkehrsdelikten begangen. Er hat seit seiner Einreise im Jahr 2013 innerhalb von 3 Jahren so viele Punkte nach dem in § 4 StVG geregelten Fahreignungs-Bewertungssystem gesammelt, dass ihm bereits Ende 2016 die

Berechtigung, von seiner kosovarischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, aberkannt wurde.

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Bei genauer Betrachtung der einzelnen Taten fällt auf, dass sie überwiegend in einem engen Zeitkorridor begangen wurden, so z.B. die Taten vom 3. März 2015, 5. April 2015 und 10. April 2015 innerhalb nur weniger Tage, die Taten vom 24. Februar 2016, 8. März 2016, 1. Juli 2016 und 14. Juli 2016 ebenfalls innerhalb nur weniger Tage bzw. Wochen.

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Den Kläger haben weder Bußgeldbescheide, noch strafgerichtliche Verurteilungen, noch die in § 4 StVG vorgesehene Ermahnung bei 3 Punkten, noch die bei 6 Punkten vorgesehene Verwarnung bewogen, sein Verhalten zu ändern, und sich an die Verkehrsregeln zu halten.

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Dieser Umstand wiegt um so schwerer, als der Kläger in diesen Schreiben explizit auf den Verlust seiner Fahrerlaubnis bei Erreichen von 8 Punkten hingewiesen wurde, der Kläger aber laut eigenem Bekunden aus beruflichen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist. Selbst der Aberkennungsbescheid der Fahrerlaubnis durch die Beklagte vom 23. November 2016 hat den Kläger nicht davon abgehalten, ein Fahrzeug zu führen und noch dazu Verkehrsdelikte zu begehen. Am 9. Mai 2017 ist er erneut wegen eines erheblichen Geschwindigkeitsverstoßes aufgefallen. Dies zeigt, dass dem Kläger die Regelungen im Straßenverkehr gleichgültig sind.

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Dabei handelt es sich bei den Verstößen nicht um geringfügige Verstöße. Die Straßenverkehrsregeln dienen nicht nur der Leichtigkeit des Verkehrs, sondern insbesondere auch der Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer. Der Kläger hat vor allem mit den erheblichen Geschwindigkeitsverstößen innerorts von 26 km/h bzw. 40 km/h über der zulässigen Geschwindigkeit und außerorts von 26 km/h und 60 km/h über der zulässigen Geschwindigkeit die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdet. Die in diesen Fällen vorgesehene Punktebewehrung zeigt, dass es sich um sicherheitsrelevante Verstöße handelt.

Da es sich vermutlich überwiegend um beruflich veranlasste Fahrten gehandelt hat, stellte der Kläger sein eigenes Fortkommen über die Interessen und das Sicherheitsbedürfnis der übrigen Verkehrsteilnehmer.

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Auch die Folgen eines Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz können erheblich sein. Denn im Schadensfall bleiben die Unfallgegner auf ihren Kosten sitzen.

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Der sich im Verhalten des Klägers widerspiegelnde egozentrische Charakterzug spricht für eine Wiederholungsgefahr.

39

Die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe jetzt eine Arbeit als angestellter Polier und werde vom unternehmenseigenen Bus zu den Baustellen gefahren bzw. benutze die öffentlichen Verkehrsmittel, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.

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Zum einen dürften die Fahrten, die in der Nacht stattfanden, nicht aus beruflichen Gründen erfolgt sein, was zeigt, dass der Kläger auch privat auf die Einhaltung der Verkehrsregeln keinen Wert gelegt hat.

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Zum anderen geht die gesetzliche Wertung des § 4 Abs. 10 S. 4 StVG von einer Wiederholungsgefahr aus.

Ein Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis darf frühestens nach 6 Monaten nach der Entziehung gestellt werden. Der Gesetzgeber hat zudem die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis im Falle eines Verlusts der Fahrerlaubnis bei Erreichen von 8 Punkten regelmäßig von einer positiven medizinisch-psychologischen Untersuchung abhängig gemacht. Durch diese soll festgestellt werden, ob der Kläger sich zukünftig an die Verkehrsregeln hält. Solange ein positives Eignungsgutachten nicht vorgelegt wurde, besteht eine

Wiederholungsgefahr.

42

b.) Die Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (§ 53 Abs. 1 AufenthG), dass das öffentliche Interesse überwiegt.

43

Bei der Abwägung ist die in Art. 17 Abs. 1 DauerAufRL angeführte Schwere der Tat und die Art des von dem langfristig Aufenthaltsberechtigten begangenen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen.

44

Es liegt ein schweres Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vor. Der Kläger hat nicht nur einen vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen. Geringfügigkeit wird in der Praxis angenommen bei einer Verurteilung wegen einer fahrlässigen Tat von bis zu 30 Tagessätzen, der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO mit einer Auflage bis zu 500 EUR und einem

Bußgeld bis zu 500 EUR (vgl. Tanneberger in BeckOK Ausländerrecht, 18. Auflage, zu § 54 AufenthG, Rdn.

118). Vorliegend wurde der Kläger mit Strafbefehl vom 1. März 2016 zu 60 Tagessätzen, mit Strafbefehl vom 11. Januar 2017 zu 40 Tagessätzen und mit Urteil vom 26. März 2018 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Geldbuße im Bußgeldbescheid vom 19. Mai 2016 beträgt 880 EUR.

Der Tatbestand des schweren Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ist damit erfüllt.

45

Ein Bleibeinteresse des Klägers nach § 55 AufenthG liegt nicht vor. Insbesondere lebt die Familie des Klägers im Kosovo.

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Auch die bei der Abwägung zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalles gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG führen zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Ausweisungsinteresse das private Bleibeinteresse des Klägers überwiegt. Der Kläger hat gerade ein neues Arbeitsverhältnis als Polier aufgenommen, in dem er sich in der Probezeit befindet. Seine beiden Firmen hat er aus wirtschaftlichen Gründen aufgelöst. Seine wirtschaftlichen Bindungen in der Bundesrepublik sind damit nicht verfestigt. Seine Ehefrau und seine beiden Kinder leben nach wie vor im Kosovo. Sonstige Bindungen des Klägers im Bundesgebiet sind nicht ersichtlich. Beim Kläger handelt es sich um einen gesunden, erwachsenen Mann, der in Italien über ein langfristiges Aufenthaltsrecht verfügt und die dortige Landessprache spricht. Der Kläger hat nach eigenen Angaben vor seiner Einreise nach Deutschland 10 Jahre in Italien gelebt und gearbeitet. Allein die dortige Wirtschaftskrise hat den Kläger bewogen, nach Deutschland zu gehen. Es ist dem Kläger daher möglich und zumutbar, nach Italien zurückzugehen.

47

2. Auch die in Ziff. 2 des Bescheides erlassene Ablehnung des Aufenthaltstitels ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Einer Erteilung steht nach erfolgter Ausweisung die Regelung des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen.

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3. Auch die Abschiebungsandrohung nach Italien in Nr. 3 des Bescheides ist rechtmäßig. Die Beklagte hat dem Kläger rechtmäßig (nur) die Abschiebung in den ersten Mitgliedstaat, in dem er langfristig

aufenthaltsberechtigt ist, angedroht, § 59 Abs. 2 AufenthG.

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Art. 22 DauerAufRL unterscheidet zwischen Rückführung und Rückübernahme. Unter Rückübernahme versteht die Daueraufenthaltsrichtlinie die Gestattung der Wiedereinreise in den ersten Mitgliedstaat.

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Rückführung ist demgegenüber die Entscheidung, dass der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Union verlassen muss.

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Vorliegend hat die Beklagte als Zielstaat der Abschiebungsandrohung den ersten Mitgliedstaat benannt.

Dies ist unter den hier gegebenen Voraussetzungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) i.V.m. Art. 17 Abs. 1 DauerAufRL möglich. Der erste Mitgliedstaat ist in diesem Fall verpflichtet, den langfristig

Aufenthaltsberechtigten unverzüglich und ohne Formalitäten zurückzunehmen (Art. 22 Abs. 2 Satz 1 DauerAufRL).

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4. Auch die nach Ermessen zu treffende Befristungsentscheidung in Nr. 4 des Bescheides begegnet keinen rechtlichen Bedenken (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Ermessensfehler der Beklagten sind nicht ersichtlich.

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II. Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

53

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§

708 Nr. 11, 111 ZPO.

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