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als Quellen zur Erforschung der Afrilcanischen Diaspora im 17. bis 19. Jh.

Von Monika Firla, Smttgart

1. Vorbemerkung

Kirchenbücher, Kuchenakten (Akten in kirchlichen Archiven, die sich mit kirchlichen

Verwaltimgsangelegenheiten befassen) imd Taufpredigten sind zusammen mit den

weltlichen Akten (Akten in staatlichen, städtischen etc. Archiven) wichtige Quellen zur

Erforschung der Afrikanischen Diaspora in Europa. Im folgenden soll dies für den

Zeitraum vom 17. bis zum 19. Jh. anhand einiger Beispiele aus dem lutheranischen und

pietistischen deutschsprachigen Bereich verdeutiicht werden, um den Blick der For¬

schung verstärkt auf diese Quellenkategorie zu lenken.

2. Die Kirchenbücher

Die Kirchenbücher spezifizieren sich bekanntlich in Taufbücher, Trauungsbücher und

Totenbücher und köimen chronologisch bzw. (falls keine Kriegs- oder ähnliche Verluste bestehen) lückenlos ausgewertet werden. Aus diesem Grund sind relativ rasch Personen auffindbar, die in weltlichen Akten erst nach langwierigen Recherchen oder auch gar nicht belegbar sind. Außerdem enthalten Kirchenbücher Angaben zum (geschätzten) Alter, der mittelbaren oder unmittelbaren Herkunft, zum Käufer bzw. Mitbringer nach Europa, zu den Paten, zum Ehepartner, Beruf usw., die das soziale Umfeld dokumentie¬

ren, in dem sich die Afrikaner bewegten.

Beispiele für Einh-äge in Taufbüchern sind a) der Taufeintrag für Christian Real (1657), b) Eberhard Friedrich (1713) und c) Friedrich Dick (1822):

Zu a) Zu Christian Real existiert zwar eine Bemerkung in den Ratsprotokollen der Stadt Lindau im Bodensee von 1657, die auf seine bevorstehende Taufe hinweist, nicht

jedoch seinen Namen nennt.' Das Taufbuch der örilichen St. Stephanskirche enthäh

dagegen den Taufhamen und ermöglicht somit die Identifizierung des Täuflings.-^

Zu b) Eberhard Friedrich ist bisher in den Beständen des Hauptstaatsarchivs Stuttgart (HStAS) nicht belegbar, obwohl bei seüier Taufe am 28. März 1713 Herzog Eberhard

' Stadtarchiv Lindau i. B.: Ratsprotokolle von 1657, S. 147.

^ St. Stephanskirche Lindau i. B.: Taufbuch, Eintrag vom 17. Mai 1657. Zu Christian Real vgl. auch M. Firla/H. FORKL: Afrikaner und Africana am württembergischen Herzogshof im 1 7. Jahrhundert. In:

Tribus 44 (1995), S. 149-193, hier S. 153-163.

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Ludwig von Württemberg einer der Paten war. Die Herkunftsangabe, Eberhard Chri¬

stoph sei "ein Asiatischer Mohr Von Masulipatna [Masulipatam] von der Cüste Coro¬

mandel",' zeigt außerdem, daß die vermeintlich stets Afrikanische Diaspora der "Moh¬

ren" sich gelegentlich aus (dunkelhäutigen) Südindem rekrutierte.

Zu c) Das ganze Leben in Stichpunkten verzeichnet der - nachträglich überdies um die Sterbedaten ergänzte - Eintrag zu Friedrich Dick vom 1. September 1822 im Tauf¬

buch der Christuskirche in Aeschach am Bodensee (heute: Lindau-Aeschach). Die

Angabe des Sterbeorts Erbach (heute: Eltville-Erbach) ermöglicht zudem eine zusätzli¬

che Recherche im entsprechenden Totenbuch: Friedrich Dick, etwa 1782'' "auf der Goldküste von Africa"' geboren, war seit 1800 Sklave des Plantagenbesitzers Martin Matthias von Rader in "Berbice" (im heutigen Surinam). Dieser nahm ihn bei seiner Rückkehr nach Europa mit, wo er sich als Besitzer des Gutes "Zum Engel" in Aeschach a. B. niederließ.' Auch in der Folge blieb Dick in Diensten von Raders und starb als dessen "Bedienter" 1836.'

Von unschätzbarem Wert sind auch Einträge zu Taufen der zweiten Generation von

Afrikanem, die in der Regel Einheimische heirateten, da die Liste der Taufpaten zeigt, zu welchem Personenkreis die erste Generation und deren Ehepartner nähere Beziehun¬

gen unterhielten und in welchem sozialen Umfeld sie sich bewegten: Die Paten des

kleinen Friederich Dominicus Wilhelm Deacosta, Sohn des afrikanischen Trompeters in

herzoglich-württembergischen Diensten Dominicus Joseph Deacosta und seiner Frau

Sibylla, geb. Lehmann,* am 20. Mai 1727 waren a) Herzogin Johanna Elisabeth von

Württemberg, b) ihr Sohn und Erbprinz Friedrich Ludwig, c) ein Lieutenant, d) ein

Regierungsratssekretär, e) ein afrikanischer Garde-Pauker, f) ein Werkmeister, g) eine Trompetersfrau, h) eine Stadtzinkenistenfrau und i) eine Urgroßmutter des Täuflings mütterlicherseits.' Besondere persönliche Beziehungen unterhielten Deacosta und seine Frau somit zur herzoglichen Familie, zu deren Hofstaat er von 1717-1733/34 gehörte und die ihm die Trompeterlehre ermöglicht hatte,'" zu Bemfskollegen bzw. deren Familien und zum vermutlich ältesten Familienmitglied in Gestalt der schon erwähnten Urgroßmutter. Der Lieutenant dürfte ein Vorgesetzter gewesen sein; das Verhältnis zum Werkmeister ist noch ungeklärt. Zu den namensgebenden Paten gehörte der afrikanische

^ Landeskirchliches Archiv Stuttgart (LkAS): Stiftskhche Stuttgart, Taufbuch KB 111.

" Christuskirche Lindau i. B.-Aeschach: Taufbuch, Eintrag vom 1. September 1822.

' Kirchengemeinde Eltville-Erbach: Totenbuch, Eintrag vom 8. September 1836.

' Wie Arun. 4.

' Wie Anm. 5.

' Zu letzterem vgl. M. FlRLA: Afrilcanische Pauker und Trompeter am württembergischen Herzogshof im 17. und 18. Jahrhundert. Erscheint in: Musik in Baden-Württemberg 3 (1996).

' LkAS: KB 111/112. Zur Verifiziemng der einzehien Personen vgl. Firla: op. cit (Anm. 8).

Vgl. ibid

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Pauker-Kollege Eberhard Wilhehn, der wie Deacosta sen. bei der Leibgarde diente." Ob dies auf einen besonderen Zusammenhah der Afrikanischen Diaspora im vorliegenden Fall schließen läßt, bleibt noch unentschieden.

Auch Trauimgsbücher bergen Belege fur die Afrikanische Diaspora bzw. geben, wie

im folgenden Fall, Hmweise zur gezielten Weitersuche in den weltlichen Akten. So fand

sich im Trauungsbuch der Gemeinde Ludwigsburg (von 1718-33 und 1764-75

herzoglich-württembergische Residenzstadt) am 6. September 1718 der Eintrag über die Eheschließung des Kammermohren Wilhelm Samson, der "krafft Hochfürstl. Conces- sionsbefehls" des Herzogs die Mutter seiner beiden Kinder heiratete.'^ Die Vermutung, daß die Erwähnung des "Concessionsbefehls" auf eine Behandlung der Angelegenheit

durch das Württembergische Ehegericht hindeuten könnte, bestätigte sich. Denn die

entsprechenden Akten belegen, wie Samson zunächst den damaligen Hofprediger

Samuel Urisperger bat, für die Übersiedlung seiner (angeblichen) Ehefrau aus England,

woher er selbst nach Stuttgart gekommen war, einzutteten. Einige Monate später be¬

antragte Samson jedoch bei einem der anderen Hofprediger die Trauung mit einer

Stuttgarterin und behauptete, seine frühere Bezugnahme auf eine Ehefrau in England sei ein "Scherz" gewesen. Urlsperger meldete Zweifel an und befürchtete einen Fall drohen¬

der Bigamie, verhinderte die Eheschließung zunächst und ließ nach der angeblichen Ehefrau Samsons m England fahnden - offensichtiich ohne Ergebnis." Vermutlich hatte

Samson eine frühere Geliebte in England als rechtmäßige Ehefrau ausgegeben, damit

Urisperger sich für deren Übersiedlimg einsetzen sollte. Herzog Eberhard Ludwig hatte schließlich, wie der Einttag im Ehebuch zeigt, an einen seiner anderen Hofprediger den Befehl zur Trauung gegeben, was er als Vorsitzender des Konsistoriums ohne weiteres

konnte. Möglicherweise hatte sein Kammermohr Samson ihm die Schwindelei in einer

stillen Stimde gestanden.

Auch die Durchsicht von Totenbüchem lohnt sich für die Suche nach Vertretem der

Afrikanischen Diaspora. Dies zeigt beispielsweise der Eintrag vom 18. Juni 1831 im

Totenbuch der Hofkirche Stuttgart, der vermerkt, daß sich an diesem Tag "Heinrich Mursal (Qheralla)" aus dem königlichen Hofstaat, etwa 17 Jahre alt und "aus Dandel-

di in der nubischen Provinz Darfiu, Sohn heidnischer Altem aus edlem Krieger-

Geschlechte [...] im Hasenberg" (im heutigen Stadtteil Stuttgari-Hedelfmgen) "aus Kummer über sein Schicksal" erschossen hatte. Sein Skelett erhielt das könighche Naturalienkabmett.'" Auch dieser Kirchenbuchemtrag ermöglicht weitere Recherchen im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und dem Natiukundemuseum Stuttgart als "Erbe" des Natiualienkabinetts.

" Vgl. ibid.

LkAS: KB 646.

" Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HStAS): A 238a Bü 31.

LkAS: KB 70.

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3. Die Kirchenakten

Im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart (LkAS) befmden sich Kirchenakten, die sich mit der bevorstehenden Taufe von insgesamt zehn "Mohren" bzw. "Mohriimen" zwischen 1719 imd 1841 befassen." Wie in den Kirchenbüchem, so fanden sich auch dort Perso¬

nen, die in den weltlichen Akten des Hauptstaatsarchivs Stuttgart bisher nicht belegbar

sind. Besondere Bedeutung kommen den vier Funden bezüglich Personen zu, die sich

ausschließlich in Privathaushalten aufhielten und nicht zum herzoglichen bzw. königli¬

chen Hofstaat gehörten. Es waren dies:

- 1719 ein in Ostindien von einem Apotheker (damals in Diensten der Holländisch-

Ostindischen Kompanie stehend) gekaufter und nun mit nach Münster bei Stuttgart

(heute: Stuttgart-Münster) gebrachter jugendlicher "Mohr" bzw. Ostinder. Er erhielt bei einem Pfarrer Privatunterricht;

- 1756 ein im Ausland von einem Obrisdieutenant (ehemals in französischen Dien¬

sten stehend) gekaufter und mit nach Stuttgart gebrachter etwa zwölQ ähriger Afrikaner.

Er besuchte eine Stuttgarter Schule;

- 1780 eine 1779 aus Surinam mit einem ehemaligen Kaffeeplantagenaufseher nach

Katharinenplaisir (bei Cleebronn, Landkreis Ludwigsburg) gekommene Afrikanerin,

zusammen mit dem gemeinsamen fiinfjährigen Sohn. Beide erhielten von Pfarrem

Privatunterricht."

Der kleine Mohr Heinrich schließlich wird im auf den Beständen des Hauptstaats¬

archivs Stuttgart basierenden Neuen Württembergischen Dienerbuch nur kurz als Pflege¬

kind des Kammermohren delli Santo Belli im Jahr 1767 erwähnt." Aus den Kirchen¬

akten des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart jedoch erfahren wir unter anderem, daß er

1759 im Alter von etwa sieben bis acht Jahren m Surinam gekauft, 1764 Herzog Carl

Eugen von Württemberg geschenkt und von diesem wiederum seinem Kammermohren

übergeben wurde, worauf er dieselbe Schule besuchte wie der oben bereits erwähnte kleine Afrikaner im Haushalt des Obristlieutenants."

Denselben Kirchenakten verdanken wir den seltenen Hinweis auf eine jugendliche Afrikanerin im landesherrlichen Hofstaat im Jahr 1829. Sie stammte aus "Nubien" und

wurde von Königm Paulme von Württemberg emer Gouvemante in Stuttgart-Berg zum

Unterricht anvertraut."

4. Tau^redigten

Als seltene Kostbarkeit erweisen sich gedmckt erhaltene Taufpredigten aus Anlaß einer

" LkAS : A 26/403; A 26/510/2c; A 26/511.

" LkAS: A 26/403.

" W. PfeilstickeR: Neues Württembergisches Dienerbuch. Bd. 1. Stuttgart 1957, § 289.

'»LkAS: A26/510/2C.

"LkAS: A 26/511.

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"Mohrentaufe". Sieben von diesen aus der Zeit zwischen 1657 und 1826 sind in diesem

Zusammenhang zu neimen^" imd köimen im Hinblick auf folgende Aspekte, die sich

allerdings z.T. überschneiden, ausgewertet werden:

a) biographische Daten zum Täufling wie z.B. früherer Name, Taufname, Lebens¬

umstände zur Zeit der Taufe, Herkunft, Weg nach Europa, Käufer bzw. Mitbringer;

b) Afrikabild und/oder Kenntnis von Afrika seitens des Predigers oder mit diesem in

Kontakt stehender Personen;

c) missionstheologische Prämissen.

Zu a) Aus Jacob Fusseneggers 1657 gehaltener Predigt erfahren wir u.a. die folgen¬

den Details: Der Täufluig Christian Real war 1657 (geschätzte) 14 Jahre alt,^' Sohn eines

Königs und als ganz kleines Kind zimächst von Afrikanem geraubt und in der Folge

insgesamt neunmal, zunächst an Portugiesen, dann an Holländer, weiterverkauft worden.

Er fuhr emige Jahre zur See, bevor üm der Lindauer Joß Kramer auf Säo Tome erwarb,^^

^° J. Fussenegger: MohrenTauff / das ist: Christliche Tauffpredigt / Aus der ordentlichen und gewöhnli¬

chen Fest=Epistel / des Heiligen Pfingsttags Actor, [heutige Bezeichnung: Apostelgeschichte] //, 1-13.

Bey der Tauff eines bekehrten Mohrens / Welcher vom Herrn Joß Kramer aus dem Königreich Guinea in Africa gelegen / in des Heiligen Röm. Reichs Stadt Lindau im Bodensee gebracht / und daselbst in der Pfarrkirchen zu St. Stephan am Abend des Heiligen Pfingstfestes getauffet worden. Mit angeheng- tem Bericht / wie der Tauffactus verrichtet worden. Gehalten den 17. Maji dieses 1 657 Jahres / in sehr Volckreicher Versammlung / und auff Begehren in Druck gegeben. Nümberg 1658. Diese Predigt erschien gewissermaßen in einer 2. Auflage, jedoch ohne die 13 in der Ausgabe von 1658 enthaltenen Glückwimsch-Gedichte; J. Fussenegger: Mohren rau/[derselbe Titel wie 1658, jedoch mit orthographi¬

schen Varianten], In: G. Albrecht: Meletemata Festivalia. Oder Schrifftmäßige Außlegung deren auff die vier hohe Fest als Weyhenacht I ostern AuffartsTag und Pfingsten / verordneten Evangelien / in hundert und neun Predigten f...f Sambt angehengten nützlichen Registern / Und vom Verleger beyge- fügter Mohren= Tauff Predigt / Herrn M. Jacobi Fusseneggers. Ulm 1660 (Fusseneggers Predigt ist

nach dem Register, am Ende des Bandes abgedmckt und verfügt über eine neue Zählung), Da diese Ausgabe leichter zugänglich ist, zitiere ich, wo nicht anders angegeben, aus ihr; C. von Lilien: Das Christ-glaubige Mohren-Land / Bey Abgestellter Tauffe Einer Möhrin / In der Pfarr-Kirche / der Hochßrstl. Residenz-Stadt Bayreuth / am 13. Christmonats-Tag / des 1668. Jahres/in Hochansehnlich¬

ster und sehr volkreichen Versammlung / aus dem 32. Versch [sie !] des LXVIII. Psalms gezeiget /und Auf Gnädigstes Begehren /Samt denen Glaubens-Bekenntnissen des Königs in Mohren-Land Claudii, und Bischofs Zaga Zabo. Bayreuth [1668]; [L. F. Reinhart]: Mohrin-Tauf / so geschehen in Altdorf am Tage Zucharii den 20.Febr. A. 1688. Altdorf 1688. Für den Hinweis auf diese beiden Predigten und den unten noch zu erwähnenden Aufsatz von R,-M, KIEL (Anm, 36) danke ich ganz herzlich Herrn Dr, Hartmut Heller, Universität Erlangen-Nümberg, Abt, Landes- und Volkskunde, Nümberg, - S, Uris¬

perger: Philippus und der Cämmerer: Wie solche In der Hoch=Fürsd. Würtembergiscben Hof=Capelle in Stuttgart Bey Der Tauffe Eines Mohrenländischen Jünglings zusammen kommen / Und in einer den 1. Martii 1716. gehaltenen jetzo aber auff Begehren zum Druck beförderten Predigt zur Erbauung fürgestellet worden. Stuttgart [1716]; C, W, Alers: Rede bey der Taufe eines erwachsenen Mohren.

Gehalten am lOten Trinitatis =Sonntage den 3ten August 1777. Hamburg 1777; G, G, Beyer: Predigt und Reden am 5ten Sonntage nach Trinitatis als der Durchlauchtigsten regierenden Frau Herzogin von Mecklenburg, Mohr in der Hof=Kirche zu Ludwigslust öffentlich getauft worden gehalten und auf Höchsten Befehl dem Druck überlassen. Rostock 1777; J, G, Neumaim: Einige Nachrichten von der in Görlitz lebenden Negerin, in der heiligen Taufe Marie Friedr. Wilh. Djoppo genannt, nebst dem Taufactus. Göriitz 1826,

^' Fussenegger: op. cit 1660 (Anm. 20), S. 3.

" Ibid., S, 47, Kramer war 1656-57 Vizekommandant der Schwedischen Afrikanischen Kompanie; s.

Firla/ FORKL: op. cit (Anm.2), S. 154.

(6)

ihn mit nach Lindau nahm und dort seinem ahen Freund Fussenegger zum Rehgions- unterricht anvertraute." Reals Paten waren der damalige Lmdauer Bürgermeister und der Jurist und Diplomat Valentin Heider, der noch heute als größter Sohn Lindaus gilt.^" Ein einzigartiges Dokument für das gesellschaftliche Umfeld, in dem sich der Täufling in

Lindau bewegte, stellen die 13 Glückwimsch-Gedichte von elf Augsburger bzw. Lin¬

dauer Juristen, Theologen und Ärzten dar, die dem Predigttext als "Amicorum Carmina"

folgen." Sie belegen u.a. das dem Täufling entgegengebrachte Wohlwollen von seiten dieser Honoratioren.

Eine Fülle von biographischen Daten enthält auch Joharm Gottlieb Neumaims 1826

in Görlitz gehaltene Predigt. Täufling war eine 15-16jährige Afrikanerin aus einer der nichtmuslimischen Gruppen der Region Där Fertit in der heutigen Republik Sudan." Sie wurde 1822 in Kairo im Alter von neuneinhalb Jahren von einem Görlitzer Tuchhändler gekauft.^' Die Predigt nennt als einzige der sieben ausgewerteten den afrikanischen

Namen des Täuflings,-* verzeichnet detaillierte Angaben zur heimatlichen Tier- und

Planzenwelt, Wirtschaftsweise, politischen Organisation und Religion nebst einer

Wortliste," und verrät auch eine gewisse Kennmis von in der Predigt namentlich ge¬

nannten Autoren wie Clapperton, Burkhardt und Derüiam.'" Allerdings zeigt der Ver¬

gleich dieser Angaben mit Stichproben in der einschlägigen Literatur zu Sprache und Kultur von Där Fertit," daß es sich hier (unter Verwendung vager Kindheitserinnenm- gen des Täuflings) um den mehr oder weniger geschickten Versuch handelt, der jungen Afrikanerin eine umfassende biographische Identität zu konstruieren.

Überhaupt keine biographischen Daten, auch nicht den Namen, außer daß es sich um einen "Jüngling" im Hofstaat des württembergischen Herzogs handelt, enthält Samuel

" Fussenegger: op. cit. 1660 (Anm. 20), fol. 5v.

" Ibid., S. 51. Zu Heider s. FIRLa/Forkl: op. cit (Anm. 2), S. 157.

" Fussenegger: op. cit 1658, fol. 43v ff Vgl. hierzu auch M. Firla: "Amicorum Carmina ". Gelegen¬

heitsgedichte anläßlich der Taufe des Mohren Christian Real am 17. Mai 1657 in Lindau im Bodensee.

Erscheint in: Etudes Germano-Africames 15 (1997). Zum weiteren Lebensweg Reals s. Firla/ Forkl:

op. «7. (Anm. 2), S. 157-163.

Neumann: op. cit (Anm. 20), S. 3.

" Ibid., S. 1 ff

Ibid., S. 2: "Dodamsi Mandaya Mandjoppo".

"/Wrf., S. 11 ff

^"Ibid, S. 3-6.

" G. Schweinfurt: Im Herzen Afrikas. Reisen und Entdeckungen im zentralen Aquatorial-Afrika während der Jahre 1868-1871. Ein Beitrag zur Entdeckungsgeschichte von Afrika. 3., verb. Aufl.

Leipzig 1918; S. Santandrea: // gruppo Ndogo del Bahr-El-Ghazäl Tribü Ndogo - Sere - Bai - Bviri e Golo. In: Annali Lateranensi (Rom) 2 (1938), S. 175-353: Ders.: IKresh (Bahr el Ghazäl, Sudan).

Brevi note etnografiche. In: Annah del Pontificio Museo Missionario Etaologico 33 (1971), S. 125-210;

M. Mann/ D. Dalby: A Thesaurus of Afriean Languages. A Classified and annoted inventory ofthe spoken languages of Africa. With an appendix on their written representation. London u.a. 1987. Diese Hinweise verdanke ich memem Mann, Dr. Hermann Forkl, Linden-Museum Stuttgart.

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Urlspergers Predigt von 1716 in Stuttgart.'^ Statt dessen spickt er seine Rede mit Anspie¬

lungen auf die moralische Reformbedürftigkeit des Stuttgarter Hoflebens." Mit dieser Entpersönlichung des Täuflings wollte Urisperger zweifellos die universale Bedeutung von Umkehr und Bekehrung in den Vordergrund stellen, die sich bereits in der Titelfas¬

sung der Predigt offenbart:" nicht Urisperger und ein namentlich bestimmter "Jüngling"

trafen vor dem Altar aufeinander, sondem "Philippus tmd der Cämmerer" der meroiti¬

schen Königin (Candake) aus Apg. 8: 26-40.

Zu b) Die Kenntais von Afrika ist meist gering. Eine gewisse Ausnahme stellt hier von Lihens 1668 in Bayreuth gehaltene Predigt" dar, die, wie Rainer-Maria Kiel in seinem eindmcksvollen Pionieraufsatz belegt, "das zeitgenössische Wissen über Äthio¬

pien unter Verwendung von Fach- und Spezialliteratur referiert","" was sicherlich auf

den gemeinsamen Bezugspimkt der christhchen Religion zurückzufuhren ist.

Fussenegger in Lindau 1657 dagegen, der sich mit dem "Fetischglauben" der Lands¬

leute seines Schützlings konfrontiert glaubte," beschäftigte sich nicht weiter mit dessen

Heimat, was sich außerdem aus einer einmal dixrchscheinenden Besorgnis heraus er¬

klären läßt, es könnten "Affenteurliche [abenteueriiche] Sitten / Geberden / und Kleider"

in Lindau Einzug halten.'*

Die schwarze Hautfarbe, für Kant ein Indiz für die geistige "Umnachtang" der Afrikaner," ist für die wenigen, sie erwähnenden Prediger entweder "zufällig[.]"''° oder das "Werk des Allerhöchsten""' und somit nicht von negativer Bedeutung. Dort, wo ausnahmsweise die These zur Sprache kommt, die schwarze Hautfarbe sei eine Folge der Verfluchung Hams durch Noah, wird sie als nicht beweisbar verworfen."^

Zu c) Die zum Ausdmck korrunenden nüssionstheologischen Prämissen verdeutlichen die Rolle der Taufe als Akt der religiösen und somit sozialen Integration der Vertreter der Afrikanischen Diaspora als "Glaubensbrüder". "' Der Anlaß der Taufe und die beteiligten Personen einschließlich der anwesenden Gemeinde werden kontinuierlich auf

" Urisperger: op. cit. (Airni. 20), S. 36.

"Ibid.S. 17-21,23-25, 32,38.

" Vgl. Urisperger: op. cit. (Aiun. 20).

" Von Lilien: op. cit. (Anm. 20).

" R.-M. KIEL: Das christglaubige Mohrenland oder Was Caspar von Lilien über Äthiopien predigte. In:

Archiv fiir Geschichte von Oberfranken 65 (1985), S. 379-394, hier S. 393.

" Fussenegger: op. cit. 1660 (Anm. 20), S. 3.

" IbidJoX. 5r.

" Vgl. M. FiRLA-FORKL: Philosophie und Ethnographie. Kants Verhältnis zu Kultur und Geschichte Afrikas. In: C. WUNSCH (Hrsg.): XXV. Deutscher Orientalistentag, Vorträge, München 8.-13.4.1991.

Stuttgart 1994, S. 432-442, hier S. 437.

Alers: op. cit (Anm. 20), S. 17,

" Von Lilien: op. cit (Anm, 20), S, 11.

« Ibid

" Alers: op cit (Anm, 20), S, 1 lf

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den Kontext der Bibel bezogen, in diesen eingeordnet und mit seiner Hilfe gedeutet. Auf der Basis des Markusevangeliums 16: 15 ("Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Creatur") betonen die Prediger, daß sich die "Frohe Botschaft" ohne Unterschied an alle VöUcer richte.** Dabei nivellieren sie auch den Unterschied zwischen Täufling und Gemeinde, indem sie in Erinnenmg rufen, daß deren Mitgheder selbst vor ihrer Taufe "Heiden" gewesen waren."' Immer wieder wird der Täufling mit bereits in

der Bibel genannten Afrikanem verglichen: mit dem Kämmerer der meroitischen

Königin (Candake), der nach der Taufe diuch Philippus seiner Heimat das Christentum brachte (Apg 8: 26-40),"' und/oder mit Ebedmelech, der den Propheten Jeremias durch

sein mutiges Zeugnis gegenüber König Zedekia vor der Hinrichtung rettete (Jer. 37-

39)."' All diese Varianten der Einordnung in den biblischen Kontext verleihen der Taufsituation eine intensive Aura des Wiedererkermens von seit alters Bekanntem.

5. Schlußbemerkung

Während Kirchenbücher und Kirchenakten vor allem biographische Einzeldaten liefem,

dokumentieren die Taufpredigten umfassend die theologische Haltung gegenüber der

Afrikanischen Diaspora in ihrem zur Unvoreingenommenheit entschlossenen Integra¬

tionswillen. Insofem sind sie wertvolle Zeugnisse für die neben der rassistischen"* sehr wohl auch existierende antirassistische Tradition der Sozial- und Geistesgeschichte.

Eine systematische Auswertung der Bestände in Kirchengemeinden, kirchlichen

Archiven und Bibliotheken empfiehlt sich vor allem im Hinblick auf ehemalige Resi¬

denzstädte, da dort Afrikaner - als Mitglieder des Hofstaats ("Kammer-" und "Hof¬

mohren", Pauker, Trompeter etc.) - zahlreicher in Erscheinung treten. Doch bergen auch

Bestände in zunächst kaum interessant erscheinenden Orten mitunter Schätze. Dies

verdeutlicht der oben (in 2.) behandelte Eintrag zu Friedrich Dick aus dem Jahr 1822 im Taufbuch der Christuskirche in Lindau-Aeschach.

" Fussenegger: op. cit. 1660 (dieses und die folgenden op. cit alle Anm. 20), S. 24; Urisperger: op. cit, S. 4, 6; Alers: op. cit, S. 14; Beyer: op. cit, S. 7, 19; Neumarm: op. cit, S. 20, 24.

Fussenegger: op. cit 1660 (dieses und die folgenden op. cit alle Anm. 20), S. 18; Von Lilien: op. cit, S. 12; Urisperger: op. cit., S. 9; Alers: op. cit, S. 18; Beyer: op. cit, S. 34; Neumann: op. cit, S. 3, 4 u.a.

Fussenegger: op. cit 1660 (dieses und die folgenden op. cit Anm. 20), S. 16; Von Lilien: op. cit, S. 23-26; Urisperger: op. cit, Alers: op. cit, S. 13; Beyer: op. cit, S. 39.

Von Lilien: op. cit (dieses und das folgende op. cit Anm. 20), S. 21; Urisperger: op. cit, S. 21.

*» Vgl. hierzu vor allem U. Sadji: Der Negermythos am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland. Eine Analyse der Rezeption von Reiseliteratur über Schwarzafrika. Frankfurt am Main u. a. 1979; K.-H.

Kohl: Entzauberter Blick. Das Bild vom Guten Wilden und die Erfahrung der Zivilisation. Frankfurt am Main 1986; P. Martin: ^hwarze Teufel, edle Mohren. Afrikaner in Bewußtsein und Geschichte der Deutschen. Hamburg 1993.

(9)

Leitung: Jorinde Ebert (Würzburg)/ Annette Hagedom (Mainz)

Folgende Vorträge waren in der Sektion angekündigt:

Joachim Gierlichs (Beriin): Timuridische Holzausstattungen in Iran und Mittelasien. Ein Vorbericht über ein neues Projekt zur islamischen Kunstgeschichte.

Rudolf H. W. Stichel (Darmstadt): Der Saray des osmanischen Großvezirs Sokollu Mehmet Pa§a in Istanbul.

Markus Ritter (Bamberg): Zu einem Problem der umayyadischen Kunstgeschichte.

Barbara Finster (Erlangen): Hira und die Architektur der Bädiya.

Annette Hagedorn (Mainz): Aimähemng an das Fremde: Bildliche Wiedergabe und

Interpretation islamischer Kunst in europäischen Publikationen des 19. Jh.s.

Dörte Zbikowski (Marburg): Altägypten in der europäischen Kunst: Das Beispiel Paul Klee.

Reingard Neumann (Berlin): Gewebedarstellungen in der qajarischen Malerei - Realität oder Stilmittel?

Burchard Brentjes (Berlin): Miniaturen zur mongolischen Eroberung von Bagdad und die Biographie des Kuo K'an.

Syrinx Hees (Bonn): Der Münchener Qazwini von 1280 - ein mongolisches Werk?

Magdalena von Dewall (Heidelberg): Darstellung und Vorstellung in der archaischen Bronzekunst von Dian (SW-China) als Spiegelung eriebter Wirklichkeit.

Margarete Prüch (Geisenheim): Zum Dekor eines Sarges aus Grab 1 von Hunan,

Changsha, Mawangdui.

Ursula Toyka-Fuong (Bonn): Pala - Stilelemente in der Wandmalerei von Dunhuang.

Jorinde Ebert (Würzburg): Teegerät und Keramik aus der Sammlung Alexander von

Siebolds.

Hans- JORGEN Cwik (Hamburg): Künstlerische Begegnung zwischen Ostasien - insbesondere China - und Europa/Amerika in diesem Jahrhundert, verdeuüicht an vier Beispielen der Malerei und Graphik.

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Förderpreis "Innovative Entwicklungen und therapeutische Ansätze bei altersbezogener Makuladegeneration“ gestiftet von Novartis Pharma GmbH..

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Bei einer Versorgungsanpassung in 2003 beträgt der Korrekturfaktor des ermittelten Ruhegehaltssatzes 0,99375, entsprechend fällt er in 2004 auf 0,98750 und erreicht dann nach